Südkorea: Präsidentin Park Geun Hye ein Jahr im Amt

Hannes B. Mosler

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Ungefähr ein Jahr ist vergangen seit der Amtseinführung der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye (Pak Kŭn-hye) am 25. Februar 2013. Park ist die erste weibliche Besetzung des höchsten politischen Amtes in der Geschichte der Republik Korea (Südkorea). Es ist auch das erste Mal, dass ein Nachkomme eines früheren Präsidenten in das Amt gewählt wurde. Ihr Vater war der frühere Militärdiktator Park Chung Hee (Pak Chŏng-hi).[1] Er regierte das Land 18 Jahre lang mit eiserner Faust, nachdem er sich 1961 an die Macht geputscht hatte. 1979 wurde er von seinem Geheimdienstchef erschossen. Seine Frau war 1974 bei einem Attentat ums Leben gekommen und Park Geun Hye hatte die Rolle der First Lady übernommen. So lernte die 1953 geborene Park das Politikgeschäft schon in jungen Jahren. 2013 ist die 62-jährige Rechtskonservative in die Fußstapfen ihres Vaters getreten.

Die Bilanz nach den ersten zwölf Monaten – die einmalige Amtszeit beträgt fünf Jahre – fällt durchwachsen aus. Bisher hat sie so gut wie keines ihrer zentralen Wahlversprechen eingelöst. In der Öffentlichkeit erschien sie meist nur, wenn über ihre Auslandsreisen, ihre Staatsbanketts im Präsidentenpalast oder einer ihrer Termine in einem Kindergarten, einer Berufsschule oder auf einem Wochenmarkt berichtet wurde. Zu aktuellen Fragen äußerte sie sich selten; und wenn, dann nur, um jegliche Kritik als ungerechtfertigten Angriff zurückzuweisen. Selbst ihre eigene Partei, die rechtskonservative Saenuridang (Neue Welt Partei – NWP), scheint häufig irritiert. Seit der Amtseinführung haben sich ehemals treue Berater von ihr abgewendet und werfen ihr mangelnde Professionalität vor. Ihre Umfragewerte in der Bevölkerung haben ebenfalls merklich abgenommen. Ende November vergangenen Jahres folgten die ersten vereinzelten Forderungen aus dem Volk, sie solle abtreten.

Die Tochter des Diktators wird Präsidentin

Park Geun Hye gewann die Präsidentenwahlen im Dezember 2012, nicht obwohl, sondern weil sie die Tochter des Militärdiktators Park Chung Hee ist. Der schwache Wahlkampf des Oppositionslagers tat sein Übriges. Dennoch ist die Frage berechtigt, warum wurde die Tochter eines Diktators in einem seit zweieinhalb Dekaden demokratisierten Land von der Mehrheit der Wähler (51,5 Prozent) zur Präsidentin gewählt? Hauptgrund ist die Tatsache, dass in Südkorea die Gegenwartsgeschichte noch in einem verhältnismäßig geringen Maße aufgearbeitet werden konnte. Historisch ist dies auf die Situation der Teilung zurückzuführen, die sowohl Resultat zweier heißer Kriege (Asien-Pazifik- bzw. Zweiter Weltkrieg und Koreakrieg) als auch des Kalten Krieges ist. Der Koreakrieg hat für die Konservierung der ideologischen Spannungen und Spaltungen gesorgt, die sich nach der Befreiung aus der japanischen Kolonialherrschaft und unter Eindruck der Interessen der Großmächte Bahn gebrochen hatten. Während in Nordkorea ein totalitäres Regime Einzug fand, das keinerlei Konkurrenz in Sachen Systemideologie zuließ, gab es im Süden von Anfang an Widerstand gegen die autoritäre Regierung und einen Kampf für Demokratie. Nach der formalen Demokratisierung 1987 folgte Ende der 90er Jahre mit der Kim Dae Jung-Administration (1998-2003) schließlich der erste friedliche Regierungswechsel. Die nachfolgende Regierung unter Roh Moo Hyun (No Mu-hŏn; 2003-2008) führte die progressiv-liberale Politik fort. Erst mit dem erneuten Regierungswechsel zur rechtskonserva-tiven Regierung von Lee Myung Bak (Yi Myŏng-bak; 2008-2013) wurde die „politische Uhr [wieder] zurückgedreht“.[1] Als Resultat jahrzehntelanger Diktatur sind Politik und Gesellschaft jedoch immer noch dominiert von rechten, reaktionären Kräften, die einer weitreichenden Aufarbeitung der Geschichte entgegen-stehen. Ein nicht unwesentlicher Teil davon steht dem Regierungslager nahe und hat immer noch großen Einfluss auf die Politik.

In der Bevölkerung hatte Park bereits Jahre vor der Präsidentenwahl eine solide Zustimmung von 30 bis 40 Prozent. Ihre Familiengeschichte war ihr größtes politisches Kapital. Viele sehen in ihr entweder ihren Vater Park Chung Hee oder ihre Mutter Yuk Young Soo (Yuk Yŏng-su), die fürsorgliche First Lady, oder beide.[2] Wie ihre Eltern wurde auch Tochter Park Opfer eines Attentats. Bei einem öffentlichen Auftritt vor acht Jahren wurde ihr mit einem Teppichmesser eine elf Zentimeter lange Wunde an der rechten Gesichtshälfte zugefügt. Damals war Bundeskanzlerin Angela Merkel eine der ersten Politikerinnen aus dem Ausland, die Park schriftlich Beistand leistete. Dieser dramatische Vorfall aus dem Jahr 2006 stand im Mittelpunkt des ersten Werbevideos für Parks Präsidentschafts-wahlkampf Ende 2012. Auch damals hatte Merkel ihr noch zwei Tage vor der parteiinternen Nominierungswahl für die Präsidentschaftskandidatur ein Schreiben geschickt, in dem sie ihr und ihrer Partei ausdrücklich Erfolg wünschte. Ein entsprechend großes Medienecho in Südkorea blieb nicht aus. Die beiden Politikerinnen hatten sich bereits einige Jahre zuvor kennengelernt. Zum ersten Mal trafen sie sich 2000, als Park Geun Hye als Mitglied des südkoreanischen Parlamentsausschusses für Wiederverei-nigung, Handel und Außenangelegenheiten nach Deutschland reiste. Seitdem halten Park und Merkel schriftlich Kontakt und trafen mehrmals bei verschiedenen öffentlichen Anlässen in Deutschland und Korea erneut zusammen. Bei ihrem bisher letzten Zusammentreffen im Jahr 2010 wurde Merkel an der Ewha Frauenuniversität die Ehrendoktorwürde verliehen. Noch im Frühling dieses Jahres werden sie sich zum vierten Mal treffen – wieder in Deutschland, aber dieses Mal auf Augenhöhe: von Staatschefin zu Staatchefin. Angela Merkel ist Park Geun Hyes erklärtes Vorbild – neben Margret Thatcher. Häufig wird in der koreanischen Presse darauf hingewiesen, dass Park und Merkel beide biologisch Frauen sind, naturwissenschaftliche Fächer studiert haben (Park studierte Elektrotechnik) und amtierende Staatsoberhäupter. Man könnte noch hinzufügen: Beide haben in ihren jungen Jahren in einer Diktatur gelebt, wenn auch mit sehr verschiedenen Rollen. Merkel wuchs als Tochter eines Pfarrers auf.

In Südkorea verspüren viele, insbesondere ältere Menschen, eine Nostalgie, wenn sie an die Zeit der Diktatur unter Vater Park denken, da sich in diesem Zeitraum das Land schnell entwickelt hat und viele Menschen zu Wohlstand kamen. Erst in den 70er Jahren hatte Südkorea den Systemfeind im Norden wirtschaftlich überholen können. Außerdem ist ein großer Anteil der meisten Südkoreaner, die heute über 60 Jahre alt sind, direkt oder indirekt immer noch stark geprägt vom Koreakrieg, und (damit) nicht zuletzt von der anti-kommunistischen und autoritären Erziehung der vergangenen Dekaden.

Aber es gibt auch viele Kritiker. Sie sehen in Park Geun Hye die Tochter des Militärdiktators, der es mit seiner Herrschaft so weit trieb, dass er schließlich durch seinen eigenen Geheimdienstchef ermordet wurde. Jedoch richtet sich die Kritik nicht an Park als Tochter persönlich, sondern als Tochter und an die gestandene Politikerin, die das Handeln ihres Vaters, des Militärdiktators, rechtfertigt. Erst nach langem Zögern hatte Park sich kurz vor dem Wahltag schließlich doch noch von Parteigenossen überreden lassen, öffentlich Stellung zu beziehen zu den zahllosen Vorwürfen gegen das Vorgehen ihres Vaters. Dabei blieb sie jedoch vage, was die eigentlichen früheren Verbrechen anging und sie schwieg zu der im Raum stehenden Frage, wie sie diese als potentielle Präsidentin beurteilen würde. Es reichte trotzdem, dem Angriff der Opposition die Spitze zu nehmen.

Wahlversprechen vor der Wahl, Wahlversprechen nach der Wahl

In ihrem Präsidentschaftswahlkampf standen Demokratisierung der Wirtschaft, Wohlfahrtsstaatlichkeit und Arbeitsplatz-beschaffung ganz oben auf der Liste der Wahlversprechen. Dadurch, dass sich die rechtskonservative Regierungspartei unter Federführung Parks diese Themen zu Eigen gemacht hatte, nahm vor allem der größten oppositionellen Partei, der Minjudang (Demokratischen Partei – DP) viel Wind aus den Segeln. Viel ist von Parks Wahlversprechen bisher jedoch nicht geblieben. Eine Art Grundsicherungsrente von umgerechnet ca. 140 Euro, die sie allen Bürgern ab dem 65sten Lebensjahr zugesagt hatte, ist praktisch vom Tisch. Auch die kostenlose Betreuung von Kindern bis zum fünften Lebensjahr ist kein Thema mehr. Das Versprechen, Arzt- bzw. Behandlungskosten bei schwer-wiegenden Krankheitsfällen vom Staat übernehmen zu lassen, wurde nicht eingelöst. Und von der versprochenen Senkung der Studiengebühren war nach der Wahl auch nichts mehr zu hören. Schließlich verwässerte Park auch die groß angekündigte „Demokratisierung der Wirtschaft“. Parks ehemaliger diesbezüglicher Chefideologie und Wahl-kampfhelfer Kim Chong In (Kim Chong-in) hat sich deshalb im Nachhinein bereits mehrmals deutlich kritisch von ihr distanziert.

Bei der Bilanz von Parks Außenpolitik und Diplomatie gehen die Meinungen ein wenig auseinander. Ihre sales diplomacy bei ihren zahlreichen Auslandreisen wird ihr in Teilen positiv angerechnet. In ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos erklärte sie ihre Idee einer „kreativen Ökonomie“ u.a. damit, staatliche Regulierung „flächendeckend abzubauen“.[3] Ausländische Investoren lädt sie immer wieder nachdrücklich ein und versichert, dass sie persönlich für gute Bedingungen sorgen werde. Ebenso schätzen viele Beobachter auch im Ausland Parks Haltung gegenüber Nordkorea, da sie trotz der Dauerkrise in den Beziehungen zum Bruderstaat immer Gesprächsbereitschaft gezeigt habe. Tatsächlich hat Park – anders als ihr Vorgänger – politische Fragen von humanitären Hilfeleistungen an Nordkorea entkoppelt. Ihre mit Nachdruck angekündigte trust policy[4] macht sie immer noch davon abhängig, ob Nordkorea sein Atomprogramm aufgibt. Viele Beobachter sehen hierin einen Widerspruch, denn es ist ja gerade das Vertrauen, um welches es Nordkorea geht und weshalb es mit seinem Atomprogramm pokert. Außer der Wiederinbetriebnahme des Kaesong Industriekomplexes Mitte September vergangenen Jahres hat sich deshalb in den innerkoreanischen Beziehungen wenig getan; sie bleiben stark unterkühlt.

Ähnlich verhält es sich mit den Beziehungen zu Japan. Park hatte nach ihrem Amtsantritt Anfang 2013 als erstes Land die USA besucht, danach China. Sie reiste zum G20-Gipfel nach Russland, besuchte Vietnam und nahm in Indonesien am APEC-Gipfel teil, machte einen Abstecher nach Brunei und traf sich mit den ASEAN-Vertretern. Im Januar 2014 flog Park nach Indien und in die Schweiz, wo sie auch am Weltwirtschaftsgipfel teilnahm. Ein Zusammentreffen mit dem japanischen Staatsoberhaupt ist bisher jedoch ausgeblieben. Die offizielle Begründung ist die Haltung Japans zu Fragen des Umgangs mit der Geschichte und Territorialkonflikten, die zwischen den beiden Ländern stehen.[5] Kurz vor Silvester 2013 hatte es sich Park nicht nehmen lassen, in einem sehr harten Ton den Besuch des Premierministers Abe Shinzo beim Yasukuni-Schrein, indem auch Kriegsverbrecher der Klasse A beigelegt sind, zu kritisieren.[6] Japan solle nicht alte Wunden aufreißen.[7] Schon früher hatte sie deutlich gemacht, dass erst ein grundlegender Wandel Japans in Sachen Geschichtsaufarbeitung voraus-gehen muss, wenn sich die bilateralen Beziehungen und die regionale Politik in Nordostasien positiv ändern sollen. Die Mehrheit der südkoreanischen Beobachter stimmen Park in der Sache zu, bewertet ihren undiplomatischen Umgang jedoch als problematisch. Denn auch hier – wie im Fall Nordkoreas – macht Park fundamentale Zugeständnisse des Gegenübers zur Voraussetzung für die Aufnahme eines Dialogs, durch den dann später das nötige Vertrauen aufgebaut werden soll.

Problematisch ist auch, dass Park mit zweierlei Maß zu messen scheint. Denn während sie Japan Geschichtsklitterung vorwirft und davon alles abhängig macht, lässt sie die neuere Geschichte Südkoreas ebenso ungeklärt und offen für Fehlinterpretationen. Das Bildungsminis-terium vergab jüngst die Zulassung für ein stark umstrittenes Schulbuch für den Geschichtsunterricht in der Oberstufe, in dem die japanische Kolonialzeit, Kollaboration mit den Besatzern und die Militärdiktatur in Teilen beschönigt wurde. Die New York Times schrieb dazu, Park Geun Hye wolle die Kollaboration von Koreanern mit den japanischen Behörden herunterspielen und habe das Bildungs-ministerium dazu veranlasst, dieses neues Schulbuch zu zertifizieren.[8] Der Leitartikel erklärt die Motivation damit, dass die Mehrzahl der heutigen Bürokraten des Landes aus Familien stammen, die mit den Kolonialherren zusammengearbeitet hätten. Dass sich in ganz Südkorea nur eine von rund 1800 Schulen fand, die sich für das umstrittene Schulbuch als Lehrmaterial entschied, zeigt, wie fern ab vom Volk das Regierungslager mit seinen ideologischen Vorstellungen ist. Dass Parks jüngere Schwester Mitglied des Direktoriums dieser Schule ist, erklärt den Rest.

Regierungsumbildung: Hyper-Präsidentialismus und Militär-zuerst-Personalpolitik

Das präsidentielle Regierungssystem Südkoreas verleiht der Präsidentin weitreichende Befugnisse bzw. lässt Raum für eine Auslegung zum „Hyper-Präsidentialismus“. Park nutzt dieses Potential, um ihr Amtsverständnis in die Praxis umzusetzen. Das zeigt sich sowohl an der Art, wie sie die Regierungsorganisation umstrukturierte als auch daran, mit wem sie die wichtigsten Ämter besetzte. Nach der Regierungs-umbildung unterstehen der Präsidentin seit Anfang 2013 neben dem Büro der Präsidentin (BdSP), vergleichbar mit dem Bundeskanzleramt, nun zwei weitere Präsdialbüros mit Ministerialrang. Das Büro für Sicherheit der Präsidentin (BfSP) und das Büro für Nationale Sicherheit (BfNS) wurden zu Oberen Regier-rungsbehörden aufgewertet. Erklärt wurde diese Maßnahme mit dem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis Parks. Dem BfNS wurde als Reaktion auf die Hinrichtung Jang Song Thaeks (Chang Sŏng-t’aek) Mitte Dezember 2013 in Nordkorea[9] der Ständige Ausschuss des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) unterstellt. Weitere wichtige Obere Regierungsbehörden, die dem Präsidenten-amt seit jeher direkt unterstehen, sind der Geheimdienst (NIS) und der Rechnungshof (BAI).

Auffällig an der Personalpolitik Parks ist, dass sie fast ausnahmslos auf Personen zurückgreift, die in einer vertrauens-würdigen Beziehung zum Regime ihres Vaters stehen, bzw. die sie bereits lange kennt und/oder solche, von denen sie sicher sein kann, dass sie Anweisungen befolgen. In einer Art ‚Militär-zuerst‘-Personalpolitik besetzte Park Geun Hye wichtige Ämter – Verteidigungsminis-terium, Büro für Nationale Sicherheit, Büro für Sicherheit der Präsidentin, Geheimdienst – mit ehemaligen Vier-sternegenerälen, die ihre Soldatenkarriere während der Diktatur in den 70er Jahren begonnen hatten. Wirtschaftsminister wurde Hyeon O Seok (Hyŏn O-sŏk), Ökonomon und Verwaltungswissen-schaftler, der bereits unter Vater Park Chung Hee mit an der Schaffung des letzten Fünf-Jahres-Wirtschaftsplans 1978 beteiligt gewesen war. Kritik an ihm wurde jedoch laut, weil er sich öffentlich gegen die Ausweitung der Wohlfahrtspolitik aussprach, wie sie noch während des Wahlkampfes von Park Geun Hye propagiert worden war. Jüngst wurden erste Rücktrittsforderungen laut, als Hyeon sich in der Folge eines riesigen Datenklau-Skandals bei mehreren Banken verständnislos und abfällig über die besorgten und wütenden Kunden geäußert hatte.

