1. Einleitung
Die Situation an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verschärft sich seit Jahren zunehmend. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden im Jahr 2021 steigt die Zahl der Grenzübertritte stetig an. Während im ersten Jahr von Bidens Amtszeit noch 1,9 Millionen Menschen versuchten, die Grenze zu überqueren, waren es ein Jahr später 2,7 Millionen Menschen. 2023 wagten über 3,2 Millionen Menschen den Grenzübertritt zwischen Mexiko und den USA[1]. Zudem verzeichnete Mexiko im vergangenen Jahr 782.176 Festnahmen von Personen ohne Aufenthaltstitel, doppelt so viele wie im Vorjahr. Damit stiegen die Festnahmen von Migrant:innen zwischen 2022 und 2023 um 44 Prozent [2]
Ausgehend von dieser beschriebenen Problematik, soll in diesem Essay die folgende Frage beantwortet werden:
Inwiefern hat die Externalisierung von Migrationskontrollen während der Amtszeit des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) von 2018 bis 2024 zur Ausweitung und Verschiebung der Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen im Kontext der USA und Mexiko geführt?
2. Definition: Externalisierung von Migrationskontrollen
Die veränderte Rolle Mexikos in der Migrationsbewegung aus Lateinamerika in die USA soll zuerst der Begriff der Externalisierung definiert werden. Laut dem Internationalen Journal of Refuge Law bezeichnet Externalisierung „as the process of shifting functions that are normally undertaken by a State within its own territory so that they take place, in part or in whole, outside its territory”[3]. Die vollständige oder teilweise Übertragung dieser Aufgabe kann einseitig von einem Staat erfolgen, aber auch in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, internationalen Organisationen und privaten Akteuren umgesetzt werden[4].
Im Falle der hier analysierten Länder USA und Mexiko bezieht sich die Externalisierung auf die Übertragung der Migrationskrolle und den Asylprozess von den USA, das als Zielland fungiert, auf Mexiko, das die Rolle des Herkunfts- und Transitland einnimmt [5]. Das Ziel der Polity der Zielländer ist, die Anzahl der Menschen auf der Flucht einzudämmen oder in Nachbarländern zu transferieren, d.h. die Verantwortung der Aufnahme von Flüchtlingen von sich wegzuweisen und auf Mexiko zu übertragen.
3. US-Externalisierungspraktik unter der Präsidentschaft von López Obrador
Im Folgenden Abschnitt sollen die politischen Maßnahmen beschrieben werden, die die Externalisierung von Migrationskontrollen der USA auf Mexiko übertragen.
Vorgeschichte
Zu Beginn soll ein kurzer Überblick über die langjährigen Verbindungen zwischen den beiden Ländern im Thema der Migration dargelegt. Vor dem Amtseintritt López Obrador existierte schon eine langjährige Kooperation zur Verhinderung der Ankunft von Migrant:innen aus Lateinamerika an der südlichen US-Grenze. So wurde schon unter der Regierung von George Bush 2007 die „Mérida-Initiative“ ins Leben gerufen[6].. Dieses Abkommen regelte die sicherheitspoltische Zusammenarbeit zwischen den USA, der Regierung Mexikos unter Felipe Calderón und den Ländern Zentralamerikas. Es diente dem Ziel der Bekämpfung des Drogenhandels in Lateinamerika und wurde zwischen 2008 bis 2021 mit 1,6 Milliarden US-Doller finanziert[7].
