Fertig geplant – doch dann kamen die Änderungen

Der Einfluss von Änderungsanträgen auf die Planung und den Bau des BER

Der Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) ist nach 19 Jahren der Planungs- und Bauzeit nun hauptsächlich als „Pannenflughafen“ bekannt, dessen Eröffnung nun für Oktober 2020 angesetzt ist (Fahrun, 2017 und Berliner Zeitung, 2018). Neben zahlreicher verschobener Eröffnungstermine und anhaltender Personalwechsel gab es während der Bauzeit viele Änderungsanforderungen, die in der Planung nicht antizipiert wurden und somit schwerwiegende Umplanungs- und Umbaumaßnahmen zur Folge hatten. Diese Planungsmängel und Fehlentscheidungen resultieren derzeit in Gesamtkosten von 5.705.887.618 Euro (Stand: 16.05.2018; Flughafen Berlin (BER) Kosten, 2018).

Aller Anfang ist schwer!

Die erste Planungsgrundlage, der Planungsfeststellungsantrag, zum Bau des Flughafens erfolgte im Dezember 1999. Da zunächst geplant war, das Projekt privat finanzieren zu lassen wurden jedoch keine vollständigen Pläne für den Hochbau vorgelegt. Dieser sollte durch zukünftige Investoren gestaltet werden, was später zu erheblichen Komplikationen durch eine Vielzahl von Planungszuständen führen sollte. Darüber hinaus wurden bereits im Oktober des Jahres 2000 in einer öffentlichen Auslegung des Antrags 134.000 Einzeleinwendungen für den BER, der als Erweiterung des bereits bestehenden Flughafens Berlin-Schönefeld gebaut werden sollte, eingereicht (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Probleme in der Projektplanung stellten unter anderem falsch kalkulierte Fluggastzahlen, veränderte EU-Sicherheitsbestimmungen sowie zahlreiche Entlassungen und Einstellungen des Personals auf Führungsebene zu teils kritischen Zeitpunkten dar. Zusätzlich wurden Änderungsanträge von diversen Stakeholdern gestellt, die dazu führten, dass Baupläne zeitgleich zu den Baumaßnahmen erstellt bzw. verändert werden mussten.

 

 

 

Wer sind die Stakeholder?

Stakeholder, zu deutsch Anspruchsgruppen, sind alle Personengruppen, die durch eine unternehmerische Tätigkeit betroffen sind bzw. betroffen sein werden (Thommen, 2018).
Bezüglich des Flughafens BER ist die Liste lang. Dazu zählen die Länder Berlin und Brandenburg, der Bund, die Fluggesellschaften sowie auch die Passagiere und Anwohner. Weiterhin gehören zu den Stakeholdern die Investoren des Bauprojekts, alle am Projekt beteiligten Bau- und Planungsunternehmen, Politiker und Top Manager beziehungsweise die Führungsebene.
Außerdem sind sowohl die Einzelhändler betroffen, die Ladenfläche im Flughafen gemietet haben, als auch die beiden anderen Flughäfen im Raum Berlin, Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld.

Pier Nord und Pier Süd

Durch gesteigertes Verkehrsaufkommen wurde es notwendig, das Terminal um einen Pier zu ergänzen. Dies geschah vor allem auf Wunsch der Low-Cost-Airlines. Diese bevorzugten den Pier auf Grund von kalkulierten Kostensenkungen, die durch den nun nicht mehr notwendigen Busverkehr eintreten werden. Der Bau des sogenannten Pier Nord hatte zur Folge, dass neben einem neuen Marktplatz-Bereich nun auch mehr Flugzeugstellplätze in Terminalnähe als geplant notwendig wurden.

Nachfolgend wurde auf Wunsch der Geschäftsführung ein weiterer Pier, der Pier Süd, geplant sowie die Gestaltung beider Piers verändert. Auf Drängen der Airlines bekam der Pier Nord eine geringere Ausstattungsqualität, mit der Begründung „der Markt [würde] eine Differenzierung nach unterschiedlichen Ausstattungs- und Abfertigungsqualitäten verlangen“ (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Ebenenshift

Der Ebenenshift im Mainpier erfolgte auf Drängen der Fluggesellschaften, die nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschlusses „eine Erhöhung des Anteils des Umsteigeverkehrs von 5 Prozent auf 20 Prozent erwarten [ließen]“ (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016). Die Kapazität der Ebene E2 war somit nicht mehr ausreichend für das erwartete Verkehrsaufkommen geeignet, wodurch eine Erweiterung notwendig wurde um die Zahl der Nicht-Schengen-Passagiere abzufertigen. Der Aufsichtsrat beschloss daraufhin den Vollausbau der besagten Ebene sowie die Errichtung einer neuen Ebene E0Z.