Auch Justizminister Hwang Kyo Ahn (Hwang Kyo-an) steht in der Kritik. Er machte in den 70er Jahren unter Park Chung Hee Karriere als Staatsanwaltschaft in der Abteilung für Kommunismus-bekämpfung. Außerdem gehört Hwang zu insgesamt fünf Ministern, die sich bei der für die Ernennung obligatorischen Befragung durch einen Parlaments-ausschuss nicht eindeutig zum Militärputsch von Parks Vaters geäußert haben. Die Putschisten unter der Führung von General Park Chung Hee hatten sich damals selbst als „Revolutio-näre“ bezeichnet, um ihren Umsturz zu legitimieren. Spätestens seit der ersten Zivilregierung unter Kim Young Sam (Kim Yŏng-sam; 1993-1998) wird der Coup d`Etat in Schulbüchern offiziell als „Militär-putsch“ bezeichnet. Auch das Verfas-sungsgericht hat in mehreren Entschei-dungen (1993, 1995, 2003) explizit argumentiert, dass es sich damals um einen „Militärputsch“ gehandelt habe. Park Geun Hye hatte seit Ende der 80er Jahre jedoch  immer wieder öffentlich davon gesprochen, dass es sich damals um die „einzig richtige Entscheidung“ ihres Vaters gehandelt habe. Erst kurz vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr wurde die Kritik so stark, dass sie in einer extra einberufenen Pressekonferenz das damalige Vorgehen als eine Verletzung der Verfassung bezeichnete. Dass ihre Minister sich dennoch davor scheuen, historische Fakten beim Namen zu nennen, lässt erahnen, wie die Präsidentin ihr Verhältnis mit den Ministern interpretiert und umgekehrt.

Mit der Leitung des wichtigen Büros der Präsidentin (BdSP) wurde Kim Ki Choon (Kim Ki-ch’un) betraut. Kim begann seine berufliche Laufbahn Ende der 60er Jahre als Staatsanwalt in der Abteilung für Kommunismusbekämpfung. Er hatte wichtige Posten im berüchtigten Geheimdienst inne und war aktiv an der Ausarbeitung der Yushin-Verfassung Anfang der 70er Jahre beteiligt, die das autoritäre Regime Park Chung Hees in eine noch extremere Diktatur verwandelte. Mitte der 70er Jahre übernahm er wichtige Posten im Geheimdienst und wurde später Sekretär im Präsidentenpalast Park Chung Hees. Nach der Demokratisierung wurde er Parlamentsabgeordneter und war 2003 federführend am umstrittenen (wenn auch schließlich erfolglosen) Amtsenthebungs-antrag gegen den progressiv-liberalen Präsidenten Roh Moo Hyun beteiligt. Als Leiter des Präsidialbüros von Park Geun Hye war einer seiner bisher wichtigsten Amtshandlungen, den Parteiverbotsantrag gegen die Vereinte Progressive Partei (VPP) vorzubereiten (s.u.).

Südkoreas Watergate? – Der Konflikt um die Wahlkampfmanipulation on- und offline

Die bisher größte Herausforderung der Regierung Park ist der Skandal um die illegale Einflussnahme des Geheim-dienstes NIS, der einst von Vater Park geschaffen worden war und dem er schließlich selbst zum Opfer fiel. Der NIS hatte während des Präsidentschafts-wahlkampfes 2012 dem Regierungslager offensichtlich Abschriften von den Aufzeichnungen des Gipfeltreffens zwischen Roh Moo Hyun und Kim Jung Il (Kim Chŏng-il) im Jahr 2007 zugespielt. Im Regierungslager verwendete man diese Informationen, um den Kandidaten der Opposition (Moon Jae In) zu diskreditieren. Die Aufzeichnungen würden belegen, dass Präsident Roh beim Gipfeltreffen dem Norden zusagte, die Entscheidung über die Northern Limit Line (NLL) Nordkorea überlassen zu wollen.[10] Später stellte sich heraus, dass die Abschrift in einigen Details offensichtlich absichtlich verfälscht wurde, um einen solchen Eindruck entstehen zu lassen. Neben dieser böswilligen Fälschung jedoch wiegt umso schwerer, dass der NIS dieses Dokument, das der höchsten Geheim-haltungsstufe unterliegt, der Regierung zugespielt hat.

Der manipulative Eingriff der NIS in den Präsidentschaftswahlkampf hat noch weitere Kreise gezogen. Mitte Dezember 2012 – auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes – war eine Geheimdienst-Agentin in ihrem Apartment aufgeflogen. Dort hatte sie mit mehreren Accounts unter Aliasnamen in einschlägigen Foren und auf anderen Internetseiten mit Kommentaren Stimmung gemacht für Park Geun Hye.[11] Die Staatsanwaltschaft leitete Untersuchungen ein und präsentierte bald Mitschnitte von CCTV-Aufnahmen aus den Büros der Polizeiermittler, die den Laptop der Agentin beschlagnahmt hatten. Aus den Bändern war ersichtlich, dass die Ermittler sowohl auf dem Computer der Agentin als auch im Internet Beweise sicherstellen konnten, jedoch von Vorgesetzten Anweisung erhalten hatten, diese Beweise nicht in den zu veröffentlichenden Bericht aufzunehmen. Der damals zuständige Polizeipräsident Seouls musste sich schließlich vor Gericht dafür verantworten.[12] Später stellte sich heraus, dass es ein komplettes Team beim NIS gab, die im Netz gezielt für Park Geun Hye agierten. Das Militär unterhält eine ähnliche Sondereinheit, deren Soldaten damals ebenfalls zum Teil damit beauftragt waren, in einschlägigen Internetforen und auf den Webseiten von Massenmedien Stimmung für die Kandidatin des Regierungslagers zu machen. Auch das Ministerium für Angelegenheiten von Patrioten und Veteranen hat bei Fortbildungsveranstaltungen Videoma-terial vorgeführt, das eindeutig als Werbematerial für die Präsidentschafts-kandidatin Park fungieren sollte.

Als die Untersuchung zur NIS-Affäre mit den Parlamentsanhörungen jedoch in seine heiße Phase kam, wurde der Generalstaatsanwalt, unter dessen Führung alle diese Erkenntnisse ermittelt worden waren, bald Opfer einer Schmieren-kampagne der rechtsreaktionärer Medien. Man beschuldigte ihn, eine außereheliche Affäre und ein aus dieser Beziehung stammendes Kind zu haben. Der Generalstaatsanwalt trat bald darauf zurück. Später stellte sich heraus, dass unter anderem ein Angestellter des Büros der Präsidentin darin verwickelt war, illegal bei Behörden Informationen über den Generalstaatsanwalt eingeholt zu haben. Einer der zentralen Chefuntersucher der Generalstaatsan-waltschaft, der mit den Ermittlungen zur Wahlmanipulation des NIS und des Militärs beauftragt war, musste ebenfalls seinen Hut nehmen. Er hatte nicht nur wichtige Beweise erarbeiten können, die die illegalen Aktivitäten bestätigten, sondern auch offen über die Einflussnahme einiger Vorgesetzter auf den Untersuchungsprozess gesprochen. Er wurde kurze Zeit später von Junistizminister Hwang gemaßregelt mit der Begründung, er habe seinem Vorgesetzten nicht ordentlich Bericht erstattet. Bald darauf wurde er sowie weitere Staatsanwälte schließlich auf Posten in der Provinz versetzt.

Keine Herausforderung geduldet – aus Prinzip exklusiv

Unterdessen hatte die Regierung Anfang November beim Verfassungsgericht einen Antrag eingereicht, die T’onghapjin-bodang (Vereinte Progressive Partei – VPP) zu verbieten. Die Begründung: sie würde die Interessen Nordkoreas vertreten und hätte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen. Die VPP ist die Nachfolgepartei der Minjunodongdang (Demokratische Arbeiterpartei – DAP), die 2004 als erste links-progressive Partei in der Geschichte Südkoreas den Sprung ins Parlament schaffte. Derzeit hat sie sechs von 300 Sitzen im Parlament inne. Die Hauptnachrichtensendung des Kabelfern-sehsenders JTBC berichtete noch am Tag der Antragsstellung ausgiebig über den Fall. In einem Studiointerview kam Abgeordnete der VPP lange zu Wort und konnte den Standpunkt ihrer Partei im Einzelnen darlegen. Dies nahm die staatliche Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen (KOCSC) zum Anlass, den Sender zu rügen und Disziplinar-maßnahmen gegen die Programmgestalter einzuleiten. Dasselbe Schicksal erfuhr auch eine Nachrichtensendung des Radiosenders CBS, in der ein Priester zu Wort gekommen war, der sich kritisch über die Wahlmanipulation durch den NIS geäußert hatte. Vor dem Hintergrund des sich ausweitenden Wahlmanipulations-skandals und der passiven Haltung der Regierung forderte eine Abgeordnete der großen oppositionellen DP Anfang Dezember die Präsidentin offiziell auf, zurückzutreten und sich Neuwahlen zu stellen. Die Regierungspartei beantragte daraufhin, ihr das Abgeordnetenmandat abzuerkennen. Zuvor hatten bereits religiöse Gemeinden und vereinzelt Demonstrationen – auch von Koreanern im Ausland – ihren Rücktritt gefordert. In einer Umfrage Anfang Januar 2014 gaben 60,2 Prozent der Befragten in Bezug auf den Geheimdienst-Skandal an, Park müsse zurücktreten (18,2 Prozent), sich einem Vertrauensvotum stellen (21,9 Prozent) bzw. sich entschuldigen (20,8 Prozent). Nur 32,3 Prozent meinten, dass die Präsidentin nichts zu verantworten habe.[13]

Unterdessen hatte die Regierung Ende Oktober 2013 ein Verfahren eingeleitet, der progressiven Lehrergewerkschaft KTU (Korean Teachers‘ Union) den rechtlichen Status als Gewerkschaft abzuerkennen. Die KTU machte den Fall international publik über Kanäle wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das gewerkschaftlichen Beratungskomitee TUAC bei der OECD. Die südkoreanische Regierung jedoch hält an ihrer Position fest. Seit Mitte Dezember 2013 ging die Staatsgewalt gegen Mitglieder des Gewerkschaftsdachverbandes KCTU (Korea Confederation of Trade Unions) vor. Die Gewerkschaft der Koreanischen Bahngesellschaft KORAIL war in einen Generalstreik getreten, nachdem Pläne der Regierung bekannt geworden waren, die einzig profitable Strecke des Schnellzuges KTX de facto privatisieren zu wollen, und mehrere Verhandlungen diesbezüglich scheiterten. Der daraufhin losebrechende Generalstreik war mit einer Dauer von 22 Tagen längster Ausstand in der süd-koreanischen Geschichte.

Die Bilanz des berüchtigten Nationalen Sicherheitsgesetzes, mit dem auch Park Chung Hee seine Gegner unschädlich gemacht hatte, ist ebenfalls betrüblich. In Park Geun Hyes erstem Amtsjahr wurden mit 118 Personen im Durchschnitt gegen mehr Bürger Ermittlungserfahren auf Grundlage des umstrittenen Gesetzes eingeleitet als in den vergangenen zehn Jahren.[14] In Parks erstem Regierungsjahr ist Südkoreas Pressefreiheit im inter-nationalen Ranking der Reporter ohne Grenzen um sieben Stellen auf Platz 57 gefallen.[15]

Fazit

Park hatte während des Wahlkampfes offensichtlich zweifelnde Bürger davon überzeugen können, dass sie es ernst meinte mit progressiven Vorschlägen für die Wohlfahrtspolitik und Vertrauens-politik. Mit der bisherigen Regierungs-arbeit jedoch hat sich über die alten Zweifel hinaus zusätzliche Skepsis verbreitet. Weder ist es ihr gelungen, aus dem Schatten ihres Vaters herauszutreten, noch konnte sie über ihren eigenen Schatten springen. Park hat sich die Staatsaparatur auf den Leib geschneidert und sich mit treu Ergebenen umgeben, von denen keiner es zu wagen scheint, die Präsidentin über ihre „neuen Kleider“ aufzuklären, wenn dies nötig ist. Kritik der Opposition und der Zivilgesellschaft stoßen bei ihr auf Unverständnis. Selbst der koreanische „Watergate-Skandal“ um die illegale Wahlmanipulation durch zentrale Regierungseinrichtungen hat sie weder zu einer deutlichen Stellungnahme noch zu Gegenmaßnahmen veranlasst. Bei Fragen der Innen- wie Außenpolitik regiert vor allem anderen ihre Prinzipientreue. Auch die Frage-und-Antwort-Runde der bisher einzigen Pressekonferenz seit ihrer Wahl wirkte wie eine Inszenierung, in der Journalisten wie Statisten auftraten. Park möchte nichts dem Zufall überlassen. Umso mehr kann man auf den Ausgang der Anfang Juni anstehenden regionalen Wahlen gespannt sein. Denn das Ergebnis wird als Zwischenzeugnis der Regierung Park Geun Hyes gewertet werden. Die Opposition wird alles daran setzen, der Regierung einen blauen Brief ins Blaue Haus, den Präsidentenpalast, zu schicken. Das Regierungslager wird alle Anstrengungen unternehmen, ihre Präsidentin nach den Wahlen nicht zu einer „lame duck“ werden zu lassen.

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[1] Financial Times, 12.12.2007, https://www.ft.com/cms/s/0/924aedb2-a900-11dc-ad9e-0000779fd2ac.html#axzz2ryH8ytzv (10.01.2014).

[2] Für einen ausführlichen Überblick zu Parks Werdegang bis 2006 siehe Hüstebeck, Momoyo. 2006. „Park Geun-hye: Als Präsidententochter zur ersten Staatspräsidentin Südkoreas?,“ Duisburger Arbeitspapiere Ostasienwissenschaften, No. 66/2006. https://www.uni-due.de/in-east/fileadmin/publications/gruen/paper66.pdf (10.01.2014).

[3] Internetauftritt der Präsidentin, https://english1.president.go.kr/activity/speeches.php?srh[view_mode]=detail&srh[seq]=4355&srh[detail_no]=23 (22.01.2014).

[4] Für einen kurzen Überblick siehe Mosler, Hannes B. und Eric J. Ballbach, „Perspektiven der innerkoreanischen Beziehungen nach den Machtwechseln in Süd- und Nordkorea“, Kultur Korea 2013/2, 53-55.

[5] Zu klären sind u.a. die schwerwiegenden Fragen der koreanischen Sexsklavinnen und die koreanischen Zwangsarbeiter während der japanischen Kolonialzeit sowie der Inselstreit um Dokdo (Liancourt-Felsen).

[6] FAZ, 26.12.2013, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/japan-provoziert-china-abe-besucht-yasukuni-schrein-12727068.html (26.12.2013)

[7] Yonhapnews, 30.12.2013, https://english.yonhapnews.co.kr/news/2013/12/30/37/0200000000AEN20131230004951315F.html (10.01.2014).

[8] New York Times, https://www.nytimes.com/2014/01/14/opinion/politicians-and-textbooks.html?_r=0 (14.01.2014).

[9] NZZ, 13.12.2013, https://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/kim-laesst-seinen-onkel-hinrichten-1.18203845 (10.01.2014). Jang war als Vizevorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission, mit seiner führenden Position in der Arbeiterpartei und durch seine Heirat mit Kim Jong Uns Tante zweiter Mann in der nordkoreanischen Führung. Er fiel in Ungnade und wurde exekutiert.

[10] Die NLL ist die zwischen Nord- und Südkorea hart umstrittene Seegrenze im Westmeer bzw. Gelben Meer.

[11] NZZ, 12.12.2013, https://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/ins-amt-gezwitschert-1.18202760 (10.01.2014).

[12] Er wurde jedoch zum Unverständnis vieler Kritiker schließlich freigesprochen.

[13] Polinews, 08.01.2014, https://www.polinews.co.kr/news/article.html?no=195557 (10.01.2014).

[14] Yonhapnews, 29.12.2013, https://www.yonhapnews.co.kr/society/2013/12/29/0701000000AKR20131229040200004.HTML (10.01.2014).

[15] Siehe Reporter ohne Grenzen, https://rsf.org/index2014/en-index2014.php (13.02.2014); siehe auch Lill, Felix, „Wer zu kritisch ist, landet im Sportressort“, in: Die ZEIT Online, https://www.zeit.de/politik/ausland/2014-02/suedkorea-journalismus-newstapa


[1] Mosler, Hannes B. 2005. „Park Chung Hee. Der lange Schatten des Diktators,“ Korea Forum, Ausgabe 1+2 2005, 37-39.

„Präsidentin Park Geun-hye ernennt ihre Minister und steht wie ihre Bürger vor einer ungewissen Zukunft

– Kommentar zur Regierungsbildung am 11. März 2013

Hannes B. Mosler
Institut für Koreastudien
Freie Universität Berlin

(PDF)

 

Zusammenfassung

  • Das Gros der insgesamt 17 Minister der neuen Regierung wurde offiziell in ihre Ämter eingeführt, die Entscheidungen der ersten Staatsratssitzung muten jedoch populistisch und reaktionär an.
  • Wiederholte ungeschickte Personalentscheidungen der Präsidentin und Tauziehen mit der Opposition über die Gestaltung der Medienpolitik verzögerten die Regierungsbildung.
  • Der Umgang der Präsidentin mit der eigenen Regierungspartei, der Opposition, dem Parlament und den Bürgern erinnert in seiner Einseitigkeit und im autoritären Stil an vergangene Zeiten.
  • Die Themen Arbeit, Politik und Wohlfahrt spielen bei der Präsidentin eine offenbar stark untergeordnete Rolle, auf eine intelligente Nordkoreapolitik kommt es jetzt mehr an denn je.

 

Die neue Regierung tritt an

Gestern, rund drei Wochen nach ihrer Amtseinführung, hat die neue Staatspräsidentin Park Geun-hye ihr Kabinett eingesetzt. Am Vormittag übergab sie im Blauen Haus, dem Präsidentenpalast, 13 ihrer insgesamt 17 Minister ihre Ernennungsurkunden und hielt die erste Sitzung des Staatsrates ab. So viel Zeit hatte ein Präsident in Südkorea noch nicht verstreichen lassen, um die Regierungsmannschaft zu bilden. Die Ursache dafür ist hauptsächlich selbstverschuldet. Das wirft kein gutes Licht auf die neue Präsidentin und sorgt für Befürchtungen bezüglich der kommenden fünf Jahre ihrer Präsidentschaft.

Präsidentin Park hatte im vergangenen Dezember deutlich gegen ihren Herausforderer der Oppositionspartei, Moon Jae-in, gewonnen (siehe „Kommentar zur 18. Präsidentenwahl am 19. Dezember 2012“). Zuvor war sie bereits zwei Mal als Präsidentschaftskandidatin gehandelt worden und hatte Jahre lang Umfragewerte um die 30-Prozent-Marke. Nur Wenige zweifelten daran, dass die Tochter des autokratischen Staatspräsidenten Park Chung-hees diese Wahlen gewinnen würde, auch wenn letztlich 48 Prozent der Wahlgänger nicht für sie gestimmt hatten.

