Der 59-jährige Kim In Gyu ist zum neuen Chefintendanten des halbstaatlichen Fernsehsenders KBS gewählt worden. Noch vor zwei Jahren war er während des Präsidentschaftswahlkampfs hauptverantwortlich für die Medienwirksamkeit Lee Myung Baks, der schließlich 2008 zum Staatsoberhaupt eingeschworen wurde. Oppositionsparteien und Bürgerinitiativen sowie die Gewerkschaft des Senders kritisieren die Entscheidung scharf. Sie sehen darin einen weiteren Schritt der Regierung, die Medien unter ihre volle Kontrolle zu bringen.
Kreuzzugartige Medienreform unter Präsident Lee
Bereits während des Präsidentschaftswahlkampfes Ende 2007 betonte das Camp um Lee Myung Bak, man werde die Medienlandschaft umkrempeln und flächendeckende Privatisierungen bei Sendern vornehmen. Die Rechtskonservativen, die schließlich an die Macht kamen und ihr Versprechen wahr machen zu scheinen, rechtfertigten ihren Kreuzzug damit, dass die Medien „links“ und ihnen gegenüber feindlich gesonnen seien. Dies sahen sie ein weiteres Mal bestätigt, als sich nur wenige Monate nach der Amtseinführung Lees im Frühling vergangenen Jahres der Skandal um die Rindfleisch-Frageentfachte. Die rechtskonservative Regierung sah darin eine Verschwörung vor allen Dingen des Politmagazins „PD Notebook“ des Fernsehsenders MBC.
In der Folge wurde nicht nur MBC unter Druck gesetzt, sondern auch der Chefintendant des Nachrichtensenders YTN sowie der von KBS abgesetzt, um mit regierungsnahen Personal ausgetauscht zu werden. Während man bei YTN äußerst fragliche Methoden bei der Durchsetzung der Personalie bezüglich der Aktionärsversammlung praktizierte, wurden bei KBS Grundprinzipien des Entscheidungsprozesses für Personalfragen umgangen, um den Wunschkandidaten (Lee Byung Sun) auf den Thron zu setzen. Seit damals werden diese Vorgänge von Opposition und der Öffentlichkeit als Versuche der Regierung kritisiert, die Medien in ihre Gewalt zu bringen.
Doch bisher konnte sich die Regierung dahinter verstecken, dass der Personalreformprozess nach dem Gesetz abgelaufen und damit rechtens sei. Jüngste Gerichtsentscheidungen sprechen jedoch eine andere Sprache. Dass nun mit Kim In Gyu ein weiteres Mal ein eindeutig regierungstreuer Mann an die Spitze von KBS gesetzt wurde, gibt dem Widerstand gegen die Einbahn-Politik der Regierung Rückenwind.
Gericht: Absetzung von Chefintendant Jeong „nicht rechtens“!
Vorbote des Bumerangs gegen die Medienpolitik der Regierung war die Entscheidung des Seouler Verwaltungsgerichts am 12. November. Das Gericht hatte in der Angelegenheit einer Nachrichtensprecherin des Senders MBC (Park Hye Jin) für den Sender und gegen die Korea Communications Comission (EKCC) entschieden. Das EKCC hatte eine Klage eingereicht, in der es Sanktionen forderte, weil die Nachrichtensprecherin im Dezember letzten Jahres am Schluss der Nachrichtensendung kommentiert hatte, dass sie sich als Mitglied der Gewerkschaft am Streik beteiligen müsse, weshalb sie die Nachrichten vorerst nicht moderieren könne, und im Übrigen den Inhalten und dem Prozedere der Fernsehgesetz-Reform nicht zustimmen könne. Der Sender hatte gegen diese Sanktionsklage des EKCC gewehrt und hat schließlich Recht bekommen. Zuvor war der Kollege von Park, Shin Gyeong Min, als Nachrichtensprecher abgesetzt worden. Zwar wurde die Personalie mit regulärem Personalwechsel begründet. Doch Shin war noch mehr als seine Kollegin bekannt dafür, am Ende der Hauptnachrichten kritische Kommentare zu machen, die sich bei den Zuschauern großer Beliebtheit erfreuten – weniger jedoch bei der Regierung.
