Lässt sich Wahlverhalten auf das Genom eines Menschen zurückführen? Ist politische Gesinnung erblich? Hängt die Parteizugehörigkeit mit Dopaminrezeptoren zusammen – und, wenn ja, wie? Was in deutschen Ohren vielleicht wie ein Nachhall aus überwunden geglaubten, wissenschaftlich unrühmlichen Zeiten klingt, ist in einigen US-amerikanischen Politik-Departments keineswegs Tabu. Unter dem Schlagwort der Genopolitics forscht eine Reihe von Politikwissenschaftlern an durchaus namhaften Institutionen wie Harvard, der New York University und der University of California in San Diego zu den genetischen Grundlagen politischen Verhaltens. Den ganzen Beitrag lesen »
Besprechung von Koschut & Kutz (Hrsg.): Die Außenpolitik der USA
Koschut, Simon / Kutz, Magnus-Sebastian (Hrsg.): Die Außenpolitik der USA. Theorie – Prozess – Politikfelder – Regionen. Verlag Barbara Budrich UTB, Opladen & Toronto 2012, 297 S.
Herausgeber von Anthologien haben die Aufgabe, die Autorenschar inhaltlich, formal und stilistisch beieinander zu halten. Bei dem explizit als „Lehr- und Handbuch“ und „Nachschlagewerk“ zur US-Außenpolitik (S. 11) konzipierten Band von Koschut (Akademischer Rat an der Universität Erlangen-Nürnberg) und Kutz (Referent der Senatorin für Stadtentwicklung in Hamburg) ist es den Herausgebern nur zum Teil gelungen, die Qualitätsschwankungen einzuhegen. Trotz der Verwendung einer „stringente[n] didaktische[n] Schablone“ (S. 12) entsteht der Eindruck, dass es wenig redaktionelle Eingriffe gegeben hat. Ein Lektorat hat offensichtlich auch nicht stattgefunden, wie heute leider oft üblich, ansonsten ist nicht zu erklären, wie die störende Verwendung von reichlich Füll- und Spreizwörtern („ungeheuer komplex“, „Bedeutung und Wesentlichkeit von Theorie“, S. 17; immer wieder „natürlich“ etc.) durchgegangen ist. Die interne Verweispraxis ist ebenso uneinheitlich wie die Anlage der Literaturverweise und Übungsfragen; dagegen ist der Index hilfreich und gelungen.
Leider beschränken sich die Unsauberkeiten nicht auf die formalen Aspekte, auch bei den Inhalten sehe ich einige Probleme. Anhand von vier Spannungsfeldern soll der Leser in den vier im Untertitel genannten Blöcken an die US-Außenpolitik herangeführt werden: „Kontinuität und Wandel“, „Konflikt und Konsens“, „Macht und Moral“ sowie „Innen und Außen“ (S. 10-11). Diese Zuspitzung und Ordnung ist gut begründet und grundsätzlich geeignet, die „black box“ des einheitlichen Staatsakteurs aufzuschließen und die für die Entstehung von Außenpolitik relevanten politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Institutionen und Vorgänge zu verstehen. Es ist auch unproblematisch, dass nicht alle Autoren ihr folgen können oder mögen. In einzelnen Bereichen sind andere Zuspitzungen erforderlich. Doch wenn schon heterodoxe Theorieansätze – von distanzierenden Fußnoten abgesehen – nicht berücksichtigt werden, muss der Leser zumindest erwarten können, dass kritische Aspekte und Fragen nicht ausgeblendet werden. Die Zentralität wirtschaftlicher Interessen und insbesondere der große Einfluss international ausgerichteter Unternehmen, mit dem Ziel erst der Durchsetzung und dann der Aufrechterhaltung einer liberalen Weltwirtschaftsordnung, werden auch in der Mainstream-Forschung durchaus konstatiert, wie auch der Befund, dass die amerikanische Bevölkerung dieser Politik kontinuierlich skeptisch gegenüber steht. Im vorliegenden Band wird diese Konstellation weder in den theoretischen Beiträgen noch im Beitrag zu Interessengruppen (in dem der Autor ohnehin fast völlig auf Think Tanks fokussiert) noch im Beitrag zur Außenwirtschaftspolitik auch nur angesprochen.