Park hatte sich in den letzten zehn Jahren in und außerhalb der Regierungspartei immer weiter in den Vordergrund gearbeitet und schließlich unentbehrlich gemacht. Sie hatte die Partei mehrere Male aus der Krise geholt, wichtige Wahlen gewonnen und ihr Image als glaubwürdige rechtskonservative Politikerin gepflegt. Spätestens nach ihrer Wahl zur ersten Präsidentin Südkoreas Geschichte begann dieses Bild sich mehr und mehr zu trüben.

In den vergangenen drei Monaten hat sich gezeigt, dass sie einen autoritären Führungsstil pflegt, der dem ihres Vaters ähnelt, was sich in ihren Personalentscheidungen, ihrer Regierungsorganisation und der Schwerpunktsetzung ihrer Regierungspolitik wiederspiegelt. Außerdem scheint sie insgesamt eine weniger „vorbereitete Präsidentin“ gewesen zu sein, als die sie sich den Wählern empfohlen hatte.

Eigene Personalpolitik wirft Präsidentin hinter den Zeitplan zurück

Die Verfassung Südkoreas sieht vor, dass die Kandidaten für die Ministerämter, die formal vom Premierminister der Staatspräsidentin vorgeschlagen und dann von ihr nominiert werden, vom entpsrechenden Ausschuss des Parlaments bestätigt werden müssen. Unter den Kandidaten, die Park Geun-hye nominiert hatte, gab es fast keinen, dem nicht mindestens eines der folgenden unlauteren Praktiken vorgeworfen wurde: Steuerhinterziehung, Immobilienspekulation, Ausmusterung vom Wehrdienst, Dokumentenfälschung, Überbesoldung oder einfach mangelnde Qualifikation. Dem designierten Verteidigungsminister Kim Byoung-kwan wurde sogar vorgeworfen, als Waffenlobbyist für eine Rüstungsfirma tätig gewesen zu sein, nachdem er ehrenvoll aus dem Militär entlassen worden war. Neben diesem Vorwurf stach er in den Medien vor allem wegen der Portraitfotos von Park Geun-hyes Eltern hervor, die er an einer Anhängerkette seines Mobilfunktelefons befestigt hat. Er soll ernannt werden, im Notfall auch, ohne die Bestätigung der Nationalversammlung.

Über den designierten Wirtschaftsminister ist bekannt, dass er bereits unter Park Geun-hyes Vater Park Chung-hee mit an der Schaffung des letzten Fünf-Jahres-Planes 1978 beteiligt war. Kritik an ihm wurde jedoch vor allem laut, weil er sich öffentlich aussprach gegen die Ausweitung der Wohlfahrtspolitik, wie sie noch während des Wahlkampfes von Park Geun-hye propagiert worden war, sowie gegen die Regulierung von Großhändlern, die den Kleinhändlern in den Seitenstraßen der Städte Schwierigkeiten bereiten. Auch ihm wird Steuerhinterziehung angelastet. Der neue Justizminister Hwang Kyo-ahn wurde unter fraglichen Umständen vom Wehrdienst befreit und hat die Pfändung seines Autos nicht abwenden können – er hatte wiederholt Strafzettel nicht bezahlt. Außerdem gehört Herr Hwang zu insgesamt fünf Ministern, die sich nicht eindeutig zum Militärputsch vom 16. Mai 1961 geäußert haben.

Mit dem Putsch begann die Entwicklungsdiktatur unter Park Chung-hee, die 18 Jahre andauern sollte. Bei den Anhörungen im Parlament wurden u.a. die Minister für Justiz, Inneres, Bildung, Frauen und Familie und Wiedervereinigung gefragt, ob sie den Militärputsch als „Revolution“ oder als „Militärputsch“ verstehen. Die Putschisten, angeführt von General Park Chung-hee, hatten sich selbst als „Revolutionäre“ bezeichnet, um ihren Umsturz zu legitimieren. Spätestens seit der ersten Zivilregierung unter Kim Young-sam (1993-1998) wird der Coup de`Etat in Schulbüchern offiziell als „Militärputsch“ bezeichnet. Auch das Verfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (1993, 1995, 2003) explizit argumentiert, dass es sich damals um einen „Militärputsch“ gehandelt habe.

Park Geun-hye hatte seit Ende der 1980er Jahre immer wieder öffentlich davon gesprochen, dass es sich damals um die „einzig richtige Entscheidung“ ihres Vaters gehandelt habe. Erst kurz vor den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr wurde die Kritik so stark, dass sie in einer extra einberufenen Pressekonferenz das damalige Vorgehen als eine Verletzung der Verfassung bezeichnete. Dass ihre Minister sich dennoch davor scheuen, historische Fakten beim Namen zu nennen, lässt erahnen, wie die Präsidentin ihr Verhältnis mit den Ministern interpretiert und umgekehrt.
Begonnen hatte die Verzögerung ihrer Regierungsbildung jedoch viel früher. Eine Entscheidung, die eigentlich noch in die Amtszeit ihres Vorgängers Lee Myung-baks gehörte, leitete die missliche Personalpolitik Park Geun-hyes ein. Der damalige Präsident Lee bezog seine designierte Nachfolgerin in die Entscheidung des neuen

Verfassungsgerichtspräsidenten mit ein. Der angeblich von ihr allein ausgewählte Kandidat, Lee Dong-heub, vor Kurzem noch Richter am Verfassungsgericht, stellte sich jedoch bald als unhaltbar heraus und trat nach langem Lavieren unter dem Druck der Oppositions-, aber auch Teilen der Regierungspartei sowie der Öffentlichkeit von seiner Kandidatur zurück. Die zweite Personalentscheidung Park Geun-hyes, die sich fatal auswirken sollte, war die für den Premierministerposten. Denn auch der von ihr nominierte Kandidat Kim Yong-joon trat noch vor seiner Anhörung im Parlament zurück, weil ihm eine ganze Bandbreite von Vergehen nachgesagt wurden. Diese beiden Fehlentscheidungen haben großen Anteil daran, dass der gesamte Zeitplan für die Regierungsbildung nach hinten verschoben werden musste.

Präsidentin verschlimmbessert die festgefahrene Situation

Erschwerend kam hinzu, dass die Oppositionspartei auch grundlegende Kritik am Revisionsvorschlag für das Regierungsorganisationsgesetztes hatte, den die desgnierte Präsidentin vorgelegt hatte. In diesem Gesetz wird die Organisation der Regierung reguliert. Unter Anderem wird darin die Anzahl, Form und Benennung der Ministerien festgehalten und bei jedem Regierungswechsel geändert. Die Oppositionspartei stößt sich vor allem an dem Vorhaben, die Befugnisse der Kommission für Rundfunk- und Fernsehanstalten in das neu zu gründende Ministerium für Zukunft, Kreativität und Technologie einzugliedern. Ihr Bedenken ist, dass somit die Kontrolle der Medien durch die Präsidentin erleichtert und sich die repressive Medienpolitik der Lee Myung-bak-Regierung wiederholen würde.

Auch mehrere Verhandlungsmarathons von Vertretern der Regierungs- und Oppositionspartei haben bis heute nicht vermocht, diesen Streitpunkt zu lösen. Die Folge davon ist, dass die Präsidentin die Minister, für die sie ganz neue Ministerien erdacht hat, noch nicht einmal zur Anhörung ins Parlament schicken kann. Das Gesetz müsste zuerst geändert und damit das zu besetzende Ministerialamt geschaffen werden. Deshalb griff die Präsidentin vergangene Woche zu einem für diesen Zeitpunkt ungewöhnlichen Mittel und hielt eine Art „Wutrede“ an die Nation, in der sie sich zwar dafür entschuldigte, dass sich der Prozess der Regierungsbildung hinzieht, aber auch die Oppositionspartei aufrief, ihr entgegen zu kommen, weil sie von ihrer Position nicht abrücken könne (und werde). Sie hat damit viel Porzellan zerschlagen.

Nicht nur der harte Ton und ihre offensichtliche Aufgebrachtheit während der Liveübertragung, sondern ihre grundlegende Haltung, über die Öffentlichkeit Druck auf die Opposition ausüben zu wollen, haben eine entsprechende Gegenreaktion der Opposition provoziert. Hier ist nicht nur bedenklich, dass die Präsidentin mit populistischen Mitteln versucht, die Opposition gefügig zu machen, sondern auch gegenüber der Regierungspartei, die sie damit nämlich als gleichberechtigten Partner und Verhandlungsführer im Parlament übergangen hat. In der – für sie eigentlich untypisch – emotionalen Ansprache betonte sie, dass man in Zeiten der Krise (sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die äußere Sicherheit) an einem Strang ziehen müsse. Es ginge ihr um die Führung des Landes zum Wohl des Volkes. Tatsächlich wirkte die Rede eher bevormundend als wirklich besorgt.

Nicht erst hier wird die Nähe zu ihrem Vater deutlich. Bekanntlich hat sie Politik und Staatsführung von ihrem Vater gelernt, spätestens als sie neben ihm als First Lady fungierte. Das war jedoch in der Zeit, als Park Chung-hee zu einem harschen Diktator wurde. Ob diese negative Seite sich auf sie abgefärbt hat, ist schwer zu beantworten, ihr Führungsstil ähnelt dem ihres Vaters dennoch. Oberflächlich lässt sich das unschwer daran ausmachen, dass sie Slogans aus der Zeit der Entwicklungsdiktatur ohne zu zögern öffentlich ausspricht, seitdem sie zur Präsidentin gewählt wurde. So spricht sie immer wieder vom „Wunder am Han“, vom Motto „Lass` uns gut leben!“ und „Wenn man macht, geht es!“. Auch Park Geun-hye ist dafür bekannt, dass sie keine Nummer 2 neben sich duldet.

Kontrollstrategie: Sicherheit, Wirtschaft und Technologie

Entsprechend trifft sie wichtige Personalentscheidungen meistens allein. Ihren Beratern wird nachgesagt, sich nicht zu trauen, Kritik zu äußern. Das Gleiche gilt für Führung der Regierungspartei, die einhellig hinter ihr zu stehen scheint. Innerhalb der Partei gibt es wiederum keine Kräfte, die der Parteiführung etwas entgegen zu bieten hätten. Es scheint ihr folglich an einer internen Kontrollinstanz zu fehlen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass sie zentrale Posten in ihrer Regierungsmannschaft an Militärs vergeben hat und auch hier in die Fußstapfen ihres Vaters tritt. In einer Art ‚Militär-zuerst‘-Personalpolitik sollen folgende Ämter von ehemaligen Militärs besetzt werden: Chef des Geheimdienst, Verteidigungsminister, Staatssekretär für Staatssicherheit, Staatssekretär für Außenpolitik und Sicherheit, Chef des Sicherheitsdienstes der Präsidentin. Hinzu kommt noch, dass sie den Chefposten des Sicherheitsdienstes auf Ministerrang hat heben lassen. Wenn es nach der Präsidentin geht, soll der ehemalige Generalstabschef der Armee, Nam Jae-joon, erster Mann des National Intelligence Service (NIS) werden. Verteidigungsminister wird der ehemalige Viersternegeneral Kim Byung-kwan, das Amt des Staatssekretärs für Sicherheit wird der ehemalige Generalstabschef der Armee Kim Jang-soo.

Ihre Entscheidungen sind nicht willkürlich, sie sind offensichtlich durchdacht. Ihre Vorstellung von einer effektiven Regierungsorganisation basiert auf dem Prinzip eines starken, lenkenden Staates, der vor allem auf drei Grundpfeilern, den sogenannten „Kontrolltürmen“ ihrer Regierung, realisiert werden soll. Der erste Kontrollturm soll für eine starke Sicherheitspolitik sorgen. Dafür hat Park ihr Sicherheitspersonal im Büro der Präsidentin gestärkt; es soll eng mit dem Verteididungsministerium und dem Ministerium für Sicherheit und Verwaltung (zuvor „Ministerium für Verwaltung und Sicherheit“) zusammenarbeiten. Der zweite Kontrollturm soll mit der Wiedereinführung eines quasi-Vize-Premierministers eingerichtet werden, der gleichzeitig für das Ressort Wirtschaft und das Ressort Planung und Finanzen zuständig ist. Einen dritten Kontrollturm verteidigt sie aktuell besonders engagiert – das Ministerium für Zukunft, Kreativität und Technologie. Ihre Vision für die kommenden fünf Jahre ist stark abhängig von der Strategie, gezielt die neue Informations- und Kommunikationstechnologie zu fördern. Das neue Ministerium, deren Realisierung zurzeit die Gegnerschaft der Opposition entgegensteht, ist das Kernstück dafür.

Offiziell war der Premierminister der dritte Kontrollturm. Er sollte sich um eines der Hauptversprechen aus dem Wahlkampf intensiv kümmern – soziale Wohlfahrtspolitik. Diese spielte in den vergangenen drei Monaten nach der Wahl jedoch eine merklich untergeordnete Rolle. Slogans wie „Demokratisierung der Wirtschaft“ oder „Wohlfahrtspolitik für die Durchschnittsmenschen“ sind fast völlig verschwunden. Gleiches gilt für die Ankündigung, bei wichtigen Personalentscheidungen integrativ und ausgleichend vorzugehen. Nicht weniger als sechs der wichtigsten Regierungsmitglieder sind Absolventen derselben (Sungkyunkwan) Universität, neun stammen aus dem Hauptstadtseinzugsgebiet und acht aus ihrer Heimatprovinz Gyŏngsang. Dass sie bei ihren Entscheidungen Personen aus der Provinz Chŏlla oder etwa aus dem Oppositionslager berücksichtigt hätte, kann man nicht sagen. Und auch diejenigen, die Park Geun-hye vor allem zur ersten Präsidentin machen wollten, müssen enttäuscht sein. Gerade einmal zwei der 18 Minister sind Frauen. Ins Büro der Präsidentin hat es keine einzige Geschlechtsgenossin geschafft.

Eine der ersten Entscheidungen, die der neue Staatsrat (Kabinett) bei seiner ersten Sitzung beschlossen hat, war die Verschärfung der Bestrafung von leichten Gesetzesübertretungen. So muss zum Beispiel eine Strafe von umgerechnet circa 35 Euro bezahlt werden, wenn man sich in der Öffentlichkeit „übermäßig freizügig kleidet“. Viele haben sich sofort an die Zeit in den 1970er Jahren unter Park Chung-hee erinnert gefühlt, als auf den Straßen von Polizisten sowohl die Haar- als auch die Rocklänge der Passanten kontrolliert wurde und bei übermäßig langen Haaren und übermäßig kurzen Röcken ein Bußgeld fällig wurde.

Politik und Arbeit vernachlässigt, Nordkorea im Fokus

Die wichtigen Bereiche der Arbeit (bzw. Arbeitsbeziehungen) und Politik hat Park Geun-hye von Anfang vernachlässigt, sodass es nicht verwundert, dass diese Themen auch jetzt keine Rolle zu spielen scheinen.

Die Besetzung des Ministeramtes für Wiedervereinigung ist eine positive Ausnahme. Sie hat sich hier für den Vertrauten Ryoo Khil-jae entschieden, der Professor für Nordkoreastudien ist und sich nicht zu Unrecht einen Namen in diesem Forschungsbereich gemacht hat. Das langjährige vertraute Verhältnis zu ihrem neuen Wiedervereinigungsminister geht auf seinen Vater zurück, der nach dem Militärumsturz 1961 als Berater der Putschisten im „Revolutionskomittee für den Staatsaufbau“ fungierte. Das heißt jedoch nicht, dass Herr Ryoo in seiner Forschung seinem Vater folgen würde. Im Gegenteil, er ist selbst in sogenannten „progressiven“ Kreisen als „moderat“ bekannt. In einem frühen Aufsatz von Mitte der 1990er Jahre schreibt er über Park Chung-hee, er habe den „Verfall der Politik hervorgerufen“ und für „die Einrichtung einer Korruption reproduzierenden Struktur gesorgt“. Dies sei das Grundübel, aus dem sich eine politische Kultur entwickelt habe, die verhindere, dass die politische Geschichte des Landes richtig bewertet wird. Und diese problematischen Zustände in Südkorea seien hinderlich für die Auseinandersetzung mit dem Norden in Hinsicht auf das Fernziel einer Wiedervereinigung.

Soviel zur Theorie. Die praktische Nordkoreapolitik Park Geun-hyes muss sich nun bewähren. Im Wahlkampf hat sie noch einen „Vertrauensprozess“ vorgeschlagen (siehe Beitrag in Kultur Koreas, April 2013). Wie sie nun vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel agiert, ist entscheidend für die kommenden fünf Jahre – mindestens. Ihr Vorgehen ist natürlich nicht allein von ihr abhängig. In der Region haben angefangen mit Nordkorea China, Japan, die USA, Russland, die UN und neuestens sogar die EU ein Wörtchen mitzureden. Innenpolitisch jedoch hat die neue Präsidentin theoretisch mehr Spielraum und könnte sich am Problembewusstsein ihres neuen Wiedervereinigungsministers orientieren, erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren.

Insgesamt lassen diese ersten ungelenken Schritte der neuen Präsidentin die Sorgen für die kommenden fünf Jahre größer werden. Aber noch ist nicht aller Tage Abend und ihre Präsidentschaft hat erst begonnen. Die Ereignisse in den kommenden Monaten – der Ausgang der Nach- und Wiederholungswahlen Ende April eingeschlossen – werden wegweisend dafür sein, was in der kommenden halben Dekade in Südkorea zu erwarten ist.

Rechtskonservative Park Geun-hye wird erste Frau im Amt: Trotz und wegen ihres Umgangs mit der Vergangenheit

– Kommentar zur südkoreanischen Präsidentenwahl 2012

(PDF)

Hannes B. Mosler

Institut für Koreastudien

Freie Universität Berlin

Zusammenfassung:

 

  • Die Kandidatin der regierenden rechtskonservativen Neue Welt Partei, Park Geun-hye, hat sich mit 51,6% gegen den Kandidaten der oppositionellen liberalen Demokratischen Vereinigten Partei, Moon Jae-in (48,0%) bei der seit zehn Jahren höchsten Wahlbeteiligung von 75,8% durchgesetzt.
  • Mit Park Geun-hye wurde das erste Mal eine Frau ins höchste Amt Südkoreas gewählt; zum ersten Mal seit der formalen Demokratisierung hat ein Kandidat bei Präsidentenwahlen mit mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen gewonnen; zum ersten Mal wurde der Nachkomme eines vormaligen Präsidenten ins Amt gewählt.
  • Die Wahlniederlage Herrn Moons trotz der Kandidaturvereinigung mit dem populären Professor und Unternehmer Ahn Cheol-soo, des Rücktritts der Kandidatin der links-progressiven Vereinten Progressiven Partei, Lee Cheong-hee, und der allgemeinen oppositionellen Einheitsfront-Strategie ist in erster Linie im schwachen Wahlkampf der Opposition und in zweiter Linie im intelligenten Wahlkampf der Regierungspartei zu suchen.
  • Die bereits überwunden geglaubten Muster im Wahlverhalten der Südkoreaner bestätigten ihre Vitalität bei diesen Wahlen einmal mehr: der Antagonismus zwischen Wählern verschiedener Regionen, Lebensräume (Stadt/Land), Generationen, Bildungsstand, Berufsgruppe, Einkommen usw. zeigte als Grundbedingung ihre Wirksamkeit.