Eine weitaus gewichtigere Entscheidung machte ein anderes Verwaltungsgericht der Hauptstadt am selben Tag. Dieses Gericht entschied, dass die Entlassung des ehemaligen KBS-Chefintendanten, Jeong Yeon Ju, nicht rechtens gewesen sei. Sein Entlassung wurde damit als „nichtig“ erklärt. Doch da seine reguläre Amtszeit bis zum 23. November gedauert hätte, gab es keine Möglichkeit, seinen unrechtmäßig verlorenen Arbeitsplatz wieder einzunehmen. Die Bedeutung dieser Entscheidung ist jedoch von weitaus größerer Signifikanz als nur ein Arbeitsplatz. Die vorzeitige Entlassung Jeongs als Chefintendant von KBS im Sommer 2008 war ein entscheidender Meilenstein in der umstrittenen Medienpersonalpolitik der neuen Regierung.
KBS´ Personalkomission regierungsfreundlich ausgehebelt
Der Chefintendant wurde von rechtsradikalen Gruppierungen angeklagt, als Chef von KBS gemisswirtschaftet zu haben, woraufhin die Staatsanwaltschaft begann, Ermittlungen anzustellen. Dies wurde schließlich zur rechtlichen Grundlage der Entlassung Jeons. Doch damit man sichergehen konnte, dass ein Regierungstreuer den Posten übernimmt, musste die Personalkomission des Senders umgestellt werden, sodass die rechtskonservative Hannaradang (Grand National Party – GNP) die Mehrheit der Komissionsmitglieder stellte. Dazu war unter anderem nötig, Professor Sin Tae Seob als Mitglied abzusetzen.
Es folgte ein bizarrer Verlauf der Dinge. Zuerst wurde Professor Sin an seiner Universität entlassen, weil ihm vorgeworfen war, ohne Erlaubnis als Komissionsmitglied bei KBS fungiert zu haben. Es wird vermutet, dass das Bildungsministerium Druck auf die Universitätsleitung ausgeübt hatte. Nur einige Wochen später nahm dies der EKCC zum Anlass, ihn als Komissionsmitglied zu entlassen, weil er ja nun keiner Universität mehr angehörte. Stattdessen rückte Professor Kang Seong Cheol nach.
Somit war die Komission in der Mehrzahl mit regierungstreuen Mitgliedern besetzt. Das EKCC war schon davor auf diese Politikpraxis vorbereitet worden, indem der Lee-Treue Choi Si Jung zum neuen Vorsitzenden der Organisation ernannt wurde. Bereits damals entrüstete man sich in Opposition und der Öffentlichkeit darüber, wie einem so eindeutig Regierungsnahen ein eigentlich neutral zu haltendes Amt verliehen wurde
Das Gericht gab Professor Sin knapp ein halbes Jahr später, im Januar 2009, Recht, dass seine Entlassung von der Universität Unrecht gewesen sei. Um Juni dieses Jahres entschied das Gericht, dass die Entlassung Sins durch Choi Si Jung vom EKCC ebenfalls illegal gewesen sei. Doch da man bei KBS längst vollendete Tatsachen geschafft hatte, war dieser gerichtliche Sieg nur von symbolischem Wert. Dahingegen wird die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für Professor Sin konkret bedeuten, wieder an der Universität lehren zu können. Der Oberste Gerichtshof hatte am 17. November der Klage Professor Sins stattgegeben, dass seine Universität ihn zu Unrecht entlassen hatte. Man hatte ihm damals angeboten, ihn nicht zu entlassen, wenn er sein Amt im Verwaltungsrat von KBS aufgeben würde.
Gericht: ‚Gewerkschafter kämpften für Meinungsfreiheit und neutrale Berichterstattung‘
Auch der 13. November hatte weiteres Licht ins juristische Dunkel der Medienpolitik gebracht. Ein Seouler Verwaltungsgericht entschied erneut gegen das EKCC, das der Politsendung „Nach den Nachrichten“ (MBC) vorgeworfen hatte, unausgeglichen über den Verlauf der Mediengesetz-Debatte berichtet zu haben. Das Gremium unter Leitung von Choi Shi Jung forderte, dass der Sender eine Entschuldigung ausstrahle. Das Gericht jedoch erklärte den entsprechenden Paragrafen im Fernsehsendergesetz, auf den sich das EKCC dabei stützte, als verfassungswidrig. Entscheidend dabei war, dass dadurch die Meinungsfreiheit der Medien verletzt würde, so das Gericht.
