Kairo in Berlin

Menschen in Ausstellungen zu präsentieren, würde heute jedem befremdlich vorkommen und doch ist es passiert. Auch hier in Berlin. Wie kam es dazu und was passierte dort? Ein Einblick in die Ausstellung „Kairo in Berlin”.

Von Ranaa Khalaf, Melis Karca, Assia Kaddache

Wenn man an einen Zoo denkt, kommen wahrscheinlich Bilder von heimischen und exotischen Tieren in den Sinn. Bis vor weniger als 100 Jahren war es in sogenannten Völkerschauen allerdings üblich, auch Menschen auszustellen. Solche Schauen gab es in ganz Westeuropa und den USA, eine davon war Kairo in Berlin, eine Spezialausstellung der Berliner Gewerbeausstellung 1896, die offiziell vom 1. Mai bis zum 15. Oktober im Treptower Park zu besuchen war und zwei Millionen Besucher anzog.

Die Planung

Kairo war ursprünglich nur als eine kleinere Ausstellung geplant, die dem Besucher das Gefühl geben sollte, im wahren Ägypten zu sein. Dafür sollte Kairo nicht nur architektonisch so echt wie möglich aussehen, sondern auch genauso belebt sein. Die Vorbereitungen begannen schon im Sommer 1895 und die Leitung der Ausstellung reiste dafür mehrere Male nach Ägypten, um sich intensiv mit Ägypten, seiner Architektur und Kultur auseinanderzusetzen und diese dann so exakt wie möglich in Berlin zu präsentieren. Auch die ägyptische Regierung unterstützte diese Bemühungen und stellte der Ausstellung z.B. die private Waffensammlung des Khediven zur Verfügung. Trotz des Namens Kairo in Berlin war die Ausstellung nicht repräsentativ für Kairo und brachte auch Bauten aus anderen Teilen Ägypten heran.

Der Rundgang

Der Besucher der Gewerbeausstellung betrat Kairo durch das Siegestor, Bab el-Futuh, und fand sich zuerst im altägyptischen Teil. Vor ihm stand die Moschee Kait-Bay mit aneinandergereihten Häusern auf beiden Seiten. Links ging es zum Khedivialplatz weiter, der von Restaurants eingeschlossen war und auf dem die Kapelle des Khediven Konzerte veranstaltete. Hinter dem Khedivialplatz waren einige Einkaufsstraßen, welche das moderne Stadtbild Kairos darstellten, wo der Besucher arabische sowie auch europäische Geschäfte fand.

Entschied man sich nach dem Betreten Kairos nach rechts zu gehen, fand man dort den Pyramidenplatz mit dem Horustempel von Edfu und der Cheops-Pyramide. Der Tempel von Edfu ist ein Beispiel für die Zusammenführung von Gebäuden aus ganz Ägypten, da dieser im Süden des heutigen Ägyptens liegt. Die Nachbildung der Cheops-Pyramide war etwa 40 Meter hoch, zu deren Spitze man mit einem Fahrstuhl fahren konnte, um die Aussicht zu genießen. Weiterhin konnte man im Inneren der Pyramide die „Grabkammer mit echten Mumien” besichtigen. Um die orientalische Darstellung zu ergänzen, wurden ein Fellachen- und ein Beduinendorf erbaut. Im hinteren Teil Kairos stand die große Arena, in der die bei Besuchern sehr beliebten Hochzeitszüge, Mekka-Karawanen und religiösen Feste vorgeführt wurden.

Die „Ausgestellten“

Um eine belebte Stadt zu inszenieren, bedarf es selbstverständlich auch einer Bevölkerung. Folglich wurde Kairo mit etwa 500 Arabern und Beduinen bevölkert, die man eigens dafür nach Europa brachte. Diesen „Ausgestellten” bzw. Bewohnern hat man versucht die Zeit in Berlin so annehmlich wie möglich zu machen und baute ihnen eine eigene Moschee, Schlafräume und eine Küche und ließ sie ihren „Eigentümlichkeiten” nachgehen. Die Bewohner führten in den Geschäften Kairos ihre eigenen Berufe aus und boten den Besuchern Kamel- und Eselreiten an.

