Migration und Flucht

Ein Blog des Lateinamerika-Intituts der Freien Universität Berlin

LGBTIQ+ Migration in den Amerikas. Vom Triangulo Norte, über Mexiko in die USA

Die Migration lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und queeren (LGBTQ+) Personen aus Zentralamerika, vor allem aus Honduras, El Salvador und Guatemala (Triangulo Norte) nach oder durch Mexiko in die USA hat in den letzten Jahren zugenommen.

Die Migration aus Mittelamerika in die Vereinigten Staaten über Mexiko ist kein neues Phänomen. Während Mexiko jedoch früher nur ein Herkunfts- und Transitland war, gilt es heute auch als Zielland für Migrant*innen. Auch die demografische Zusammensetzung der mittelamerikanischen Migrant*innen hat sich in den letzten Jahren verändert, so migrieren heute mehr Familien, Frauen mit Kindern, unbegleitete Kinder und LGBTQ+-Personen, um der extremen Gewalt, Bandenkriminalität, Erpressungen, Armut, Diskriminierung und Stigmatisierung in ihren Heimatländern zu entkommen.

Queere Lebensrealitäten im Triangulo Norte

Obwohl es schwierig ist, genaue Zahlen zu erhalten, gibt es Hinweise darauf, dass LGBTQ+-Personen in den Ländern des Triangulo Norte besonders stark von Gewalt betroffen sind und diese mit den vielfältigen Formen der Diskriminierung zusammenhängt, denen LGBTQ+-Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihrer sexuellen Orientierung in den verschiedenen Bereichen ihres Lebens ausgesetzt sind. Menschen, die sich in einer Migrationssituation befinden, sind generell stark gefährdet; dennoch sind LGBTQ+-Migrant*innen mit besonderen Herausforderungen und Risiken konfrontiert und erfahren oft mehrfache Diskriminierung aufgrund ihrer geschlechtlichen und/oder sexuellen Identität. Auf der Suche nach einem gewaltfreien und sicheren Leben migrieren queere Menschen aus dem Triangulo Norte nach Mexiko oder in die Vereinigten Staaten. Die Migration in diese Länder bedeutet jedoch meist kein Ende der Gewalt, sondern setzt queere Personen unterschiedlichen Arten von Gewalt und Mehrfachdiskriminierungen aus.

Obwohl es in den letzten Jahren in Lateinamerika rechtliche Fortschritte zugunsten der Rechte von LGBTQ+-Personen gab und Homosexualität in keinem lateinamerikanischen Land kriminalisiert wird, bedeutet dies jedoch nicht, dass diese Rechte auch umgesetzt werden und Schutz vor Diskriminierung und Gewalt bieten. Im Gegenteil sind LGBTQ+-Personen angesichts der weit verbreiteten Gewalt in Honduras, Guatemala und El Salvador besonders gefährdet, was zum Teil auf den starken Einfluss der konservativen evangelikalen Kirchen zurückzuführen ist. LGBTQ+-Personen werden beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung sowie zu Beschäftigung diskriminiert, oft auch von ihren Gemeinschaften und Familien abgelehnt und sind Gewalt auf mehreren Ebenen und vonseiten verschiedener Akteure ausgesetzt.

Die Gewalt gegen LGBTQ+-Personen hat ihre Wurzeln in den allgemeinen gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Menschen, die von den traditionell etablierten patriarchalen, heteronormativen sozialen Normen und Geschlechterrollen abweichen. In den letzten Jahren konnten daher vor allem politische und gesellschaftlich enorm einflussreiche konservative Evangelikale mit der Unterstützung rechter Parteien homophobe und transphobe Diskurse schüren, was zu Rückschritten beim Schutz der Rechte der LGBTQ+-Gemeinschaft geführt hat.

Im Allgemeinen wird in El Salvador, Honduras und Guatemala jedes Jahr im Juni, dem Monat der LGBTQ+-Pride, ein Anstieg der Gewalt gegen queere oder als queer wahrgenommen Personen registriert. LGBTQ+-Personen sind aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität häufig Ziel verschiedener Formen von Gewalt, wie z.B. Einschüchterung, Bedrohung, physische Aggression, sexuelle Gewalt und sogar Mord. Die Mehrheit der mittelamerikanischen LGBTQ+-Asylbewerber*innen in den USA hat in ihren Herkunftsländern aufgrund ihrer Identität sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt erlitten. Ein hohes Maß an Straflosigkeit macht es jedoch schwierig die tatsächliche Gewaltrate zu ermitteln.

Flucht über Mexiko in die USA

Für viele LGBTQ+-Personen besteht meist die einzige Möglichkeit sich selbst zu schützen darin, Zuflucht in anderen Ländern zu suchen, insbesondere in den Vereinigten Staaten oder Mexiko. Mexiko ist eines der wenigen Länder in der Region, das im Vergleich zu den Ländern des Triangulo Norte, über einen Rechtsrahmen verfügt, der einen gewissen Schutz und bestimmte Rechte der LGBTQ+-Gemeinschaft garantiert. Doch auch hier klafft eine große Lücke zwischen den Gesetzen und ihrer tatsächlichen Umsetzung und macht es für queere Menschen gefährlich nach Mexiko zu migrieren. So finden sich queere Migrant*innen auch in den Ankunftsländern oft in einem Kreislauf der Gewalt und Diskriminierung wieder.