 

I. Überblick

 

18. Präsidentenwahlen

Die Kandidatin der rechtskonservativen regierenden Neue Welt Partei (NWP), Park Geun-hye, wurde bei den Wahlen am 19. Dezember zur Präsidentin für die nächsten fünf Jahre gewählt. Sie wird am am 25. Februar des kommenden Jahres offziell ins Amt eingeführt. Bis dahin wird sie sich mit ihrem Übergangskomittee auf die Regierungsübernahme vorbereiten. 51,6% der Wahlgänger hatten sich für Park entschieden, während rund eine Million weniger (48%) für ihren Kontrahenten der liberalen Demokratischen Vereinten Partei (DVP), Moon Jae-in, gestimmt hatten. Der Unterschied in der Zustimmung ist weitaus kleiner als vor fünf Jahren, aber deutlich größer als vor zehn Jahren. Mit anderen Worten, der Wahlausgang ist ein klares Ergebnis, das für eine eindeutige Zustimmung für Park Geun-hye und ihre NWP spricht. Es ist das erste Mal nach der formalen Demokratisierung 1987, dass ein Kandidat bei einer Präsidentenwahl über 50% der abgegebenen Stimmen erhalten hat. Die Wahlbeteiligung lag mit 75,8% ebenfalls höher als bei den vergangenen zwei Präsidentenwahlen.

Erst im April hatten 42,8% der Wahlgänger der regierenden NWP erneut die Mehrheit im Parlament gesichtert. Derzeit hält die Parlamentsfraktion der NWP 154 der 300 Sitze der Nationalversammlung, verfügt also neben der Exekutiven auch in der Legislativen über eine überwiegende Mehrheit an Sitzen und Legitimation durch das Volk.

Mit der Wahl von Frau Park ist nicht nur das erste Mal eine Frau im höchsten Amt der Republik Korea (hiernach: Südkorea), sondern auch zum ersten Mal der Nachkomme eines vormaligen Staatspräsidenten. Park Geun-hye ist die Tochter des umstrittenen Militärdiktators Park Chung-hee (1917-1979), der in Südkorea zwischen 1961 und 1979 geherrscht hat. Sie reiht sich damit in die Liste der aktuellen Staatsführer ostasiatischer Länder wie China, Nordkorea und Japan ein, die alle Nachkommen von politischen Führungspersönlichkeiten sind. Kim Jeong-un wurde im April 2012 zum Führer der Partei der Arbeit zum Ersten Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungskomitees der Demokratischen Volksrepublik Koreas (hiernach: Nordkorea), also zum Staatsoberhaupt des Landes gewählt. Er ist bekanntermaßen der Sohn seines Vorgängers Kim Jeong-il (1941-2011) und der Enkel von Kim Il-sung (1912-1994). Sein Großvater ist berühmt für seinen Widerstandskampf in der Mandschurei gegen die japanische Kolonialherrschaft seit Mitte der 1930er Jahre, aber auch dafür, dass er den in Nordkorea sogenannten Volksbefreiungskrieg, also den Koreakrieg (1950-53) angefangen hatte. Der im November 2012 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gewählte Xi Jinping ist der Sohn von Xi Zhongxun (1913-2002), der dem Staatsrat der Republik Chinas angehörte und der ersten Führungsgeneration Chinas zugerechnet wird. Shinzō Abe, der am 26. Dezember 2012 erneut zum Premierminister Japans wurde, ist der Enkel von Nobusuke Kishi. Kishi hatte während der japanischen Kolonialzeit Mitte der 1930er Jahre als hochrangiger Staatsdiener in Mandschuko gedient, wurde später als Kriegsverbrecher der Klasse A eingestuft und in Haft genommen. Er konnte jedoch Ende der 1950er Jahre sogar Vorsitzender der neu gegründeten Demokratischen Liberalen Partei und schließlich auch Premierminister Japans werden (1957-1960).

 

Regionale Nachwahlen

Neben den Präsidentenwahlen wurden bei den Nach- und Wiederholungswahlen außerdem 26 Ämter in den Regionen neu besetzt. In der Provinz Süd-Gyŏngsang wurde ein neuer Governeur gesucht, da der Vorgänger, Kim Du-gwan (DVP), zurückgetreten war, um an innerparteilichen Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur teilnehmen zu können. Er scheiterte mit 14,3% der abgegebenen Stimmen nach Sohn Hak-kyu (22,2%) und Moon Jae-in (56,5%). Außerdem musste das Amt des Bildungssuperintendenten Seouls neu besetzt werden, da der amtierende progressive Kwak No-hyun (parteilos) wegen eines Vergehens gegen das Wahlgesetz verurteilt worden war. Des Weiteren wurden drei neue Bezirksleiter, zwei neue Bezirksabgeordnete und 19 Kommunalparlamentarier gesucht. Die NWP konnte sich von ehemals neun Ämtern auf 13 verbessern. Darunter war auch das governeursamt der Provinz Süd-Gyŏngsangs, das vom altgedienten Hong Jun-pyo übernommen wurde. Die DVP hingegen musste auch hier eine Niederlage einstecken und verschlechterte sich von ehemals zehn Ämtern auf sieben. Das wichtige Amt des Bildungssuperintendenten in Seoul wurde vom konservativen Moon Yong-lin übernommen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Opposition bei diesen Nach- und Wiederholungswahlen auf regionaler und kommunaler Ebene ebenfalls eine herbe Niederlage einstecken musste.

Durch die gleichzeitige Durchführung der regionalen Nach- und Wiederholgungswahlen mit den Präsidentenwahlen, waren diese entsprechend vom allgemeinen Trend beeinflusst. Was waren die Hauptfaktoren, die für das Oppositionslager schließlich so negativ wirkende Tendenz gesorgt haben? Dazu muss man zum Einen die für Südkoreas Wählerschaft typischen Muster bzw. Bedingungen verstehen und zum Anderen den historischen Kontext sowie die Hauptakteure und ihr Handeln analysieren.

 

II. Hintergrund: spezifische Bedingungen und Muster

 

Regionalismus

Der Regionalisms hat sich bei diesen Wahlen wieder einmal deutlich niedergeschlagen. Ein offensichtlich negativer Aspekt des Regionalismus ist die deutliche Tendenz, dass nicht auf Basis geteilter Werte und in Hinsicht auf zugestimmten Inhalte, sondern lediglich entlang von geographischen bzw, administrativen Linien und nach Geburtsorten von Persönlichkeiten gewählt wird. Dem Ende der 1980er Jahre deutlich herorgetretenen Regionalismus wurde nach in den vergangenen 25 Jahren eine immer weniger wichtige Rolle zugeschrieben. Das Verhalten der Wähler bei Parlamentswahlen und Präsidentenwahlen in diesem Jahr zeichnet jedoch ein deutlich anderes Bild. Ein Aspekt, der die negativen Auswirkungen des Regionalismus noch weiter verschärft, ist neben der wirtschaftlichen die demographische Ungleichheit zwischen den konkurrierenden Regionen. Die Yŏngnam-Region (Daegu, Nord-Gyŏngsang, Pusan und Süd-Gyŏngsang) haben mit aktuell 9,8 Millionen Wahlberechtigten fast doppelt soviel wie die (5,3 Millionen) der Honam-Region (Kwangju, Nord- und Süd-Chŏlla). Hinzu kommen die rund 5 Millionen Wahlberechtigten der potentiell konservativen Regionen Chungcheong (Süd-, Nord- Ch’ungch‘ŏng, Daejŏn und Sejong) sowie die 1,2 Millionen Wahlberechtigten der Provinz Kangwon, die die längste Grenze zu Nordkorea hat und entsprechend durch konservative Sicherheitspolitik zu beeindrucken ist. Auf Grund dieser ungleichen Ausgangslage war der Wahlausgang im Hauptstadteinzugsgebiet bisher immer entscheidend für den Wahlsieg des liberaldemokratischen Lagers. Zusammen mit der sie umgebenden Provinz Kyŏnggi und der benachbarten Hafenstadt Inch`ŏn zählte das Sŏuler Einzugsgebiet insgesamt rund 20 Millionen Wahlberechtigte. Traditionell sind die urbanen Wähler Südkoreas eher fortschrittlich-liberalen Kandidaten zugetan, während die Landbevölkerung rechtskonservative Politik unterstützt. Bei diesen Wahlen jedoch konnte Herr Moon lediglich in Seoul die Mehrheit der Wähler für sich gewinnen, während er sowohl in Inch`ŏn als auch in Kyŏnggi hinter seiner Konkurrentin zurückblieb. Selbst der Sieg in Seoul gelang nur sehr knapp. Frau Park gewann relativ deutlich in Bezirken südöstlich des Flusses, die sogenannte Kangnam-Region der Stadt, in der hauptsächlich Besserverdiener leben. Der Abstand zwischen den Unterstützerwerten hat sich jedoch verkleinert. Während nun Moon bei den Besserverdienern zugelegt hat, konnte Park die weniger gut Betuchten mit ihrer ˈPolitik für die einfachen Menschenˈ und ihrem ˈWiederaufbau der Mittelschichtˈ punkten.

Die Charakteristika der Ergebnisse in den regionalen Hochburgen der verschiedenen Lager gleichen denen der Präsidentenwahl vor 20 Jahren, als Kim Dae-jung knapp (8,1%) gegen Kim Young-sam verlor. So wie Kim Dae-jung 1992 gewann auch Moon 2012 die Mehrheit der Stimmen nur in der Region Honam und in der Hauptstadt Seoul und musste sich seiner Kontrahentin Park Geun-hye knapp (3,4%) geschlagen geben. Moon erhielt in Honam, der Hochburg der Demokratischen Vereinigten Partei, mit durchschnittlich 89,2% nur ein bisschen weniger Zustimmung als damals Kim Dae-jung`s (92,4%), der aus dieser Region stammt. Park Geun-hye hingegen war die erste Präsidentschaftskandidatin seit Roh Tae-woo (1987), die in der Region Honam über die 10%-Grenze gekommen ist (10,3%). Dies war zwar nicht ausschlaggebend für ihren Wahlsieg, aber dennoch ein Zeichen. Hauptsächlich ist dieser Wandel jedoch auf die zahlreichen Überläufer aus dem Oppositionslager zurückzuführen. Am wirksamsten in dieser Hinsicht sind wohl die Parteiwechsel von Politikern gewesen wie Han Kwang-ok, Han Hwa-gap oder Kim Kyoung-jae, die allesamt seit Dekaden zu den engsten Vertrauten Kim Dae-jungs gehört hatten.

 

Einkommen und Berufsgruppe

Im Allgemeinen zeigte sich bei der Wahl, dass Wähler je niedriger ihr Einkommen oder Bildungsstand ist, umso eher Frau Park wählten. Wähler mit einem monatlichen Einkommen von umgerechnet unter 1400 Euro haben deutlich mehr (56,1%) Park gewählt. In allen anderen Einkommensgruppen zwischen 1500 und mehr als 3500 Euro Monatsgehalt gab jeweils die Mehrheit an, Moon gewählt zu haben. Dieses Muster setzt sich entsprechend bei der Unterteilung nach Bildungsstand fort. Umso gebildeter die Wähler sind, desto eher haben sie sich für Herrn Moon entschieden. Je niedriger der Bildungsgrad, desto mehr wählten sie Frau Park. Bei den Berufsgruppen dominiert die Unterstützung für Park entsprechend bei Arbeitslosen (60,4%) Hausfrauen und –männern (55,6%), Landwirten, Fischern und Förstern (55,2%), jedoch auch bei Selbständigen (50,2%). Angestellte (53,5%), Arbeiter (48,1%) und Studenten (60,4%) wählten dagegen in der Mehrzahl Moon.

 

Generation und Alter

Neben dem Bildungsgrad, der wahrscheinlich zu einem nicht unbedeutenden Teil auch auf Beruf und Einkommen entspricht, sind außerdem Altersunterschiede als wesentlicher Faktor festzustellen. Es zeigt sich die deutliche Tendenz, dass umso älter die Wähler sind, desto mehr haben sie für Frau Park gestimmt, während die Jüngeren eher Moon bevorzugen. Dies war Frau Park umso zuträglicher, als dass die alternde Gesellschaft Südkoreas in den vergangenen zehn Jahren den Anteil der älteren Wahlberechtigten hat stark ansteigen lassen. Außerdem war die Wahlbeteiligung der Älteren Menschen immer schon höher als die der Jüngeren, wie sich auch bei diesen Wahlen erneut unter Beweis gestellt hat.

 

III. Vordergrund: Stärken und Schwächen der Kandidaten

 

Park Geun-hye

Park Geun-hye hat unter wahlkampfstrategischen Gesichtspunkten alles richtig gemacht. Zunächst hatte sie nicht nur die Partei, sondern auch das konservative Lager hinter sich gebracht. Es gab zwar immer wieder parteiinterne Auseinandersetzungen über ihren autoritären und kommunikationsarmen Führungsstil sowie über inhaltliche Positionen, aber spätestens seit dem überraschend deutlichen Sieg bei den Parlamentswahlen noch im April dieses Jahres hatte sich Frau Park in der regierenden NWP unverzichtbar gemacht. Dem geht natürlich eine lange Entwicklung voraus, die mindestens bis ins Jahr 2002 zurückverfolgt werden kann. Damals wollte sie sich nach den verlorenen parteiinternen Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur gegen Lee Hoi-chang nicht so schnell geschlagen geben und gründete kurz darauf mit der Allianz für Zukunft (AFZ) eine eigene Partei. Doch nur kurze Zeit später kam sie zurück, um nach einer skandalösen Schwarzgeldaffäre der Großen Nationalpartei (GNP; Vorgängerpartei der NWP) 2004 die Partei als Vorsitzende wieder auf Kurs zu bringen. 2007 schließlich trat sie erneut zur parteiinternen Vorauswahl für die Präsidentschaftskandidatur an, musste sich jedoch knapp Lee Myung-bak geschlagen geben. Dieses Mal war sie eine faire Verliererin, blieb in der Partei und baute ihre Machtposition weiter aus. Sie verhielt sich weitgehend ruhig, um die Partei nicht durch interne Konflikte zu schwächen. Gleichzeitig jedoch meldete sie sich zu bestimmten Streitfragen mit abweichender Meinung zu Wort, um sich vom amtierenden Präsidenten und Parteigenossen Lee Myung-bak deutlich zu distanzieren. Dieses geschickte Taktieren und ihr Händchen bei Wahlen haben ihr soviel Rückhalt in der Partei eingebracht, dass sie bei den diesmaligen parteiinternen Wahlen keinen ernstzunehmenden Konkurrenten hatte.

Nach der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 und auch in Südkorea immer drängender werdenden sozialen Problemen waren die Hauptthemen der regionalen Wahlen 2010 Arbeitslosigkeit, Wohlfahrt und der Hauptstadtumzug. Bei den wichtigen Wahlen zum Bürgermeisteramt von Seoul erhitzte sich die Debatte zwischen Regierungs- und Oppositionslager vor allem an der Frage der kostenlosen Schulspeisung. Zwar wurde der amtierende Bürgermeister der Regierungspartei wiedergewählt, trat jedoch kurze Zeit später zurück, da ein Referendum, das er initiiert haben wollte, nicht zu Stande kam. Es ging darum, die Bürger Seouls zu fragen, ob sie der oppositionellen Mehrheit des Seouler Stadtparlaments zustimmten, die eine Ausweitung der kostenlosen Schulspeisung auf alle Seouler Grundschulen und Mittelschulen durchsetzen wollte, oder dem restriktiven Gegenvorschlag der Regierung. Spätestens seit diesen regionalen Wahlen hat sich auch die Regierungspartei Themen zu eigen gemacht, die bis dahin eher dem liberaldemokratischen Lager vorbehalten waren. In Vorbereitung auf das Superwahljahr 2012 hat Park Geun-hye dieser Tendenz einen weiteren deutlichen Linksruck verpasst in ihrer Funktion als Übergangsvorsitzende (Dezember 2011 – Mai 2012). In ihrem Präsidentschaftswahlkampf standen Demokratisierung der Wirtschaft, Wohlfahrtsstaatlichkeit und Arbeitsplatzbeschaffung ganz oben auf der Liste der Wahlversprechen. Dadurch, dass sich die NWP unter Fehderführung Parks diese Themen zu eigen gemacht hatte, nahm sie der Opposition viel Wind aus den Segeln. Noch vor zwei Jahren bei den regionalen Wahlen konnte sich die Opposition relativ klar von der Regierung abgrenzen mit sozialen Themen und auch bei den Nachwahlen mit dem Sieg des parteilosen, aber oppositionsnahen Park Won-soon glänzen. Endlich konnte auch die breite Bevölkerung für Politik interessiert werden, weil es um ihre Kinder in den Schulen ging, die etwas zu essen bekommen sollten; ähnlich war zuvor die Auseinandersetzung um die Regierungspolitik zu Lebensmittelsicherheit hart umkämpft. Bei diesen Präsidentschaftswahlen jedoch musste man schon genau hinhören und die Programme genau studieren, wollte man wesentliche Unterschiede entdecken zwischen den Versprechen der Kandidaten. Ein nicht unwesentlicher Faktor, der zu dieser Schwierigkeit beitrug, ist die von der Regierung stark kontrollierte Medienlandschaft und ein traditionell konservativ dominierter Zeitungsmarkt.