Die Kapitel zu den zentralen Akteuren und Prozessen der US-Außenpolitik enthalten reichhaltige Informationen. Einige Wiederholungen wären zu vermeiden gewesen, hätte man die Beiträge z.T. integriert (insbesondere die zu Kongress und Präsident). Der Rolle des Supreme Court wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere bei der Frage der „war powers“ gibt es einige Unsauberkeiten, z.B. wird auch für die Gegenwart von „Kriegserklärungen“ gesprochen, obschon diese mindestens seit Schaffung der Vereinten Nationen völkerrechtlich unzulässig sind. In manchen Beiträgen dieses Blocks wird das Kopieren von Listen aus dem Internet übertrieben; es hilft dem Leser kaum, die Vielzahl der Behörden kennenzulernen, aber wenig darüber zu erfahren, welche Rolle sie in der Außenpolitik spielen. Der Beitrag zum US-Militär stellt dieses in die Tradition demokratischer Grundwerte, ohne dies näher auszuführen oder zu begründen. Fragen von „class“ und „race“ bei der Zusammensetzung der Armee kommen nicht vor.
Auch in den Blöcken zu verschiedenen Politikfeldern und Regionen liefern einige Beiträge eine Fülle von Informationen. Gleichwohl finden sich weitere Leerstellen. Im Beitrag zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten kommen weder die wirtschaftlichen Interessen der USA vor, d.h. die Schaffung offener Märkte, noch entwicklungs- und demokratiepolitische Diskussionen z.B. zur Sinnhaftigkeit des amerikanischen Fokus auf freie Wahlen als wesentlichem Kriterium für Demokratie, oder zur Frage, ob die Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, von Woodrow Wilson ebenso prominent propagiert wie die Demokratie, nicht stärker in den Vordergrund der US-Außenpolitik gehört. Unsinnig scheint mir die Einschätzung im Kapitel zu Internationalen Organisationen, „party politics starts at the water’s edge“ (S. 213, Betonung dort). Ganz sicher existiert der parteiübergreifende außenpolitische Konsens, der die USA während des Kalten Krieges geprägt hat, nicht mehr (eine neue Erkenntnis ist dies wahrlich nicht), aber es ist deutlich, dass der Streit um die Außenpolitik nicht hauptverantwortlich für die gesellschaftliche und politische Polarisierung ist, die die USA seit Jahren prägt. Im Beitrag zur Public Diplomacy wird die weltweite „Neubetrachtung“ der USA seit der Wahl Obamas hervorgehoben (S. 226). Erstaunlich ist, dass weder hier noch an anderer Stelle im Band die Kontinuitätslinien zur umstrittenen Politik von George W. Bush ausführlich diskutiert werden. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit den auch völkerrechtlich problematischen Drohneneinsätzen.
At Long Last: Some Dare Call It Torture
Recent editorials in the NYT as well as a newly released report signify a possible shift in mainstream framing of “enhanced interrogation tactics” employed in the United States’ War on Terror. That’s good. …But now what?
Seven years ago, in 2006, Lance Bennett, Regina Lawrence and Steven Livingston investigated press coverage of the Abu Ghraib prison story. Their findings revealed that most news coverage was geared towards official (i.e. government) framing of the events and left little room for potential counter-framing.[1] “None dare call it torture,” they conclude, referring to mainstream media outlets and their much more prevalent use of the term “prisoner abuse.”[2]
Arguably long over-due but therefore somewhat surprisingly, the New York Times’ editorial board seems to have shifted on its position on this significantly and came out with strong and definitive stances on the subject over the course of the last week.[3] First, a powerful Op-ed by a Guantanamo detainee, currently on hunger strike, described vividly the practices of force-feeding and the injustice of his prolonged incarceration without a trial or even an official charge brought against him.
Then, today, the paper’s editorial focusses on a report by a bi-partisan commission investigating the systemic abuse of prisoners in U.S. custody. Here the title of the piece is also its main conclusion: „Indisputable Torture„.
Indeed, the 602 page report by the Constitution Project’s Task Force on Detainee Treatment leaves little room for any other interpretation. Its main findings include that,
- the U.S. did, in fact, engage in “cruel, inhuman, or degrading” practices, constituting torture (p.9),
- high-ranking officials ultimately bear responsibility for this,
- these interrogation techniques produced no “significant information of value” (p.10), and [in a clear articulation of criticism aimed at the Obama administration]
- the U.S. has done little to nothing to properly address these concerns (pp. 12-15).
The same sentiment is echoed in today’s NYT editorial:
“President Obama chose not to support a national commission to investigate the post-9/11 detention and interrogation programs. At that time, Mr. Obama said he wanted to ‘look forward, not backward.’ But identifying past mistakes so they can be avoided is central to looking forward.”
