Dieter Faulenbach da Costa, gelernter Stadt-, Regional- und Landesplaner, ist seit 1995 ausschließlich mit der Planung von Flughäfen beschäftigt. Obwohl er nur zu Anfang stark in die Planung involviert war, ist der Flughafen BER das Projekt, das ihn bis jetzt am längsten begleitet. In einem Interview mit Studenten der Freien Universität Berlin war er gerne bereit, seine Erfahrungen und Ansichten bezüglich des BER offenzulegen.
Grundlegend ist Herr Faulenbach da Costa nicht der Meinung, dass die – auch im Untersuchungsausschuss – dargelegten Änderungen die Ursache der im Laufe der Jahre auftretenden Probleme darstellen. Stattdessen wären “Hybris und Inkompetenz” zusammengekommen, vor allem in Form des Architekten, der zuvor noch kein vergleichbares Flughafenprojekt geplant hätte.
Eine weitere Ursache für das Scheitern des Projektes BER sieht er maßgeblich in der Entscheidung für den Standort Schönefeld. Diese wäre allein aus Prestigegründen gefallen, da das Land Berlin nicht ohne Luftverkehrsbehörde dastehen und den anderen Ländern auf diesem Gebiet nicht nachstehen wollte. Das Gelände des Flughafens Schönefeld liegt nämlich zum Teil auf Berliner Boden, was das Vorhandensein einer solchen Behörde begründet habe.
Die anderen in Frage kommende Standorte befanden sich ausschließlich auf dem Gebiet des Landes Brandenburg. Von Experten wurde der Standort Schönefeld allerdings schon damals als eher ungeeignet eingestuft, da ein starkes Flächenwachstum der Stadt Berlin vorhersehbar war. So wurde prognostiziert, dass Schönefeld zukünftig von der wachsenden Stadt eingeschlossen und damit wieder innerstädtisch würde. Außerdem hätte Sperenberg, der eigentlich am besten bewertete Standort, deutlich mehr Platz geboten, wodurch bis zu 90 Millionen Passagiere im Jahr hätten abgefertigt werden können. In Sperenberg wären zudem nur 3.000 Anwohner vom Fluglärm betroffen gewesen, im Gegensatz zu 100.000 Betroffenen in Schönefeld.
Ein gravierender Fehler wäre die Einreichung des Bauantrags von 1998 im Jahr 2006, also acht Jahre später, gewesen. Und das, „obwohl sich seit 1998 die Sicherheitsanforderungen […] das Abfertigungsprozedere veränderten“. Des weiteren wurde „die Gepäckförderanlage, die eingebaut wurde [, …] ausgelegt für eine Passagierkapazität von 18 Millionen Passagieren pro Jahr“. Das wäre natürlich nicht ausreichend gewesen, da bereits im Jahr 2006 das Passagieraufkommen für den Standort Berlin 20 Millionen betrug. Im Zuge der Erweiterungen, die auf Grund dessen notwendig geworden wären, hätte man den Flughafen um den Nordpier vergrößert, “der […] auch damals schon […] für Low-cost-Passagiere [geplant war], weil er einfachste Ausstattung hat.”
Doch auch die Erweiterung des Flughafens hätte das Problem der fehlenden Gepäckbänder und Check-In Schalter nicht gelöst: Die im Plan enthaltene Gepäckförderanlage wäre tatsächlich schon vor dem auftretenden Kapazitätsproblem im Jahr 2006 zu klein gewesen. Obwohl sie für 18 Millionen Passagiere ausgelegt sein sollte, wären nur acht Gepäckausgabebänder gebaut worden. Herr Faulenbach da Costa veranschlagt nach Erfahrungswerten ein Gepäckband pro einer Million Passagiere. Bei dem damaligen Passagieraufkommen wären demnach bereits zwanzig Bänder benötigt worden. Daher heißt “Erweiterung in Berlin […] Reduzierung der Kapazitäten.”
Auch bezüglich der Zwischenebene, die als Änderung ausgelegt wurde, vertritt Herr Faulenbach da Costa einen klaren Standpunkt. Denn “diese Zwischenebene war im Bauantrag von 2006 bereits enthalten”, sie wäre also lediglich eingefügt worden, ohne dass eine Planänderung notwendig wurde. Nach heutigen EU-Vorschriften müssen ankommende und abreisende Non-Schengen-Passagiere strikt getrennt abgefertigt werden, was auch damals zu Bauzeiten bereits bekannt gewesen wäre. Genau in diesem Punkt kam es jedoch zu einem gravierenden Fehler, im Zuge dessen die Zwischenebene falsch ausgewiesen worden wäre. Dadurch waren “die Treppenhäuser, […] die eine Verbindung herstellen sollten zwischen Schengen und Schengen oder Non-Schengen und Non-Schengen […] falsch geplant.” Verheerend war dies, da im Jahr 2008 bereits diesbezügliche Bauarbeiten stattgefunden hätten.