 

Wegweisende Gloriole des Vaters und effektive Lippenbekenntnisse zur Vergangenheit

In der Bevölkerung hatte Frau Park bereits seit Jahren eine solide Zustimmung von 30 bis 40%. Ihre Familiengeschichte ist ihr größtes politisches Kapital. Viele sehen in ihr entweder ihren Vater, den autoritären Präsidenten Park Chung-hee, oder ihre Mutter, die fürsorgliche First Lady, oder beide. Beide sind bei Attentaten umgekommen und Frau Park selbst ist vor sechs Jahren einem Angriff ausgesetzt worden, bei dem ihr mit einem Teppichmesser eine elf Zentimeter lange Wunde an der rechten Gesichtshälfte zugefügt wurde. Diesem dramatischen Vorfall aus dem Jahr 2006 war das erste Werbevideo für ihren Wahlkampf im vergangenen Dezember gewidmet. Viele, insbesondere ältere Menschen verspüren eine positive Nostalgie, wenn sie an die Zeit der Entwicklungsdiktatur unter Vater Park (1961-1979) denken, da sich in diesem Zeitraum das Land schnell entwickelt hat und viele Menschen zu Wohlstand kamen. Außerdem sind ein großer Anteil der über 60-Jährigen die meisten der Menschen, die heute über 60 Jahre alt sind, direkt oder indirekt immer noch stark geprägt vom Koreakrieg, und nicht zuletzt von der anti-kommunistischen und autoritären Bildung der vergangenen Dekaden. Für sie erscheint Park Geun-hye als fähige Politikerin, die das Land gut führen und die Wirtschaft ankurbeln wird – wie ihr Vater.

Viele Südkoreaner denken jedoch anders. Sie sehen in Park Geun-hye die Tochter des kaltblütigen Militärdiktators Park Chung-hee, der sich 1961 an die Macht geputscht hat, um das Land für 18 Jahre mit eiserner Hand zu beherrschen, und es so weit trieb, dass nur ein brutaler Mord durch seinen Geheimdienstchefs ihn aufhalten konnte, und ein Machtvakuum hinterließ, das sofort von einem weiteren Militärdiktator gefüllt werden konnte. Jedoch richtet sich die Kritik nicht an Frau Park als Tochter persönlich, sondern als Tochter und an die gestandene Politikern, die das Handeln ihres Vaters, des Militärdiktators rechtfertigt. Nach langem Zögern ließ sich Frau Park schließlich doch noch von Parteigenossen überreden, öffentlich Stellung zu beziehen zu den zahllosen Vorwürfen gegen das Vorgehen ihren Vater. Am Anfang ihrer live übertragenen Pressekonferenz gestand sie ein, es für sie als Tochter nicht leicht sei, etwas Kritisches über den Vater zu sagen. Sie blieb vage, was die eigentlichen früheren Verbrechen anging und sie schwieg zu der im Raum stehenden Frage, wie sie als potentielle Präsidenten darüber urteilen würde. Es reichte trotzdem, dem Angriff der Opposition die Spitze zu nehmen. Sie hatte sich damit zu den Vorwürfen geäußert, hatte sich irgendwie von den Missetaten distanziert, so wie sie sich von Lee Myung-baks Regierungspolitik immer wieder vage distanzierte, und war für die allgemeine Mehrheit annehmbar, was diesen Punkt anbetrifft. Die Regierungspartei konnte sich deshalb noch besser auf ihren Angriff auf Herrn Moon und seine Verbindung zur Regierung unter Präsident Roh Moo-hyun konzentrieren, die nach ihrer Meinung eine gescheiterte Regierung war.

 

Moon Jae-in

Die entscheidenden Schwächen des Wahlkampfes des liberaldemokratischen Lagers waren die unbedingten Strategien der oppositionellen Einheitsfront, die Kandidaturvereinigung von Ahn Cheol-soo und Moon Jae-in und des Negativwahlkampfes. Denn hierüber vernachlässigte das Oppositionslager die Profilierung durch programmatische Inhalte, die Überzeugung der Wähler durch Führungsqualitäten und stieß gemäßigt Konservative vor den Kopf.

Nachdem die damalige Regierungs- und heutige Oppositionspartei bei den Präsidentenwahlen 2007 und den Parlamentswahlen 2008 so kläglich gegen die GNP (heute: NWP) verloren hatte, begann man bei den regionalen Wahlen 2010 mit der Strategie einer oppositionellen Einheitsfront. Man sah im Oppositionslager kein anderes Mittel gegen die übermächtige GNP, als sich gegen den gemeinsamen ˈFeindˈ zusammenzutun, auch wenn man eigentlich teils gewichtige Meinungsunterschiede hatte. Deshalb hielt man auch bei den beiden großen Wahlen 2012 daran fest. Doch die Rechnung ging nicht auf und im Prinzip wiederholten sich die Fehlschläge von 2007 und 2008. Zu sehr hatte man auf die Wirkung gehofft, die sich durch eine solche quantitative Taktik ergeben sollte; man wollte die Regierungspartei zahlenmäßig herausfordern, was von vornherein ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen war. Der Effekt wurde weiter davon untergraben, dass sich die Kritik an der NWP fast ausschließlich auf den Umgang mit der Vergangenheit, insbesondere der mit dem Militärdiktator Park Chung-hee als Vater Frau Parks beschränkte. Die Schwäche dieses Negativwahlkampfes lag darin, dass die Stammwählerschaft der NWP, die wegen ihrer Rigidität auch Beton-Wählerschaft genannt wird, diese vermeintliche Schwäche als Stärke ansah und gemäßigt Konservative oder Mitte-Rechts-Wähler es entweder als nicht ausschlaggebend ansahen oder mit den Erklärungen Parks in dieser Hinsicht befriedet waren. Das Oppositionslager jedoch hatte all seine Kraft darauf verwendet. Außerdem kam dies Bumerang zurück. Denn die NWP schoss sich im Gegenzug auf Moon als Teil der ˈgescheitertenˈ Roh-Regierung ein. Das Park Chung-hee-Frame kam postwendend als Roh Moo-hyun-Frame zurück und war auch noch wirksamer, da innerhalb des Oppositionslagers viele den Roh-Getreuen (sog. ˈRohbbaˈ) äußerst kritisch gegenüberstehen.

Den Rohbba bzw. ihrem Machtstreben wird vor allem der Vorwurf gemacht, im Prozess der Verhandlungen um die Kandidaturvereinigung mit dem parteilosen Ahn Cheol-soo zu forsch vorgegangen zu sein. Professor und Unternehmer Ahn Cheol-soo wurde spätestens seit den Nachwahlen zum Seouler Bürgermeister als Präsidentschaftskandidat gehandelt und erhielt in den Umfragen zeitweise sogar mehr Zuspruch als Park Geun-hye, während prospektive Kandidaten der DVP sowie anderer Parteien sehr geringe Unterstützung erhielten. Die Popularität Ahns geht hauptsächlich darauf zurück, dass er einen koreanischen Anti-Politiker verkörpert. Er schien den Menschen weder einem regionalen noch einem politisch-ideologischen Lager klar zuordbar zu sein, er hat sowohl als Akademiker als auch als Unternehmer Karriere gemacht, gibt sich in seiner Lebensphilosophie und in der Praxis philantrophisch und ist so gut wie frei von Vorwürfen der Korruption und anderer unlauterer Gebaren. Viele der Parteiverdrossenen,  insbesondere die jüngeren Menschen, die in Ahn ein Vorbild sehen können, unterstützten ihn deshalb. Nicht zuletzt hat er Themen wie Jugendarbeitslosigkeit, Reduzierung der Studiengebühren, Demokratisierung der Wirtschaft, Bildungsreform etc. salonfähig für die etablierte Politik gemacht. Er sprach Probleme so an, wie sonst kaum ein Politiker. In diesem Zusammenhang wird vom Ahn Cheol-soo-Phänomen gesprochen. Damit ist gemeint, dass sich in der Sympathie für und Unterstützung für Ahn Cheol-soo nicht nur die allgemeine Parteienverdrossenheit ausdrückt, sondern auch deutlich aufzeigt, welche Schwächen die etablierten Parteien haben und welche Themen sich die Menschen angesprochen haben wollen. Herr Ahn fungierte wie eine Art Medium, durch das der Wille der Bürger sich ausdrückte.

 

Ahn-Joker verspielt: schlechte Rechnung, schlechte Manieren, schlechter Zeitpunkt

Diese Sympathie wollte sich das oppositionelle Lager zu Nutze machen. Doch war dies von Anfang an eine falsche Rechnung, auch wenn die Umfragewerte etwas anderes suggerierten. Die potentiellen Unterstützer Ahns waren zu einem großen Teil gemäßigt konservativ oder sogar rechtskonservativ, oder aber kritisch gegenüber den etablierten Parteien, und wären bei einer Vereinigung der Kandidatur abgesprungen und/oder hätten die Kandidatin der NWP gewählt. Zweitens lag das Programm Ahns zum großen Teil näher an dem der NWP als dem der DVP, was die Kandidaturvereinigung als solche stark in Frage stellte. Drittens waren die Verhandlungen der beiden Lager von den Methoden und Nebenwirkungen der alten Politilk geprägt, sodass potentielle Wähler eher verprellt und der NWP eine Steilvorlage geliefert wurde – wovon diese auch reichlich Gebrauch machte. Viertens kam der Rücktritt Ahns und damit die Vereinigung der Kandidatur viel zu spät. Hinzu kommt, fünftens, dass neben dem Verhandlungsprozess das Verhalten Ahns nach seinem Rücktritt ebenfalls sehr kontraproduktiv war. Zunächst war lediglich von Rücktritt die Rede, die Vereinigung der Kandidatur musste man sich implizit davon ableiten. Bevor Ahn sich schließlich aktiv öffentlich zu Moon als gemeinsamem Kandidaten bekannte, stand eher im Mittelpunkt, dass ihm noch eine Kandidatur in fünf Jahren offen stand. Außerdem flog Ahn noch am Tag der Wahl in die USA, um sich für eine Weile zurückzuziehen. Eine überzeugende Unterstützung eines gemeinsamen Kandidaten sieht anders aus. Zusammen mit den grundlegend falschen Annahmen nahm diese passive Haltung Ahns den erhofften Synergieeffekten die letzte Dynamik.

 

IV. Fazit und Ausblick

Das Ergebnis dieser Präsidentenwahlen kann man wie folgt zusammenfassen: Frau Park hat die Wahlen gewonnen, nicht ‚obwohl‘ sie die Tochter des Militärdiktators Park Chung-hee ist, sondern ‚weil‘; weil so der demographisch ungleich verankerte Regionalismus und andere Wahlmuster reaktiviert wurden; und weil das Oppositionslager einen schwachen und die Regierungspartei einen professionellen Wahlkampf geführt hat.

Was aber hat dieses Ergebnis für eine Bedeutung? Vergleicht man die Wahlprogramme scheint es nicht so, dass sich mit der Wahl Parks eine entscheidend anders geartete Politik einstellen wird im Vergleich zu einer Präsidentschaft Moons. Die Themenkataloge sind nahezu identisch. Schaut man jedoch genauer hin, wird deutlich, dass sich die Themen zwar nominal sehr ähneln, jedoch teilweise auf sehr verschiedenen Weltsichten bzw. Problematisierungen basieren. Entsprechend anders gestalten sich deshalb auch die Mittel und Methoden, die zur Umsetzung vorgesehen werden. Dies wurde bereits bei der Debatte um die kostenlose Schulspeisung im Wahlkampf 2010 deutlich, als der Linksruck der NWP seinen Anfang nahm. Während die NWP für kostenloses Essen für alle Grund- und Mittelschüler plädierten, wollte die NWP nur das Essen der Kinder von entsprechend einkommensschwachen Familien („Bedürftigen“) finanzieren. Ähnlich verhält es sich mit den Studiengebühren, die beide Lager halbieren wollen. Doch Herr Moon plante die Studiengebühren als solche zu senken, während Frau Park daran denkt, Stipendien für solche Studierende zu organisieren, die nur die Hälfte zahlen können. Derselben Logik folgend möchte die DVP einen universalen Wohlfahrtsstaat umsetzen, während die NWP sich für eine selektive Wohlfahrt starkmacht. Der Politikbereich Wirtschaft wird von beiden Lagern mit Themen ausgeleuchtet wie Demokratisierung der Wirtschaft, kreatives Wachstum und Förderung von kleineren und mittleren Unternehmen. In der geplanten Umsetzung nehmen die identisch erscheinenden Punkte jedoch in diesem Bereich deutlich verschiedene Formen an. Gerade das heiße Thema Wirtschaftsdemokratisierung ist dafür repräsentativ. Hier stellen sich die Unterschiede nicht nur deshalb ein, weil die beiden Lager von durchaus unterscheidbaren Ideen und Vorstellungen geleitet werden, sondern auch weil entsprechend andere Interessen im Vordergrund stehen. Denn während die NWP traditionell den Großkonzernen bzw. dem Großkapital nahesteht, kommt die DVP – zumindest traditionell – aus der Ecke der einfachen Bürger bzw. Arbeiter und Angestellten. Das hat die DVP nicht davon abgehalten, neoliberale Politik zu machen, als sie an der Macht war, aber insbesondere der Umgang mit den chaebŏl unterscheidet sich dennoch. Noch etwas deutlicher ist der Unterschied bei der zu erwartenden Nordkoreapolitik. Schlechter als die Lee Myung-bak-Regierung kann und will Frau Park es wahrscheinlich nicht machen. Außerdem hat sie selbst bereits 2002 Kim Jong Il persönlich in Pyŏngyang getroffen. Allein jedoch die Tatsache, dass man vom Großteil ihrer allgemeinen Ahängerschaft, aber insbesondere von ihren einflussreichen Freunden annehmen kann, dass sie Nordkorea im Prinzip feindlich gegenüberstehen, macht eine rationale Politik schwierig. Nun ist Politik mit Nordkorea immer ein schwieriges Unterfangen und wäre auch für Herrn Moon eine Herausforderung geworden, aber zumindest steht die DVP in einer historischen Tradition der Annäherung und hätte auf eine entsprechende Vorarbeit sowie Expertise zurückgreifen können. Im Großen und Ganzen jedoch ist zu erwarten, dass Frau Park es besser machen wird als Herr Lee – was zugegebener Maßen nicht weiter schwierig ist.

Symbolisch jedoch ist die Wahl der Tochter des Militärdiktators ein großer Rückschritt in der Politik und Gesellschaft Südkoreas. Hier liegt die größte Gefahr für die weitere Entwicklung des Landes. Denn wenn sie die Geschichtsklitterung, die sie selbst, aber auch in den letzten fünf Jahren unter der Lee Myung-bak-Regierung verfolgt worden ist, weiterführt, wird die Basis für gesellschaftliche Integration und Konsens weiter erodieren. Das würde einer friedliche Annäherung der beiden Koreas wie einer nachhaltige Entwicklung der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft Südkoreas den Boden entziehen. Es wird sich zeigen, ob sich die Befürchtungen bewahrheiten, wie man sie von dern bisherigen Erfahrungungen mit Park Geun-hye Führungsstil und dem derzeitigen Kenntnisstand über ihre Ansichten, Umgang mit der Vergangenheit und Fähigkeiten ableiten kann. Eine erste Ahnung davon, wie Frau Park ihr Amt in den kommenden fünf Jahren ausfüllen wird, wird an den Ergebnissen des Übergangskomitees abzulesen sein, das von Anfang Januar bis zur offiziellen Amtseinführung am 25. Februar 2013 die Amtszeit vorbereitend planen wird. Mindestes bis dahin muss man davon ausgehen, dass sie es ernst meint mit ihren Versprechen, eine „Präsidentin der einfachen Leute“ zu werden, die sich in erster Linie um die „Integration der Nation“ und die Ankurbelung der Wirtschaft kümmern und ein „Land, in dem Träume wahr werden“ schaffen will.

 

Regierungspartei stellt Diktatorentochter als Präsidenschaftskandidatin auf

28. August 2012

Kommentar zu den Vorwahlen der regierenden Neue Welt Partei am 21. August 2012

(PDF)

Hannes B. Mosler

Instiut für Koreastudien

Freie Universität Berlin

Zusammenfassung

Die Tochter des ehemaligen Militärdiktators Park Chung-Hee, Park Geun-Hye, wird mit deutlicher Mehrheit zur Präsidentschaftskandidatin der Regierungspartei gewählt und nimmt damit ihren dritten Anlauf zum höchsten politischen Amt Südkoreas.

Parks Wahlprogramm ist eine fast komplette Kehrtwende ihrer bisherigen stark neoliberal geprägten Politikvorstellungen, krankt aber noch an fundamentalen Widersprüchen und unzureichend überzeugender Erklärung.

Parks politisches Familienerbe ist ihr Kapital und Schwachpunkt zugleich: solange sie keine klare, verantwortungsvolle Position zur dunklen Vergangenheit des Landes bezieht, bleibt ihr Sieg ungewiss.

Die heiße Phase des Rennens um die Präsidentschaft beginnt spätestens im Oktober, wenn auch die Oppositionspartei ihren Kandidaten aufgestellt und die Frage der möglichen Kandidaturvereinigung mit dem populären Unternehmer Ahn Cheol-Su geklärt hat.

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Hier geht’s zum Volltext (PDF).

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Parlamentswahlen in Südkorea: Volksverdrossene Parteien konnten das parteiverdrossene Volk nicht überzeugen

Die Regierungspartei (Saenuridang) konnte die Wahl deutlich für sich gewinnen, weil sie sich gegenüber der Lee Myung-Bak-Regierung erfolgreich als ‚Opposition im Regierungslager‘ darstellen konnten; dies ist hauptsächlich der Parteiführerin Park Geun-Hye zu verdanken.
Die Oppositionspartei (Minju Tonghapdang) blieb sehr weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, die Mehrheit im Parlament zu übernehmen, weil sie sich und ihre Ideen nicht deutlich positionieren konnte und in ihrem Negativwahlkampf überheblich erschien.
Die Vereinte Progressive Partei (VPP oder Tonghap Chinbodang) feierte zwar einen quantitativen Sieg von nicht weniger als 13 Sitzen im Parlament, ihre allgemeine Unterstützung im Volk jedoch schrumpfte, wie auch ihre progressive Identität.
Park Geun-Hye hat sich nicht nur innerhalb der Regierungspartei, sondern auch außerhalb dieser als starke Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen im Dezember positioniert. Das Rennen ist jedoch noch vollkommen offen.

Die Wahlbeteiligung war mit 54,3% höher als bei den Wahlen im Jahr 2008 (46,1%), aber im Allgemeinen immer noch niedrig, z.B. niedriger als bei den letzten regionalen Wahlen im Jahr 2010 (54,4%).

