Die Energiewende darf nicht durch verkappte Verbrauchssteuern finanziert werden. Die Alternative heißt EEG-Soli
Die Verbindung der ökologischen mit der sozialen Frage, Standardforderung aller Linken, ist kein Selbstläufer. Dies zeigt das Scheitern des Berliner Energie-Volksbegehrens. Im westlichen Spandau und im östlichen Marzahn-Hellersdorf, beides Bezirke mit Hochhaussiedlungen und sozialen Brennpunkten, erhielt das Volksbegehren die geringsten Zustimmungswerte. Das erfolgreiche Wasser-Volksbegehren hingegen warb mit sinkenden Wassergebühren und konnte in beiden Bezirken das nötige Quorum erreichen.
Ein Blick in die Programmatik des Energietisches bietet Anhaltspunkte für die knappe Niederlage. Zwar wurde versprochen, dass das neue Stadtwerk die «Energiewende sozial gestalten» werde, doch bei Lichte betrachtet war das Versprechen vage. Stromsperren sollten vermieden und die Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte gefördert werden. Keine Rolle spielte die Frage, ob der ökologische Strom der neuen Stadtwerke günstiger sein würde als der Kohle- und Atomstrom von Vattenfall (was in einem liberalisierten Strommarkt kaum realisierbar ist). Auch die Forderung nach einer Rekommunalisierung des Stromnetzes wurde nicht sozial eingebettet. Ein Anknüpfungspunkt hätte möglicherweise sein können, die Netzgebühren dadurch sinken zu lassen, dass sich das Land Berlin günstiger refinanziert und Gewinnabführungen reduziert.
Da in der medialen Kommunikation die soziale Komponente hinter die ökologische Intention zurücktrat, begeisterten sich in erster Linie ökologisch orientierte Mittelschichten für das Volksbegehren. Nichtakademische Geringverdiener sahen offenkundig kaum Vorteile. Vielleicht spürten sie auch, dass ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt wurde. Denn umfangreiche Investitionen ins Berliner Netz, um dezentralen Strom aus erneuerbaren Energien aufzunehmen und auch zu speichern – wie sie das Volksbegehren gefordert hat – können die Netzumlage schnell in die Höhe treiben.
Das EEG produziert eine soziale Schieflage
Technologischer Wandel erfordert hohe Investitionen, das ist eine simple Erkenntnis und gilt auch für die Energiewende. Damit die Erneuerbaren Energien trotz eines geringeren Effizienzgrades am Markt bestehen, erhalten sie hohe Subventionen und eine Abnahmegarantie. Nur so war es möglich, dass ihr Anteil am Stromverbrauch in nur zehn Jahren von 7,8 (2002) auf 22,9 Prozent (2012) stieg. Über 40 Länder haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Vorbild für eigene Regelungen genommen. Trotz dieser beeindruckenden Erfolgsgeschichte verweisen wirtschaftsliberale Kritiker auf die Effizienzverluste der Förderung. Durch die garantierten Vergütungssätze werden die Anlagen nämlich nicht primär dort gebaut, wo die Sonne am längsten scheint oder der Wind am stärksten weht. Dieses Prinzip begünstigt kleine und dezentrale Anlagen und macht den vier Strom-Oligopolisten das Leben schwer. Sie schreien daher „Planwirtschaft“ und haben so Unrecht nicht. Doch gibt es in der Energiewirtschaft „freie Märkte“? Jahrelang kontrollierten die „Big Four“ den Markt und realisierten Extraprofite, indem sie enorme Effizienzgewinne nicht an die Kunden weiterreichten. Auch die Netze unterliegen im Rahmen der Anreizregulierung einer staatlichen Preiskontrolle und nur ein geringer Teil des Stroms wird überhaupt an der Strombörse gehandelt. Und vergessen wir nicht, dass das marktliberale Gegenmodell, der CO2-Emmissionsrechtehandel, bisher kläglich gescheitert ist.
Es gibt demnach gute Grunde am Subventionsmechanismus fest zu halten, wäre da nicht die regressive Verteilungswirkung. Denn der Ausbau der Erneuerbaren Energien, vom ökologischen Milieu romantisierend verklärt, ist ein kapitalistisches Geschäft wie jedes andere auch. Wer in den vergangenen Jahren Anlagen auf dem eigenen Grundstück installierte, günstige KfW-Kredite mitnahm und dank hoher Einkommen die steuerlichen Abschreibungen nutzte, konnte Eigenkapitalrenditen von über 25 Prozent erzielen. Das schaffte nicht einmal die Deutsche Bank in der Hochphase der Finanzmarktspekulation. Das EEG ermöglicht den Vermögenden so eine beträchtliche risikolose Rendite, zur Kasse gebeten werden aber alle Verbraucher. In Folge dieser Goldgräberstimmung stieg die EEG-Umlage zwischen 2002 und 2014 pro Kilowattstunde von 0,41 Cent auf 6,24 Cent.
