Forschungsaufenthalt in Kolumbien

Ich entschied relativ schnell und intuitiv, dass ich das 3. Semester in Form einer Forschungsreise absolvieren wollte. Für mich war es die ideale Art, sich eigenständig einem Thema zu nähren und es zu erforschen. Ich war mir sicher, dass ich so außergewöhnliche Erfahrungen sammeln würde – ich wollte die Herausforderung annehmen, ohne die Stütze einer
Organisation oder Universität.

Die Arbeit, mir ein ungefähres Thema für die Masterarbeit zu suchen, stellte sich als relativ unkompliziert dar, da ich mir im Vorhinein unterbewusst im Klaren war, was das Thema beinhalten sollte und zwar die Ex-FARC-EP-Kämpferinnen. Ich setzte mich mit vielen Professoren zusammen, um das Thema zu präzisieren bzw. um mir Ratschläge einzuholen. Der Kampf durch viele Sprechstunden lohnte sich und eine Dozentin des LAI gab mir die Möglichkeit mich mit verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen in Verbindung zu setzen, um so an mögliche Kontakte und Interviews heranzukommen. Bis dato hatte ich eine Ex-FARC-EP-Kämpferin, die bereit war, sich mit mir zu treffen und mir anbot weitere Kontakte zu vermitteln, wenn ich in Bogotá wäre. So fiel mein Reiseziel auf Bogotá, Kolumbien.

Ich plante meine Forschungsreise für 2 ½ Monate, in der Hoffnung, dass sei genügend Zeit, um einen Einblick in die Thematik zu bekommen und vier bis sechs Interviews führen zu können. Im Nachhinein stelle sich heraus, dass 2 ½ Monate das Mindeste an Zeit war, da doch oft alles anders kommt, als man es denkt. Ich bereitete mich inhaltlich sehr auf diese Reise vor, ich erstellte im Vorhinein einen Fragenkatalog für die Ex-Kämpferinnen, überlege mir einen Einführungstext, um meine Person und Vorhaben vorzustellen und ich entwickelte eine Einverständniserklärung, sodass meine Interviewpartnerinnen und ich rechtlich abgesichert sind. Mein Vorhaben der Reise lag nun dabei, stichprobenartige Leitfaden-Interviews zu führen, um einen Einblick in die Guerillazeit zu bekommen und vor allem aber dabei die Rolle der Frau während und danach der Guerilla zu
untersuchen.

Relativ schnell ergab sich mir die Möglichkeit eines Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Bogotá, alles funktionierte wie am Schnürchen, bis ich dann tatsächlich vor Ort war und mich an die Interviews bzw. auf die Suche nach weiteren Ex-Kämpferinnen machte. Ich redete mit vielen Leuten und erzählte ihnen von meinem Thema, in der Hoffnung, so an weitere Kontakte zu gelangen, was dann tatsächlich auch geschah. Durch das Wohnen mit einem kolumbianischen Pärchen ergaben sich weitere Kontakte zu beispielsweise der politischen Partei „FARC“. Ich denke die offene Haltung gegenüber Land, Leuten, Kultur, Politik und vielem weiteren, ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Reise in ein fremdes Land.

Ich konnte über viele Ecken Kontakte knüpfen und schlussendlich nach knapp 3 Monaten Aufenthalt, führte ich insgesamt sechs Interviews mit Ex-Kämpferinnen, zusätzlich bot sich mir die Möglichkeit, zwei weitere Frauen zu treffen und zu befragen, die sich stark mit den Themen Friedensforschung, Gender und bewaffneter Konflikt auseinandersetzten. Auch wenn man noch so gut vorbereitet ist, kann ich nun mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass sich alles nochmal verändern wird. Aber das ist es, was die Reise spannend bleiben lässt. Meinen Fragenkatalog beispielsweise habe ich nach dem ersten Interview nochmal stark bearbeitet, bzw. habe Fragen hinzugefügt und einige auch weggelassen. Ich denke, man kann sich nicht perfekt auf solch einen Aufenthalt vorbereiten. Ich konnte mich bloß so vorbereiten, mit einer offenen Haltung den Menschen und Situationen gegenüberzutreten. Doch hilfreich waren die Vorbereitungen in der Hinsicht schon, sodass ich so einen ungefähren Plan hatte, den ich während der Zeit verfolgen konnte.

Es gab natürlich auch schwierige Momente, beispielsweise in den Interviewsituationen, die hier erwähnt werden sollten. Ich versuchte, jedes Interview als neue Erfahrung zu sehen, denn jedes Interview hatte seine ganz besondere und individuelle Marke. Es kam vor, dass die Frauen mein
Vorhaben nicht verstanden haben bzw. es nicht verstehen wollten und es ihnen unangenehm war über ein solch fragiles Thema ihrer Vergangenheit zu sprechen, andererseits kam es auch vor, dass mit vollem Enthusiasmus berichtet wurde und ich als Interviewerin kaum sprach bzw. Fragen stellen konnte. Eine Gemeinsamkeit ist jedoch bei jedem Interview zu erkennen und zwar die Unpünktlichkeit meiner Interviewpartnerinnen. Bei jedem Treffen wartete ich mindestens eine halbe Stunde auf sie, doch ich denke, dass dies alles Situationen sind, an denen man wächst und die zu einer solchen Reise dazugehören. Weitere schwierige Momente können auch damit zusammenhängen, dass ich weder in einer Organisation noch in einer Universität untergebracht war und ich praktisch mein eigener Chef war. So hatte ich zwar die Freiheit, jeden Tag so zu gestalten, wie ich es wollte, doch die Freiheit, kann einem auch im Weg stehen, in dem Sinne, dass man eigenständig agieren muss und keinen geregelten Tagesablauf hat, wie
wenn man in die Uni oder zur Arbeit geht. Ich nutze die Möglichkeit auf Eigenständigkeit und gestaltete meine Tage so, in dem ich versuchte mit so vielen Menschen wie möglich zu sprechen, um weitere Kontakte oder Ratschläge zu bekommen. Dann bereitete ich mich inhaltlich auf die Interviews vor, in dem ich viel dazu las und mir Museen, Ausstellungen und
Veranstaltungen zu der Thematik in der Stadt ansah.

Ich bin stark an der Eigenständigkeit gewachsen und habe in vielen Situationen versucht, mich unabhängig zu machen, denn ich war ja alleine unterwegs und da braucht es ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Das war die wichtigste und für mich bedeutendste Eigenschaft, die ich auf
dieser Reise mitnehmen konnte und sich zugleich als große Herausforderung dargestellte. Alleine sein, mit sich zu sein und damit einverstanden zu sein – Für mich einer der schwersten Aufgaben, die ich aber meisterte und mich im Nachhinein sehr bereicherte. So konnte ich für
mich Wichtiges dazu lernen und gleichzeitig für meine Masterarbeit neue Erkenntnisse gewinnen können. Ich bin dankbar für den Willen, der mich damals antrieb, die Reise in das wundervolle Land anzutreten und würde sie jedem weiterempfehlen!

Von Viola Steffens

SPO 2013