Praxisbezug der Islamwissenschaft

Recherchieren, lesen, diskutieren, schreiben: Eine Einführung in die Geisteswissenschaften entlang Edward Saids "Orientalism"

Kursbeschreibung

Praxisbezug der Islamwissenschaft

Kern der Geisteswissenschaften ist die Interpretation und Erstellung von Text im weitesten Sinn, wobei dies voraussetzt, dass jegliche Arbeit immer nur einen geographisch und zeitlich gebundener Beitrag zu Debatten/ Diskursen darstellt, die Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft umspannen. Dafür scheint mir folgender Kreislauf maßgeblich zu sein:

  • suchen, finden, aufbewahren,
  • erschließen, lesen, interpretieren,
  • kritisieren, diskutieren,
  • schreiben, publizieren,

wobei sich einige dieser Tätigkeiten nicht so scharf voneinander abgrenzen lassen, wie es diese Liste suggeriert. Im Regelfall des Arbeitsalltages während ihres Studiums und danach folgt dieser Kreislauf einer Fragestellung, einer These oder einem Gegenstand. Sehr häufig, wie im Falle von Hausarbeiten und Essays, sind es dabei nicht Sie selbst, die diese Fragestellung festlegen.

Ziel des Seminars ist es, das grundlegende Handwerkszeug für diesen Kreislauf kennen zu lernen und einzuüben. Der Fokus dieses Seminars wird daher auf folgenden drei Aspekten liegen:

  • praktische Fähigkeiten,
  • kritische Reflexion,
  • Einhalten von zeitlichen und formalen Vorgaben.

Mit Hinblick auf die von Reinkowski und Poya in unserem einleitenden Text aufgeworfenen Probleme der zeitgenössischen Islamwissenschaft und die explizit gestellte Frage “Ist es dem Fach überhaupt gelungen, sich von den Paradigmen des Orientalismus des 19. und 20. Jahrhunderts zu entfernen?”, werden wir uns unser Handwerkszeug am Gegenstand eines der wichtigsten Diskurse zum Wesen der Islamwissenschaft, der Orientalismusdebatte, erarbeiten. Dabei wird neben dem kritischen Lesen, das eigene regelmäßige Schreiben als Prozess im Vordergrund stehen. Studierende sollen lernen, wie man erste Entwürfe schreibt, sich gegenseitig konstruktives Feedback gibt, Texte Schritt für Schritt überarbeitet – und so den Schrecken vor der Perfektion verliert und einen Austausch von Gedanken ermöglicht.

Praktische Aspekte

Für die meisten der oben genannten Schritte brauchen wir greifbare Manifestationen eines abstrakten Textes, deren Medien verschiedene Möglichkeiten und Beschränkungen bedingen. Diese müssen als solche erfasst werden um sie bewusst und kritisch nutzen zu können, bzw. um sie nicht als den vermeintlichen Inhalt wissenschaftlichen Arbeitens zu misszuverstehen. Im Laufe des Seminars werden wir uns daher mit Monographien, Sammelbänden, wissenschaftlichen Zeitschriften, Nachschlagewerken, Webseiten, Katalogen, Indizes, Bibliotheken, Archiven, Hilfsmitteln, Literaturverwaltung, Fußnoten, Bibliographien, und Zitierweisen beschäftigen.
Daneben steht natürlich die eigene Produktion von Texten im Mittelpunkt. Hierfür werden wir vor allem wöchentlich kurze Texte von maximal einer Seite (250 Wörter) schreiben und diese auch im Seminar besprechen. Diese Texte senden Sie mir Bitte bis zum Dienstagabend jeder Woche und wie in der Sitzung vom 27. 10. besprochen als RTF-Datei zu. Der Dateiname sollte aus Ihrem Nachnamen und dem Datum der Erstellung oder der Sitzung, für die der Text geschrieben wurde, bestehen.
Des Weiteren werden Sie kurze Einführungsreferate von 5 Minuten Länge zu einzelnen praktischen Aspekten halten.

Methodologisch-theoretische Aspekte

Das praktische Erschließen dieser Handwerksmittel werden wir anhand unseres Gegenstandes mit theoretischen Überlegungen zu einigen grundlegenden Fragen ergänzen. Dazu gehören:

  • Was ist ein Text?
  • Über wen/ was kann wie gesprochen werden?
  • Was ist ein Archiv?
  • Von welcher Position aus sprechen wir?
  • Was heisst Repräsentation?

Gegenstand

Da sich das Handwerkszeug am besten an einem konkreten Beispiel erlernen lässt und Sie sich alle für ein Studium der Islamwissenschaft entschieden haben, werden wir uns der Debatte um Edward Saids “Orientalismus” widmen. Ziel ist es, dass wir uns anhand folgender Fragen einen Über- und Einblick in ein behauptetes Unbehagen der Islamwissenschaft erarbeiten:

  • Was ist Orientalismus?
  • Was hat Said geschrieben?
  • Auf wen und was bezieht er sich?
  • Welche Reaktionen und Effekte hat dieses Buch hervorgerufen?
  • Ist es für unsere eigene Arbeit relevant?
  • Wie kann und sollte es unsere Arbeit bestimmen?

Rahmenplan

Erster Block: Recherche

Wir beginnen mit der Recherche und den dafür notwendigen Hilfsmitteln. Zu einigen wichtigen von diesen Hilfsmitteln werden wir für die folgenden Sitzungen Kurzreferate verteilen.

Zweiter Block: der Text

Danach wenden wir uns in einer ersten Lektüre ausgewählten Kapiteln von Edward Saids Buch zu, zu denen Sie kurze Inhaltsangaben und später Rezensionen schreiben sollen.

Dritter Block: die argumentative Basis

Dann werden wir in die Details von Saids Text und Argument gehen und schauen auf welche ausgewählten Modelle, Theorien und Beispiele er sich dabei stützt und wie überzeugend er sein Argument vorbringt.

Vierter Block: Einordnung des Textes

Nun widmen wir uns der Beschreibung der Debatte und des Entstehungskontextes des Buches in der Sekundärliteratur .

Fünfter Block: Kritik und Debatte

Reaktionen auf “Orientalismus”, sowie Saids Antworten auf einige Kritikpunkte.

Sechster Block: Rückkehr zum Text

Am Ende steht die erneute Lektüre von Saids Text und Reflexion über die Veränderung in unserem Verständnis des Textes

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