Migration und Flucht

Ein Blog des Lateinamerika-Intituts der Freien Universität Berlin

Was bedeutet eigentlich „Lernen“?

Bericht über den Workshop der Langen Nacht der Wissenschaften

Am 11. Juni dieses Jahres führte ein Teil des Kurses „Gender und transnationale Migration“, geleitet von Prof. Stephanie Schütze, im Rahmen der langen Nacht der Wissenschaften zusammen mit ehemaligen und aktuellen Schüler*innen einer Willkommensklasse am Lateinamerikainstitut (LAI) ein Workshop-Projekt durch. Die Idee des Workshops bildet auch die Grundlage dieses Blogs, weshalb wir unsere Erfahrung an dieser Stelle mit euch teilen wollen.

Im Vorfeld der Langen Nacht der Wissenschaften fand zunächst ein Kennlerntreffen statt. Mit Hilfe eines Energizers (in der Bildungsarbeit werden Kennenlern- oder Einleitungsspiele oft so genannt, da sie Energie und eine lockere Atmosphäre schaffen sollen), war das Eis schnell gebrochen und mehrere kleine Gruppen kamen miteinander ins Gespräch. In diesen war es uns möglich unsere Interessen näher kennenzulernen. Des Weiteren tauschten wir uns über Ideen aus, wie ein Workshop während der Langen Nacht der Wissenschaften aussehen könnte. Unsere unterschiedlichen Interessen fassten wir später zu verschiedenen Themen zusammen, die im Laufe des Workshops zur Sprache kommen sollten.

Auf Grund der eingeschränkten Möglichkeiten, in denen wir und die Schüler*innen  uns alle gemeinsam treffen konnten, um ein gemeinsames Workshopkonzept auszuarbeiten, hatten wir, die Studierenden, uns im Vorfeld ein paar Gedanken gemacht.

Die Idee war verschiedene Thementische aufzustellen, zwischen denen die Teilnehmenden des Workshops sich frei bewegen können, um mit anderen Teilnehmenden zu diskutieren und Wissen, sowie unterschiedliche Perspektiven auszutauschen. Uns war bewusst, dass wir damit schon einen Rahmen für den Workshop festlegten, blieben aber offen für weitere Vorschläge und Inhalte von Seiten der Schüler*innen.

Innerhalb der Gesprächsrunden kamen verschiedene Themen auf, die für uns und die Schüler*innen wichtig waren. Daraus resultierten folgende 6 Themen:

Lernen – Schule/Schulsysteme //

Zukunft – Träume, Beruf, Studium //

Freizeit – Musik, Tanz, Sport, Theater, etc.  //

Erinnerung – Heimat, Herkunftsland  //

Geschichte – Wie sind wir nach Deutschland gekommen? //

Was ist ein gutes Leben? //

Vier Wochen später trafen wir uns dann ein zweites Mal im Lateinamerika-Institut. Ab  15:30 Uhr kamen nach und nach die Teilnehmenden (die Schüler*innen, Studierende und ein paar weitere Personen aus dem Institut) an. Gegen 16 Uhr leiteten wir den Workshop ein. Auf 6 Tischen lagen große Plakate mit den Themenblöcken, auf die wir die jeweiligen Themen geschrieben hatten, verteilt. An jedem Tisch gab es „Themenverantwortliche“, die die Diskussionen leiteten.

Ich selbst setzte mich zunächst an den Thementisch „Lernen“. Gleich zu Beginn, befand ich mich in einer sehr interessanten Diskussion über die „einfachen“ und doch komplexen Fragen: „Was bedeutet für uns Lernen?“ und „Wie lernen wir am besten?“ Einer der Schüler erzählte, dass es im Arabischen zwei verschiedene Wörter für Lernen gibt, die unterschiedliche Lernkonzepte ausdrücken. Mein Gedächtnis ließ es nicht zu, die arabischen Begriffe zu behalten, aber die Bedeutungen merkte ich mir sehr wohl. Zum einen gibt es ein Wort, welches, soweit ich es richtig verstand, das formelle Lernen in Schulen, Universitäten oder anderen Institutionen beschrieb. Zum anderen gibt es einen Begriff für Lernen, der auch andere Formen des Lernens umfasst. Er beinhaltet nicht nur institutionelles Wissen, sondern auch Lebenserfahrung. Informelle Situationen im Alltag, aus denen bewusst oder unbewusst gelernt wird. Wissen, dass sich jede*r selbst aneignet im Laufe des Lebens. Aus jeder einzelnen erlebten Erfahrung, jedem Ereignis, nimmst du etwas mit und lernst daraus (Liebe arabisch sprechenden Menschen, korrigiert mich, sollte ich hier etwas falsch darstellen!). Für mich war dieses Gespräch sehr aufschlussreich. Wir hielten diese Erkenntnis auf dem Plakat fest und schrieben auf allen Sprachen, die wir beitragen konnten, das Wort (oder mehrere Worte) für „Lernen“ auf.