Amtsantritt von López Obrador
Regierungszeit unter Donald Trump
Mit dem Regierungswechsel in Mexiko 2018 gewährte Donald Trump dem neuem mexikanischen Präsidenten López Obrador 45 Tage Zeit, um die Migration in die USA signifikant zu reduzieren. Er drohte mit der Verhängung von Strafzöllen [8]. Da 75 Prozent der Exporte Mexikos in die USA gehen, hätte dies verheerende Folgen für die mexikanische Wirtschaft gehabt [9] Mit diesem erhöhten Druck verlegte die mexikanische Regierung einen großen Teil der neu geschaffenen „Guardia Nacional“, die aus Einheiten und Beamten der Bundes-, Militär und Marinepolizei besteht, an die Südgrenze zu Guatemala. Zu ihren Hauptaufgaben zählt die Verhinderung der Einreise von Migrant:innen aus Mittel- und Südamerika [10]. Dies geschieht, indem Migrant:innen an Kontrollposten der Grenze aufgegriffen werden und in Haftanstalten interniert werden. Außerdem führte Trump die „Migrant Protection Protocol“- Politik, auch bekannt als „Remain in Mexico“- Politik, ein. Diese besagt, dass Migrant:innen mit Asylanträgen in den USA nach Mexiko überstellt werden, um dort auf die Anhörung der Asylanträge zu warten [11].
Regierungszeit unter Joe Biden
Mit der Amtsübernahme von Joe Biden als Präsident der Vereinigten Staaten wurde erwartet, dass unter einer demokratischen Regierung Politik, zugunsten von Migrant:innen etabliert werden. Biden trat mit dem Versprechen an, das seit Jahrzehnten ungelöste Einwanderungsproblem anzugehen. Doch anstelle einer moderateren Einwanderungspolitik führte er lediglich die Politiken seines Vorgängers weiter, indem er die Gesetze des „Titel 42“ beibehielt[12]. Titel 42 war eine unter der Regierung Donald Trump erlassene Verordnung, die während der COVID-19-Pandemie genutzt wurde, um Migranten an den Grenzen ohne Asylprüfung abzuweisen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Zwischen Januar 2021 und Mai 2023 wurden daher mehr als zwei Millionen Menschen aufgrund des öffentlichen Gesundheitsnotstands aus den USA ausgewiesen. Zwischen Januar 2021 und Mai 2023 wurden daher mehr als zwei Millionen Menschen auf Grund des öffentlichen Gesundheitsnotstand aus den USA ausgewiesen[13].
Bereits auf der ersten Auslandsreise von Vizepräsidentin Kamala Harris 2021 zeigte sich die fortgeführte Strategie. Auf ihrer Reise nach Guatemala appellierte sie eindringlich an Migrant:innen, die illegale Einreise in die USA zu unterlassen, und sagte: „Do not come. Do not come. The United States will continue to enforce our laws and secure our borders“[14]. Sie ergänzte: „If you come to our border, you will be turned back“[15].
Am ersten Tag der Amtszeit Bidens im Januar 2021 setzte Biden die „Remain in Mexico“-Politik aus. Im Juni 2021 wurde sie vom Ministerium für Innere Sicherheit offiziell beendet, doch ein Bundesrichter setzte sie im Dezember 2021 wieder in Kraft. Im Juni 2022 entschied der Oberste Gerichtshof der USA, dass die Beendigung der Politik durch Biden rechtmäßig war und erlaubte deren endgültige Abschaffung[16].
Zuletzt erteilte Joe Biden im Juni 2024 mit einem neuen präsidentiellen Erlass, dass Migrant:innen, die illegal über die Grenze zu Mexiko in die USA einreisen, keinen Asylantrag stellen dürfen, wenn die täglichen Grenzübertritte einen Durchschnitt von 2.500 überschreiten. Erst wenn diese Zahl im Sieben-Tage-Durchschnitt über 14 Tage auf unter 1.500 fällt, werden Asylanträge wieder zugelassen [17].
Auswirkungen der Externalisierung
Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese verschärften Asylregelungen auf den mexikanischen Nationalstaat hatten. Die Fortführung der restriktiven Einwanderungspolitik von Trump durch die Biden-Amtszeit führte nicht zur Verringerung der illegalen Einwanderung. Stattdessen hatten die verschärften Regelungen der USA und die Stationierung der „Guardia Nacional“ humanitäre Konsequenzen.
