SPRING

Responsabilidad Social a través de Intervenciones Prosociales para generar oportunidades equitativas

SPRING in Deutschland (3)

Chancen für ein prosoziales Bildungswesen

3. Deutschlands Hochschulen unter den Bedingungen von Bologna

Es sind italienische Städte, die den deutschen Diskurs um Schule und Universität in den letzten Jahren angetrieben haben: Pisa und Bologna. Während PISA (Programme for International Student Assessment, zu deutsch: „Programm zur internationalen Schülerbewertung“) ein Evaluationsinstrument für allgemeinbildende Schulen ist, bedeutet Bologna für die Forschung und Lehre an den Hochschulen die Umwandlung der Universität zum Unternehmen, in dem nicht mehr wissenschaftliche Weite, sondern enge Wirtschaftlichkeitsprinzipien die Agenda bestimmen.

Der führende deutsche Bildungs- und Wissenschaftssoziologe Richard Münch analysiert seit Jahren diesen Wandel von der Zweckfreiheit zum Sachzwang und zeigt, wie die kurzfristigen Nutzenerwartungen des „akademischen Kapitalismus“ das Innovationspotential der Forschung unterwandern. Zuletzt erschien von ihm Akademischer Kapitalismus. Über die politische Ökonomie der Hochschuldreform (Berlin 2011). Hinter dem „Transformationsprozess von Forschung und Lehre zu strategischen Ressourcen“, im Zuge dessen „Wissen als Rendite abwerfendes Privatgut“ unter die Macht des Marktes gestellt wird, hinter dem Wandel der Universitäten zu „strategisch operierenden Unternehmen“ und der „Ablösung der akademischen Qualitätssicherung durch manageriales Controlling“ steht nach Münch ein globaler Megatrend, der nach Politik und Wirtschaft nun die Wissenschaft erreicht hat: der Neoliberalismus. Der Bologna-Prozess ist eingebettet in ein quasireligiöses neoliberales Effizienzgarantiekonzept namens New Public Management (NPM), ein „Modell der rationalen, zielgerichteten Steuerung öffentlicher Einrichtungen“ durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes, gegen das man heutzutage nicht mehr anregieren kann, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, unwissenschaftlich zu sein. Um wie viel mehr gilt NPM dann für die Wissenschaft selbst. Die zunehmende Inter- und Transnationalisierung der Wissensproduktion verstärkt den Impuls zur Unterwerfung unter das einzig verbliebene global anerkannte Sinnstiftungsmoment: den Markt.

Die Universität ist unter den Bedingungen der Globalisierung nicht mehr das, was sie war. Soviel steht fest. Sie soll – folgt man Münchs Thesen – auch nicht werden, was sie nicht mehr sein kann. Humboldts Ideal ist längst der Realität gewichen. Es gibt kein „Zurück“ mehr. Auch Münch befeuert dementsprechend keine Retro-Romantik von Bummelstudium und kostenloser „Bildung für alle“. Er ist akribisch und kritisch im Umgang mit den Gegebenheiten und Gefahren des „Glaubenssystems Bologna“, konstruiert aber keine wissenschaftspolitischen Luftschlösser. Dennoch: Die Problematik einer marktförmig angepassten Universität beschreibt er sehr genau. Sie bildet den Hintergrund für unsere weiteren Überlegungen zu einem möglichen Gegensteuern in Rahmen von SPRING , weg von Konkurrenz und Effizienz, von Verwertung und Vermarktung.

Dass diese Problematik nicht nur für das Bildungssystem gilt, sondern für die ganze (Wissens-)Gesellschaft, hat der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann überzeugend herausgearbeitet (in Theorie der Unbildung, Wien 2006). Die „Kapitalisierung des Geistes“, die auch Münch ausmacht, führt bei Liessmann zu Wissen, das „unverbindlich und zusammenhanglos“ ist und von dem niemand genau weiß, was sein Bestand für einen Zweck hat, „was eigentlich wozu gelernt werden soll“. Das Wissensverwertungssystem, in dem wir uns seit Beginn des Bologna-Prozesses an Schulen und Universitäten befinden, hat den komplexen Bildungsbegriff, der „ein Moment von Freiheit gegenüber den Diktaten des Zeitgeistes gewährt“, längst gegen den effizient gestalteten Erwerb von möglichst stromlinienförmigen skills eingetauscht.

Der deutsche Soziologe Münch und der österreichische Philosoph Liessmann diagnostizieren übereinstimmend eine „Ökonomisierung“ des Wissenschaftsbetriebs. Das bedeutet, dass die kompetitiven Elemente der Wirtschaft die Bildung bestimmen. Das ist die Ausgangslage des akademischen Betriebs. Kommen wir zu den sozialen Bedingungen des Studierens in Deutschland.

Wird fortgesetzt.

Josef Bordat

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Der Beitrag wurde am Thursday, den 4. October 2012 um 12:57 Uhr von Josef Bordat veröffentlicht und wurde unter Reportajes desde... abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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