Schließlich hat auch das Seouler Zentralgericht am 13. November eine weitere denkwürdige Entscheidung im Fall der entlassenen YTN-Gewerkschaftsmitglieder veröffentlicht. Mehreren Gewerkschaftsmitgliedern des Nachrichtensenders war vorgeworfen worden, die Arbeit ihres Unternehmens zu behindern, als sie sich im Sommer des vergangenen Jahres aktiv an Boykott-Aktionen gegen den neuen Chefintendanten Gu Bon Hong beteiligten. In der Folge wurden rund 20 Mitarbeiter, darunter auch der Gewerkschaftsführer No Jong Myeon, fristlos entlassen.
Nun jedoch entschied das Gericht, dass die Entlassungen als Bestrafung der Angestellten nicht rechtmäßig gewesen sei. Für das Gericht schien es als erwiesen, dass sich die kritischen Angestellten mit ihren Protestaktionen gegen eine mögliche Vereinnahmung des Senders für die Interessen der Regierung eingesetzt haben. Sie hatten gegen Gu heftigen Widerstand geleistet, weil er Präsident Lee sehr nahe steht. Damit hätten sie, so das Gericht, versucht, die in der Verfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit der Medien und neutrale Berichterstattung zu bewahren.
Noch lange kein Gras über der Sache?
Alle diese jüngsten Gerichtsentscheidungen machen sehr deutlich, dass die Methoden, mit denen die Medienlandschaft nach der Machtübernahme durch die Lee-Regierung umgekrempelt worden war, juristisch sehr fraglich sind – und noch lange kein Gras über die Sache gewachsen ist. Selbst die Entscheidung des Verfassungsgerichtsbezüglich des Gesetzesverabschiedungsprozess der sogenannten Mediengesetze im vergangenen Oktober beinhaltete trotz ihrer Widersprüchlichkeit die deutliche Aussage, dass die Regierungspartei ihren Willen illegal durchgesetzt hatte. Das Regierungslager jedoch nutzte die schwammig formulierte Entscheidung des Verfassungsgerichts wieder einmal dazu, die Sachlage entsprechend ihren Interessen zu interpretieren.
Die jüngste Personalentscheidung beim Sender KBS vom 19. November scheint nach einer ähnlichen Strategie erfolgt zu sein. Mit der Mehrheit in der Personalkomission des Senders hat man auch hier (wie im Parlament) Deutungs- und Entscheidungmehrheit. Bereits Lee Byung Sun war ein Mann aus Präsident Lees Reihen, aber wahrscheinlich nur eine Übergangslösung. Eigentlich hatte der nun frisch gebackene Chef-Intendant, Kim In Gyu, bereits gleich nach der Regierungsübernahme vor, zum Chef des Senders zu werden. Schließlich war er bereits im Präsidentschaftswahlkampf Lees Medienchefideologie gewesen.
Bislang musste er jedoch mit dem Chefsessel der Korea Digital Media Association (KODIMA) Vorlieb nehmen. Wahrscheinlich hatte sich das Regierungslager im vergangenen Jahr, als der Gegenwind gegen die Regierung in Form der Kerzendemonstrationen sehr stark war, nicht getraut so weit zu gehen. Kim, seit Jahren bereits Vorstandmitglied von KBS, musste damals öffentlich erklären, er würde nicht für den Posten kandidieren, um der Kritik gegen die Regierungspolitik ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. Jetzt, nur ein Jahr nachdem er der Presse gesagt hatte er „will nicht mehr über KBS sprechen“, ist er plötzlich dessen Chef ernannt worden.
Es ist bemerkenswert, wenn in einem zumindest formal demokratischen Rechtsstaat reihenweise Gesetze, bis hin zur Verfassung, übertreten werden können, um die Interessen eines bestimmten politischen Lagers durchzusetzen. Andererseits zeigen die vielen nachträglichen Gerichtsentscheidungen, dass man rein juristisch selbst in Südkorea mit einer solchen Politik nicht mehr durchkommt. Die – illegal umgesetzten – Tatsachen jedoch sind bereits vollendet.