Rückblick und Vorausschau

Liebe Studierende,

die Vorlesungszeit ist ja noch nicht vorbei und es soll deshalb noch nicht zu sehr nach einem Abschied in die vorlesungsfreie Zeit klingen, aber es ist klar, dass für die meisten von Ihnen die Leistungen für dieses Modul erbracht sind und es langsam an der Zeit ist, zurück und voraus zu blicken. Ich habe von einigen von Ihnen E-Mails erhalten, in denen sie sich entweder für das Modul bedankt oder Fragen zu Ihren Noten gestellt haben (oder beides), und in denen Sie zum Teil auch von Ihrem Erleben dieses sehr merkwürdigen ersten Semesters erzählt haben.

Ich möchte das zum Anlass nehmen, um ein paar allgemeine Gedanken zu diesen E-Mails zu äußern, die Ihnen vielleicht weiterhelfen.

Erstens, die Noten. Machen Sie sich hier zunächst keine großen Gedanken um eine Drittelnote mehr oder weniger. Bedenken Sie, dass die Note für dieses Modul nur 2,7 Prozent Ihrer Abschlussnote ausmachen wird – selbst der Unterschied zwischen einer 1 und einer 4 wäre in der Abschlussnote nur an der zweiten Stelle hinter dem Komma sichtbar – könnte also nicht einmal einen Unterschied zwischen einer 1,0 und einer 1,1 ausmachen. Nehmen Sie die Note also eher als Signal, wo Sie mit Ihrem Wissen und Verständnis in etwa stehen, als sich um ein oder zwei verlorene Punkte Gedanken zu machen. Sie haben noch mindestens fünf Semester vor sich, um zu entdecken, wo innerhalb des Faches Ihre Stärken liegen und Sie werden viele Gelegenheiten haben, mit diesen Stärken zu glänzen und die Schwächen zu beheben!

Zweitens, Ihre Dankesworte. Von mehreren Seiten habe ich gehört, dass Ihnen unser Modul und die Vorlesung zwar nicht mit jedem einzelnen Thema begeistern konnten (das wäre auch zu viel verlangt), ihnen aber insgesamt Spaß gemacht und Ihr Interesse an der wissenschaftlichen Betrachtung von Sprache geweckt hat. Das war unsere Absicht, und es freut uns, dass uns das gelungen ist. Wenn Sie konstruktive Kritik für uns haben, lassen Sie es uns aber gerne wissen – es hilft uns sowohl, den nächsten Jahrgang noch besser in das Fach einzuführen, als auch, in den fortführenden Veranstaltungen gezielter auf Ihre Bedürfnisse einzugehen. Es war unser zweites Semester unter Bedingungen der Online-Lehre, wir stehen da also selbst noch am Anfang und müssen (und wollen) dazulernen.

Drittens, das Studium unter den Bedingungen der Online-Lehre. Das wird für uns alle leider noch eine Weile lang Normalfall sein – das Sommersemester wird ja in jedem Fall online stattfinden. Ich persönlich gehe davon aus, dass auch das nächste Wintersemester noch keine Rückkehr in den Präsenzbetrieb sehen wird – da die Impfungen viel zu langsam vorangehen und das Virus in der Zwischenzeit munter mutiert, kann es tatsächlich auch noch viel länger dauern. Hoffen wir, dass es anders kommt und wir uns im Sommer 2022 endlich einmal physisch begegnen werden, aber rechnen wir lieber nicht damit, sondern stellen wir uns der aktuellen Situation.

Und die betrifft nicht nur (und nicht vor allem) die Lehre – hier hat die Digitalisierung ja teilweise auch Vorteile, die wir zu nutzen versuchen können. Noch vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, Seminare und Vorlesungen per Videokonferenz abzuhalten, und auch die digitalen Werkzeuge (Blogs, Videos, Dokumentenablage, gemeinsames Arbeiten an Dokumenten usw.) sind erst in den letzen zehn Jahren wirklich massentauglich geworden.

Nein, es betrifft vor allem die Lebenssituation, in der Sie studieren und wir lehren müssen. Viele Studierende berichten uns von Schwierigkeiten, eine Struktur in ihren Studienalltag zu bekommen – das ist einer der Gründe, warum wir sehr stark auf gemeinsame Videokonferenzen setzen, die wenigstens Anknüpfungspunkte für eine Struktur sein können. Gehen Sie aber das Problem auch von sich aus aktiv an und schaffen Sie sich selbst solche Anknüpfungspunkte – z.B. durch selbst organisierte Online-Arbeitsgruppen, und vor allem durch einen Tagesplan, bei dem Sie zwischen Arbeit und Freizeit klar trennen. Das ist schwer, wenn beides hauptsächlich online stattfindet, aber es ist umso wichtiger. Ich selbst versuche, mir für jeden Tag einen Stundenplan zu machen und klar festzulegen, wann ich welche Arbeiten ausführe und wann der Arbeitstag vorbei ist. Den Feierabend markiere ich dann bewusst durch ein Ritual (einen Spaziergang, ein Glas Wein oder eine Tasse Tee auf dem Balkon (derzeit im Wintermantel), o.ä.).

Das ändert nichts an der Enge und Gleichförmigkeit der Lebenssituation. Selbst ich kann meine Wohnung langsam nicht mehr ertragen, und mir ist klar, dass für die meisten von Ihnen die Wohnsituation wesentlich beengter und anstrengender sein dürfte als für mich. Hier hilft zum einen nur die Flucht in virtuelle Welten (ich gucke Netflix inzwischen hauptsächlich, um Menschen ohne Maske zu sehen, die ein normales Leben führen – die Handlung ist mir weitgehend egal), oder eben nach draußen, wo das möglich ist. Das hat aber natürlich seine Grenzen, und mir ist (auch durch Ihre E-Mails) bewusst, dass diese Situation, die überhaupt nicht dem Leben entspricht, dass Sie sich für Ihre Studienzeit vorgestellt haben, und dass das dazu führt, dass sie immer wieder mit dem Gedanken spielen, das Studium gleich wieder aufzugeben und auf später zu verschieben. Nun kann es natürlich sein, dass Sie das für Sie falsche Studium gewählt haben oder dass das Studium insgesamt nicht das Richtige für Sie ist. Wenn das der Fall ist, sollten Sie andere Fächer oder Ausbildungswege ausprobieren. Wenn es aber nur der Lockdown-Blues ist, der diese Gedanken verursacht, machen Sie sich klar: Selbst, wenn der Lockdown noch ein Jahr dauert, können Sie danach Ihr Leben und Ihren Studienalltag immer noch so gestalten, wie Sie es sich vorgestellt hatten – nur, dass Sie dann bereits an das universitäre Arbeiten gewöhnt sind und das ganze noch mehr genießen können. Also verdrängen Sie nicht das Schlechte, Bedrückende, Frustrierende an der derzeitigen Situation – reden Sie darüber, miteinander und, wenn Sie möchten, mit uns. Aber sehen Sie daneben auch das Positive – irgendwann ist es vorbei und dann haben Sie es wenigstens genutzt, um mit dem Studium voranzukommen.

Wir hoffen also, dass Sie sich von Ihrem coronageplagten Studienstart nicht entmutigen lassen, sondern die Herausforderung darin sehen – wer weiß, vielleicht macht sie das am Ende zu einem besonders starken Jahrgang. Wir freuen uns darauf, Sie im nächsten Semester in unseren Veranstaltungen wiederzusehen – zwar online, aber trotzdem persönlich!

Bis nächsten Montag,

Anatol Stefanowitsch

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