Eine mehrmonatige, heiß geführte Debatte ist heute vorläufig zu Ende gegangen. Nikolaus Brenders Vertrag als Chefredakteur beim ZDF wird nach März 2010 nicht verlängert. Damit hat sich die schwarze Mehrheit im Verwaltungsgremium des Senders schließlich durchgesetzt. Eine Quoten-Frage für die einen, eine Qualitätsfragefür die anderen – die Causa Brender ist aber schließlich vor allen Dingen eine Frage der politischen Kultur und nicht zuletzt der Demokratie.
Eine mehrmonatige, heiß geführte Debatte ist heute vorläufig zu Ende gegangen. Nikolaus Brenders Vertrag als Chefredakteur beim ZDF wird nach März 2010 nicht verlängert. Damit hat sich die schwarze Mehrheit im Verwaltungsgremium des Senders schließlich durchgesetzt. Eine Quoten-Fragefür die einen, eine Qualitätsfragefür die anderen – die Causa Brender ist aber schließlich vor allen Dingen eine Frage der politischen Kultur und nicht zuletzt der Demokratie.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Verwaltungsrat legal gehandelt hat, als er heute in Berlin mit 9 zu 5 Stimmen gegen die Vertragsverlängerung entschieden hat. Aber insbesondere vor dem Hintergrund der lang ausgebreiteten Auseinandersetzung über diese Personalie in den vergangenen Monaten ist damit zwar eine Personalfrage geklärt, das Verhältnis von Medien, Politik und öffentlicher Meinungsbildung jedoch steht jetzt mehr denn je zur Debatte.
Berlusconisierung und Leeierung?
Verblüffend ist eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit Vorgängen in Südkorea. Dort stehen sich Rechtskonservative und Liberale (und Progressive) seit eineindhalb Jahren in den immer tiefer werdenden Gräben medienpolitischer Auseinandersetzungen gegenüber. Insofern ist auch das plötzliche, überraschende Echtzeit-Interesse der südkoreanischen Medien für den Fall Brender sehr verständlich.
Im Sommer 2008, knapp ein halbes Jahr nach der Machtübernahme des rechtskonservativen PräsidentenLee Myung-Bak, machte die neue Regierung ihre Wahlversprechen wahr und begann damit, einen Intendanten nach dem anderen gegenregierungstreue auszuwechseln.
Nachdem der Chef-Intendant des Nachrichtensenders YTN im Juli des Jahres durch eine Blitz-Vollversammlung der Aktionäre innerhalb weniger Minuten und unter Schutz eines Großaufgebots privaten Sicherheitspersonals ausgewechselt worden war, folgte im August desselben Jahres sein Kollege beim halbstaatlichen Sender KBS – dem Brender-Pendant.
KBS (Korea Broadcasting System) ist in seiner Rolle und Bedeutung in etwa mit der ARD oder dem ZDF vergleichbar, wenn auch rechtlich gesehen leicht anders konstituiert.
Abgebrüht – „Gleichschaltung der Medien“
Ein Tsunami der Entrüstung schwappte über das Land. Angefangen mit den Gewerkschaften derbeiden Sender und anderer Medieneinrichtungen bis hin zur Opposition und großen Teilen der Zivilgesellschaft protestierte man auf das Schärfste gegen die neue Medienpolitik Präsident Lees – dem „Bulldozer“.
Bereits im März 2008 gingen die Mediengewerkschaften auf die Barrikaden, weil die neue Regierung den Vorsitz derKorea Communications Comission (EKCC) an einen Vertrauten desPräsidenten, Choi Si Jung, übergeben wollten.
Die EKCC ist ein demPräsidenten direkt unterstellter Fernsehaufsichtsrat, der im Januar desselben Jahres reformiert wurde, wodurch ihm unter anderem die Befugnis zugesprochen wurde, auf Lizenzvergabe und Personalentscheidungen Einfluss auszuüben.
Allein diese Gesetzesreform, die von der mehrheitlich imParlament vertretenen rechtskonservativen Hannaradang (GNP – Grand National Party) durchgesetzt wurde, führte bereits zu großen Protesten. Als dann auch noch Choi, Freund Lees älteren Bruders aus Studententagen und politischer Mentor des Präsidenten, zum Vorsitzenden dieser neu erstarkten Institution wurde, war für die Opposition klar, die neue Regierung versuche systematisch, die Medien für ihre Zwecke zu übernehmen, dassheisst gleichzuschalten.
Der koreanische Brender: Jeong Yeon Ju
Doch solange das Verhältnis derMitglieder des Verwaltungsrates von KBS nicht mehrheitlich regierungsfreundlich war, würde es keinen legalen Weg geben, Jeong Yeon Ju, den bis dahin amtierenden Chef-Intendanten des Senders, aus seinem Amt zu heben.
Erst abenteuerliche Aktionen verschiedener Regierunginstitutionen haben mutmaßlich dafür gesorgt, dass auch in dieser demokratischen Institution das neutrale Gleichgewicht einseitig ins Wanken geriet. Schließlich wurde ein entscheidendes Mitglied des Verwaltungsrates ausgewechselt. Damit hatten die rechtskonservativen Kräfte auch hier das nötige Übergewicht, um die Personalie für sich zu entscheiden.
Somit war die Entscheidung legal und rechtens. Zumindest solange bis das Gegenteil bewiesen wurde. In mehreren Fällen gab es nachträglich gerichtliche Entscheidungen, die die Methoden der neuen Regierung bei der rigorosen Durchsetzung ihrer Medienpolitik als illegal, teilweise sogar verfassungswidrig bezeichneten.
Da jedoch bereits vollendete Tatsachen geschaffen wurden, haben diese Entscheidungen vorerst nur symbolischen Charakter. Im Zusammenhang mit weiteren jüngsten Entwicklungen im medienpolitischen Bereich ist dies umso besorgniserregender.
Ganz schön ausgekocht – Koreanisierung made in Germany?
Zurück nach Deutschland. Hier gab es keine vergleichbaren Manipulationen und auch über den neuen Chefredakteur des ZDF ist noch längst nicht entschieden. Somit stellt sich die Situation im Konkreten doch sehr anders dar. Das sich im Entscheidungsprozess gezeigte grundsätzliche Problem der Medienfreiheit bzw. Unabhängigkeit der Medien als Grundpfeiler („vierte Gewalt“) eines demokratischen Rechtsstaates jedoch zeigt sich in Südkorea und Deutschland in frappierender Ähnlichkeit.
Die von der Bundesfraktion der Grünen angestoßene Normenkontrollklage beimVerfassungsgericht ist nun vielleicht tatsächlich die einzige Möglichkeit, herauszufinden, ob es sich bei dieser Medienpolitik um eine Berlusconisierung, Leeierung oder eben eineVersion ganz anderer Qualität (Made in Germany) handelt.