Würde die EEG-Umlage, wie alle anderen Subventionen auch, aus dem Staatshaushalt getragen (wie aktuell beim Kohlepfennig), liefen die Versuche der niedergehenden Strom-Oligopolisten, die EEG-Umlage anzugreifen, in Wahrheit aber die Energiewende zu meinen, ins Leere. Stattdessen fällt die Kampagne in der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Denn die steigende EEG-Umlage vergrößert die verteilungspolitische Schieflage. Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen , dass bei einer EEG-Umlage in Höhe von 5,3 Cent (die hierauf bezogene Umsatzsteuer ist nicht einmal berücksichtigt) die ärmsten 5 Prozent der Bevölkerung 1,24–1,52 Prozent ihres Nettoeinkommens dafür ausgeben, die reichsten 10% hingegen nur 0,25–0,28 Prozent. Und das, obwohl die reichsten 10 Prozent pro Kopf mehr Strom verbrauchen als die ärmsten 5 Prozent (DIW Wochenbericht 41/2012).
Um die Energiewende sozial zu gestalten, fordert die Linkspartei daher die Einführung eines kostenlosen Strom-Grundkontingents und eines daran anschließenden progressiven Tarifverlaufs. Für jedes Haushaltsmitglied soll es ein weiteres Freikontingent geben. Das hört sich gut an, doch liegt die Tücke im Detail. Da Grund- und Freikontingente über den progressiven Tarifverlauf finanziert werden, würden so jeder mit überdurchschnittlichem Verbrauch belastet. Doch wer mehr als der Durchschnitt verbraucht, verschwendet nicht unbedingt Strom. So erfolgt die Warmwasseraufbereitung in vielen Haushalten per Strom, in manchen sogar die Heizung. Der bürokratische Aufwand zur Berücksichtigung der Haushaltsgröße, der Herausrechnung der Warmwasseraufbereitung und einer Nachtspeicherheizung wäre immens. Das Modell kann auch nur funktionieren, wenn jeder Stromtarif die gleichen Freibeträge offeriert, da ansonsten die Kunden mit höherem Verbrauch in die normalen Tarife flüchten und die Umverteilung kollabiert. Ob dieser Eingriff rechtlich zulässig wäre, ist mehr als zweifelhaft. Und eine Umverteilungswirkung zwischen den Klassen fände auch nicht statt, da der Mehrverbrauch der Wohlhabenden – auch durch energieeffizientere Geräte – zu gering ist.
Wie wirkt der EEG-Soli?
Die ehemalige Linksfraktion im Landtag NRW hat daher 2011 ein alternatives Modell, den EEG-Soli, entwickelt. Diese Forderung wurde von der Landespartei in das NRW-Landtagswahlprogramm 2012 übernommen. Dort heißt es: «Die Kosten der anstehenden Energiewende (Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und Netzausbau) müssen entsprechend dem Vorbild des Solidaritätszuschlags nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip steuerfinanziert werden. Es kann nicht angehen, dass die alleinerziehende ALG-II-Empfängerin in Gelsenkirchen die Solaranlage des Professors in Heidelberg finanziert.»
Die Idee dahinter: Als Jahrhundertprojekt darf die Energiewende nicht durch Umlagen, also verkappte Verbrauchssteuern, finanziert werden. Vorbild des EEG-Soli ist der Solidaritätszuschlag, der aktuell 5,5 Prozent beträgt und als prozentualer Aufschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld erhoben wird. So wird die progressive Wirkung des Einkommensteuertarifs genutzt und zudem werden die Gewinne der Kapitalgesellschaften einbezogen. Hinzu kommt, dass im Solidaritätszuschlagsgesetz eine soziale Komponente eingebaut ist: Wer kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, ist von der Steuerpflicht ausgenommen. Zwar gibt es im deutschen Haushaltsrecht keine Zweckbindung der Einnahmen, formal flösse der EEG-Soli also in den allgemeinen Staatshaushalt, doch kann der Bund im EEG problemlos eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Der Steuersatz würde – analog der Festsetzung der EEG-Umlage – regelmäßig im Rahmen des Jahressteuergesetzes angepasst, so dass exakt die nötigen Subventionen gedeckt werden. Da beim EEG irgendwann der Gipfel der Förderung mit zunehmender Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird, wäre der EEG-Soli (im Unterschied zum gegenwärtigen Solidaritätszuschlag) die erste automatisch auslaufende Steuer. Steuererhöhungen – etwa bei der Körperschaftsteuer – würden zu einer Senkung des EEG-Soli-Satzes führen.
