Kommentar zu den Regionalwahlen in Südkorea vom 2. Juni 2010: Deutliche Absage an das rechtskonservative Regierungslager

Etwas über 38 Millionen südkoreanische Bürger waren am 2. Juni bei den fünften landesweiten Regionalwahlen aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Die oppositionelle Demokratische Partei (DP) gewann diese Wahlen deutlich, die Regierungspartei Große Nationalpartei (GNP) wurde klar abgestraft. Anders als die Parlamentswahlen, die weniger als ein halbes Jahr nach den Präsidentschaftswahlen Ende 2007 im Frühling 2008 stattfanden, können diese Regionalwahlen als klassische „Bewährungsprobe“ des amtierenden Regierungslagers verstanden werden. Sie hat sie nicht bestanden.
Neben 16 Oberbürgermeistern und Provinz-Gouverneuren sowie 16 Bildungsministerämter (Superintendenten) standen auch über 200 Bezirksleiterposten, rund 700 Abgeordnetensitze der Bezirks- und knapp 3000 der Kommunalparlamente zur Wahl. Insgesamt standen knapp 4000 Ämter zur Disposition. Die oppositionelle DP erhält sieben der 16 Governeursämter, die GNP sechs, die Restlichen gehen an die Partei für Freiheit und Fortschritt (FFP; Stadt Daejon) und zwei parteilose Kandidaten.

Der komplette Kommentar ist hier als PDF-Datei abrufbar.

Demokratischer Rechtsstaat hin oder her: KBS erhält neuen Regierungschef!

Der 59-jährige Kim In Gyu ist zum neuen Chefintendanten des halbstaatlichen Fernsehsenders KBS gewählt worden. Noch vor zwei Jahren war er während des Präsidentschaftswahlkampfs hauptverantwortlich für die Medienwirksamkeit Lee Myung Baks, der schließlich 2008 zum Staatsoberhaupt eingeschworen wurde. Oppositionsparteien und Bürgerinitiativen sowie die Gewerkschaft des Senders kritisieren die Entscheidung scharf. Sie sehen darin einen weiteren Schritt der Regierung, die Medien unter ihre volle Kontrolle zu bringen.

Der 59-jährige Kim In Gyu ist zum neuen Chefintendanten des halbstaatlichen Fernsehsenders KBS gewählt worden. Noch vor zwei Jahren war er während des Präsidentschaftswahlkampfs hauptverantwortlich für die Medienwirksamkeit Lee Myung Baks, der schließlich 2008 zum Staatsoberhaupt eingeschworen wurde. Oppositionsparteien und Bürgerinitiativen sowie die Gewerkschaft des Senders kritisieren die Entscheidung scharf. Sie sehen darin einen weiteren Schritt der Regierung, die Medien unter ihre volle Kontrolle zu bringen.

Kreuzzugartige Medienreform unter Präsident Lee

Bereits während des Präsidentschaftswahlkampfes Ende 2007 betonte das Camp um Lee Myung Bak, man werde die Medienlandschaft umkrempeln und flächendeckende Privatisierungen bei Sendern vornehmen. Die Rechtskonservativen, die schließlich an die Macht kamen und ihr Versprechen wahr machen zu scheinen, rechtfertigten ihren Kreuzzug damit, dass die Medien „links“ und ihnen gegenüber feindlich gesonnen seien. Dies sahen sie ein weiteres Mal bestätigt, als sich nur wenige Monate nach der Amtseinführung Lees im Frühling vergangenen Jahres der Skandal um die Rindfleisch-Frageentfachte. Die rechtskonservative Regierung sah darin eine Verschwörung vor allen Dingen des Politmagazins „PD Notebook“ des Fernsehsenders MBC.

In der Folge wurde nicht nur MBC unter Druck gesetzt, sondern auch der Chefintendant des Nachrichtensenders YTN sowie der von KBS abgesetzt, um mit regierungsnahen Personal ausgetauscht zu werden. Während man bei YTN äußerst fragliche Methoden bei der Durchsetzung der Personalie bezüglich der Aktionärsversammlung praktizierte, wurden bei KBS Grundprinzipien des Entscheidungsprozesses für Personalfragen umgangen, um den Wunschkandidaten (Lee Byung Sun) auf den Thron zu setzen. Seit damals werden diese Vorgänge von Opposition und der Öffentlichkeit als Versuche der Regierung kritisiert, die Medien in ihre Gewalt zu bringen.

Doch bisher konnte sich die Regierung dahinter verstecken, dass der Personalreformprozess nach dem Gesetz abgelaufen und damit rechtens sei. Jüngste Gerichtsentscheidungen sprechen jedoch eine andere Sprache. Dass nun mit Kim In Gyu ein weiteres Mal ein eindeutig regierungstreuer Mann an die Spitze von KBS gesetzt wurde, gibt dem Widerstand gegen die Einbahn-Politik der Regierung Rückenwind.

Gericht: Absetzung von Chefintendant Jeong „nicht rechtens“!

Vorbote des Bumerangs gegen die Medienpolitik der Regierung war die Entscheidung des Seouler Verwaltungsgerichts am 12. November. Das Gericht hatte in der Angelegenheit einer Nachrichtensprecherin des Senders MBC (Park Hye Jin) für den Sender und gegen die Korea Communications Comission (EKCC) entschieden. Das EKCC hatte eine Klage eingereicht, in der es Sanktionen forderte, weil die Nachrichtensprecherin im Dezember letzten Jahres am Schluss der Nachrichtensendung kommentiert hatte, dass sie sich als Mitglied der Gewerkschaft am Streik beteiligen müsse, weshalb sie die Nachrichten vorerst nicht moderieren könne, und im Übrigen den Inhalten und dem Prozedere der Fernsehgesetz-Reform nicht zustimmen könne. Der Sender hatte gegen diese Sanktionsklage des EKCC gewehrt und hat schließlich Recht bekommen. Zuvor war der Kollege von Park, Shin Gyeong Min, als Nachrichtensprecher abgesetzt worden. Zwar wurde die Personalie mit regulärem Personalwechsel begründet. Doch Shin war noch mehr als seine Kollegin bekannt dafür, am Ende der Hauptnachrichten kritische Kommentare zu machen, die sich bei den Zuschauern großer Beliebtheit erfreuten – weniger jedoch bei der Regierung.