Die Migrationsroute birgt ebenfalls ein hohes Risiko für Angriffe, Opfer von Menschenhandel oder sexuellem Missbrauch zu werden. Ein grundlegendes Bedürfnis von Migrant*innen während ihrer Reise ist der Zugang zu Unterkünften, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Die meisten der verfügbaren Unterkünfte werden von der Zivilgesellschaft oder von katholischen Kirchengemeinden betrieben und nur wenige bieten eine differenzierte Betreuung, um den Schutzbedürfnissen von LGBTQ+-Personen gerecht zu werden. Einige Unterkünfte verweigern LGBTQ-Personen den Zugang und tragen somit zur (Re-)Produktion der Verletzlichkeit von und Gewalt gegen LGBTQ+-Personen während der Migration bei. Auch werden queere Migrant*innen von anderen Migrant*innen auf der Route oder in den Unterkünften diskriminiert. So werden beispielsweise Transfrauen gezwungen, sich entgegen ihrer Geschlechtsidentität zu kleiden. Diese Art der Behandlung kommt auch in Haftanstalten für Migrant*innen in Mexiko und den USA vor. Mit anderen Worten: LGBTQ+-Migrant*innen sind mit Ausgrenzung, Diskriminierung, Stigmatisierung und Gewalt konfrontiert, wenn sie Schutz und einen sicheren Aufenthaltsort suchen.

Die LGBTQ+-Community hat daher wichtige Selbstschutzmechanismen auf den Migrationsrouten etabliert indem sie Netzwerke aus LGBTQ+-Personen und deren Familien aufgebaut haben, die die Migrant*innen beherbergen und damit verhindern, dass sie ohne weiteren Schutz in Notunterkünften leben müssen. Andere Migrant*innen aus der LGBTQ-Community reisen gemeinsam in sogenannten Regenbogenkarawanen[1].

Meist ist das Ziel der migrierenden LGBTQ+-Personen die Vereinigten Staaten, da sie sich dort bessere Chancen ausrechnen. Viele Migrant*innen bleiben jedoch meist in Mexiko oder auch in einem anderen Land des Triangulo Norte, jedoch nicht, weil sie diese Länder als einen sicheren Ort betrachten, sondern aufgrund fehlender finanzieller Mittel um den Weg in den Norden fortsetzen zu können.

Die Asylverfahren in Mexiko und den USA bergen ebenfalls vielfältige Risiken für Gewalt. Asylbeantragenden werden u.a. ihre Dokumente abgenommen oder sie müssen „Beweise“ für ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität vorlegen. Viele LGBTQ+-Migrant*innen sind sich auch oft nicht bewusst, dass sie als aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität Verfolgte das Recht haben Asyl zu beantragen. Ein Problem für LGBTQ+-Familien ist, dass sie nicht über die nötigen Dokumente verfügen, um eine Familienzusammenführung zu beantragen, da die gleichgeschlechtliche Ehe in den Ländern des Triangulo Norte illegal ist.

In den Haftanstalten für Asylsuchende sind LGBTQ+-Migrant*innen häufig besonders gefährdet und Missbrauch, geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung durch andere Inhaftierte und das Wachpersonal ausgesetzt. Dieses Risiko gilt vor allem für Transfrauen. Ihre Geschlechtsidentität und individuellen Bedürfnisse werden meist nicht anerkannt und sie werden in den Abteilungen der Männer festgehalten und damit (sexueller) Gewalt ausgesetzt. Auch wird Transpersonen der Zugang zu Hormonbehandlungen und notwendiger medizinischer Versorgung, beispielsweise aufgrund einer HIV-Infektion verwehrt. Obwohl in den USA nur 0,14% der in den Haftanstalten inhaftierten Asylsuchenden LGBTQ+-Personen sind, werden diese nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Human Rights Campaign in 12% der Fälle Opfer von sexuellem und körperlicher Gewalt[2]

Ser migrante transx es complicado porque primero en la mayoría de los países de Latinoamérica no existe ley de identidad de género, lo que hace que cuando las compañeras desean viajar tengan que viajar con documentos que no nos reflejan y que por el contrario atentan contra nuestra dignidad al exponernos a situaciones como abuso policial, estigma de la misma policía hacia nuestra, comunidad, que muchas veces por ser una mujer trans nos llevan a salas privadas para revisarnos en cuanto a nuestra identidad[3]

Ein weiteres Problem ist, dass genaue Daten zu inhaftierten LGBTQ+-Personen fehlen, da meist keine Informationen über die Geschlechtsidentität der inhaftierten Personen gesammelt werden. Dies trägt nicht nur dazu bei, dass LGBTQ+-Personen in den Statistiken zu Migration unsichtbar gemacht werden, sondern behindert auch die Entwicklung und Umsetzung von angemessenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte von LGBTQ+-Personen. Für diejenigen, die das Asylverfahren aufgrund der Haftbedingungen abbrechen oder deren Antrag abgelehnt wird, kann die Rückkehr in ihr Heimatland das Todesurteil bedeuten. Viele Migrant*innen machen sich daher nach kurzer Zeit erneut auf den Weg.

