Warum Republikaner trotz „Victory Project“ peinlich bleiben und wie ein demokratischer Nixon am Ende davon profitieren könnte
von Curd Knüpfer
Es tut sich was im konservativen Lager. Während die einen, wie etwa der Mehrheitsführer des Repräsentantenhaus Eric Cantor oder auch der einstige Vize-Präsidentschaftskandidat Paul Ryan öffentlich vorschlagen, dass man an der republikanischen Rhetorik schrauben solle, um der Partei ein freundlicheres Gesicht zu verschaffen, planen auch hinter den Kulissen die Wahlkampfstrategen bereits für 2014 (mid-term elections) und 2016 (Präsidentschaftswahl).
Und auch hier geht es um die Frage: wie soll man sich dem amerikanischen Volk präsentieren?
Das Markenzeichen “severly conservative”, mit dem Mitt Romney es in der Hitze des Vorwahlkampfs noch probierte, scheint seit der Kongresswahl 2010 an Glanz verloren zu haben. Dies mag ebenso am politischen Inhalt wie am demographischen Wandel liegen.
Zum anderen lässt sich kaum bestreiten, dass der Tea Party Trend eine ganze Reihe von Kandidaten ins Rampenlicht gezerrt hat, die sich bei genauerer Betrachtung, freundlich ausgedrückt, als nicht wählbar erwiesen. Weniger freundlich ausgedrückt: selbst für hartgesottene Beobachter der US Politik, die traditionell reich an politischer Theatralik, bzw. Komödie ist, eröffnete die vergangene Wahlkampfsaison ein regelrechtes Fegefeuer der Peinlichkeiten. Man denke an die unrühmlichen Auftritte von republikanischen Selbstdarstellern wie Donald Trump und Herman Cain. Oder die spektakulären Niederlagen von Kandidaten wie Cristine „I’m not a witch!“ O’Donnell, oder Todd „legitimate rape“ Akin. In diese Liste reihen sich auch andere ebenso radikale wie unerfahrene Wahlkämpfer wie Richard Murdock oder Sharron Angle ein. Was der republikanischen Partei dabei besonders schadete: diese Tea Party Favoriten traten gegen angeschlagene demokratische Kandidaten an – und verloren dennoch.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Karl Rove, der einst als Hirn hinter den Wahlkampfsiegen von George Bush gefeiert wurde und jüngst mit seinem Super PAC American Crossroads sämtliche finanziellen Freiheiten des post-Citizens United Wahlkampfsystems auskosten konnte, sich nun Gedanken macht wie sich derartige Niederlagen zukünftig vermeiden ließen. Sein Vorschlag gleicht einer Diagnose: erfahrene Republikanische Kandidaten seien im Vorwahlkampf zunehmend bedroht von „far-right conservatives“ und Tea Party Enthusiasten. Gerade durch die „Primaries“, wurde eine Reihe prominenter republikanischer Politiker durch unerfahrene Nobodys frühzeitig aus den Rennen gekegelt. Durch sein neues „Conservative Victory Project“, sollen daher Kandidaten unterstützt werden, die eine realistische Chance haben, sich gegen Demokraten durchzusetzen.
Ein plausibler Vorschlag – allerdings nur auf den ersten Blick. Denn es scheint als habe der Chefstratege Rove bei seinen Planungen ein paar Faktoren übersehen.
Hier exemplarisch, drei Herausforderungen mit denen sich das Conservative Victory Project auseinandersetzen muss:
1. Geld kauft nicht zwangsläufig Gewinner
Das erste Problem für das „Victory Project“ beschreibt der New York Times Blogger und Zahlengeek Nate Silver, dessen Orakelfunktion man spätestens seit dem punktgenau prophezeiten Ausgang des Präsidentschaftswahlkampf nicht unterschätzen sollte. Silver hebt durch eine Reihe beindruckender Graphen und Statistiken hervor, dass Geld nicht zwangsläufig den Wahlkampf entscheidet; dass die neusten Statistiken gar dagegen sprechen, und dass damit die Hauptwaffe in Rove’s Wahlkampfarsenal an potentieller Einschlagkraft verliert. Es sei hinzugefügt, dass auch viele der Kandidaten, die Roves Super PAC im Wahlkampf 2012 unterstützte, ihre Wahlen am Ende nicht gewinnen konnten.