Eine weitaus gewichtigere Entscheidung machte ein anderes Verwaltungsgericht der Hauptstadt am selben Tag. Dieses Gericht entschied, dass die Entlassung des ehemaligen KBS-Chefintendanten, Jeong Yeon Ju, nicht rechtens gewesen sei. Sein Entlassung wurde damit als „nichtig“ erklärt. Doch da seine reguläre Amtszeit bis zum 23. November gedauert hätte, gab es keine Möglichkeit, seinen unrechtmäßig verlorenen Arbeitsplatz wieder einzunehmen. Die Bedeutung dieser Entscheidung ist jedoch von weitaus größerer Signifikanz als nur ein Arbeitsplatz. Die vorzeitige Entlassung Jeongs als Chefintendant von KBS im Sommer 2008 war ein entscheidender Meilenstein in der umstrittenen Medienpersonalpolitik der neuen Regierung.

KBS´ Personalkomission regierungsfreundlich ausgehebelt

Der Chefintendant wurde von rechtsradikalen Gruppierungen angeklagt, als Chef von KBS gemisswirtschaftet zu haben, woraufhin die Staatsanwaltschaft begann, Ermittlungen anzustellen. Dies wurde schließlich zur rechtlichen Grundlage der Entlassung Jeons. Doch damit man sichergehen konnte, dass ein Regierungstreuer den Posten übernimmt, musste die Personalkomission des Senders umgestellt werden, sodass die rechtskonservative Hannaradang (Grand National Party – GNP) die Mehrheit der Komissionsmitglieder stellte. Dazu war unter anderem nötig, Professor Sin Tae Seob als Mitglied abzusetzen.

Es folgte ein bizarrer Verlauf der Dinge. Zuerst wurde Professor Sin an seiner Universität entlassen, weil ihm vorgeworfen war, ohne Erlaubnis als Komissionsmitglied bei KBS fungiert zu haben. Es wird vermutet, dass das Bildungsministerium Druck auf die Universitätsleitung ausgeübt hatte. Nur einige Wochen später nahm dies der EKCC zum Anlass, ihn als Komissionsmitglied zu entlassen, weil er ja nun keiner Universität mehr angehörte. Stattdessen rückte Professor Kang Seong Cheol nach.

Somit war die Komission in der Mehrzahl mit regierungstreuen Mitgliedern besetzt. Das EKCC war schon davor auf diese Politikpraxis vorbereitet worden, indem der Lee-Treue Choi Si Jung zum neuen Vorsitzenden der Organisation ernannt wurde. Bereits damals entrüstete man sich in Opposition und der Öffentlichkeit darüber, wie einem so eindeutig Regierungsnahen ein eigentlich neutral zu haltendes Amt verliehen wurde

Das Gericht gab Professor Sin knapp ein halbes Jahr später, im Januar 2009, Recht, dass seine Entlassung von der Universität Unrecht gewesen sei. Um Juni dieses Jahres entschied das Gericht, dass die Entlassung Sins durch Choi Si Jung vom EKCC ebenfalls illegal gewesen sei. Doch da man bei KBS längst vollendete Tatsachen geschafft hatte, war dieser gerichtliche Sieg nur von symbolischem Wert. Dahingegen wird die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für Professor Sin konkret bedeuten, wieder an der Universität lehren zu können. Der Oberste Gerichtshof hatte am 17. November der Klage Professor Sins stattgegeben, dass seine Universität ihn zu Unrecht entlassen hatte. Man hatte ihm damals angeboten, ihn nicht zu entlassen, wenn er sein Amt im Verwaltungsrat von KBS aufgeben würde.

Gericht: ‚Gewerkschafter kämpften für Meinungsfreiheit und neutrale Berichterstattung‘

Auch der 13. November hatte weiteres Licht ins juristische Dunkel der Medienpolitik gebracht. Ein Seouler Verwaltungsgericht entschied erneut gegen das EKCC, das der Politsendung „Nach den Nachrichten“ (MBC) vorgeworfen hatte, unausgeglichen über den Verlauf der Mediengesetz-Debatte berichtet zu haben. Das Gremium unter Leitung von Choi Shi Jung forderte, dass der Sender eine Entschuldigung ausstrahle. Das Gericht jedoch erklärte den entsprechenden Paragrafen im Fernsehsendergesetz, auf den sich das EKCC dabei stützte, als verfassungswidrig. Entscheidend dabei war, dass dadurch die Meinungsfreiheit der Medien verletzt würde, so das Gericht.

Schließlich hat auch das Seouler Zentralgericht am 13. November eine weitere denkwürdige Entscheidung im Fall der entlassenen YTN-Gewerkschaftsmitglieder veröffentlicht. Mehreren Gewerkschaftsmitgliedern des Nachrichtensenders war vorgeworfen worden, die Arbeit ihres Unternehmens zu behindern, als sie sich im Sommer des vergangenen Jahres aktiv an Boykott-Aktionen gegen den neuen Chefintendanten Gu Bon Hong beteiligten. In der Folge wurden rund 20 Mitarbeiter, darunter auch der Gewerkschaftsführer No Jong Myeon, fristlos entlassen.

Nun jedoch entschied das Gericht, dass die Entlassungen als Bestrafung der Angestellten nicht rechtmäßig gewesen sei. Für das Gericht schien es als erwiesen, dass sich die kritischen Angestellten mit ihren Protestaktionen gegen eine mögliche Vereinnahmung des Senders für die Interessen der Regierung eingesetzt haben. Sie hatten gegen Gu heftigen Widerstand geleistet, weil er Präsident Lee sehr nahe steht. Damit hätten sie, so das Gericht, versucht, die in der Verfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit der Medien und neutrale Berichterstattung zu bewahren.

Noch lange kein Gras über der Sache?

Alle diese jüngsten Gerichtsentscheidungen machen sehr deutlich, dass die Methoden, mit denen die Medienlandschaft nach der Machtübernahme durch die Lee-Regierung umgekrempelt worden war, juristisch sehr fraglich sind – und noch lange kein Gras über die Sache gewachsen ist. Selbst die Entscheidung des Verfassungsgerichtsbezüglich des Gesetzesverabschiedungsprozess der sogenannten Mediengesetze im vergangenen Oktober beinhaltete trotz ihrer Widersprüchlichkeit die deutliche Aussage, dass die Regierungspartei ihren Willen illegal durchgesetzt hatte. Das Regierungslager jedoch nutzte die schwammig formulierte Entscheidung des Verfassungsgerichts wieder einmal dazu, die Sachlage entsprechend ihren Interessen zu interpretieren.