Kommentar zu den Parlamentswahlen in Südkorea am 11. April 2012

(PDF)

Hannes B. Mosler

Instiut für Koreastudien

Freie Universität Berlin

Wahlergebnis

Das Endergebnis spricht eine deutliche Sprache. 127 der zu vergebenden 246 Direktmandate gingen an die konservative Regierungspartei Neue-Welt-Partei (NWP oder Saenuridang), während die lieberale Oppositionspartei Demokratische Vereinte Partei (DVP oder Minju Tonghapdang) nur 106 Sitze erringen konnte. Die progressive Vereinte Progressive Partei (VPP oder Tonghap Chinbotang) erreichte sieben Direktmandate, womit sie die ehemals weitaus stärkere rechtskonservative Partei für Freiheit und Fortschritt (PFF oder Chayuseonjindang) auf den vierten Platz (3 Direktmandate) verwies. Nach geltendem Wahlgesetz werden nur 54 Sitze (18%) des 300-Sitze starken Parlaments über die Zweitstimme an die Parteien vergeben. Außerdem werden die Listenplätze nach einem Modus vergeben, der – anders als zum Beispiel in Deutschland – tendenziell für die bereits großen Parteien vorteilhaft ist. Insgesamt stellt sich das Ergebnis in einer knappen aber klaren Mehrheit der Regierungspartei im Parlament dar.

Rund 40 Millionen Menschen waren am 11. April zum 19. Mal seit der Republikgründung im Jahr 1948 aufgerufen, die Abgeordneten der Nationalversammlung zu wählen. Etwas über die Hälfte der 40 Millionen Wahlberechtigten gingen auch tatsächlich an die Urnen (ca. 21,8 Mio.). Mit einer Wahlbeteiligung von 53,4% konnte man sich um 7,5%-Punkte im Vergleich zu den Wahlen 2008 (46,1%) verbessern.

Verfolgt man die Tendenz der Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren (Präsidentschafts-, Nationalversammlungs-, regionale etc. Wahlen) jedoch insgesamt, blieb die Wahlbeteiligung damit weiterhin niedrig.

Insbesondere das Oppositionslager und seine Unterstützer hatten sich bemüht, so viele Wähler zu mobilisieren wie möglich, da sie davon ausgingen, dass ihre Chancen bei einer höheren Wahlbeteiligung besser stünden. Tatsächlich gingen zumindest im ländlichen Bereich mehr Wähler in der Altergruppe 50 bis 70 an die Wahlurnen als ihre jüngeren Mitbürger. Die die iederlage der Opposition ist jedoch sicherlich nur zu einem sehr geringen Teil auf eine allgemein niedrige Wahlbeteiligung zurück zu führen. Ein wichtiger Hinweis auf die Hintergründe ist die Wahlbeteiligung der verschiedenen Alterskohorten. Vor allem in der Hauptstadt, in der rund ein Viertel der Bevölkerung lebt, mehr jüngere Wähler zu Wahl gegangen; in den Provinzen, vor allem im traditionell konservativen Südosten, der gleichzeitig auch die meisten Wahlbezirke hat, waren es die Älteren, die sich reger an der Wahl beteiligten. In der tendenziell konservativen Region Yŏngnam (= Nord- und Süd-Gyŏngsan sowie die Städte Pusan, Taegu und Ulsan) und leben ca. 5,6 Millionen Menschen auf rund 30.000 km², während es in der traditionell oppositionellen Region Honam (= Nord- und Süd-Jeolla und Kwangju) ungefähr 2,5 Millionen Menschen auf 20.000 km² sind. Bedenkt man, dass im Durschnitt 200.000 Wähler in einem Wahlbezirk leben, gibt es im konservativen Südosten doppelt so viele Wahlbezirke. Tatsächlich sind es insgesamt 67 Wahlbezirke in der Region Yŏngnam, während es nur 30 in der Region Honam sind.

Einschätzung

Die regierende NWP konnte die Wahl deutlich für sich gewinnen, weil sie sich gegenüber der Lee Myung-Bak-Regierung erfolgreich als Opposition im Regierungslager darstelle. Dies ist hauptsächlich der Parteiführerin Park Geun-Hye zu verdanken, die sich dadurch in eine bevorzugte Ausgangslage für die Präsidentschaftswahlen in acht Monaten gebracht hat. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen vor vier Jahren hat die NWP zwar knapp 8% an Zustimmung eingebüßt. Sie belegt nunmehr 152 anstatt von 162 Sitze der Nationalversammlung. Aber dass sie nach rund vier Jahren desaströser Regierungspolitik dennoch die absolute Mehrheit im Parlament erreichen konnte ist ein deutliches Zeichen. Das heißt jedoch im Umkehrschluss nicht, dass damit auch schon die Präsidentschaftswahlen gewonnen wären, denn im Vergleich der Zustimmungswerte durch die Zweitstimme zeigen sich nur geringe Unterschiede, wenn nicht sogar ein kleiner Vorsprung des liberal-progressiven Lagers.
Die oppositionelle DVP blieb sehr weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, die Mehrheit im Parlament zu übernehmen, weil sie sich und ihre Ideen nicht deutlich positionieren konnte. Sie konnte sich im Rückblick um etwas mehr als 11% – von 80 auf 127 Sitze -verbessern, wäre jedoch selbst mit der Hilfe von kleineren Koalitionspartnern in der Minderheit. Die Ausgangslage der DVP bei diesen Wahlen war weitaus besser als vor vier Jahren, da Skandale des Regierungslagers wie Pilze aus dem Boden sprossen. Doch hauptsächlich Fehler in der Parteiführung haben dazu geführt, dass man den „gedeckten Tisch umwarf“ und schließlich mir leeren Händen und leerem Magen dastand.
Für die VPP scheinen die 13 Sitze im Parlament zunächst ein großer Sieg, wenn man bedenkt, dass sie bei ihrem ersten Parlamentseinzug 2004 insgesamt 10 Sitze erhielt. (Vor vier Jahren waren es 7 Sitze.) Doch diese quantitative Verbesserung steht im Unverhältnis zu den Einbußen an Qualität. Denn die VPP ist längst nicht mehr so progressiv, wie ihr Name Glauben machen will, und ihre allgemeine Unterstützung im Volk ist in der Zwischenzeit sogar von 13,1% auf 10,3% zusammengeschrumpft. Die PNP (Progressive Neue Partei oder Chinbosin‘gdang), die sich von der VPP abgespalten hatte, ist gar völlig in der Versenkung verschwunden; das gilt jedoch auch für andere Kleinparteien, auch des rechtskonservativen Lagers.
Die geringe Wahlbeteiligung trotz zahlreicher Skandale, der schlechten Situation des Landes und der Bemühungen des gesamten Oppositionslagers und der jungen Menschen auch im Internet ist erschütternd. Die Wahlbeteiligung ist mit 54,3% zwar etwas höher als bei den letzten Wahlen 2008, aber im Allgemeinen immer noch niedrig; z.B. niedriger als bei den letzten regionalen Wahlen im Jahr 2010 (54,4%). Dahinter steht das traditionelle Misstrauen gegenüber den Parteien, dessen Berechtigung von diesen im Vorfeld dieser Wahlen wieder einmal bestätigt wurde: Erstens hat keine der Parteien wichtige Fragen seriös in den Wahlkampf eingeführt. Zweitens kam es im (Vor-) Wahlkampf zu noch mehr Gesetztesverstößen als bisher. Drittens wurden Kandidaten in den Parteien hauptsächlich nach Faktionsinteressen aufgestellt. Viertens gab es immer wieder Kandidaten, die in Korruptions-, Sex- und andere Skandale verwickelt waren.

Hintergründe

Der relativ deutliche Sieg der Regierungspartei hat viele überrascht. Nach fast fünf Jahren unter der Regierung Lee Myung-Baks war das Regierungslager selbst einer der größten Skeptiker in Hinsicht auf das Wahlergebnis. Die eindeutige Mehrzahl der sogenannten Wahlexperten setzte mindestens auf einen knappen Sieg der Oppositionspartei Demokratische Vereinte Partei (DVP oder Minju Tonghapdang). Die überwiegende Einschätzung war, dass die DVP zusammen mit der Vereinten Progressiven Partei (VPP oder Tonghap Chinbodang) eine deutliche Mehrheit im 300-Sitze starken Parlament erreichen würde. Diese Einschätzungen basierten zum größten Teil auf dem Umstand, dass die regierende Administration unter Lee Myung-Bak durch die meisten ihrer Vorstöße für Unzufriedenheit in der Bevölkerung gesorgt hatte. Entsprechend lautete das Wahlkampfmotto der Opposition: „Abstrafung der Regierung“.
Die Regierung sollte abgestraft werden dafür, dass sie trotz der Wahlversprechen keine Besserung der Lebensumstände für die einfachen Bürger erreicht habe, die Volksmeinung in wichtigen Fragen wie der Lebensmittelsicherheit ignoriere, das Verhältnis zu Nordkorea weiter verschlechtere, die Umwelt durch Megabauprojekte zerstöre, die Medien- und Meinungsfreiheit über die Maßen einschränke, systematisch Bürger in ihrer Privatsphäre verletze, kurz: die Zeit zurückdrehen würde. In jüngster Vergangenheit waren noch weitere Skandale hinzugekommen. Bei den Nachwahlen zum Bürgermeisteramt von Seoul im Oktober 2010 hatten Mitarbeiter des damaligen Parlamentspräsidenten Pak Hi-Tae (NWP) einen DDoS-Angriff auf die Server der Nationalen Wahlkommission verübt, um der NWP-Kandidaten bei der Wahl zu helfen. Gegen Ende 2011 begannen sich Verdachtsmomente zu häufen, nach denen enge Verwandte des Präsidenten Lee Myung-Bak, allen voran sein älterer Bruder Lee Sang-Deuk, in Schwarzgeldaffären verwickelt seien; die Staatsanwaltschaft nahm die Untersuchung auf. Anfang 2012 wurde der Skandal um Bestechungsversuche bei parteiinternen Vorstandswahlen der NWP im Jahr 2008 publik. Auch in diesem Fall war der Abgeordnete Pak Hi-Tae involviert und trat schließlich von seinem Amt zurück. Der illegale Lauschangriff der Regierung auf Bürger, die sich im Internet kritisch über die Regierung geäußert hatten, liegt bereits zwei Jahre zurück, Anfang März dieses Jahres kamen jedoch Geständnisse und Tonbandaufnahmen von zentralen Akteuren ans Licht. Später folgten Tausende Dokumente, die im Internet veröffentlicht wurden und die Ausmaße der Bespitzelungsaktion erahnen lassen.
Zwei Wochen vor der Wahl waren in einer beispiellosen Aktion die Gewerkschaften der wichtigsten Fernsehsender des Landes in einen Streik getreten, um ihrem Protest gegenüber der regierungsfreundlichen Manipulation der Berichterstattung Ausdruck zu verleihen. Nach dem Amtsantritt Lees wurden durch rechtlich unzulässige Vorgänge die Chefintendanten der wichtigsten Rundfunkanstalten kurzerhand frühzeitig gegen regierungsfreundliches Personal ausgewechselt. Die Manipulation der Berichterstattung im Sinne der Regierung nahm mit den stark abfallenden Umfragewerten in den letzten Jahren rapide zu. Vor diesem Hintergrund sind die Erfolge von alternativen Nachrichtenquellen wie den Podcast-Sendungen „Ich bin die Hinterlist (in Person)!“ (Nanŭn Ggomsuda!) oder „Der Fragenaufklärer“ (Itŏllam) zu interpretieren. Auch die alternativen Nachrichtensendungen (MBC Chedaero Nyusŭ Teskŭ, Riset KBS Nyusŭ), die von den streikenden Medienarbeitern der großen Sender gemacht werden, werden auf Youtube immer häufiger abgerufen. Das Budget für die Herstellung solcher Sendungen liegt bei einem winzigen Bruchteil dessen, was sonst dafür bereitgestellt wird, aber die Inhalte übertreffen ihr Original deutlich an Qualität, was den Umgang mit zentralen politischen, sozialen und ökonomischen Fragen des Landes angeht.

Durch die Podcast-Sendung „Nanŭn Ggomsuda“ wurde unter anderem der Verdacht der Wahlmanipulation bei den Nachwahlen zum Bürgermeisteramt 2011 erhoben. Mehrere Personen aus dem direkten Arbeitsumfeld des damaligen Präsidenten des Parlaments wurden daraufhin verhört. Ihnen wurde zur Last gelegt, die Internetseite der Wahlaufsichtsbehörde am Tag der Wahl mit einem DDOS-Angriff lahmgelegt zu haben, damit die Bürger die neuen Orte der Wahllokale nicht finden und somit nicht wählen würden. Davon sollen sie sich versprochen haben, dass es der Kandidatin der Regierungspartei helfen würde, die Wahl für sich zu entscheiden. In der Podcast-Sendung „Itŏllam“ wurde der Lauschangriff auf einfache Bürger durch das Büro des Ministerpräsidenten publik gemacht. Kurz vor den Wahlen legte einer der Hauptakteure sogar ein Geständnis in der Sendung ab, was dazu führte, dass die Staatsanwaltschaft die Verbindungen bis ins Blaue Haus verfolgte. In den alternativen Nachrichten auf der Internetplattfrom Youtube publizieren die entlassenen Nachrichtensprecher vor allem die Berichte, die in ihrer früheren Redaktion der Zensur zum Opfer gefallen waren und gehen solchen Fällen investigativ mit Kamerteams nach.
Vor diesem Hintergrund ist es dem ersten Anschein nach mehr als verwunderlich, wenn die deutliche Mehrheit der Wahlgänger sich dennoch für die Regierungspartei entschieden hat. Wie kann man erklären, dass alles für eine Abstrafung des Regierungslagers und einen politischen Richtungswechsel gesprochen hatte, aber die Regierungspartei von den Wählern bestätig wurde? Haben die Südkoreaner über die Untaten der Regierung hinweggesehen oder sind sie im Grunde zutiefst konservativ?

Wähler

Das scheint keine plausible Erklärung. Ein Rückblick auf die vergangen Jahre legt nahe, dass viele südkoreanische Bürger durchaus in der Lage sind, die Politik kritisch zu beurteilen. Das haben hat sich kurz nach dem Amtsantritt Lee Myung-Baks und der Parlamentswahl 2008 gezeigt, als Millionen Menschen auf die Straße gingen, um gegen die seinem Volk gegenüber ignorante Politik der Regierung zu protestieren. Auch bei den verschiedenen Wahlen derletzten Jahre war dies deutlich zu erkennen. Bei den regionalen Wahlen 2010 wurde das Regierungslager noch deutlich abgestraft. Es ging damals hauptsächlich um Bildung, Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Die Kandidaten der Opposition und ihre Partei gingen diese Themen offensiv an und konnten sich damit gegenüber dem Regierungslager klar positionieren; inhaltlich haben sie überzeugt. Außerdem begann damals die Kooperation zwischen den verschiedenen Parteien des Oppositionslagers, die konkret in zahlreichen erfolgreichen Kandidatenvereinigungen mündete.
Selbst die Katastrophe der südkoreanischen Militärfregatte „Ch‘ŏnan“, die vom nordkoreanischen Militär versenkt sein soll, hat hier dem rechtskonservativen Lager nicht als Stimmungsmacher dienen können. So deutlich war die Stimmung im Volk vor zwei Jahren. Unter den vergleichsweise wenigen Ämtern, die das Regierungslager für sich entscheiden konnte, war nur das Seouler Bürgermeisteramt von größerer Bedeutung. Der damals amtierende Bürgermeister Oh Se-Hoon setzte sich gegen seine Herausforderin Han Myung-Suk von der DVP durch. Jedoch verstrickte sich der bestätigte Bürgermeister gleich darauf in einen Streit mit der Mehrheit des Seouler Stadtparlaments, die die Durchsetzung einer unentgeltlichen Schulspeisung in der Hauptstadt propagierte. Bürgermeister Oh nutzte sein Veto-Recht und ließ dann eine Bürgerabstimmung durchführen, in der die Frage geklärt werden sollte. Er verlor sie und löste kurz darauf sein Versprechen ein, im Falle einer Niederlage zurückzutreten. Auch hier hatte die Opposition klar Stellung bezogen und sich die Anliegen der Bürger politisch zu Herzen genommen.
Das ist auch bei den Menschen angekommen, die sich schließlich gegen das Veto des Bürgermeisters aussprachen. Die Stimmung wurde 2011 bei der Nachwahl des vakanten Bürgermeisteramtes erneut bestätigt. Gewählt wurde mit Park Won-Soon eine bekannte Persönlichkeit der Zivilgesellschaft, der der Oppositionspartei nahesteht (er ist nach seinem Amtsantritt der DVP beigetreten), und bekannt ist für seine Ideen und Aktionen stark sozialdemokratischen Charakters.

Parteien

Fast allen Parteien in Korea ist gemein, dass ihnen von den Wählern sehr wenig Vertrauen entgegengebracht wird. Es herrscht seit jeher eine starke Parteienverdrossenheit, da man in Korea noch nicht einmal auf ein angenommenes „Goldenes Zeitalter der Parteien“ zurückschauen kann. Begründet liegt dieses Misstrauensverhältnis wahrscheinlich unter anderem in den drei zentralen Charakteristika der Parteien in Korea. Erstens, Parteien haben sich seit dem ersten Parlament Ende der 1940er Jahre immer wieder gespalten, (wieder) fusioniert und/oder neugegründet entlang der Interessen von charismatischen Führern und nicht entlang von sozioökonomischen Bruchlinien (cleavages). Zweitens, es gibt seit jeher immer wieder Politiker, die in Parteien ein- und austreten sowie Parteien wechseln nicht aus Überzeugung, sondern um ihrer persönlichen Vorteile willen. Drittens, Parteien standen schon immer im meistens berechtigten Verdacht, die Wähler nur als Stimmvieh anzusehen und ausgenommen von den Wahlterminen nach den Interessen der Parteiführung bzw. der verschiedenen innerparteilichen Faktionen zu handeln. Dies bezieht sich zum einen sowohl auf die ignorante Haltung gegenüber demokratischen Prinizipien als auch auf das Übertreten von Gesetzen. Diese Ursachen für die Parteienverdrossenheit wirken bis heute nach wie eine Erblast. Während der zehn Jahre unter den Präsidenten Kim Dae-Jung und Roh Moo-Hyun hat es verschiedene Reformen und tatsächliche Veränderungen in der Politik gegeben, nach dem Reformhöhepunkt im Jahr 2004 jedoch neigt sich der Reform-Graph wieder steil nach unten. Die statistisch erfassten Fälle von Vergehen gegen das Wahlgesetzt während des Wahlkampfes der vergangenen Wochen gehen weit über bisherige Erfahrungen hinaus. Es gab insgesamt 1096 Fälle, in denen es zu einer offiziellen Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft kam. In 39 Fällen wurden Personen verhaftet. Das ist eine Steigerung im Vergleich zu vor vier Jahren um 38,4% und es wird darauf hinauslaufen, dass im kommenden Oktober, kurz vor den Präsidentschaftswahlen, eine umfangreiche Nachwahl anberaumt werden muss. In den meisten Fällen handelte es sich um absichtliche Verbreitung falscher Informationen über den Kontrahenten, Bestechung oder andere Fälle von illegalen oder gewalttätigen Aktionen.
Zum anderen ist insbesondere die Ämtervergabe, aber auch die Kandidatennominierung hier zentral, wie sich ebenfalls bei dieser Wahl erneut deutlich erkennen ließ.

