Wenn Mario Barth mal wieder zu einer neuen Runde seiner Sendung „Mario Barth deckt auf“ einlädt, dann kann man sich einer Sache sicher sein: Der heimliche Star der Sendung wird garantiert nicht unerwähnt bleiben. Wie ein roter Faden zieht sich der zukünftige Berliner Hauptstadtflughafen BER durch die Sendung, sei es durch albernde Wortspiele, Vergleiche oder durch den ein oder anderen Besuch der Großbaustelle. Und jedes Mal, wenn der BER wieder Thema der Sendung ist, hört man allerorts einen Aufschrei der Empörung, Hand in Hand mit der Frage, wer denn diesmal an der unsäglichen Verschwendung von Steuergeldern schuld sei.
Ursächlich für die in der Enthüllungs-Show von RTL gescholtenen Verschwendungen von Steuergeldern sind in erster Linie die zahlreichen technischen und baulichen Mängel am Großflughafen BER, die bereits in einem vorherigen Blogpost thematisiert wurden. Beginnend mit einer Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten als eine erste theoretische Grundlage, über zahlreiche Online-Artikel, bis hin zu überaus aufschlussreichen Experten-Interviews haben wir eine Vielzahl von Informationsquellen zu Rate gezogen, um uns ein abschließendes Bild in Bezug auf die Schuld an den aufgetretenen technischen Mängeln zu machen.
Kaum ein Mangel schlug derart hohe Wellen wie die vermeintlich funktionsuntüchtige Entrauchungsanlage 14, die als Hauptfaktor für die Verschiebung des Eröffnungstermins im Jahr 2012 ausgemacht wurde. Als unmittelbare Reaktion auf das Desaster rund um die berüchtigte Anlage 14 wurde die Planungsgesellschaft pg bbi zusammen mit Technik-Chef Manfred Körtgen entlassen. Während die Entlassung von Letztgenanntem eher unstrittig ist, wird die Entlassung der Planungsgesellschaft vermehrt als Fehler angesehen. Die vom ehemaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer eingesetzte Sonderkommission zum BER bemängelte die Entlassung der Planungsgesellschaft vor dem Hintergrund, dass die eingetretenen „weitaus umfangreicher als zunächst angenommen“ gewesen seien (Quelle). FDP-Politiker Sebastian Czaja ließ uns wissen, dass der infolge der Trennung von der pg bbi fehlende Zugang zu spezifischem Detailwissen einen herben Verlust darstellte.
Als Planer der Entrauchungsanlage 14 geriet auch Alfredo di Mauro in das Kreuzfeuer der Medien. Als später zudem ans Licht kam, dass Herr di Mauro gar kein Ingenieur, sondern lediglich technischer Zeichner sei, war das perfekte Bauernopfer gefunden. Di Mauro selbst ist der Meinung, dass die Funktionsuntüchtigkeit der Entrauchungsanlage nie endgültig festgestellt werden konnte und die an die Entrauchungsanlage gestellten technischen Anforderungen nicht zu erfüllen waren. Er führt an, dass die Planungen der Architekten hinsichtlich des Brandschutzes bereits fehlerhaft waren und die eine erhöhte Komplexität der Entrauchungsanlage die Missstände bei der Bauplanung kompensieren sollte. Auch der auf Flughafenplanung spezialisierte Stadt- Regionalplaner Dieter Faulenbach Da Costa hält die generelle Planung für fehlerhaft und sieht die Schuld mithin nicht bei di Mauro.
Generell sollte die Klärung der Schuldfrage eher losgelöst von einzelnen Personen angegangen werden, da die technischen Mängel, wie von einigen Experten angemerkt, stärker durch Schwächen in der Projektplanung und im gesamten Projektmanagement begünstigt wurden als von einzelnen Personen. So ist etwa Harald Moritz von den Grünen der Meinung, dass eine fehlende Planungstiefe und Ausführungsreife der einzelnen Bauvorhaben einen kritischen Planungsfehler darstellte. „Bauaufträge wurden bereits vor Ende der Bauplanungen vergeben“, merkte Herr Moritz im Rahmen des Experten-Interviews an. „Baubegleitende Planung ist hanebüchen!“, heißt es zustimmend von Seiten der Linken-Politikerin Jutta Matuschek.
Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, merkt an, dass die über 500 gestellten Change Requests das Projekt zum Scheitern verurteilt haben. Die Schuld sieht er hier unter anderem auch beim damaligen Technikchef Manfred Körtgen und seinem mangelnden Selbstbewusstsein, der Vielzahl an Planungsänderungen entscheidend entgegenzutreten.
Dieser Missstand wurde zudem auch von Alfredo di Mauro in seinem Experten-Interview angeprangert: „500 Planungsänderungen (…) und mit 3 Bauanträgen, das ist natürlich etwas, was ein No-Go in einem Projekt ist“. Die von di Mauro und Evers kritisierte enorme Menge an Change-Requests sieht Faulenbach Da Costa indes weniger kritisch. Die auftretenden technischen Mängel seien wie auch allgemein eine Menge der weiteren auftretenden Probleme eher auf „Hybris und Inkompetenz“ innerhalb des Projektes zurückzuführen.
Der erste Untersuchungsausschuss aus dem Jahre 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass „fehlende Kollegialität und Machtkämpfe“ das Projekt in seiner Planung schon zum Scheitern verurteilten. Die Grünen um Herrn Moritz sahen vor allem die vielen „Alphamännchen mit ihren Egos“ als ein schwerwiegendes Problem.
Des Weiteren äußerte sich Klaus Marx (Air France KLM) kritisch und merkte an, dass die Projektleitung des BER nie den Eindruck vermittelte, ein ernsthaftes Interesse an externem Know-How (bspw. der Infrastructure-Committees der Fluggesellschaften) zu haben. Dies hätte durchaus hilfreich sein können, da gerade internationale Fluggesellschaften an vielen Flughäfen weltweit involviert sind und daher entsprechenden Input hinsichtlich elementarer Prozesse des Flughafenbetriebs geben könnten.
In Bezug auf unser Expertengespräch mussten wir unsere Meinung über Alfredo di Mauro ändern. Nach dem sehr interessanten Interview lasst sich sagen, dass Herr di Mauro garantiert nicht von jeglicher Schuld freizusprechen ist, aber sein Schuldanteil durch die Medien doch sehr überhöht wurde. Vermutlich, weil es jemand gebraucht hat, der als Sündenbock herhalten muss.
Nachdem wir uns nun über das gesamte Semester hinweg mit dem Thema der Schuldfrage an den technischen Fehlern auseinandergesetzt haben, lässt sich abschließend auf Grundlage unserer Recherchen sagen, dass der „Schwarze Peter“ der Geschäftsführung mit all ihren (ehemals) involvierten Personen zuzuschieben ist, da diese ihre eigenen Interessen häufig über den Projekterfolg gestellt haben und auch weite Teile der Projektplanung von der Geschäftsführung in den Sand gesetzt wurde.