Die jüngste Personalentscheidung beim Sender KBS vom 19. November scheint nach einer ähnlichen Strategie erfolgt zu sein. Mit der Mehrheit in der Personalkomission des Senders hat man auch hier (wie im Parlament) Deutungs- und Entscheidungmehrheit. Bereits Lee Byung Sun war ein Mann aus Präsident Lees Reihen, aber wahrscheinlich nur eine Übergangslösung. Eigentlich hatte der nun frisch gebackene Chef-Intendant, Kim In Gyu, bereits gleich nach der Regierungsübernahme vor, zum Chef des Senders zu werden. Schließlich war er bereits im Präsidentschaftswahlkampf Lees Medienchefideologie gewesen.

Bislang musste er jedoch mit dem Chefsessel der Korea Digital Media Association (KODIMA) Vorlieb nehmen. Wahrscheinlich hatte sich das Regierungslager im vergangenen Jahr, als der Gegenwind gegen die Regierung in Form der Kerzendemonstrationen sehr stark war, nicht getraut so weit zu gehen. Kim, seit Jahren bereits Vorstandmitglied von KBS, musste damals öffentlich erklären, er würde nicht für den Posten kandidieren, um der Kritik gegen die Regierungspolitik ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. Jetzt, nur ein Jahr nachdem er der Presse gesagt hatte er „will nicht mehr über KBS sprechen“, ist er plötzlich dessen Chef ernannt worden.

Es ist bemerkenswert, wenn in einem zumindest formal demokratischen Rechtsstaat reihenweise Gesetze, bis hin zur Verfassung, übertreten werden können, um die Interessen eines bestimmten politischen Lagers durchzusetzen. Andererseits zeigen die vielen nachträglichen Gerichtsentscheidungen, dass man rein juristisch selbst in Südkorea mit einer solchen Politik nicht mehr durchkommt. Die – illegal umgesetzten – Tatsachen jedoch sind bereits vollendet.

Gewaltige Spaltungen über politische Konflikte

Das südkoreanische Verfassungsgericht kam am 29. Oktober zu einem strittigen Urteil über die Frage, ob die Verabschiedung der sogenannten Mediengesetze durch das Parlament rechtens sei. Am 22. Juli dieses Jahres hatte die regierende rechtskonservative Partei Hannaradang (Grand National Party – GNP) unter großem Protest der Öffentlichkeit und der Oppositionsparteien ein Gesetzespaket in der Nationalversammlung durchgebracht, das unter anderem großen Unternehmen und Zeitungshäusern den Einstieg in den Fernsehmarkt ermöglicht.
Die Gegner der Gesetze befürchten hauptsächlich, dass mit dem neuen Gesetz einschlägigen Großkonzernen, den jaebeol, und großen rechtskonservativen Zeitungshäusern, wie Chosun Ilbo, Joongang Ilbo oder Donga Ilbo, die mittels finanzieller Mittel bzw. hohen Auflagen bereits die öffentliche Meinungsbildung stark beeinflussen, noch größere Einflussnahme ermöglicht würde. Das, so das Argument, würde den ohnehin schon verzerrten Medienmarkt vollends entdemokratisieren.

Kommentar zur umstrittenen Mediengesetz-Entscheidung des südkoreanischen Verfassungsgerichts

Das südkoreanische Verfassungsgericht kam am 29. Oktober zu einem strittigen Urteil über die Frage, ob die Verabschiedung der sogenannten Mediengesetze durch das Parlament rechtens sei. Am 22. Juli dieses Jahres hatte die regierende rechtskonservative Partei Hannaradang (Grand National Party – GNP) unter großem Protest der Öffentlichkeit und der Oppositionsparteien ein Gesetzespaket in der Nationalversammlung durchgebracht, das unter anderem großen Unternehmen und Zeitungshäusern den Einstieg in den Fernsehmarkt ermöglicht.
Die Gegner der Gesetze befürchten hauptsächlich, dass mit dem neuen Gesetz einschlägigen Großkonzernen, den jaebeol, und großen rechtskonservativen Zeitungshäusern, wie Chosun Ilbo, Joongang Ilbo oder Donga Ilbo, die mittels finanzieller Mittel bzw. hohen Auflagen bereits die öffentliche Meinungsbildung stark beeinflussen, noch größere Einflussnahme ermöglicht würde. Das, so das Argument, würde den ohnehin schon verzerrten Medienmarkt vollends entdemokratisieren.

Verfassungsklage gegen Regierungspartei

Während der Abstimmung im Plenarsaal im Sommer war es nicht nur zu Handgreiflichkeiten zwischen den Abgeordneten gekommen, sondern auch zu Unregelmäßigkeiten beim Abstimmen. Sowohl Abgeordnete der Hannaradang als auch Oppositionspolitiker wurden von CCTV-Kameras dabei gefilmt, wie sie die elektronischen Wahlknöpfe anderer Abgeordneter drückten, um das Ergebnis entsprechend zu beeinflussen. Gleich am Folgetag reichte die größte Oppositionspartei Minjudang (Democratic Party – DP) eine Verfassungsbeschwerde beim höchsten Gericht ein. Hauptargument war, dass man beim Prozedere der Abstimmung über die Gesetze gegen das Parlamentsgesetz verstoßen habe.

Das Verfassungsgericht kam nach mehreren Monaten der Prüfung am 29. Oktober schließlich zu dem Ergebnis, dass der Abstimmungsprozess tatsächlich nicht rechtens gewesen sei.

Abstimmung über Gesetze “illegal”

Die Auswertung des Videomaterials ergab, dass bei mindestens acht Abgeordneten der Abstimmknopf von einem Kollegen „missbraucht“ worden war. Des Weiteren entschied das Verfassungsgericht, dass auch die wiederholte Abstimmung gegen das geltende Gesetz verstoßen hatte.

Nach dem Parlamentsgesetz Südkoreas darf über denselben Vorschlag nur einmal pro Tag abgestimmt werden. Der Vizepräsident des Parlaments jedoch hatte zum erneuten Abstimmen gerufen, nachdem beim ersten Gang nicht hinreichend Abgeordnete anwesend waren.

Schließlich hatte das höchste Gericht außerdem am Abstimmungsprozess bemängelt, dass vor der Abstimmung zum Zeitungsgesetz, das Teil des Pakets war, die eigentlich vorgeschriebene Frage- und Diskussionsrunde ausgespart worden war.

Unrecht, aber gültig?

Umso überraschender wurde die Entscheidung des Verfassungsgerichts aufgenommen, dass durch diesen damit eindeutig illegalen Prozess verabschiedete Gesetz trotzdem gültig sein solle!