Neue Welt Partei (NWP)

Vor diesem Hintergrund hat sich die NWP strategisch sehr klug und die DVP strategisch sehr unklug verhalten. Erstens waren die Voraussetzungen für die NWP insofern gut, als dass sie auf eine vergleichsweise lange Geschichte zurückschauen kann. Das letzte Mal, dass sich die Partei umbenannt hatte, war 1997. Sie war damit die Partei mit der längsten Lebensdauer. Dass diese lange Geschichte der NWP ihren Ursprung in den Parteien der Diktaturen hatte, scheint dabei weniger gestört zu haben. Zweitens hat die Partei mit der Benennung Park Geun-Hyes zur Notstandsvorsitzenden eine gute Wahl getroffen, um sich erfolgreich vom „lahmenden“ Blauen Haus zu distanzieren. Sie hatte im parteiinternen Vorwahlkampf 2007 zwar gegen Lee Myung-Bak verloren, aber sich in ihrem Kampf die Sporen verdient, die ihr nun zu Gute kamen. Auch mit dem politischen Familienerbe im Rücken aus der Zeit, als ihr Vater Park Chung-Hee als Militärdiktator regierte, konnte sie ihrer Partei eine gewisse wenn auch ambivalente Autorität verschaffen. Vor diesem Hintergrund konnte sie sich und ihrer Partei den Anschein zu geben, auch sie wolle die Regierung abstrafen. Dies hat sie, drittens, medienwirksam mit der symbolischen Parteierneuerung umgesetzt. Der Parteiname wurde von Hannaradang in Neue-Welt-Partei geändert, die Parteifarbe von Blau in Rot geändert und ein innovatives Parteilogo kreiert. Desweiteren wurde diese explizierte Selbstreform bei der Aufstellung der Kandidaten unterstrichen, bei der einige politische Schwergewichte, die dem amtierenden Präsidenten nahestehen, ausgehebelt wurden. Dass sich unter den nominierten Kandidaten neben vielen ihrer Vertrauten auch Frauenbelästiger, akademische Täuscher und unglaubwürdige Jungtalente befanden, machte dabei offensichtlich keinen Unterschied.

Demokratische Vereinte Partei (DVP)

Die DVP hingegen machte vieles strategisch falsch und wurde auf den letzten Metern umso mehr von ihren Nominierungspannen eingeholt. Nach Analysen der Wahlexperten war es nämlich der Skandal um den Kandidaten Kim Yong-Min, der dafür gesorgt hat, dass in vielen Fällen, in denen die Entscheidung sehr knapp ausfiel, eher dem Kandidaten des Regierungslagers der Zuspruch gegeben wurde. Doch entscheidend für den gesamten Wahlausgang war dieser eine Skandal sicherlich nicht. Das Prozedere der Kandidatenaufstellung insgesamt ist einer der entscheidenden Punkte. Die DVP stellte eine Reihe von Kandidaten auf, die umstritten waren, entweder aus persönlichen Gründen oder weil der Kandidat der falschen Faktion der Partei angehörte. Die DVP hat sich erst Mitte Dezember vergangenen Jahres aus verschiedenen politischen Kräften des Oppositionslagers zusammengefunden. Damals vereinigte sich die Demokratische Partei (DP) mit der Bürgervereinigungspartei (BVP), die sich kurz zuvor aus Gruppen der Zivilgesellschaft, Gefolgsleuten des vorherigen Präsidenten Roh Moo-Hyun und einem der zwei Gewerkschaftsdachverbände, der FKTU (Federation of Korean Trade Unions), gegründet hatte. Beabsichtigt war, eine möglichst breite Front gegen das Regierungslager in einer Partei zu schaffen, doch gleichzeitig bedeutete die Fusion auch potentielle Konflikte im Innern. Bei der Aufstellung der Kandidaten sind dann eben diese Konflikte zu Tage getreten, da jede Faktion ihren Anteil an Nominierungen einforderte und der Wille der Bürger, den sie eigentlich vertreten sollten, in vielen Fällen auf der Strecke blieb. Das ist den Wählern nicht verborgen geblieben. Auch in der NWP gab es innerparteiliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Lagern der pro-Park-Geun-Hye- und der pro-Lee-Myung-Bak-Faktion. Doch wahrscheinlich war es die weise die Einsicht vor allem des pro-Lee-Lagers, dass die meisten sich schließlich doch stillschweigend zum Bauernopfer machen ließen und nicht wie zuvor angekündigt als Parteilose antraten, um dann nach einer erfolgreichen Wahl wieder in die NWP einzutreten. So stand die NWP am Ende als reformwillige Partei da, die sich deutlich von der Lee-Regierung distanziert. Die DVP hingegen gab sich in der Öffentlichkeit den Anschein, dass es nur noch darum ginge, die so sicher geglaubte Macht schon einmal auf die verschiedenen Kräfte des eigenen Lagers zu verteilen. Der schlechte Eindruck, den die Partei damit auf die Wähler gemacht hat, ist umso stärker ausgefallen, als dass sich die DVP ebenfalls Reform und Innovation auf die Fahnen geschrieben hatte; hier jedoch in aller Öffentlichkeit offenbar völlig schamlos genau das Gegenteilige praktizierte.
Der zweite große Patzer der Parteführung der DVP war, dass man außer Negativwahlkampf keine stichhaltige, deutliche und konkrete Wahlkampfagenda hatte. Die DVP schien sich in Sicherheit zu wiegen, dass die Lee Myung-Bak-Regierung durch ihren anti-demokratischen Führungsstil dem Regierungslager schon ausreichend Schaden zugefügt hätte. So gab es für die zu umwerbenden Wähler keine klare Message, keine Vision – kurz: keinen entscheidenen Grund, weshalb man sich als Wähler unbedingt für einen Regierungswechsel hätte entscheiden sollen. Selbst der ungeheuerliche Abhörskandal wurde von der DVP nur als ein weiterer Punkt in ihre Liste aufgenommen, die im Wahlkampf immer einfach nur widerholt wurden. Echtes Engagement, aktives Vorgehen und überzeugende Alternativen zeigte die DVP nicht. Die Parteivorsitzende und ehemalige Ministerpräsidentin Han Myung-Sook nahm zwei Tage nach der Wahlschlappe ihren Hut. Sie hat damit die Verantwortung für die groben Fehler der Parteiführung übernommen. Manche behaupten, sie sei von Anfang an die falsche Besetzung gewesen, weil man sie zwar als harmonisierende Führungspersönlichkeit schätze, aber in einer kriegsähnlichen Wahlkampfzeit es eher eines Generals bedürfe – oder eben der Tochter eines solchen wie im Fall von Park Geun-Hye.

Vereinte Progressive Partei (VPP)

Aus historischen Gründen war es in Korea für Parteien links von Konservativen und Liberalen immer schwer nur einen Fuß ins Parlament zu setzen. Bereits vor der Teilung 1948 war der Kalte Krieg ausgebrochen. Die USA hatten den Süden der Halbinsel besetzt und auch auch unter dem damaligen südkoreanischen Staatsführer Rhee Syngman (Yi Sŭng-Man) blieb man im Süden stark antikommunistisch. Daran änderte sich nicht viel während der Dekaden der Militärdiktaturen zwischen den Jahren 1961 und 1993 und wurde erst mit dem Amtsantritt Kim Dae-Jungs 1998 entscheidend geschwächt. Es war ein historischer Moment als 2004 mit den zehn Abgeordneten der Demokratischen Arbeiterpartei (DAP) zum ersten Mal eine progressive Partei links von Konservativen und Liberalen ins Parlament einzog. Das war das Ergebnis einer veränderten Gesellschaft, aber auch der Reform des Wahlgesetzes, durch die das Verhältniswahlrecht mittels Zweitstimme eingeführt wurde. Die Zustimmung durch die Zweitstimme war bei der DAP so gleichmäßig über das ganze Land verteilt wie bei sonst keiner anderen Partei. So konnten ganze acht Kandidaten (13,1%) der Parteiliste in die Nationalversammlung einziehen. Zwei Mandate wurden direkt gewonnen. Doch bereits vier Jahre später kam die Ernüchterung. Die Unterstützung schrumpfte auf 5,7% der Zweitstimmen (3 Sitze) zusammen und nur zwei Wahlbezirke konnten gewonnen werden. Daraufhin spaltete sich die Progressive Neue Partei (PNP) 2008 von der DAP ab, um dem fundamentalistischen Anschein der Partei zu entkommen und sich mehr populär und salonfähig zu geben. Im vergangenen Jahr kam es jedoch zu erneuten Konflikten in der PNP, in Folge dessen sich wieder Teile abspalteten, um wieder mit der DAP zur heutigen VPP zu fusionieren. Hinzu kamen wieder andere aus dem engeren Umfeld des ehemaligen Präsidenten Roh Moo-Hyun und zivilgesellschaftliche Gruppen. Schließlich tat sich diese salonfähige progressive Partei mit der liberalen DVP zusammen, um sich an der breiten anti-Lee-Myung-Bak-Front zu beteiligen. Quantitativ hat sie von den ausgehandelten Kandidatenvereinigungen per Umfrage profitiert, sie erkämpfte sieben Direktmandate, in ihrer allgemeinen Unterstützung bei den Wählern ist sie jedoch wieder hinter ihrem Ergebnis von 2004 zurückgeblieben. Auch von ihrem erklärten Ziel mit 20 Abgeordneten eine eigene Fraktion im Parlament zu bilden, blieben sie weit entfernt. Bedrückender jedoch ist, dass isch die VPP weit aus ihrer links-progressiven Ecke herausbewegt hat, um dennoch ohne entscheidendes Mitspracherecht auf der Strecke zu bleiben. Neben dieser nicht unproblematischen Kompromissbereitschaft sind die Gründe für das Scheitern der VPP vor allem im bedenklichen Prozedere des (Vor-) Wahlkampfes zu suchen. Denn auch hier sind zweifelhafte Kandidaten auf Grund von innerparteilichen Faktionsinteressen aufgestellt, authentische Kandidaten der Kandidaturvereinigung geopfert geworden, und in einem entscheidenden Fall hat man sich sogar zu plumper Wahlkampfmanipulation hinreißen lasse. Dies trifft die VPP umso mehr, als dass von einer progressiven Partei ein höheres Niveau an moralischem Verhalten – zu recht – erwartet wird. Das heißt, auch hier wurde wertvolles Kapital verschenkt.

Trends

Bei dieser Wahl konnten zum ersten Mal Auslandskoreaner in 107 Ländern per Briefwahl teilnehmen. Zwischen Ende März und Anfang April hätten rund 2,2 Millionen Koreaner, die im Ausland leben, durch Briefwahl ihre Stimme abgeben können. Doch nur ca. 120 meldeten sich überhaupt dafür an und schließlich waren es nur knapp 57.000, die tatsächlich den Gang zu ihrem Konsulat machten, wo die Briefwahlurnen aufgestellt waren. Die Wahlbeteiligung der angemeldeten Auslandskoreaner betrug 45,7%, zählt man jedoch alle im Ausland lebenden wahlberechtigten dazu, lag die tatsächliche Beteiligung bei nur 2,5%. Koreaner, die für eine begrenzte Zeit im Ausland leben, konnten bereits Mitte der 1960er bis in die frühen 1970er Jahre hinein wählen. Durch die Verschärfung der Diktatur in den 1970er Jahren, wurde ihnen das Recht jedoch wieder entzogen. Seit Ende der 1990er Jahre gab es immer wieder Versuche, das Wahlrecht auch für im Ausland lebende Koreaner mit einer anderen Staatsangehörigkeit bzw. Aufenthaltsgenehmigung, dich sich also langfristig im Ausland aufhielten, per Verfassungsklage durchzusetzen. Erst im Sommer 2007 entschied das südkoreanische Verfassungsgericht schließlich, dass das Wahlgesetz, das im Ausland lebenden Koreanern das Wahlrecht nicht zubilligte, verfassungswidrig sei. Die betreffenden Paragraphen des Gesetzes wurden entsprechend geändert. Umgekehrt können seit 2005 Ausländer, die in Korea leben, auch an Wahlen teilnehmen. Jedoch müssen sie nach Erhalt ihrer Aufenthaltserlaubnis mindestens drei Jahre im Land gelebt haben; das Wahlrecht beschränkt sich außerdem auf regionale Wahlen. Ausländer, die die koreanische Staatsbürgerschaft haben, können an allen Wahlen teilnehmen. Aktuell leben etwas mehr als 1 Millionen Ausländer in Südkorea.
Bei diesen Parlamentswahlen sind zum ersten Mal Abgeordnete mit Migrationshintergrund ins Parlament gewählt wurden, sowie eine Reihe verhältnismäßig junger Kandidaten. Die beiden zugewanderten Kandidaten sind der 53-jährige Cho Myŏng-Chul (NWP) aus Nordkorea und die 35-jährige Jasŭmin Lee (NWP) von den Philippinen. Verhältnismäßig junge Kandidaten sind der 30-jährige Kim Kwang-Chin (DVP), die 32-jährige Kim Chae-Yŏn (VPP), die 34-jährige Chang Ha-Na (DVP) und der 35-jährige Mun Tae-Sŏng (NWP), der 36-jährige Yi Chae-Yŏng (NWP) imd der 38-jährige Kim Sang-Min (NWP). Die Abgeordneten dieser Legislaturperiode sind im statistischen Durschnutt knapp 54 Jahre alt. Außer im letzten Fall handelt es sich dabei um Abgeordnete, die mit Listenplätzen in die Nationalversammlung einziehen. Insgesamt haben alle Parteien bei diesen Wahlen viele sehr junge Kandidaten ins Rennen geschickt, um einem allgemeinen Trend zu entsprechen. Die zuhnemende Internetöffentlichkeit spätestens seit den Kerzenlichterdemonstrationen Anfang 2008 hat dafür gesorgt, dass sich die Parteien diesen Medien und den jungen Nutzern dieser Medien zuwenden. Außerdem sind Jugendarbeitslosigkeit, Studiengebühren und Altersversorgung auch in Südkorea längst zentrale Themen.
Der Anteil der Frauen im Parlament ist nach diesen Wahlen gestiegen. Durch Direktwahlen ist mit 19 Abgeordneten die bisher höchste Zahl erreicht worden. Ganze 13 davon stellt die DVP. Vor vier Jahren waren es 14, 2004 zehn und 2000 sechs Sitze, die von Frauen gewonnen werden konnten. Dabei waren mit nur 63 Kandidatinnen weniger als die Hälfte ins Rennen gegangen als noch vor vier Jahren (132 weibliche Kandidaten). Zusammen mit den Frauen, die durch quotierten (50%) Listenplätze in die Nationalversammlung kommen, sind es insgesamt 60 Frauen unter 240 Männern, die im Zentrum der Politik für die kommenden vier Jahre mitmischen werden.
Die sogenannten Sozialen Netzwerkdienste (Social Network Services – SNS), wie Facebook oder Twitter nehmen auch in Korea eine wichtige Stellung in der Nachrichtenkonsumption wie auch im alltäglichen Meinungsaustausch ein. Es gibt wahrscheinlich keine Partei und keinen Politiker, der nicht bei mindestens einem der verschiedenen Dienste angemeldet ist und so von sich Reden macht. Einige Analysen sprechen von 10% zusätzlichen Stimmengewinns im Falle der aktiven SNS-Nutzung vor und während des Wahlkampfes. Tendenziell waren es eher die Liberalen und Progressiven, die sich der neuen Technik bedienten, wenn die Rechtskonservativen in den letzten Jahren auch stark aufgeholt haben. Und so wurde dem Einfluss der Diskurse in den Internetmedien auch für die Wahlen große Bedeutung beigemessen. Schaut man sich jedoch das Ergebnis an, scheint die Wirkung an den Stadtgrenzen der Hauptstadt Halt zu machen. Hauptsächlich ist dies wahrscheinlich dem Umstand zuzuschreiben, dass die überwiegende Mehrzahl der SNS-Nutzer dem Mitte-Links-Spektrum zuzuordnen sind, und die drei großen rechtskonservativen Zeitungshäuser (Choson Ilbo, Joongang Ilbo, Donga Ilbo) zusammen mit den mittlerweile einseitig regierungsfreundlichen Fernseh- und Radiosendern (KBS, MBC, SBS, YTN) immer noch ein sehr starkes Gegengewicht ausmachen. Deshalb ist die öffentliche Netzmeinung keinesfalls mit der öffentlichen Offlinemeinung gleichzusetzen. Mit anderen Worten, der Trend zu einem Regierungswechsel, der sich im Netz abzuzeichnen schien und an dem sich offensichtlich die meisten Wahlexperten orientierten, war eine falsche Fährte – der koreanische Frühling blieb aus.
Auch der Regionalismus, von dem man bei den Wahlen vor vier Jahren nur noch wenig zu spüren meinte, hat sich bemerkbar gemacht, wenn auch schwächer als es im ersten Augenscheint aussieht. Die Ergebnisse nach Wahlbezirken zeigen (siehe Grafik 6), dass die NWP ihre traditionellen Hochburgen im Südwesten alle bis auf vier Ausnahmen gewonnen hat. Hinzu kommen weite Teile der zentral gelegenen Provinz Ch’ungch’ŏng und die nordöstlichen Provinzen Kangwon und Kyŏnggi. Die sogenannte Honam-Region im Südwesten wie auch die Insel Cheju, die traditionell in der Hand der Opposition sind, hingegen sind eindeutig von Kandidaten der DVP oder der kooperierenden VPP beherrscht. Schließlich konnte die Opposition in der traditionell liberalen Hauptstadt Seoul einen großen Vorsprung gegenüber der Regierungspartei retten. Hier gewann die Opposition 32 der 48 Wahlbezirke, während das Regierungslager auf nur 16 kam.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass regionalistische Tendenzen einen nicht zu vernachlässigen Einfluss auf das Wahlergebnis genommen haben, sind die gescheiterten Versuche mehrerer Kandidaten in der Hochburg des jeweils anderen Lagers zu gewinnen. Die prominentesten Fälle haben sich in in den südwestlichen Wahlbezirken Kwangjus und Cheonjus und den südöstlichen Wahlbezirken Taegus und Pusans ereignet. In den traditionell oppositionellen Hochburgen haben Kandidaten Yi Chŏng-Hyŏn und Chŏng Un-Ch’an (beide NWP), in den traditionell konservativen Hochburgen Kandidaten Kim Pu-Kyŏm und Mun Sŏng-Kŭn (beide DVP) an ihren Herausforderung gescheitert. Sie verloren jedoch jeweils mit rund zehn Prozentpunkten Rückstand nur knapp, was durchaus als Zeichen für die weitere Erweichung des hartnäckigen Regionalismus interpretiert werden kann. Die Erfolge der Kandidaten Mun Hong-Ch’ŏl (DVP) und Cho Kyŏng-T’ae (DVP) in den Städten Kimhae und Pusan können in derselben Richtung gedeutet werden. Ein Ende des „primitiven Regionalismus“, wie es von manchen bei den letzten Wahlen bereits in nahe Aussicht gestellt wurde, ist aber offensichtlich doch noch nicht erreicht.
Eine Tendenz, die sich bei diesen Wahlen jedoch herauszuschälen scheint, ist die zunehmende Wichtigkeit der verschiedenen Altersgruppen mit entsprechend anders ausgerichtetem Wahlverhalten. Insbesondere den Wählern im Alter von 20 bis Ende 30 sagt man nach, progressiv bis liberal und den Rechtskonservativen gegenüber kritisch eingestellt zu sein. Insbesondere in Seoul lag die Wahlbeteiligung dieser jüngeren Wähler im Verhältnis zum restlichen Land mit 64,1% relativ hoch. Hier liegt wahrscheinlich ein nicht unwesentlicher Grund für das gute Abschneiden des Oppositionslagers. Im landesweiten Durchschnitt war die Wahlbeteiligung der jeweiligen Kohorte umso höher desto älter die Wähler waren. Dies erklärt zu einem gewissen Teil den übermäßigen Zuspruch für das Regierungslager. Vor diesem Hintergrund sprechen manche schon davon, dass regionale und ideologische Unterschiede hinter die Auswirkung unterschiedlicher Ansichten der verschiedenen Generationen zurücktreten werden.