Als weiterer Grund für Verzögerungen wird häufig auch der falsche Stellplatz für Flugzeuge des Typs A380 genannt. Nach Angabe des Aufsichtsrates wurde dieser an der nördlichen Seite des Piers geplant, obwohl die A380 nur auf der Südbahn landen kann, weswegen eine Umplanung notwendig wurde. Da “bei Schönefeld Funktion der Form [folgt]” und nicht wie üblich die Form der Funktion, wären die Stellplätze in gleichen Abständen gebaut worden und unterschieden sich nicht voneinander. Verschiedene Flugzeugtypen benötigen aber andere Abstände, weshalb Stellplätze normalerweise nicht alle gleich breit sind, sondern ein Mix derselben benötigt wird. Aus diesem Grund ist auch die Verzögerung durch diese Umbauten laut Faulenbach da Costa nur ein vorgeschobener Grund, da die tatsächliche Umplanung auf Grund der Gleichheit aller Stellplätze keinen erheblichen Mehraufwand mit sich gebracht hätte.
Im Jahr 2008 wurde nochmals festgestellt, dass die Kapazität des Flughafens nicht ausreichen würde. Deshalb wäre sowohl der Südpier ergänzt, sowie der Mainpier südlich um drei Positionen verlängert worden. Die kalkulierten Passagierzahlen betrugen zu diesem Zeitpunkt 27 Millionen – 12 Millionen mehr als im ersten Bauantrag vorgesehen. Die ständig steigenden Fluggastzahlen hätten letztlich zu einem weiteren Problem geführt: “die Fluchtwege waren zu schmal”, und daneben auch teilweise den falschen Ebenen zugewiesen. Um das Defizit der zu schmalen Fluchtwege auszugleichen, hätten dann die haustechnischen Anlagen, darunter die Brandschutzanlage, angepasst und erweitert werden müssen, sodass sie die “Aufgaben der fehlenden Breite der Fluchtwege übernehmen [konnten]”.
Im Jahr 2012 musste die Eröffnung nochmals verschoben werden. Laut Aufsichtsrat begründete sich dies darin, dass die Entlüftungsanlage nicht funktionsfähig sei. Diese Begründung ist laut Faulenbach Da Costa richtig, jedoch wird sie ohne den richtigen Kontext missverstanden: da die Anlage zur Eröffnung nur etwa zu 50% fertiggestellt gewesen wäre konnte sie natürlich nicht funktionieren. Allerdings ist dies nach Herrn Faulenbach Da Costa nicht der Hauptgrund für die verpasste Eröffnung. Denn nicht nur die Entlüftungsanlage, sondern das gesamte Terminal, das zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zu etwa 57% fertiggestellt gewesen wäre, wäre noch nicht einsatzfähig gewesen. Generell hätte man sich beim Bau des BER dazu entschieden, die bestehenden Anlagen nicht fertig- sondern umzubauen. Dadurch wären neue Genehmigungen notwendig geworden, die mit den alten, bereits bestehenden, zusammengeführt werden mussten. Somit kam es auch hier zu weiteren Problemen.
Die Schwierigkeiten und Missstände des Projekts BER lassen sich laut Herrn Faulenbach da Costa jedoch nicht durch die öffentliche Hand begründen. Nach seiner Meinung wäre der Flughafenbau auch im Rahmen einer Privatisierung nicht besser verlaufen. Die Grundlage der Pläne beider Baufirmen wäre ähnlich gewesen und hätte in beiden Fällen zu dem heutigen Ergebnis geführt. Sie könne ebensowenig als Grund für das Scheitern des Baus angesehen werden wie die Besetzung des Aufsichtsrats, welche er als irrelevant für das Ergebnis ansieht.
Im Allgemeinen ist Herr Faulenbach da Costa der Ansicht, dass die im Untersuchungsausschuss aufgeführten und in den Medien beleuchteten Änderungswünsche lediglich die nötige Funktion hatten, schon bestehende Fehler in der Planung und im Bau zu verdecken. Dies wäre für den Untersuchungsausschuss jedoch nicht erkenntlich gewesen, da er in seiner Zusammenstellung und ohne Expertise zu diesem falschen Ergebnis – nämlich die Planänderungen als Grund für die zeitlichen Verzögerungen – kommen musste. Der wohl interessanteste Aspekt des Interviews ist, dass nach Aussage von Herrn Faulenbach da Costa das gesamte Terminal, und damit auch die viel diskutierte Brandschutzanlage, zu keinem Zeitpunkt betriebsfähig war und deshalb nach Gründen und Personen gesucht worden wäre, auf die die Schuld einer verpassten Eröffnung geschoben werden konnte.
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