Viele sehen darin eine politische Entscheidung des Verfassungsgerichts zu Gunsten der Regierungspartei, die schon vor den Präsidentschaftswahlen 2007 und Parlamentswahlen 2008 im Sinne ihres Hauptklientels angekündigt hatte, den Medienmarkt liberalisieren zu wollen. Kritiker befürchten, dass nach der vierten Gewalt, den Medien, nun auch die dritte Gewalt, die Judikative, zum Strohmann der Regierung mutieren würde.

Das Verfassungsgericht hingegen behauptet, diese widersprüchliche Entscheidung gerade deshalb getroffen zu haben, um die Gewaltenteilung zu stärken! Denn wenn das Verfassungsgericht, so die Logik, jedes Mal, wenn es prozedurale Probleme im Parlament gibt, darüber entscheiden würde, eine Gewaltenteilung zwischen Judikative und Legislative nicht mehr gegeben wäre. Man wolle lediglich die Autonomie der Legislative nicht beeinträchtigen und die Abgeordneten dazu anhalten, die Sache selbst zu klären.

Wiederholung der Geschichte?

Schon einmal vor 13 Jahren hatte das Verfassungsgericht nach dieser Logik entschieden. Damals hatte die Vorgängerpartei der Hannaradang, die Sinhangukdang (New Korea Party – NKP), ein neues Arbeitsgesetz im Parlament durchgepeitscht. Auch damals hatte die Oppositionspartei, die Vorgängerpartei der heutigen Oppositionpartei Minjudang, Klage beim Verfassungsgericht eingelegt – mit demselben Ergebnis.

Die Argumentation des Verfassungsgerichts scheint mehr als merkwürdig, folgt aber einer sehr einfachen Logik. Das einseitige Durchsetzen eines Gesetzes bedeute zwar die Verletzung der Rechte der Abgeordneten der Oppositionsparteien, aber da die Mehrheit der Anwesenden dafür gestimmt habe, kann man in Hinblick auf die Verfassung nicht davon sprechen, dass das Majoritätsprinzip verletzt worden sei.

Und solange nicht gegen Prinzipien der Verfassung verstoßen wurde und wenn das Gesetz bereits verabschiedet ist, auch wenn im Verabschiedungsprozess das Parlamentsgesetz dabei verletzt wurde, habe das Verfassungsgericht nicht die Befugnis, diese Entscheidung für ungültig zu erklären.

“Gewählt, aber nicht Präsident!”

In Zeitungen und im Internet herrschte daraufhin große Aufruhr. Nur 24 Stunden nach dem Urteil zählte die sonst spärlich besuchte Kommentarseite des Verfassungsgerichts nicht weniger als 1 500 neue Einträge – die große Überzahl davon kritisch.

Überwiegend geht es um die Widersprüchlichkeit der Entscheidung. Das sei so, “als wenn man entscheidet, es wäre Abseits, aber das Tor trotzdem gelten lässt.” Oder “als wenn man die Medaille behalten darf, obgleich festgestellt wurde, dass man gedopt war.” Ein Netizen mit der ID “An Jun Geun”, womit offensichtlich auf den gleichnamigen Freiheitskämpfer angespielt wird, schrieb in seinem Eintrag, “Ist dann also auch die [von Japan zwecks Kolonialisierung erzwungene] Vereinigung Koreas und Japans [Anfang des 20. Jahrhunderts] zwar verfassungswidrig, aber im Resultat gültig?”

Unterdessen wurde vor dem Blauen Haus, dem Sitz des Präsidenten, ein junger Mann fotografiert, der dort eine Ein-Personen-Demonstration abhielt. Auf seinem Schild stand: “Sie sind zwar gewählt, aber nicht Präsident!”

Reaktionen bei Regierung und Opposition konträr

Während die großen Zeitungshäuser, die sich von der Verabschiedung des Gesetzespakets Vorteile erhoffen, die Entscheidung in ihren Editorials und Kolumnen begrüßen, kritisieren progressive Zeitungen das Urteil umso schärfer. Die Regierungspartei spricht davon, dass man die Entscheidung des Verfassungsgerichts anerkennen und aufhören solle, durch weitere Kritik an den Gesetzen zu politisieren. Die Oppositionsparteien sind sich einig, dass die Entscheidung eine politische im Sinne der Regierung gewesen sei.

Wer hat Recht? Im äußersten Zweifelsfall entscheidet gerade darüber die letzte Instanz des Staates – das Verfassungsgericht.

Nach offizieller Bekundung erfüllt das südkoreanische Verfassungsgericht die Rolle, „die gesellschaftliche Ordnung friedlich aufrecht zu erhalten, indem es die Verfassung konkret in die Realität umsetzt, den Missbrauch von öffentlicher Gewalt Einhalt gebietet, die Grundrechte der Bürger, die durch die öffentliche Gewalt verletzt worden sind, wiederherstellt und außerdem extremen Auseinandersetzungen zwischen politischen Kräften vorbeugt.“

Beim deutschen Bundesverfassungsgericht ist neben solchen grundlegenden Aufgabendefinition zusätzlich angefügt: „Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.“ Man kann davon ausgehen, dass dies auch für das südkoreanische Verfassungsgericht gilt.

Fazit

Letztlich hat das Verfassungsgericht sich selbst keinen Gefallen mit der Entscheidung getan. Da hiermit das Misstrauen, dass es politische Entscheidungen fälle, weiter gewachsen ist, hat sich das Gericht damit immens geschadet. In demokratischen Rechtsstaaten ist das Verfassungsgericht die höchste Instanz. Wenn sich jedoch dieses höchste Gericht in der Ausübung dieser so fundamental wichtigen Rolle selbst so eindeutig widerspricht, erschüttert dies seine Integrität erheblich. Denn das Verfassungsgericht ist in der Verantwortung, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, und zwar (zumindest juristisch) widerspruchslos.

Auch für keine der beiden Seiten des Konflikts ist die widersprüchliche Entscheidung hilfreich. Die Regierung(spartei) sieht sich neben der Kritik, die Medien zu manipulieren zu wollen, mit dem Vorwurf konfrontiert, die vierte Instanz zu ihren Gunsten manipuliert zu haben. Die Oppositionsparteien haben offensichtlich allen Grund, die Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Nur die potentiellen Interessensgruppen, Zeitungshäuser und (andere) Investoren, haben nun faktisch freie Hand und freuen sich als Dritte.

