Ästhetik des Plattenbaus – dieser Seminartitel klingt auf den ersten Blick irritierend. Denn mit ästhetischer Gestaltung und Schönheit bringen wohl die wenigsten die Errichtung von Wohnblöcken und Stadtvierteln in Plattenbauweise in Verbindung, die nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit zu beobachten war. In den 1960er Jahren war diese Haltung noch anders. Der Plattenbau galt damals als Inbegriff modernen Wohnens, als Hoffnung auf Privatheit, Geräumigkeit und Komfort. Zu Millionen verließen die Menschen technisch veraltete Altbaubestände in den Stadtzentren und siedelten sich in Plattenbauvierteln und Mikrorayons an. Früh jedoch kam Kritik am Plattenbau auf, an der monotonen Aneinanderreihung von Wohnblöcken, an der Zerstörung historisch gewachsener Stadtstrukturen, an dem Verlust von Nachbarschaft und der Dominanz grauer Wohnblöcke ohne Fassadengestaltung und Ornamente. Nicht nur im Westen war die Rede von der „Unwirtlichkeit der Städte“ (Alexander Mitscherlich). Im Laufe der 1970er Jahre geriet der Plattenbau in die Krise und vormalige Vorzeigeviertel wurden zu Krisengebieten – zumindest in der öffentlichen Debatte, die Erfahrung vor Ort war oftmals eine andere. Diese Krisendiagnose dreht allerdings gegenwärtig und Plattenbauten werden neu entdeckt als polyfunktionale Gebäudetypen, als grüne Alternative zu den grauen Altbauvierteln der Innenstädte.