Der ägyptische Held von Berlin

Inmitten der Schreckensherrschaft des Zweiten Weltkrieges, gab es viele stille Helden. Einer davon: Mohammed Helmy. Ein ägyptischer Arzt, der in Berlin lebte und nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben für seine Mitmenschen riskierte. Wer genau war Mohammed Helmy und was machte diesen mutigen Mann zu diesem Helden, der er heute für uns ist?

Von Sina Al-Khatib

Mohammed Helmy, wurde posthum mit einer der höchsten Ehrungen ausgezeichnet, die Israel zu vergeben hat: Der Titel „Gerechter unter den Völkern“ von Yad Vashem.

Doch Helmy, der 1982 starb, konnte die Medaille und seine Ehrung aus Israel nicht mehr persönlich miterleben. Obwohl ein ägyptischer Diplomat in Israel Helmys Taten würdigte, konnte auch er die Medaille nicht stellvertretend entgegennehmen, da sie nur an Retter selbst oder an die Verwandten ausgehändigt werden. Mit der Überzeugung, dass jeder Retter aus eigener Überzeugung handelte und nicht im Auftrag einer Regierung. Doch wer genau war Mohammed Helmy und was machte diesen mutigen Mann zu diesem Helden, der er heute für uns ist?

Yad Vashem ist die israelische Gedenkstätte des Holocaust und des Heldenmuts und ist die bedeutendste Einrichtung zur Erinnerung und wissenschaftlichen Dokumentation der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Sie befindet sich in Jerusalem und ehrt diejenigen,  die unter Einsatz ihres Lebens Juden vor dem Holocaust gerettet haben.

Helmys Leben

Mohammed Helmy, geboren am 25. Januar 1901 in Khartum/Sudan, verließ 1922 seine Heimat, um in Deutschland Medizin zu studieren. In Berlin fand Helmy dann seine zweite Heimat und eine Gemeinschaft in der Ahmadiyya-Moschee in Wilmersdorf, wo ausländische Studenten regelmäßig zusammenkamen. Dort hielt der Imam der Moschee Predigten über die notwendige Akzeptanz und Toleranz gegenüber Juden und sprach sich entschieden gegen den in Deutschland grassierenden Antisemitismus aus.

Helmys medizinische Laufbahn begann als Volontär im Robert-Koch-Krankenhaus, wo er mit vielen jüdischen Kollegen zusammenarbeitete. Doch am 1. April 1933 erlebte er, wie die SA das Krankenhaus stürmte, jüdische Ärzte gewaltsam herauszerrte, misshandelte und ermordete. Einer seiner engsten Freunde, Dr. Leffkowitz, wurde im Gefängnis schwer misshandelt. Als dieser zurückkehrte, musste er feststellen, dass Helmy seine Position übergeben wurde.

Trotz zunehmender Diskriminierung und Verfolgung, was auch Helmy als Ausländer und Araber betraf, zeigte er weitergehend beeindruckend Mut und Mitgefühl. Trotz steigender Gefahr blieb er im engen Kontakt mit jüdischen Freunden und Patienten. Aufgrund seiner Herkunft genoss Helmy einen gewissen Schutz. Dieser Schutz, der ihm durch die guten ägyptisch-deutschen Beziehungen, aber auch durch seine britische Staatsbürgerschaft gewährt wurde, ermöglichte es ihm, jüdische Mitbürger zu unterstützten und zu verstecken.

Nach der Beendigung seines Vertrages 1937 – als „Nichtarier“ durfte Dr. Helmy sich nicht länger im öffentlichen Gesundheitswesen betätigen – eröffnete er mit Unterstützung seiner Verlobten Emmy und der jüdischen Freundin Anna Boros eine eigene private Praxis in der Krefelder Straße, einem jüdisch geprägten Viertel. Durch kluge Täuschungsmanöver und Lügen schaffte er es, zahlreiche Menschen vor der Deportation und dem Tod zu bewahren.

Krefelder Straße 37 in Berlin
Quelle: Gedenktafeln in Berlin

Während des Krieges versorgte Helmy trotz enormer persönlicher Risiken die Familie von Anna Boros mit Lebensmitteln und Medikamenten. Laut Annas Aussagen war Helmys Hilfe selbstlos und sie war ihm dafür stets dankbar. Aber nicht nur Anna erkannte die Größe seiner Taten an, auch der Westberliner Senat würdigte ihn 1962 als Helden, die Ehrung Yad Vashems erfolgte 2013. Mohammed Helmy blieb bis zu seinem Tod in Berlin und hinterlässt ein unvergessenes Vermächtnis der Hoffnung und des Widerstandes.

Sein Gedenken heute

In der Krefelder Straße, wo Helmy während  des Kriegs lebte und praktizierte, befindet sich eine Gedenktafel (siehe Bild oben), die an seine mutiges Handeln erinnert. Diese Tafel ist ein symbolischer Ort des Gedenkens und ein sichtbares Zeichen der Anerkennung.

Mohammed Helmy wird heute in verschiedenen Dokumentationen und Gedenkveranstaltungen in Deutschland geehrt. Seine Geschichte findet breite Anerkennung und wird in einer Vielzahl von Medien Formaten erzählt, dazu gehören Dokumentarfilme, Artikel und Bücher. Diese mediale Präsenz, hilft es das Gedenken an Helmy in die breite Öffentlichkeit zu tragen und sein Andenken zu bewahren, um die Bedeutung seines Wirkens zu verstehen.

Helmys Taten tragen maßgeblich zur Bewusstseinsbildung über die Rolle von Nicht-Europäern im Widerstand gegen den Nationalsozialismus bei. Seine Geschichte zeigt die globale Dimension des Widerstandes und betont die Solidarität über ethische und religiöse Grenzen hinweg. Sie ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Überzeugungen gemeinsam gegen die Unterdrückung und für die Menschlichkeit einstehen.

Ein arabischer Held – unter vielen?

Neben Mohammed Helmy, findet man nur wenige dokumentierte Fälle von arabischen Helden, die aktiv gegen den Nationalsozialismus in Deutschland Widerstand leisteten. Jedoch ist anzumerken, dass es sie gab. In unseren heutigen Diskursen über die Berührungspunkte der arabischen/muslimischen Welt mit dem Nationalsozialismus ist ein Bild vorherrschend, was deutlich von Kollaboration geprägt wird. Selten wird hierbei die Vielschichtigkeit der arabischen Bevölkerung betrachtet und die fehlende Dimension des Widerstandes beleuchtet.

Mohammed Helmy ist nur ein Beispiel dafür, dass Widerstand unabhängig von der Herkunft ist. Ich denke, dass es noch sehr viel Raum für das Gedenken arabischer Helden in Deutschland geben sollte. Einerseits ist es sowohl wichtig, ihre Geschichten in den Lehrplan zu integrieren, mit Hilfe von Workshops oder auch Seminaren, als auch die nötige Medienpräsenz zu schaffen. Außerdem sind Gedenkveranstaltungen ein wichtiger Faktor. Nicht nur die historische Aufarbeitung, sondern auch die kulturelle Zusammenarbeit mit arabischen Gemeinschaften, Kooperationen und Organisationen könnte helfen, das Leben derjenigen zu würdigen, die ihr Leben für andere aufs Spiel gesetzt haben.

Passfotos von Anna Boros und Mod Helmy (40er Jahre)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.