Als kurze Erklärung: Uns ist bewusst, dass auch Sprache eine Form der Macht darstellt. Am LAI wird jedes Semester versucht Kurse in den verschiedenen Sprachen Lateinamerikas anzubieten, also nicht nur auf Deutsch sondern auch auf Spanisch und Portugiesisch. Um allerdings nicht nur kolonialen Sprachen zu reproduzieren, werden auch regelmäßig Sprachen lokaler Bevölkerungen unterrichtet, wie bswp. Quechua, Nahuatl, etc.. Viele der Schüler*innen sprachen gut Deutsch, allerdings war dies nicht ihre Muttersprache, weshalb wir versuchten im Rahmen des Möglichen, auch deren Sprachen im Workshop zu berücksichtigen und einzubinden.

Aber zurück zum Thema. Nach dem ersten Thementisch verbrachte ich einen Moment an dem Tisch „Freizeit“. Dort wurde über Schauspielerei gesprochen und ein paar Schülerinnen äußerten den Traum später einmal Schauspielerin werden zu wollen. Es kam heraus, dass einige in der Runde Interesse am Tanz, Gesang und Theater hatten und wir tauschten uns über unsere Erfahrungen damit aus. Einige der Schülerinnen erzählten uns allerdings, dass ihnen hier neben dem Unterricht und zusätzlichen Deutschkurs kaum Zeit bleibt, um andere Dinge zu unternehmen. Zum Schluss setzte ich mich noch zum „Zukunftstisch“, wo ich allerdings eher passiv blieb und zuhörte, während ich das Gemalte und Geschriebene meiner Vorgänger*innen auf dem Plakat begutachtete und selbst meinen Beitrag –  diesmal in Bildsprache – dazu malte. Denn dies war für mich das Schöne an diesem Workshop. Es gab verschiedene Themen über die du dich unterhalten konntest. Es war allerdings dir überlassen frei zu entscheiden, ob du aktiv oder passiv teilnimmst, ob du sprichst oder deine Ideen, Meinungen, Gedanken non-verbal auf das Papier bringst – malend oder schreibend. Außerdem stand es jedem frei auf der Sprache zu  schreiben, die ihm, ihr beliebte und wenn möglich wurde es übersetzt. Jede*r konnte an den Tischen bleiben solang oder kurz er oder sie es wollte.

Nach zwei Stunden musste wir einige noch laufende Gespräche unterbrechen, da die Zeit sich dem Ende neigte. Ich kann nicht für andere sprechen, dennoch hoffe ich, dass jede*r der Anwesenden etwas mitnehmen konnte aus diesem Workshop und etwas gelernt hat, und obwohl es in der Universität stattfand, denke ich, dass es eher dem zweiten arabischen „Lernbegriff“, dem Informellen, entsprach, als dem Ersten. Auf mich trifft dies auf jeden Fall zu.

 

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Der Beitrag wurde am Montag, den 10. Oktober 2016 um 17:06 Uhr von Rosa Lopez veröffentlicht und wurde unter Beiträge, Migration nach Europa abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

Eine Reaktion zu “Was bedeutet eigentlich „Lernen“?”

  1. Silvia Patricia Gallegos Peralta

    Ich glaube solche Workshops geben uns die Chance uns in einem sicheren Ort näher zu kommen, hoffentlich gibt es noch mal so was. Es muss nicht unbedingt in der Universität sein. Aber es wäre schön weitere Themen zu entdecken oder zu vertiefen.

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