In einer Studie hat das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) auf Basis einer EEG-Umlage in Höhe von 5 Cent für das Jahr 2013 und unter Berücksichtigung der Umsatzsteuerausfälle einen Finanzierungsbedarf von etwa 18–19 Mrd. Euro berechnet. Um diesen Betrag ansatzweise (17,6 Mrd. Euro) aufzubringen, müsste ein EEG-Soli in Höhe von 7 Prozent erhoben werden. Das IW hat ebenfalls die Verteilungswirkung eines EEG-Soli berechnet. Für die ärmsten 10% der Bevölkerung würde die jährliche Belastung pro Person von 129 auf 2 Euro sinken. Erst in der oberen Hälfte der Einkommensbezieher stiege die Belastung langsam an, bei den reichsten 10 Prozent um 1.076 Euro. Dies entspricht einem Anstieg der Belastung von 0,3 auf 1,79 Prozent des Einkommens. Nicht vergessen werden darf zudem die Belastung der Kapitalgesellschaften.
Die Zusatzkosten für den Netzausbau und für mögliche Reservekraftwerke bzw. Kapazitätsmärkte, die sich in höheren Netzentgelten niederschlagen, sind bei diesen Berechnungen nicht berücksichtigt, könnten theoretisch aber ebenfalls einbezogen werden.
Die Verteidiger der EEG-Umlage verweisen darauf, dass die Nettokosten des EEG geringer seien, weil der preisdämpfende Effekt des EEG-Stroms in Rechnung gestellt werden müsse. Das ist prinzipiell richtig, doch wird der Merit-Order-Effekt von den Lobbyisten meist zu hoch angesetzt und beispielsweise unterschlagen, dass dieser mittlerweile über den Stromexport die Preise im Ausland drückt. Auch eine Rücknahme der stark ausgeweiteten Ausnahmetatbestände für die energieintensive Industrie hätte begrenzte Effekte, da der Großteil der Entlastungen nur auf ca. 200 der 1.600 begünstigten Unternehmen entfällt und für diese im Gegensatz zu manch befreiter Großbäckerei die Stromkosten der wesentliche Kostenfaktor im internationalen Wettbewerb sind.
Obwohl die Forderung nach einem EEG-Soli von der ehemaligen NRW-Linksfraktion entwickelt wurde (Antrag), fand sie keinen Eingang in die Programmatik der Linken im Bundestag. Erst wurde dort ein weiterer Anstieg der EEG-Umlage in Abrede gestellt, um dann auf die Linie der CSU einzuschwenken und die Senkung der Stromsteuer zu fordern. Zu groß war offenkundig die Furcht, im Öko-Milieu als vermeintliche EEG-Kritiker in Verruf zu geraten. Trotzdem findet die Idee einer Steuerfinanzierung der Kosten der Energiewende zunehmend Anhänger, erfreulicherweise auch in den Reihen der IG Metall und der IG BCE. Aber auch mehrere Industrieverbände, darunter der Gesamtverband Textil und Mode und der Wirtschaftsverband der Stahl- und Metallverarbeitung, sind auf diese Linie eingeschwenkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Linkspartei sich ebenfalls dieser nötigen Debatte öffnet.
*Der Artikel ist bereits am 20.01.2014 in der Tageszeitung „Neues Deutschland“ erschienen.
Tags: EEG, Erneuerbare Energien, Finanzpolitik, Politikbeitrag, Umverteilung
Am 11. Januar 2019 um 08:26 Uhr
Hallo, ich finde es spannend, wie sich die Energien in Zukunft entwickeln. Mit Steuern steuert der Staat schließlich alles. Solaranlagen finde ich genial. Allerdings sind die Anschaffungspreise wirklich nicht billig. Danke für den tollen Blog Beitrag! https://www.fuchs-installationen.at/heizung/solaranlagen/