Trotzdem muss man die Begründung des Verfassungsgerichts, dass man die Parteien damit auffordern wolle, die Verantwortung selbst zu übernehmen und eine Lösung zu finden, ernstnehmen. Während es nicht von der Hand zu weisen ist, dass das Verfassungsgericht, insbesondere in Zeiten der Diktatur, Entscheidungen politisch gefällt hat, und selbst von vielen Staatsrechtlern wegen zweifelhalfter Entscheidungen immer wieder scharf kritisiert wird, ist es mindestens ebenso offensichtlich, dass in Südkorea eine regelrechte Verfassungsklagen-Inflation herrscht.

Insbesondere Parteien in der Opposition neigen dazu, bei Streitfragen unterhalb der Verfassungsgrenze die Latte zu hoch zu legen, um ihren Forderungen den nötigen dramatischen Nachdruck zu verleihen. Gleiches gilt für die sehr extrem physisch ausgelebte Protestkultur innerhalb der Nationalversammlung, die dem bereits sehr angeschlagenen Ansehen des Parlaments – national wie international – wenig zuträglich ist.

Zusammenfassend kann man folglich festhalten, wenn die Parteien im Parlament ihre Arbeit vernünftig machen würden, müssten sie nicht das Verfassungsgericht anrufen, und hätten sich auf demokratisch und juristisch einwandfreiem Weg auf einen Kompromiss geeinigt. Und wenn das Verfassungsgericht durch überzeugende, widerspruchsfreie Entscheidungen die nötige Autorität genießen würde, hätte man sich im Parlament erst gar nicht zu so einer Eskalation des Konflikts hinreißen lassen, weil man sich bewusst gewesen wäre, dass man in der letzten Instanz damit nicht durchkommen würde – einmal ganz abgesehen von den zu erwartenden kritischen Reaktionen der Öffentlichkeit und/oder Wählerschaft.

Die Opposition fordert auch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts eine Revision der Mediengesetze – wie auch die große Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierung ist bisher stur geblieben. Auch in anderen großen Streitfragen stehen sich die Kräfte derzeit wieder einmal an verhärteten Fronten gegenüber.

Hätte das Verfassungsgericht konsequent entschieden, wären die Parlamentsparteien zu einem erneuten Kompromiss quasi gezwungen – so liegt es nun allein in den Händen der rechtskonservativen Regierung mit ihrem großunternehmerfreundlichen Präsidenten an der Spitze, auf die Forderungen der Opposition zu reagieren.

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* Dieser Kommentar erschien auch auf der Internetseite des Instituts für Koreastudien an der Freien Universität Berlin (IKS).

„Tsuhallyu“? Medienpolitik der südkoreanischen Regierung schlägt Wellen

„Hallyu“ ist ein Begriff aus dem Koreanischen, heißt so viel wie „koreanische Welle“ und meint damit den Erfolg südkoreanischer Populärkultur wie Musik, Film und Produkte wie Autos, Mobilfunktelefone und ähnliche Erzeugnisse in Asien und der Welt. Nicht nur koreanische Beobachter sehen eine Welle der Begeisterung über südkoreanische Kulturprodukte über den Globus schwappen.

Die jüngste und beeindruckenste Schaumkrone der Welle, um bei dem bildlichen Vergleich zu bleiben, ist der Ritterschlag für Schauspielerin Jeon Do-yeon („Secret Sunshine“, 2007; „Beste Schauspielerleistung“) von der französischen Regierung.

Immer häufiger stehen Schauspieler, Sänger und andere Entertainer des Landes im internationalen Rampenlicht. In Südkorea ist man auf seine kulturellen Botschafter stolz. Das Image und die Tourismusbranche des Landes profitiert am meisten von der Welle.

Umso gelähmter reagiert die Öffentlichkeit auf die Welle von Entlassungen bekannter und beliebter Entertainer des südkoreanischen Rundfunks und Fernsehens seit dem Amtsantritt Präsident Lee Myung-Baks Anfang des vergangenen Jahres. Die Verantwortlichen dementieren zwar jegliche politische Motivation, doch in Presse und Internet wird bereits eine heiße Debatte über die tatsächlichen Hintergründe geführt. Auch bei den zur Zeit stattfindenden Untersuchungen der Administration durch das Parlament wurden die Personalien zum Politikum.

„Hallyu“ ist ein Begriff aus dem Koreanischen, heißt so viel wie „koreanische Welle“ und meint damit den Erfolg südkoreanischer Populärkultur wie Musik, Film und Produkte wie Autos, Mobilfunktelefone  und ähnliche Erzeugnisse in Asien und der Welt. Nicht nur koreanische Beobachter sehen eine Welle der Begeisterung über südkoreanische Kulturprodukte über den Globus schwappen.

Die jüngste und beeindruckenste Schaumkrone der Welle ist der Ritterschlag für Schauspielerin Jeon Do-yeon(„Secret Sunshine“, 2007; „Beste Schauspielerleistung“) von der französischen Regierung. Immer häufiger stehen Schauspieler, Sänger und andere Entertainer des Landes im internationalen Rampenlicht. In Südkorea ist man auf seine kulturellen Botschafter stolz. Das Image und die Tourismusbranche des Landes profitiert am meisten von der Welle.

Umso gelähmter reagiert die Öffentlichkeit auf die Welle von Entlassungen bekannter und beliebter Entertainer des südkoreanischen Rundfunks und Fernsehens seit dem Amtsantritt Präsident Lee Myung-Baks Anfang des vergangenen Jahres.

Die Verantwortlichen dementieren zwar jegliche politische Motivation, doch in Presse und Internet wird bereits eine heiße Debatte über die tatsächlichen Hintergründe geführt. Auch bei den zur Zeit stattfindenden Untersuchungen der Administration durch das Parlament wurden die Personalien zum Politikum.

Komiker Kim in der Hauptrolle einer Tragödie

Jüngstes Opfer der Entlassungen im Medienbereich ist der Entertainer Kim Je Dong, der am vergangenen 12. Oktober die letzte Folge seiner Fernsehsendung „Star – Golden Bell“ aufnahm. Einige Tage zuvor hatte Herr Kim erfahren, dass ihn sein Sender KBS nicht mehr beschäftigen wolle. Vermutungen legen nahe, dass Komiker Kim zum Verhängnis wurde, dass er sich in letzter Zeit in ein anderes Licht der Öffentlichkeit gestellt hatte. Er hatte bei den Trauerfeiern zum Tod des vorigen Präsidenten Roh Moo Hyun die Moderation übernommen.