Deutlich wird dies durch erstens den Anstieg der Asylanträge in Mexiko. Vor der Corona-Pandemie hatten 70.120 Menschen Asyl in Mexiko gesucht[18]. Im darauffolgenden Jahr 2020 sank die Zahl auf 40.735 Menschen. Im Gegensatz dazu verdreifachte sich die Anzahl der Asylanträge 2021 auf 129.336. Seitdem ist die Zahl der Anträge zwar leicht zurückgegangen, blieb jedoch stets über 100.000 pro Jahr, mit 119.095 Anträgen im Jahr 2022 und 140.854 Anträgen im Jahr[19]. Betrachtet man dies im größeren Kontext, zeigt sich ein hundertfacher Anstieg seit 2013 innerhalb von zehn Jahren. Im vergangenen Jahr, 2023, stammten die meisten Anträge aus Haiti, gefolgt von Honduras und Kuba[20].
Zweitens nahm die Anzahl der Inhaftierungen zu. So worden 2021 über 300.000 Menschen auf der Flucht zwischen Mexiko und den USA inhaftiert[21]. Dies bedeutet, dass sie nicht nur kriminalisiert werden für ihren Versuch, ein besseres Leben anzustreben, sondern auch, dass sie in überfüllten und unhygienischen Zentren ausharren müssen.
Durch die zunehmende Ausbreitung des Narcotráfico kommt es auf dem Weg durch Mexiko in die USA immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Erpressungen, Überfällen, Vergewaltigungen und dem Verschwindenlassen, vor allem von Migrant:innen[22].
Es lässt sich feststellen, dass viele Migrant:innen unter prekären Lebensbedingungen in den Grenzstädten leben. Zehntausende verharren dort in provisorischen Lagern und überfüllten Unterkünften oft mit einem schlechten Zugang zu grundlegenden Diensten wie der Gesundheitsversorgung. Diese Situation stellt nicht nur eine humanitäre Herausforderung dar, sondern wirft auch Fragen zur Effektivität und ethischen Vertretbarkeit der verschärften Asylregelungen auf[23].
Fazit
Über die Jahre ist Mexiko zu einem „Türsteherstaat“ der US-Regierung geworden, welche durch den Einsatz von Militär Migrant:innen an ihrer Migration in den Norden hindert. Daraus folgen schwerste Menschenrechtsverletzungen, da die Vulnerabilität der Flüchtlinge zunimmt und die Verantwortlichkeit zwischen den beiden nationalen Regierungen weiter ungeklärt bleibt bzw. sich zu Ungunsten Mexikos verschoben hat.
[1] Hesse, „Migration in die USA“.
[2] amerika21, „Migration“.
[3] „Refugee Law Initiative Declaration on Externalisation and Asylum“, S.14.
[4] Ebd.
[5] Pijnenburg, „Externalisation of Migration Control“, vgl.S.60.
[6] Seelke und Finklea, „U.S.-Mexican Security Cooperation: The Mérida Initiative and Beyond“, vgl.S.1.
[7] [7]Ebd.
[8] AFP, „Strafzölle für Mexiko“.
[9] „Mexico (MEX) Exports, Imports, and Trade Partners“.
[10] „Guardia Nacional de México“.
[11] Pijnenburg, „Externalisation of Migration Control“, vgl.S.69.
[12] „How Joe Biden and Donald Trump’s Border Policies Compare“.
[13] Ebd.
[14] „Kamala Harris Tells Guatemala Migrants“.
[15] Ebd.
[16] „How Joe Biden and Donald Trump’s Border Policies Compare“.
[17] Bildung, „Migrationspolitik – Juni 2024“.
[18] wola, „Weekly U.S.-Mexico Border Update“.
[19] Ebd.
[20] Ebd.
[21] Pandit, „Migration Flows and Violence against Migrants in Mexico“.
[22] Edb.
[23] Pandit, „Migration Flows and Violence against Migrants in Mexico“.
Tags: Biden, Externalisierung, Trump