Koschut, Simon / Kutz, Magnus-Sebastian (Hrsg.): Die Außenpolitik der USA. Theorie – Prozess – Politikfelder – Regionen. Verlag Barbara Budrich UTB, Opladen & Toronto 2012, 297 S.
Herausgeber von Anthologien haben die Aufgabe, die Autorenschar inhaltlich, formal und stilistisch beieinander zu halten. Bei dem explizit als „Lehr- und Handbuch“ und „Nachschlagewerk“ zur US-Außenpolitik (S. 11) konzipierten Band von Koschut (Akademischer Rat an der Universität Erlangen-Nürnberg) und Kutz (Referent der Senatorin für Stadtentwicklung in Hamburg) ist es den Herausgebern nur zum Teil gelungen, die Qualitätsschwankungen einzuhegen. Trotz der Verwendung einer „stringente[n] didaktische[n] Schablone“ (S. 12) entsteht der Eindruck, dass es wenig redaktionelle Eingriffe gegeben hat. Ein Lektorat hat offensichtlich auch nicht stattgefunden, wie heute leider oft üblich, ansonsten ist nicht zu erklären, wie die störende Verwendung von reichlich Füll- und Spreizwörtern („ungeheuer komplex“, „Bedeutung und Wesentlichkeit von Theorie“, S. 17; immer wieder „natürlich“ etc.) durchgegangen ist. Die interne Verweispraxis ist ebenso uneinheitlich wie die Anlage der Literaturverweise und Übungsfragen; dagegen ist der Index hilfreich und gelungen.
Leider beschränken sich die Unsauberkeiten nicht auf die formalen Aspekte, auch bei den Inhalten sehe ich einige Probleme. Anhand von vier Spannungsfeldern soll der Leser in den vier im Untertitel genannten Blöcken an die US-Außenpolitik herangeführt werden: „Kontinuität und Wandel“, „Konflikt und Konsens“, „Macht und Moral“ sowie „Innen und Außen“ (S. 10-11). Diese Zuspitzung und Ordnung ist gut begründet und grundsätzlich geeignet, die „black box“ des einheitlichen Staatsakteurs aufzuschließen und die für die Entstehung von Außenpolitik relevanten politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Institutionen und Vorgänge zu verstehen. Es ist auch unproblematisch, dass nicht alle Autoren ihr folgen können oder mögen. In einzelnen Bereichen sind andere Zuspitzungen erforderlich. Doch wenn schon heterodoxe Theorieansätze – von distanzierenden Fußnoten abgesehen – nicht berücksichtigt werden, muss der Leser zumindest erwarten können, dass kritische Aspekte und Fragen nicht ausgeblendet werden. Die Zentralität wirtschaftlicher Interessen und insbesondere der große Einfluss international ausgerichteter Unternehmen, mit dem Ziel erst der Durchsetzung und dann der Aufrechterhaltung einer liberalen Weltwirtschaftsordnung, werden auch in der Mainstream-Forschung durchaus konstatiert, wie auch der Befund, dass die amerikanische Bevölkerung dieser Politik kontinuierlich skeptisch gegenüber steht. Im vorliegenden Band wird diese Konstellation weder in den theoretischen Beiträgen noch im Beitrag zu Interessengruppen (in dem der Autor ohnehin fast völlig auf Think Tanks fokussiert) noch im Beitrag zur Außenwirtschaftspolitik auch nur angesprochen.
Die Kapitel zu den zentralen Akteuren und Prozessen der US-Außenpolitik enthalten reichhaltige Informationen. Einige Wiederholungen wären zu vermeiden gewesen, hätte man die Beiträge z.T. integriert (insbesondere die zu Kongress und Präsident). Der Rolle des Supreme Court wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere bei der Frage der „war powers“ gibt es einige Unsauberkeiten, z.B. wird auch für die Gegenwart von „Kriegserklärungen“ gesprochen, obschon diese mindestens seit Schaffung der Vereinten Nationen völkerrechtlich unzulässig sind. In manchen Beiträgen dieses Blocks wird das Kopieren von Listen aus dem Internet übertrieben; es hilft dem Leser kaum, die Vielzahl der Behörden kennenzulernen, aber wenig darüber zu erfahren, welche Rolle sie in der Außenpolitik spielen. Der Beitrag zum US-Militär stellt dieses in die Tradition demokratischer Grundwerte, ohne dies näher auszuführen oder zu begründen. Fragen von „class“ und „race“ bei der Zusammensetzung der Armee kommen nicht vor.
Auch in den Blöcken zu verschiedenen Politikfeldern und Regionen liefern einige Beiträge eine Fülle von Informationen. Gleichwohl finden sich weitere Leerstellen. Im Beitrag zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten kommen weder die wirtschaftlichen Interessen der USA vor, d.h. die Schaffung offener Märkte, noch entwicklungs- und demokratiepolitische Diskussionen z.B. zur Sinnhaftigkeit des amerikanischen Fokus auf freie Wahlen als wesentlichem Kriterium für Demokratie, oder zur Frage, ob die Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, von Woodrow Wilson ebenso prominent propagiert wie die Demokratie, nicht stärker in den Vordergrund der US-Außenpolitik gehört. Unsinnig scheint mir die Einschätzung im Kapitel zu Internationalen Organisationen, „party politics starts at the water’s edge“ (S. 213, Betonung dort). Ganz sicher existiert der parteiübergreifende außenpolitische Konsens, der die USA während des Kalten Krieges geprägt hat, nicht mehr (eine neue Erkenntnis ist dies wahrlich nicht), aber es ist deutlich, dass der Streit um die Außenpolitik nicht hauptverantwortlich für die gesellschaftliche und politische Polarisierung ist, die die USA seit Jahren prägt. Im Beitrag zur Public Diplomacy wird die weltweite „Neubetrachtung“ der USA seit der Wahl Obamas hervorgehoben (S. 226). Erstaunlich ist, dass weder hier noch an anderer Stelle im Band die Kontinuitätslinien zur umstrittenen Politik von George W. Bush ausführlich diskutiert werden. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit den auch völkerrechtlich problematischen Drohneneinsätzen.