Daraus resultierte neben der Notwendigkeit für doppelstöckige Fluggastbrücken auch die Änderung der zuvor vorgesehenen Ebenennutzung („Ebenenshift“). Die Folge des Ebenenshifts, nämlich die Möglichkeit der Vermischung von Nicht-Schengen- und Schengen-Passagieren, wurde auf Kosten der Sicherheitsvorkehrungen akzeptiert. Letztlich betroffen durch die Umbaumaßnahmen war vor allem die Entrauchungsanlage, auf die später noch einmal genauer eingegangen werden soll (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

A380 / Doppelstöckige Fluggastbrücken

Eine doppelstöckige Fluggastbrücke sollte auf Wunsch des Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit erbaut werden, der aus Imagegründen die Anbindung von Flugzeugen des Typs A380 sicherstellen wollte. Dies ging gegen den Willen der Geschäftsführung, die die besagten Umbaumaßnahmen für nicht notwendig erachtete. Der damalige Technikchef Thomas Weyer äußerte sich diesbezüglich wie folgt: „Meine Aussage war damals glasklar: Sie können da gerne bauen, aber sie wird die nächsten 15 Jahre nicht genutzt werden, weil der A380 auf ewige Zeit nicht nach Berlin kommen wird. Dafür ist der Markt einfach nicht groß genug, und die werden den Flieger hier nicht vollbekommen. […] Deswegen macht das keinen Sinn […]” (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Jedoch wurde es durch das gesteigerte Verkehrsaufkommen dennoch notwendig doppelstöckige Fluggastbrücken auf Wunsch der Airlines einzurichten, damit ein angenehmeres Umsteigeerlebnis für Nicht-Schengen-Passagiere geschaffen werden konnte (s. Ebenenshift; Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Sicherheitskontrollen

Neue EU-Sicherheitsbestimmungen bezüglich des Transports von Flüssigkeiten im Handgepäck machten eine weitere Terminalerweiterung notwendig, da nunmehr größere Scanner eingeführt und untergebracht werden mussten. Im Zuge des Umbaus sollten ebenfalls Pavillons mit bzw. ohne Marktplatzanbindung gebaut werden um zukünftige Einnahmeverluste möglichst zu vermeiden, obwohl diese die größten Umbaumaßnahmen und somit auch erhebliche Kosten mit sich zogen. Dies zeigt sich in einem darin begründeten einjährigen Baustopp für diesen Teilbereich, da der Umplanungsbedarf etwa 10 Prozent der gesamten Terminalfläche veranschlagte (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

 

 

 

Auswirkung der Änderungsanträge

Die erfolgten Änderungsanträge durch Stakeholder sind nicht alleinig für die ausufernden Umbaumaßnahmen des Flughafens BER verantwortlich. Fehlkalkulationen wie das berechnete Verkehrsaufkommen über die Dauer der Baumaßnahmen führten zu umfangreichen Planungsänderungen. Ebenfalls musste sich den strengeren EU-Sicherheitsbestimmungen angepasst werden, die neue Technik notwendig machten. Dennoch tragen Änderungswünsche vor allem der Airlines, aber auch des Top Managements einen großen Teil zu den verzögerten Baumaßnahmen und den gesteigerten Kosten bei.

Durch die Akkumulation der Änderungsanträge, die immer auch Auswirkung auf andere Bereiche der Bauplanung hatten, häuften sich technische Probleme. “Dadurch, dass man Änderungen gemacht hat, dass man zusätzliche Gebäude gemacht hat, wie diese Piers, wurde natürlich auch die TGA [technische Gebäudeausstattung] – unter anderem – mit vergrößert, und das musste dann immer angepasst werden” (Manfred Körtgen; Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Ein weiterer Grund ist durchaus auch die Tatsache, dass Änderungswünsche ohne Einbeziehung der Geschäftsführung umgesetzt werden konnten, solange diese gegenüber dem Baubereich der Flughafengesellschaft angemeldet wurden. Zudem fehlte eine Plan- und Schnittstellenkoordinierung trotz ständiger Planungsänderungen (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016). Dies führte zu mangelnder Koordination der Aktivitäten sowie einem gestörten Informationsfluss innerhalb des Projektes, der den korrekten Überblick über Projektplanung und Kosten hinderte. Verdeutlicht wird dies durch die Aussage des jetzigen Geschäftsführers Engelbert Lütke-Daldrup: “Im Jahre 2010/2011 hat keine funktionsfähige Koordinierung der Planung mehr stattgefunden. Wir haben Gebäudeteile identifiziert, wo sie 10 verschiedene Planungsstände hatte, und ein 11. Zustand verbaut wurde…” (Spiegel TV, 2017).