It now seems that the logical, if somewhat bulky, next question to ask is: Dare some call for political and legal consequences?
Verschwörungstheorien und ideologische Polarisierung: neuste Forschungsergebnisse
Bereits in den 1960er Jahren schrieb der US-amerikanische Historiker Richard Hofstadter im Harper’s Magazin über den paranoiden Charakter in der amerikanischen Politik. Oftmals manifestiert sich die Paranoia in Verschwörungstheorien, die in den USA eine lange Tradition haben: Das Kennedy Attentat, die Mondlandung, 9/11 und zuletzt der erste schwarze Präsident Barack Obama: oftmals existieren ganz unterschiedliche Geschichten zum selben Ereignis und wenn in der Geschichte ein zielgerichtetes, konspiratives Wirken bestimmter Gruppen und Personen mit einem illegitimen Zwecks zu erkenn ist, dann ist sie da die Verschwörungstheorie und das Internet ist voll davon. Eine Umfrage von Public Policy Polling (PPP) (https://www.publicpolicypolling.com/main/2013/04/conspiracy-theory-poll-results-.html) hat jetzt wieder gezeigt, wie tief Verschwörungstheorien in der US-amerikanischen Bevölkerung verwurzelt sind. Hört sich kurios an, hat aber in einigen Bereichen durchaus Einfluss auf die Politik. So glauben immerhin 37 Prozent der Befragten, dass die Klimaerwärmung eine Erfindung ist! Wo soll da der öffentliche Druck für eine andere Klimapolitik in den USA herkommen. Noch wilder werden die Spekulationen und Vermutungen allerdings, wenn es um die Regierung der USA geht. Die scheint ihre Bürger zu belügen und zu manipulieren, wo immer es nur geht. 21 % der Befragten sind sich sicher, dass in Roswell 1947 eine Ufo abgestürzt ist und die Regierung dies verheimlicht. Im Vergleich dazu glauben nur 6 % das Osama Bin Laden noch lebt und 7 % zweifeln an der Mondlandung 1969. Immerhin 14 % meinen zu wissen, dass die CIA in den 1980er Jahren vorsätzlich Crack und Kokain in den großen Innenstädten verteilt hat und kaum weniger (13 %) sehen in Obama den Anti-Christen. Immerhin 11 % versichern, dass die US-Regierung von den Anschlägen am 11. September im Vorfeld Bescheid wusste, aber nicht dagegen tat! Das Misstrauen der US-Bürger scheint unendlich, immerhin 4 % (und das wären bei 300 Millionen Menschen in den USA annährend 12 Millionen Menschen!!!!) sind sich sicher, dass Reptilienmenschen humanoide Formen angenommen haben, um an die Macht zu kommen und unsere Gesellschaften zu manipulieren. Ok, ein paar Spinner gibt es immer und vielleicht ist an der einen oder anderen Verschwörungstheorie ja auch ein Körnchen Wahrheit. Hat die Bush-Administration die Öffentlichkeit bewusst belogen, als Massenvernichtungswaffen als Grund für die Invasion im Irak angegeben hat? Immerhin 55 % der Befragten sind dieser Meinung! Und der Kondensstreifen hinter Flugzeugen? Warum sollte das nicht eine Geheimaktion der Regierung sein, um Chemikalien in die Atmosphäre zu sprühen? Immerhin 5 % der Befragten glauben dies. Und dreimal so viele (15 %) trauen es der Regierung zu, im Fernsehen versteckte Technologien einzusetzen, um das Bewusstsein der Bürger zu manipulieren.
Anyway, das eigentlich interessante an der Befragung von PPP: auch bei den Verschwörungstheorien ist eine Polarisierung nach parteipolitischen Lagern zu erkennen: Republikaner glauben eher an Verschwörungen als Demokraten. Das gilt nicht für alle Arten von Verschwörungen. So korreliert die Ansicht über UFO’s in Roswell kaum mit der ideologischen Positionierung der Befragten. Geht es aber gegen die US-Regierungen dann ist ein Muster ganz deutlich: Liberale Misstrauen Konservativen und umgekehrt. Der Zusammenhang zwischen Polarisierung und Verschwörungsanfälligkeit scheint also kein einfach kausaler zu sein, hier ist weitere Forschung dringend gefragt! Aber ein Hoffnung bleibt ja: PPP hat lediglich 1247 Personen befragt, über das Telefon! Vielleicht verzerrt das ja das Ergebnis, denn man weiß doch: die Regierung hört mit – und wer sagt da schon die Wahrheit!