2. Nicht alle “peinlichen” Kandidaten sind Verlierer
Roves Idee mag außer Acht lassen, dass einige der bereits ein Amt bekleidenden Kandidaten der Republikaner eine Reihe peinlicher bis besorgniserregender Auftritte hatten: beispielhaft hierfür Rick Perry, Gouverneur von Texas, und sein “’oops’ Moment” oder Michele Bachmann, die den Bundesstaat Minnesota im Kongress vertritt und bei der sich ein Aussetzer an den nächsten zu reihen scheint und dabei gelegentlich von absurden politischen Meinungsäußerungen unterbrochen wird (hier fordert Bachmann beispielsweise gegen eine anti-Amerikanische Verschwörung innerhalb der amerikanischen Regierung vorzugehen, hier erklärt sie den Zusammenhang zwischen moderner Medizin und geistiger Behinderung.
Doch worüber im Internet, in politischen Hinterzimmern und Nachrichteredaktionen hämisch gelacht wird, schert eine loyale Wählerschaft wenig. Das Gegenteil könnte sogar der Fall sein: Gerade dadurch, dass sich ein „elitäres Establishment“ gegen eine/n Kandidatin/en zu verschwören scheint, erhalten diese oftmals nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Anerkennung. Das schadet national möglicherweise der republikanischen Marke, im einzelnen Wahlkreis mag es aber helfen.
Was also tatsächlich „peinlich“ und „unwählbar“ ist, mag eine Frage des eigenen Standpunkts sein. So betrachtet lässt sich verstehen, wenn einige Republikaner und Konservative hier nicht blind den Vorstellungen Roves Folge leisten wollen, wenn dieser bestimmen will, wie ein Kandidat auszusehen hat. Was direkt zu Problem Nummer drei für das Victory Project führt:
3. Das konservative Lager ist gespalten
Wie die Website MediaMatters.org anschaulich zusammengetragen hat, hält sich die Begeisterung für Roves Vorhaben innerhalb des konservativen Lagers, gelinde gesagt, durchaus in Grenzen:
Dabei reicht das Spektrum der Kritik die Rove von spottend über erbost bis hin zu dem vernichtenden Urteil, der ehemalige Chefstratege der Regierung Bush 43. sei gar kein wahrer Konservativer. Eine rechte Breitseite, die einen Parteistrategen wie Rove mit voller Wucht erwischen dürfte, denn…
Fazit:
…wer die Entwicklung des US-amerikanischen Konservatismus seit den 1950ern kennt, weiß dass dies stets ein heterogenes Lager war, in dem sich moderate Kandidaten des politischen Establishments mit den konservativen Grass Roots oftmals im Clinch lagen. Man denke hier etwa an die Unterschiede zwischen einem Eisenhower und einem Barry Goldwater. Erst Ronald Reagan gelang es in den 1980ern eine rechte Koalition zu schmieden und das gemeinsame Potential politisch effektiv zu nutzen.
Wirklich regierungsfähig scheint die Grand Old Party momentan nicht zu sein. Es fehlt an Visionen für die Zukunft, die über Forderungen nach weniger Staat und mehr Wachstum hinausgehen. Somit fehlt es an ideologischen Antworten auf die größten Herausforderungen unserer Zeit: das absehbare Ende des globalen Wachstums, die Krise der globalen Märkte und des globalen Ökosystems. Aber, so desillusioniert dies auch klingen mag, darum geht es derzeit nicht.
Abseits politischer Lösungen und Präferenzen lautet die entscheidendere Frage: ist die G.O.P. in ihrer derzeitigen Verfassung wahlkampffähig? Oder zeichnet sich eine fundamentale Spaltung des konservativen Lagers ab, zwischen den “RINOs” – Republicans in Name Only, wie die Tea Party moderate Republikaner schimpft – und den “Wal-Mart hippies”, wie letztere erstere zurückschimpfen? Sollte dies der Fall sein, könnte nun die Republikaner befallen, was die Demokraten Ende der 60er erlebten, als bereits der Vorwahlkampf zur Zerreißprobe wurde für eine Partei, die zwischen ihrem Establishment und dem linken Parteiflügel tief gespalten war. Wenn zwei sich streiten freut sich bekanntlich ein Dritter. Damals streckte der altgediente Republikaner Richard Nixon letztendlich das doppelte Victoryzeichen grinsend gen Himmel.
Für diesen Fall würde sich nur die Frage stellen, wer wohl der demokratische Nixon sein könnte…