Fragen und Kommentare zu dem Fall „Himmelsstrahler„
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am Dienstag, den 15. Februar 2011 um 13:58 Uhr von Anton Petrov veröffentlicht
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Am 15. Februar 2011 um 14:13 Uhr
Hallo HSF-Team!
Ich habe eine aufbautechnische Frage zum Fall Himmelsstrahler.
Bei der materiellen Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsverfügung nach § 79 S.1 BauO Bln prüft man ja in einem ersten Schritt, ob die Anlage unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften errichtet wurde, und in einem zweiten Schritt, ob nachträglich eine Baugenehmigung erteilt werden könnte.
Der Punkt der materiellen Illegalität der Errichtung deckt sich dabei ja weitgehend mit den Voraussetzungen für die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung.
So wird im Fall „Freudenhaus“ beim Punkt „Errichtung in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ allein auf die fehlende Baugenehmigung abgestellt.
In „Himmelsstrahler“ hingegen werden neben der fehlenden Baugenehmigung noch Verstöße gegen StVO und BImSchG geprüft.
Genau diese Punkten werden doch aber eigentlich auch bei der Möglichkeit der nachträglichen Erteilung einer Baugenehmigung relevant.
Gibt es ein eine allgemeine Regel, wann man etwas bei der widerrechtlichen Errichtung und wann bei den Voraussetzungen für eine nachträgliche Baugenehmigug ansprechen soll?
Vielen Dank!
Am 22. Februar 2011 um 16:15 Uhr
Hallo Anton,
danke für diese Nachfrage. Du hast völlig Recht damit, dass sich diese Fragen grundsätzlich decken, weshalb eine exakte Abgrenzung auch nicht wirklich vorgenommen werden kann. Es kommt vor allem darauf an, dass Du zeigst, dass § 79 BauO Bln – anders als die Baugenehmigungsverfahren nach § 64 und 65 BauO Bln – eine komplette Prüfung des öffentlichen Rechts verlangt. Dies liegt darin begründet, dass das Baugenehmigungsverfahren im Sinn einer schlanken und schnellen Verwaltung entschlackt werden soll, aber dennoch die Behörde einer Handhabe bedarf, um Verstöße gegen das Bauordnungsrecht zu sanktionieren.
Der erste Prüfungsschritt ist immer, ob eine bauliche Anlage nach § 2 BauO Bln vorliegt. Danach ist zu prüfen, ob eine Baugenehmigung erforderlich war und ob eine solche vorlag (formelle Illegalität). Ist dies nicht der Fall, prüft man entsprechend dem Wortlaut der Norm („Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften“) weitere Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Normen. Dies ergibt vor allem deshalb Sinn, weil im Rahmen der möglichen nachträglichen Erteilung einer Baugenehmigung diese Vorschriften meist gerade nicht geprüft werden müssen.
Abschließend prüft man, ob eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Hier ist den allgemeinen Regeln eines Baugenehmigungsverfahrens zu folgen (wobei die Genehmigungsbedürftigkeit schon geprüft wurde). Alle Normen des öffentlichen Rechts, die hier geprüft werden müssen, werden dementsprechend nicht im vorhergehenden Prüfungsabschnitt geprüft.
Sich die Systematik klar zu machen, ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Prüfung von der Komplexität und den Schwerpunkten des Falles abhängig ist. Liegt der Schwerpunkt etwa im Bauordnungsrecht, das nicht im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens geprüft wird oder in einem Rechtsgebiet außerhalb des öffentlichen Rechts, so sollte dies im Anschluss an das Erfordernis und das Nichtvorliegen einer Baugenehmigung geprüft werden. Geht es hingegen um bauplanungsrechtliche Vorschriften, so sind diese Fragen im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit zu prüfen.
Ich hoffe, das hilft weiter, Nachfragen beantworten wir immer gerne,
Dominik
P.S. Nach näherer Nachprüfung hat sich ergeben, dass das in den Fällen, die von verschiedenen Personen über einen längeren Zeitraum erstellt wurden, nicht immer einheitlich gehandhabt wird. Wir werden versuchen, diese demnächst zu vereinheitlichen.
Am 18. Februar 2012 um 19:00 Uhr
Es gab 2 Gesetzesänderungen – Lösung nicht mehr aktuell.
Am 18. Februar 2012 um 19:14 Uhr
Danke für den Hinweis. Wir sitzen schon dran, der überarbeitete Fall wird demnächst online gehen!
Am 26. September 2012 um 11:57 Uhr
Hallo liebes Team!
Ich wollte mal wissen, wieso innerhalb der „Vereinbarkeit mit Bauordnungsrecht“ auf den § 10 Abs. 2 S. 2 BauO Bln eingegangen wird. Dieser gilt doch ausweislich seines Wortlauts nur für Werbeanlagen, die „keine baulichen Anlagen sind“. Die Eigenschaft der Himmelsstrahler als Anlage iSd BauO wurde doch aber davor bejaht.
Liebe Grüße
Am 2. Oktober 2012 um 09:53 Uhr
Hallo Patrick,
der Begriff der „Anlage“ ist auf den ersten Blick sehr verwirrend. Anlagen im Sinne der BauO sind nach deren § 2 Abs. 2 S. 2 sowohl bauliche Anlagen als auch sonstige Anlagen und Einrichtungen.
Der Begriff der baulichen Anlage ist in § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 BauO legaldefiniert. Hierunter fallen die Himmelsstrahler nicht, wie wir unter B.II.1.a) festgestellt haben.
Die BauO gilt nach deren § 1 Abs. 1 S. 2 aber eben auch für sonstige Anlagen, an die in der BauO Anforderungen gestellt werden. Das ist in unserem Fall der § 10 Abs. 2 S. 2 BauO (B.II.1.b)).
Die Himmelsstrahler sind also keine baulichen Anlagen aber sonstige (Werbe-)Anlagen.
Diese bauordungsrechtlichen Begriffe sind zudem noch vom Bauplanungsrecht zu unterscheiden. Auch dort ist in § 29 BauGB von „baulichen Anlagen“ die Rede. Allerdings: „Während er im bauwerks- und sicherheitsbezogenen Bauordnungsrecht in erster Linie solche Anlagen umfasst, die unmittelbar mit dem Erdboden verbunden und aus Bauprodukten hergestellt sind, bestimmt sich der Begriff im bodennutzungsbezogenen und die städtebauliche Entwicklung steuernden Bauplanungsrecht nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 44, 59, 61, 62). Danach fallen unter den Anlagenbegriff iSv § 29 BauGB solche baulichen Anlagen, die im weitesten Sinne gebaut, dh in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind.“ (Krämer in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 29 Rn. 3). Daher haben wir unter B.II.3.a)aa) festgestellt, dass es sich bei den Himmelsstrahlern um bauliche Anlagen im Sinne des § 29 BauGB handelt, ohne dass dies aber Einfluss auf die Einordnung innerhalb der BauO hat.
Für weitere Nachfragen stehen wir gern zur Verfügung!