Zusätzlich waren “von den über 500 Änderungswünschen des Bauherrn […] 6 so gravierend, dass […] neue Bauanträge [gestellt werden mussten]” (Hans-Joachim Paap; Abgeordnetenhaus Berlin, 2016). Dadurch lässt sich feststellen, dass die Änderungsanträge auch einen erheblichen Einfluss auf die Dauer des Projektes hatten und somit Neuansetzungen der Eröffnungstermine begründeten. Da bei dem Versuch, den angesetzten Termin vom 30. Oktober 2011 zu halten, Bauausführungsleistungen vorzeitig vergeben wurden, basierte die technische Gebäudeausstattung erstmals auf dem Stand der Entwurfsplanung (Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Personelle Änderungen

Auch die zahlreichen Neubesetzungen der Stellen in der Führungsebene sind als Änderungsforderungen von Stakeholdern zu verstehen, da mit jeder neuen Besetzung die Hoffnung eines Kurswechsels verbunden ist. Dabei waren es vor allem die Länder Berlin und Brandenburg die durch ihre Vertreter im Aufsichtsrat immer wieder ihre neuen Kandidaten auf die wichtigen Posten setzten. Zwischen 2005 bis 2017 wurde die Stelle des BER-Chefs drei mal neu besetzt. Diese Neubesetzungen zogen oft weitere personelle Änderungen nach sich. Die mehrfachen Entlassungen der verschiedenen Technikchefs, die insbesondere den Ausbau der Fluggastterminals beaufsichtigten, sind als relevantestes Beispiel aufzuführen. Fraglich ist, wie stark sich die personellen Änderungen an höchster Stelle auf die Planung und deren Durchsetzung beim Bau des BER auswirkten.

Fortsetzung folgt?

Die 19 Jahre Planungs- und Bauzeit des BER lassen sich trotz vieler Personalwechsel und aktualisierter EU-Sicherheitsrichtlinien hauptsächlich auf die große Anzahl von Änderungsanträgen sowie der fehlenden Plan- und Schnittstellenkoordination zurückführen.

Dadurch, dass die Planänderungen große Auswirkungen auf den Rest des Bauvorhabens hatten, kam es zu einer Akkumulation von Problemen. Dies wurde unter anderem durch die Möglichkeit begünstigt, dass solche Änderungen anfangs ohne den Einbezug der Geschäftsführung durchführbar waren. Da mehrere Baupläne zur gleichen Zeit vorlagen und es an einem Generalbauunternehmen fehlte, gestaltete sich der Überblick über die Projektplanung äußerst unübersichtlich und schwer nachvollziehbar. In der Konsequenz dessen und der Tatsache, dass mangels Baugenehmigung favorisiert veraltete Planungen durchgeführt wurden, um Termine bezüglich der Eröffnung des Flughafens einzuhalten, wurden die Kosten des Bauprojekts enorm in die Höhe getrieben.

Die Frage, ob nun mit dem neuen Geschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup endlich ein Ende des “Planungschaos” in Sicht ist, werden die zukünftigen Entwicklungen bis zum neu angesetzten Eröffnungstermin im Oktober 2020 zeigen.

 

 

Quellen

Abgeordnetenhaus Berlin (2016). Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin. [online] Berlin. Available at: https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002AD428/vwContentbyKey/206D70E8863C06F9C12580C60051E19A/$FILE/d17-3000.pdf [Accessed 17 May 2018].

Berliner Zeitung. (2018). BER-Eröffnungstermin: Flughafenchef Daldrup versucht Zweifel auszuräumen. [online] Available at: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/ber-eroeffnungstermin-flughafenchef-daldrup-versucht-zweifel-auszuraeumen-29905414 [Accessed 17 May 2018].

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