Außerdem hatte er sich „kritisch“ (?) dazu geäußert, dass eine Zwangsräumungsaktion in einem Seouler Bezirk schließlich zu Toten geführt hatte. Im Mai hatten sich die Bewohner gesträubt, ihre Wohnungen zu verlassen, um teuren Neubauten Platz zu machen. Sie wurden in einer sehr fragwürdigen Nacht-und-Nebelaktion eines Sonderkommandos der Polizei überwältigt, bei dem es zu dem Unglück kam.

Auch die große Streikaktion der Fabrikarbeiter des Automobilherstellers Ssangyong im vergangenen Sommer hatte Herr Kim auf seinem persönlichen Blog erwähnt. Die Teilnahme an der Gründungsfeier der Roh Moo Hyun-Stiftung am 9. Oktober hatte wahrscheinlich das Fass zum Überlaufen gebracht.

Der neue Chefintendant von KBS, Lee Byeong Sun, bestritt zwar, dass politische Motive oder sogar „politische Vergeltung“ hinter der Entscheidung gestanden hätten, die Öffentlichkeit jedoch scheint ihre Zweifel zu haben. Die GNP-Abgeordnete Na Gyeong Won hatte in einer Anhörung Intendant Lee gefragt, ob Herr Kim gefeuert worden war, weil er auf der Trauerfeier für den ehemaligen Präsidenten Roh „linke Aussagen gemacht hat“.

Daraufhin ging ein Sturm der Entrüstung durch die Editorials und Internetforen, warum man versuche, einen Entertainer in politische Auseinandersetzung hineinzuziehen, die sich eindimensional auf fragwürdigen Bewertungen von „links“ oder „rechts“ bewegten.

Die Begründung des Senders ist banal. Herr Kim habe die Sendung fünf Jahre lang moderiert – das sei lang genug. Ähnliche Begründungen hatte man vor einiger Zeit auch für den Rocksänger Yun Do Hyeon vorgeschoben, der seine Fernsehsendung „Loveletter“ (KBS 2 TV) und seine Radiosendung „Yun Do Hyeons Musikshow“ (KBS FM) abgeben musste. Über seinen Kollegen sagte Yun in einem jüngsten Interview, er hätte ihn einmal davor gewarnt, dass ihn dasselbe Schicksal wie ihn ereilen könne, wenn er nicht vorsichtiger sei.

Bereits im Oktober 2008 musste Sänger und Moderator Shin Hae Cheol seine Radiosendung „Shin Hae Cheol´s Gost Station“ beim Sender SBS aufgeben. Da Shin bereits 2004 auf Protestkundgebungen gegen den Versuch einer Amtsenthebung des damaligen Präsidenten Roh Moo Hyun durch rechtskonservative Kräfte „negativ aufgefallen“ war, waren vielen bereits im letzten Jahr klar, dass Shin nicht, wie er damals noch beschönigte, der Sendung „müde geworden“ war , sondern tatsächlich der Sender ihn entlassen hatte.

Maulkorb für sozial engagierte Medienmenschen?

Auch die allbekannte Schauspielerin Kim Min Seon („Ogamdo“ 2009) bekam den neuen Gegenwind der rechtskonservativen Regierungspartei GNP und rechtsradikalen Bürgergruppen deutlich zu spüren. Grund war, dass sie sich vor Kurzem auf ihrer persönlichen Internetseite zum Rindfleischskandal vom vergangenen Jahr äußerte, der zu Massendemonstrationen gegen die Politik der Lee-Regierung geführt hatte. 

Die für ihre stürmischen Kommentare bekannte rechtskonservative „eiserne Lady“, die GNP-Politikern Jeon Yeo Ok, hatte den Angriff auf die Schauspielerin eingeleitet, als sie die persönlichen Einträge der Schauspielerin zum Politikum machte.

Bereits im April hatte die Radiomoderatorin und Komikerin Kim Mi Hwa des Senders MBC („Die Welt und wir“) die neuen Tendenzen zu spüren bekommen, als rechtskonservative, regierungsparteinahe Gruppen Druck ausübten, um sie absetzen zu lassen. Als Hintergrund der Anfeindungen vermutete man die Tatsache, dass Frau Kim aktiv an den Kerzendemonstrationen des vergangenen Jahres teilgenommen hatte.

Im Juli 2008, als täglich Kerzendemonstrationen in der Seouler Innenstadt und vielen anderen Städten des Landes stattfanden, hatte der damals gerade frische Kulturminister Yu In Chon, seines Zeichens ehemaliger Volksschauspieler, seine Kollegen aufgerufen, nun endlich ihre Teilnahme an den Kerzendemonstrationen einzustellen und an ihre Arbeitsplätze zurück zu kehren. Viele Celebrities hatten als „Bürger“ an den Protestkundgebungen teilgenommen.

Kritische Politprogramme werden ab-, Redakteure versetzt

Opfer der Entlassungwelle in der Medienlandschaft beschränken sich jedoch nicht auf den Berufsstand der klassischen Entertainer. Kurz nachdem die neue Regierung für eine neue Leitung beim Nachrichtensender YTN gesorgt hatte, wurde Redakteur Im Jang Hyeok zwangsversetzt.  Seit Jahren war Herr Im für die Rubrik „Dolbalyeongsang“ beim Sender zuständig.

Hier wird Videomaterial zusammengeschnitten, das es nicht in die Nachrichten geschafft hat, aber über Politik und Gesellschaft umso mehr aussagt. Auf unterhaltsame Weise werden dem Zuschauer Tatsachen präsentiert, mit denen er sich seine eigene Meinung bilden kann. Nachdem Herr Im diese Zwangspause eingelegt hatte, nahm er seine Arbeit wieder auf, nur um kurze Zeit später für zwei Monate erneut suspendiert zu werden. Begründung: er habe die Regierung einseitig kritisiert.

Der für das Politmagazin „Sisa 360“ verantwortliche Produzent vom Fernsehsender KBS, Hong Seong Hyeob, musste ebenfalls für seinen Investigativ-Journalimus büßen. Er wurde zur KBS-Abteilung auf der Insel Jeju versetzt – weiter weg von Seoul und der Zentrale des Senders geht es nicht.

Auch die Politsendung „Sisa Tonight“ (KBS 2TV), die aktuelle Entwicklungen aus Politik und Gesellschaft kritisch unter die Lupe nahm, wurde bereits im November letzten Jahres aus dem Programm gestrichen. Das Magazin „Mediafocus“ (KBS), ehemals bekannt für kritische Analysen über Medienberichterstattung, wurde Ende vergangenen Jahres stark verändert.