Es kam auch zu einigen Zwischenfällen, als sich z. B. einige Araber über die Ernährung und Schlafstellen beschwerten, aber nicht ernst genommen wurden, weil sie ja nichts von richtigem Komfort wissen würden. Durch Organisationsfehler seitens der Ausstellungsleitung kam es im Mai auch hin und wieder zu Schlägereien. Wie die gesamte Ausstellung weiterhin von den Arabern wahrgenommen wurde, ist nicht bekannt, genauso wenig ob sie bezahlt wurden oder nicht.

Auf die damalige Zeit zurückblicken

Aus heutiger Sicht ist leicht zu sagen, dass die gesamte Ausstellung genauso wie andere Völkerschauen unwürdig und unzumutbar war. Trotz des kleinen Komforts, den man anbot, ist es absolut verwerflich, Menschen wie Tiere „auszustellen”. Mit Blick auf andere Völkerschauen ist es klar, dass die europäische Gesellschaft von damals Araber und Afrikaner nicht als gleichwertige Menschen gesehen hat.

Im Vergleich von damals zu heute ist zu erwähnen, dass es derartige Völkerschauen seit 1940 nicht mehr gibt. Im Jahr 1896, als die Kairoschau in Berlin stattfand, war es ganz fremd und neu für beide Seiten, sowohl die Zuschauer als auch die Darsteller. Die Besucher machten erste Berührungen mit der Stadt Kairo, deren Lebensweise und Tradition komplett fremd schien. Es mag aus heutiger Sicht befremdlich und exotisierend wirken, dass die Darsteller echte Menschen arabischer Herkunft waren. Für Menschen aus Europa ist es heutzutage leichter und schneller möglich, sich Wissen über andere Kulturen anzueignen. Damals wie heute empfiehlt es sich im Allgemeinen, sich mit Traditionen und Werten anderer Kulturen auseinanderzusetzen, damit Verständnis gefördert und Ignoranz besiegt werden kann.

2 Gedanken zu „Kairo in Berlin“

  1. Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Beim Lesen kamen mir ein paar Fragen auf:
    Es gibt ja heute in einigen Ländern auch nachgebaute Städte oder Dörfer, wie zum Beispiel Paris in Tianducheng (China) oder das Hallstatt Dorf bei Huizhou (China), lassen sich obwohl dort keine Menschen ausgestellt werden, trotzdem Parallelen zu Kairo in Berlin ziehen? Die kopierten Dörfer und Städte stehen heute noch, Bürgermeister (der Originalen) sind stolz auf diese und erfreuen sich über die Werbung und den wachsenden Tourismus. Gibt es unter diesem Gesichtspunkt auch positive Aspekte von der Inszenierung im Treptower Park? Meine zweite Frage wäre hinsichtlich des heutigen Umgangs mit den Völkerschauen. Gibt es Informationen darüber, wie mit diesem Thema umgegangen wird? Wird von Ministerin und Verantwortlichen Stellung bezogen und werden angebrachte Maßnahmen im Rahmen der Erinnerungskultur durchgeführt? Vielleicht habt ihr ja Informationen dazu?

    1. Das mit den nachgebauten Städten ist ein interessanter Vergleich. Mir fiel dazu auch noch ein, wie mittlerweile ja auch traditionelle Events wie z.B. „das Oktoberfest“ in alle Welt exportiert werden und manche Menschen aus Deutschland dann als „Original-Bayer “ oder „Münchner“ als Act daran teilnehmen. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie die deutsche Regierung 2014 im Zuge neuer Waffendeals mit Saudi-Arabien eine kleine Kulturoffensive startete: Dazu gehörte – absurderweise – ein Oktoberfest in Riyadh (mit alkoholfreiem Bier und Weißwurst halal?!?) und ein saudisches Beduinendorf am Potsdamer Platz. Hier ein Bericht zu Letzterem: https://magazin.zenith.me/de/archiv/kulturwoche-saudi-arabien

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