Ausblick

Schon mehrmals hat es „Superwahljahre“ wie dieses gegeben. Im Dezember 2007 entschied Lee Myung-Bak die Präsidentenwahlen für sich und nur fünf Monate später gewann die Regierungspartei (damals noch unter dem Namen Hannaradang) die Parlamentswahlen haushoch. Hier hat sich die kurze Zeitspanne zwischen den Wahlen als ein entscheidender Faktor für den Ausgang der Parlamentswahlen herausgestellt. Auch die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen jeweils im Dezember 1987 und im April 1988 folgten mit fünf Monaten sehr schnell aufeinander. Dahingegen liegen die sieben Monate Zeitunterschied in diesem oder die acht Monate zwischen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen jeweils im März und Dezember des „Superwahljahrs“ 1992 viel weiter auseinander. Dennoch sind die sieben Monate bis zum 19. Dezember 2012 ein sehr kurze Zeit; insbesondere für das Oppositionslager, um sich zu sammeln und neu zu positionieren.
Doch auch das Regierungslager wird sich anstrengen müssen, will man auch das Blaue Haus weiterhin in seiner Gewalt behalten. Anders als bei den Parlamentswahlen sind regionale Fragen oder Fragen der einzelnen Wahlbezirke weit weniger wichtig und hauptsächlich die Unterstützung der Partei des jeweiligen Präsidentschaftskandidaten ausschlaggebend. Nach den Zweitstimmen zu urteilen, ist die Unterstützung bei den Wählern für das Regierungs- und das Oppositionslager in etwa gleichverteilt. Der Wahlsieg geht folglich aus den Erfolgen in den einzelnen Wahlbezirken aus. Außerdem kann man davon ausgehen, dass sich das Regierungslager bei diesen Wahl mit aller Macht gegen die drohende Übermacht des Oppositionslagers gestemmt hat. Das heißt, dass sie dieses Ergebnis bei den Präsidentenwahlen schwerlich wird überbieten können. Hinzu kommt, dass auch die Wahlkampfthemen sich enger an der Regierungspolitik insgesamt orientieren werden. Schließlich werden Präsidentenwahlen in Korea immer schon hauptsächlich in der Hauptstadtregion entschieden, in der rund ein Viertel der Bevölkerung lebt. Und gerade hier hat die NWP dieses Mal eine relativ deutliche Schlappe hinnehmen müssen.
Der nächste Akt des Politik-Dramas wird voraussichtlich von den Auseinandersetzungen um die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt sein. Wie immer in Korea nach Parlamentswahlen ist auch dieses Mal zu erwarten, dass es harte Kämpfe um die einflussreichen Positionen der wichtigen Ausschüsse geben wird. Abgesehen davon ist wahrscheinlich, dass die Streitfragen, die im Wahlkampf nicht geklärt werden konnten, spätestens hier wieder aufbrechen werden. Schließlich kann man annehmen, dass in vielen Wahlbezirken nachgewählt werden muss, weil es bereits laufende Verfahren in vielen Fällen von Übertretung des Wahlgesetztes gegeben hat. Das heißt, dass bereits lange vor dem eigentlichen Wahlkampf für die Präsidentenwahlen im Dezember der letzte Akt begonnen werden wird.

Fazit

Die stetig niedrige Wahlbeteiligung und das damit einhergehende Problem der unverhältnismäßigen Repräsentation sind ein Phänomen, das fast alle Industrienationen teilen. Dass neben grundlegenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Großproblemen, die ebenfalls in den meisten Ländern zu finden sind, selbst die so aktive Internetöffentlichkeit Koreas nicht viel gegen die Parteienverdrossenheit anrichten konnte, ist bedenklich. Es macht umso deutlicher, wie wichtig es ist, die Aufgaben und Praxis der Parteien zu hinterfragen und zu reformieren.
Der deutliche Anstieg von Gesetzesverstößen während des Wahlkampfes und die eklatanten Rückschritte im Prozedere der innerparteilichen Nominierung von Kandidaten geben Anlass, sich Sorgen um die Parteien zu machen. Wie kommt man heraus aus diesem Dilemma? Technokratische Flickereien an Gesetzen sind Verschlimmbesserung. Es muss ein grundsätzliches Umdenken in den Köpfen stattfinden.
Die Versäumnisse der Nationalen Wahlkommission (NAW) alarmieren, weil sie häufig einseitige Tendenzen zur Regierungsfreundlichkeit zeigen. Die NAW hat in den letzten Jahren des Öfteren Wahllokale kurzfristig verlegt, ohne dies ausreichend bekannt zu geben und hat bei offensichtlichen Vergehen zweifelhafte Entscheidungen im Sinne regierungsnaher Politiker gefällt. Im Vorfeld dieser Wahlen informierte die Internetseite der NAW, dass die Wahllokale um 20 Uhr schließen würden, nur um kurz vor dem Wahltag dies plötzlich in 18 Uhr umzuwandeln. In einem Seouler Wahlbezirk wurden kurz vor der Stimmenauszählung 28 unversiegelte Wahlurnen entdeckt.
Die Demokratisierung und Reformierung der Politik in Südkorea schien mit dem neuen Jahrtausend vielversprechend voranzukommen. Doch spätestens der schwache Negativwahlkampf der Opposition bei den Präsidentenwahlen 2007 und die in beiden Lagern auftretenden Unregelmäßigkeiten bei der Aufstellung von Kandidaten für die Parlamentswahlen 2008 waren eine deutliche Warnung. In den vergangenen vier Jahren unter Päsident Lee Myung-Bak, der von Anfang an erklärte, er wolle nichts mit Yŏido, dem Sitz des Parlaments, zu tun haben, hat sich die Schlammschlacht zwischen einer immer ignoranteren Regierungspartei und einem immer überheblicheren Oppositionslager noch verschlimmert. Der Rest dieses Jahres wird zeigen, ob die Präsidentschaftswahlen diese Art der Politik weiter auf die Spitze treibt oder einen positiven Durchbruch ermöglichen wird.

Nachwahlen in Südkorea: Das Pendel schlägt zurück – Regierungspartei zeigt Nerven, Opposition probiert Handlungsfähigkeit.

Kommentar zu den Nachwahlen vom 27. April 2011

  • Mit knapp 40% wurde die zweithöchste Wahlbeteiligung bei Wiederholungs- und Ersatzwahlen erzielt, die hauptsächlich auf die besondere Situation am Vorabend des Superwahljahres 2012 und die strategische Kandidatur von politischen Schwergewichten zurückgeführt werden kann.
  • Verlierer der Wahl sind das weiter zersplitterte Regierungslager der Großen Nationalpartei (GNP) und die Newcomerpartei von Ryu Shi-Min sowie er selbst, während die Demokratische Partei (DP) rechtzeitig vor den Wahlen im kommen-den Jahr symbolisch aufholt.
  • Klarer Gewinner ist der Parteivorsitzende der DP, Sohn Hak-Kyu, der nicht nur seine Position in der Partei stärken konnte, sondern auch insgesamt seine Aus-sichten auf Unterstützung seiner nun sehr wahrscheinlichen Kandidatur für das Präsidentenamt im kommenden Jahr deutlich verbessert hat.
  • Die ehemalige Vorsitzende der GNP, Park Geun-Hye, und ihre Faktion haben ebenfalls eine bessere Position für das anstehende interne Kräftemessen gegenüber den Lee Myung-Bak-Getreuen.
  • Die Hauptschauplätze der Wahlen waren bestimmt von bedenklichen Kandidatenaufstellungen, Negativkampagnen und dem Einsatz illegaler Wahlkampf-methoden; von den Wählern ist die politische Klasse dafür nicht in jedem Fall abgestraft worden.
  • Die Karten sind neu gemischt, rechtzeitig zum Wahlschaltjahr, in dem ansteht, klarzustellen, ob das Volk mit dem rechtskonservativen Ruck der vergangenen fünf Jahre einverstanden war, oder doch wieder mehr Demokratie wagen möchte.
Den gesamten Kommentar können Sie HIER als PDF-File downloaden.

Kommentar zu den Regionalwahlen in Südkorea vom 2. Juni 2010: Deutliche Absage an das rechtskonservative Regierungslager

Etwas über 38 Millionen südkoreanische Bürger waren am 2. Juni bei den fünften landesweiten Regionalwahlen aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Die oppositionelle Demokratische Partei (DP) gewann diese Wahlen deutlich, die Regierungspartei Große Nationalpartei (GNP) wurde klar abgestraft. Anders als die Parlamentswahlen, die weniger als ein halbes Jahr nach den Präsidentschaftswahlen Ende 2007 im Frühling 2008 stattfanden, können diese Regionalwahlen als klassische „Bewährungsprobe“ des amtierenden Regierungslagers verstanden werden. Sie hat sie nicht bestanden.
Neben 16 Oberbürgermeistern und Provinz-Gouverneuren sowie 16 Bildungsministerämter (Superintendenten) standen auch über 200 Bezirksleiterposten, rund 700 Abgeordnetensitze der Bezirks- und knapp 3000 der Kommunalparlamente zur Wahl. Insgesamt standen knapp 4000 Ämter zur Disposition. Die oppositionelle DP erhält sieben der 16 Governeursämter, die GNP sechs, die Restlichen gehen an die Partei für Freiheit und Fortschritt (FFP; Stadt Daejon) und zwei parteilose Kandidaten.

Der komplette Kommentar ist hier als PDF-Datei abrufbar.

Vuvuzela (alias Uwe Seeler)

Tatsächlich scheinen die Vuvuzela weltweit für Ungemach zu sorgen. So auch in Südkorea, wie man zum Beispiel an dieser Karikatur der Tagesezeitung Seoul Sinmun vom 15. Juni deutlich sehen kann. In Südkorea geht man hiernach gelassener mit dem nervtötenden Instrument um, man ist es schließlich gewöhnt…

In Südkorea geht man gelassener mit "Uwe Seeler" um...
Karikatur der Seoul Sinmun

Bild 1: Lautes Tröten der Vuvuzela.

Bild 2: „Nervt, nicht wahr?“

Bild 3: „Ja, aber kommt mir irgendwie bekannt vor!“

Bild 4: „Da ich diesen Krach hier schon so oft gehört habe…“ Man sieht das südkoreanische Parlamentsgebäude, aus dem Krach kommt.

„Angenehme Wohnungen“

Einer schreit Hilfe,
doch niemand hört.
Ich sage, angenehm diese Wohnung,
wo einer schreien kann
und nicht stört.

Wolf Wondratschek

(Hier gehört.)

살려달라는 소리,

그러나 누구도 듣지 않는다.

이 집이 편안하다고 나는 말한다,

소리 지를 수 있어도

방해되지 않는 이 곳.

(볼프 본드라체크)

Koreanisches Essen: Kulinarischer Fallout!

Man kann es riechen! Man kann es schmecken! Man kann es sehen! Und gerade deshalb ist die koreanische Küche so explosiv schmackhaft wie eine Bombe! Die Revolution beginnt ganz simpel …

Man kann es riechen! Man kann es schmecken! Man kann es sehen! Und gerade deshalb ist die koreanische Küche so explosiv schmackhaft wie eine Bombe! Die Revolution beginnt ganz simpel: Ein Becher wird aufgetischt – mal mit Wasser, mal mit Tee, mal kühl, mal warm. Nach nur kurzer Dauer formieren sich erste Beilagenschälchen in Gruppenverbänden weißer Keramik. Die Grünen (gedünsteter Spinat mit Sesamkernen) neben den Roten (eingelegter Chinakohl), die Gelben (Ei) neben den Weißen (weicher Tofu mit Sojasoßenmischung). Dann wieder Rote (scharf eingelegter Krebs) neben Goldgelben (gebratener Fisch), Grüne (eingelegte Sesamblätter) neben den Braunen (eingelegte Bohnen) usw. usf. Flink springen die Stäbchen von einem Farbverband zum andern – und wieder hin und wieder her. Gedanklich stellt sich ein Regenbogen an Leichtigkeit am Horizont des Gaumens ein.

Dann ist von der Ferne ein Kampfgeschrei zu vernehmen. Mit heruntergetretenen Hacken und im Schweiße ihres Angesichts steuert die Bedienung den brodelnden Dampfer aus dem Hafen auf die frische See hinaus. Kaum setzt das Fahrwerk der bauchigen Transporter auf, vernebelt es einem die Sicht – der Duft die Sinne. Die herdplattenheiße Steinschale hält die Liebe der Köchin noch für einen Augenblick lebendig vor Augen. Ein umstürzlerisches Getöse macht sich in den Massen breit. Dann gibt es kein Halten mehr. Die Gruppenverbände ändern ihre Positionen, arrangieren sich neu, werden ersetzt, wenn sie vollends ausgeschöpft sind. Der Augenblick ist gekommen, die Fanfaren blasen hell und durchdringend den ersten Löffel des liquiden Heiß‘. Das ist der Umsturz! Kritiker mögen Kulinarismus unterstellen, Skeptiker Essentialismus, aber dies ist unvergleichbar mit sinistischem Brand, gelben Fackeln oder nipponesischem Motorenöl.

Dies ist the spice in my life! Wie ein Saunagang mit anschließendem Eisbad in einem! Dem Körper als ganzes wird ekstatischer Auftrieb verliehen, wie die Vorstellung von einem Kranich, der an einem milden Frühlingstag vom schilfbedeckten Dach erst mit ein paar Flügelschlägen anmutendend in die Höhe steigt und dann in eine seichte Wasserstelle gleitet! Und dann das weiße, fluffige Gold. Vollmundiger als jedes Steak, leichter als jede Kartoffel und duftende Verführung, die die Zunge und den Gaumen umschmeichelt – so liebevoll, wie der Bauer seinem Gaul auf den Rücken klopft. Der gesamte Geschmacksraum ist in ein Festival des Frohsinns getaucht – das Orchester spielt „Freude schöner Götterfunken“. Alles ist auf den Kopf gestellt und die geleerten messerscharfen Muscheln rollen in das Behältnis am Rand der Bühne. Das geschmackliche Flimmern erscheint langsam wie eine Fata Morgana, die ich von der frischen Oase aus am Horizont der Wüste erblicke. Sie erzählt von fernen Großartigkeiten, die sich wie Wellen entzückendster Wonne über mich ergießen. Fast wie im Takt zu einem Walzer oszillieren die Stäbchen über die Fläche, die sich farbenprächtig vor mir ausbreitet. Immer wieder vor, dann wieder zurück und noch mal vor. Wie die Auferstehung eines zerschlagenen bunten Porzellans, setzen sich die Eindrücke Stück für Stück wie das Muster auf einem Webteppich zusammen. Das vollkommen komplette Sinnbild erfährt man erst Minuten nach seinem eigentlichen Höhepunkt. Die Ergreifung dieses Augenblicks ist so überwältigend, dass ein direktes Erleben einen zum Überkochen bringen würde.

Die Forderungen sind erfüllt! Unendlichkeit, Ausgewogenheit und Harmonie. Wie die Glut des Lagerfeuers, die bis in die Morgenstunden wohlig wärmt, langsam erlischt, wirken die beruhigenden Umschmeichelungen von Zimt und Pflaume. Wassermassen scheinen sich in die Täler zu ergießen, wenn das fidele Knacken der Birnen gaumale Echos verschallen lässt. Auch die letzten Feuerschlucker schließen sich der Nachtruhe an und das Fest wird leiser und leiser, bis alle in einen trunkenen Schlaf verfallen, der so tief und doch so leicht und süß scheint, wie die Bienen behende auf den Blüten tanzen. Die Schmerzen der täglichen Welt lindernd, beginnt damit ein frischer neuer Tag. Die Vögel zwitschern und das klare Licht der Sonne scheint durch den hellen Stoff. Eine gänzliche Zufriedenheit macht sich breit. Ich öffne die Augen und skandiere gedanklich: Das Essen ist zu Ende, es lebe das Essen! Dann schwärme ich und genieße noch einmal den Moment.

Zuerst erschienen in der Mai-Ausgabe der „HANGARAM“ (2003).