Es scheint, dass die Suche nach Räumen, die frei von heteronormativer Gewalt sind, für LGBTQ+-Migrant*innen nicht in den Zielländern endet. LGBTQ+-Migrant*innen sind sowohl in ihren Herkunftsländern und in ihren Transit- und/oder Zielländern, mehrfacher und wiederholter Gewalt und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die Verletzlichkeit zentralamerikanischer LGBTQ+-Personen wird während der Migration und durch ihre sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidentität noch verstärkt. Sie befinden sich in einem Teufelskreis ständiger Gewalt und mangelndem Schutz aufgrund der Diskriminierung und Stigmatisierung, die LGBTQ+-Personen auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft erfahren und einem Mangel an angemessenen und wirksamen Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Rechte.

Gleichzeitig leisten queere Menschen in der Prekarität und Verletzlichkeit der Migration Widerstand, organisieren sich in migrantischen Netzwerken, unterstützen sich gegenseitig auf der gemeinsamen Reise in LGBTQ+-Karawanen auf den Migrationsrouten und schaffen Plattformen, um ihr Recht auf ein sicheres und lebenswertes Leben einzufordern.

Dieses gesamte Panorama macht die vielfältigen und spezifischen Gewaltformen, denen LGBTQ+-Migrant*innen ausgesetzt sind deutlich und betont die Notwendigkeit, das Thema im der Migrationsdiskurs zu positionieren sowie konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die den Schutz und die Durchsetzung der Rechte für LGBTQ+-Personen gewährleisten. Weiterhin ist es wichtig, die spezifische Situation von LGBTQ+-Personen in der Migration zu untersuchen und vor allem die Stimmen von LGBTIQ+- Migrant*innen zu Wort kommen zu lassen um ihre Lebensrealität und die Gewalt, der sie ausgesetzt sind sichtbar zu machen. Ein Beispiel sind Initiativen wie „Diversidad Sin Fronteras“ (Vielfalt ohne Grenzen), ein Kollektiv von LGBTQ+-Aktivist*innen, Forscher*innen und Dokumentarfilmer*innen, die versuchen die Geschichten von LGBTIQ+-Migrant*innen die Menschenrechtsverletzungen und Gewalt, die diese auf der Flucht nach Nord- und Mittelamerika erlebt haben zu dokumentieren.

Literatur:

Amnesty (2017): No Safe Place: Salvadorans, Guatemalans and Hondurans Seeking Asylum in Mexico Based on Their Sexual Orientation and/or Gender Identity. London: Amnesty International LtD. Text abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/document/?indexNumber=amr01%2f7258%2f2017&language=en (Zugriff am 31.7.2021).

Arredondo, Alejandra (2021): „Si me hubiera quedado, me hubieran asesinado“: mujeres trans migran para sobrevivir. In: Voz de America, 20. Juni 2021. Text abrufbar unter: https://www.vozdeamerica.com/inmigracion/quedado-hubieran-asesinado-mujeres-trans-centroamerica-sobrevivir-asilo (Zugriff am 31.7.2021).

Bennet, Isadora (2020): Queer Central American Migrants Imagining Livable Lives : A Study on How Vulnerability of LGBTQ Migrants Is (Re)Produced during Migration in Mexico and the Role of Religious Shelters. Text abrufbar unter: http://urn.kb.se/resolve?urn=urn:nbn:se:uu:diva-413174 (Zugriff am 31.7.2021).

Corrales, Javier (2020): The Expansion of LGBT Rights in Latin America and the Backlash. In: Bosia, Michael J./McEvoy, Sandra M./Rahman, Momin (Hrsg.), The Oxford Handbook of Global LGBT and Sexual Diversity Politics. Oxford University Press, 184–200.

REDLAC (2019): Panorama de violencia y protección en el norte de Centroamérica: El impacto de la violencia sobre la comunidad LGBTI en el Norte de Cenroamérica. In: REDLAC, 6.

Taracena, Maria Inés (2017): Displaced LGBT People from Central America, Mexico Head North for Survival. In: Arizona Public Media, September 2017. Text abrufbar unter: https://news.azpm.org/p/news-topical-border/2017/9/8/116373-displaced-lgbt-people-from-central-america-mexico-head-north-for-survival/ (Zugriff am 31.7.2021).


[1] Taracena (2017)

[2] https://www.hrc.org/news/hrc-sends-foia-request-to-ice-cbp-for-details-on-Roxsana-Hernandez-death

[3] https://panoramanoticias.com/2021/05/21/red-latinoamericana-y-del-caribe-de-mujeres-trans-migrantes-queremos-dar-reconocimiento-al-nuevo-al-fenomeno-que-es-la-migracion-humana/

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Der Beitrag wurde am Samstag, den 31. Juli 2021 um 20:54 Uhr von Jeanne Louise Wagner veröffentlicht und wurde unter 2021, Allgemein, Beiträge, Migration nach und in den Amerikas abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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