Hintergrund ist der Wechsel am Ruder der Sendeanstalt. Auf Treiben dem neuen Präsidenten Nahestehender wurde Jeong Yeon Ju, der ehemalige Chefintendant von KBS, kurzerhand ab- und der regierungsfreundliche Lee Byeong Sun eingesetzt. Die für solche Personalentscheidung verantwortlichen Gremien wurden mit zwielichtigen Methoden gefügig gemacht.

Eingeleitet jedoch wurde der Sturz des „linken“ Chefs, der den neuen Machthabern im Blauen Haus offensichtlich ein Dorn im Auge war, von rechtskonservativen Gruppen, die Jeong wegen angeblicher Dienstvergehen angezeigt haben. Nach Monaten Prozedieren wurde Jeong jedoch Ende August schließlich von allen Anklagepunkte freigesprochen. Für die Regierungskritiker ein klarer Beweis dafür, dass es bei der Personalie lediglich um die Machtergreifung im wichtigsten Rundfunkhaus des Landes ging.

Kritische Meinungsmacher bekommen Gegenwind deutlich zu spüren

Auch Professor Son Seok Heui, der seit Langem die erfolgreiche Diskussionssendung „100-Minuten-Debatte“ (MBC) moderiert, wird allen Anzeichen nach schon bald seinen Hut nehmen müssen. Offiziell geht die geplante Personalie auf die Programmumgestaltung, die zweimal im Jahr vorgenommen wird, zurück. Inoffiziell wird jedoch vermutet, dass seinen Vorgesetzten die Zunge ihres smarten Moderators zu spitz sei.

Der ehemalige Vorsitzende der GNP, Hong Jun Pyo, schürte die Atmosphäre weiter, als er in einem Liveinterview Äußerungen machte, die darauf anspielten, dass die geplante Entlassung Sons wegen überhöhter Gagenforderungen seinerseits zu Stande gekommen sei. Sons Talk-Sendung beim Radiosender von MBC, „Im Blick“, wird er fortführen können – bis auf Weiteres.

Professor Kim Yong Min, der für den Radiosender von CBS das Politmagazin „Sisa Jockey“ moderiert, ist bisher noch mit relativ leichten Einschränkungen davongekommen. Er hatte eine seiner Sendungen wie folgt eingeleitet:

„Präsident Lee ist ´Kirchenältester´ und repräsentativster Pro-Amerikaner. Er wird außerdem dafür kritisiert, dass er sich zudem mit projapanischen Kollaborateuren zusammengetan und seine politischen Feinde politisch ermordet zu haben. Des Weiteren pervertierte sich die Politik von Tag zu Tag, weil er die Opposition nicht anerkennen wollte; er ist von Speichelleckern umgeben. Demonstrationen gegen die Regierung hat er mit Polizeigewalt  brutal unterdrückt. Geendet hat dies schließlich, als er aus dem Amt getrieben wurde.“

Nach einer kleinen Kunstpause beendete der Moderator seine Einleitung mit den Worten: „Mit Präsident Lee ist hier Präsident Rhee Syng Man gemeint.“ Daraufhin musste Professor Kim für die Zukunft gänzlich auf seine Einleitung verzichten.

Professor Jin Jung Gwon ist ein weiterer Fall, der vielerseits mit in diese jüngste Personalpolitik gestellt wird. Professor Jin war am Fachbereich für Germanistik  der ChungAng Universität angestellt, vor Kurzem wurde ihm jedoch der Arbeitsvertrag mit der Begründung nicht verlängert, er hätte formelle Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Mehrheit jedoch vermutet politische Absichten der Universitätsleitung dahinter. Der umstrittene Präsident der Hochschule, Park Beom Hun, ist ein enger Vertrauter aus dem Umfeld des Wahlkampf-Teams von Präsident Lee Myung Bak.

Professor Jin hingegen ist einer der bekanntesten und schärfsten Kritiker in der südkoreanischen Gesellschaft. Mit der neuen Regierung und besonders mit dem Rindfleischskandal letzten Jahres war Jin wieder auf die öffentliche Bühne zurückgekehrt, nachdem er sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zurückgezogen und auf seine akademische Arbeit beschränkt hatte. Auch seine Lehraufträge an anderen Universitäten wurden ihm in der Folge gestrichen.

Werden die Medien „erobert“ und „gleichgeschaltet“?

Alle diese Beispiele sind Teil einer zweiten Welle von Personalien in der Medienlandschaft. Anfang letzten Jahres, kurz nach dem Amtsantritt Lee Myung Baks, wurden zunächst (in einer ersten Welle) die Intendanten der wichtigsten Fernsehanstalten ausgewechselt. Weitere Personalreformen sorgten dafür, dass die Gremien, die für Personal und Inhalte zuständig sind, so zusammengesetzt sind, dass regierungsnahe Mitglieder die Mehrheit haben.

Die rechtskonservative Regierungspartei GNP, die eine deutliche Mehrheit im Parlament hat, hat Gesetze erlassen, die eine strenge Internetzensur zulassen. Jüngst wurde das sogenannte Mediengesetz „durchgepeitscht“, wonach Großunternehmen und großen (fast ausschließlich rechtskonservativen) Zeitungshäusern der Zugang zum Fernsehmarkt zugänglich gemacht wird.

Austausch der Intendanten, Absetzen von kritischen Sendungen, Entlassung von Journalisten, Erlassung von die Meinungsfreiheit gefährdenden Gesetzen – viele sehen in diesen Entwicklungen eine gezielte Medienpolitik der „Gleichschaltung“ seitens der Regierung, die unter dem „Schock“ der Kerzendemonstrationen des vergangenen Jahres leide.

Ein jüngster Kommentarfast diese Ansicht wie folgt zusammen:

„Die Abteilung für Staatssicherheit wird wiederbelebt, die Bespitzelung von Zivilisten durch den militärischen Geheimdienst wird wieder aufgenommen und sogar die Mithaftungsregelung soll wieder eingeführt werden. Nicht nur hat man das Mediengesetz durchgepeitscht, um die Rundfunkanstalten unter Kontrolle zu bekommen, sondern selbst kritische Medienmenschen aus dem Entertainmentbereich verjagt. Yun Do Hyeon und Shin Hae Cheol sind schon abgefertigt worden und nun war Kim Je Dong dran. Wenn das so weiter geht, werden wir die Auferstehung der „Ddaengjeon News“ der 80er Jahre wiedererleben.“

Dieser Kommentar spiegelt eine Seite der Debatte wieder. Obgleich selbst die Financial Times früh davor warnte, das mit der Regierungspolitik Präsident Lees die „politische Uhr zurückgedreht“ würde. Auf der anderen Seite der Debatte spricht man von „übertriebenen Anschuldigungen“, „Verschwörungen gegen die Regierung“ und „unnötigem Überpolitisieren“. 

Die Tragödie der südkoreanischen Politik: nur mit liebsamen Komödianten

Dass hier eine eindeutige Überpolitisierung stattfindet, wird kein Beobachter von der Hand weisen können. Nur wer was mit welchen Absichten überpolitisiert, darüber lässt sich streiten. In diesem Zusammenhang ist interessant, zur Kenntnis zu nehmen, dass es in Fällen anderer Medienmenschen, wie dem Komiker Shim Hyeon Seob, dem Sänger Kim Heung Guk oder dem Schauspieler Lee Cham zu keiner merklichen Politisierung gekommen  war.

Komiker Shim hatte bei den Präsidentschaftswahlen 2002 den rechtskonservativen Kandidaten Lee Hoi Chang öffentlich und aktiv unterstützt, hat aber keine merklichen Nachteile im Nachhinein erfahren, obgleich Lees scharfer Kontrahent Roh Moo Hyun Präsident geworden war.

Sänger Kim, der den Präsidentschaftskandidaten Jeong Mong Jun unterstützt hatte, der sich kurz vor der Wahl mit Roh Moo Hyun auf eine gemeinsame Kandidatur geeinigt hatte, um dann noch kurzfristiger wieder seine Kooperation aufzukündigen, sorgte 2005 für einen Skandal. In seinem Buch stellte er die Behauptung auf, dass die Meinungsumfrage, nach der schließlich Roh zum gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaft gewählt wurde, manipuliert worden sei. Dennoch erhielt Kim während der gesamten Zeit der Roh-Regierung Engagements beim Radiosender SBS und selbst bei Sitcoms der Fernsehanstalt MBC. Später wurde ihm sogar mit dem Ehrenamt des „Bürgerbotschafters“ des Justizministeriums anvertraut.

Lee Cham, ein eingebürgerter Deutscher, der seit Jahrzehnten in Südkorea lebt und u.a. als Schauspieler erfolgreich ist, war während des Präsidentschaftswahlkampfes 2007 der Verantwortliche für das Kanalprojekt von Präsidentschaftskandidat Lee Myung Bak. Vor Kurzem wurde er als erster Südkoreaner mit Migrationshintergrund zum Chef der staatlichen Tourismusagentur ernannt.

Schaut man in die USA, wo sich bei Präsidentschaftswahlen häufig Schauspieler und andere Bekanntheiten einschalten, zeigt sich, dass den Betreffenden fast nie Nachteile durch ihre politische Partizipation entstehen. Im Gegenteil: zum Beispiel wurde die bekannte Schauspielerin und politische Aktivistin Jane Fonda 2005 zu einem Gala-Dinner ins Weisse Haus eingeladen, obgleich sie nur ein Jahr zuvor die Bush-Regierung öffentlich heftig für die Irak-Invasion kritisiert hatte.

Wie auch immer schließlich die Bewertung der aktuellen Entlassungswelle in Südkoreas Medienlandschaft ausfallen wird, zeigt sich jetzt schon, dass es sich um eine „Tsuhallyu“ handelt – eine tsunamiartige Entwicklung, bei sich der zuerst das Wasser gespenstisch ins Meer zurückzieht, um dann mit voller Wucht für große Verwüstung zu sorgen.

Nachtdemonstrationsverbot verfassungswidrig

Seoul, 24. September 2009. Das südkoreanische Verfassungsgericht (Constitutional Court of Korea – CCK) hat entschieden, dass Artikel 10 und 23 des Demonstrationsgesetzes gegen die Verfassung verstoßen.

In Artikel 10 wird das Demonstrieren nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang verboten. Artikel 23, Absatz 1 sieht für den Fall eines Verstoßes gegen diesen Paragraphen eine Strafe (bis zu einem Jahr Haft oder bis zu ca. 600 Euro Bußgeld) vor.

Fünf der neun Richter sehen in den zwei Paragraphen einen Verstoß gegen das in der Verfassung zugesicherte Recht auf Versammlungsfreiheit (§ 21, Abs. 2), zwei sehen einen Widerspruch darin und zwei bewerten die betreffenden Artikel als verfassungskonform.

Das Verfassungsgericht entschied des Weiteren, dass die Paragraphen des Demonstrationsgesetzes bis Ende Juni kommenden Jahres temporär ihre Gültigkeit behalten. Falls bis dahin jedoch keine der Verfassung entsprechenden Revision des Demonstrationsgesetzes vorgenommen wurde, werden die Paragraphen danach automatisch aus dem Gesetz gestrichen.

Insbesondere im Zusammenhang mit den monatelangen Kerzendemonstrationen gegen die Lee-Myung-Bak-Regierung im vergangenen Jahr ist die Entscheidung von Bedeutung. Viele Teilnehmer der Demonstrationen, die offiziell als Festivals oder Kulturfeste deklariert werden mussten, um dem Verbotsparagraphen zum umgehen, sollten auf Grund dieses Paragraphen für ihre Teilnahme an den Demonstrationen belangt werden.

Darunter befand sich auch Bürgerrechtler Ahn Jin-Geol, der Klage beim Verfassungsgericht im Mai 2008 einreichte.

Der Verbotsparagraph geht auf die Diktatur unter Park Chung-Hee zurück, der kurz nach seinem Militärputsch 1961 gleich im Folgejahr neben vielen anderen restriktiven juristischen Regelungen auch das Demonstrationsgesetz und den Paragrafen (damals noch) 6 schuf.

Ende der 80er Jahre, nach der sogenannten „Demokratisierung von 1987“ wurde (1989) das Demonstrationsgesetz dahingehend entschärft, dass das Verbot in eine „Erlaubnisregelung“ abgändert wurde. Das heisst, es war weiterhin verboten, nachts unter freiem Himmel zu demonstrieren, es konnte jedoch erlaubt werden.

Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1994, zwei Jahre nach dem Amtsantritt Südkoreas erstem zivilen Präsidenten Kim Young-Sam, befand das Versammlungsverbot mit acht zu einer Stimme als verfassungskonform.

Das liegt heute mehr als eine Dekade zurück. Dennoch war die Entscheidung des Verfassungsgerichts heute nicht so eindeutig wie das vor 15 Jahren.

24. September 2009