Previously at BER

Seit 15 Minuten rollen wir schon mit der Boeing 737 Richtung Startbahn und der Blick auf meine Uhr lässt mich daran zweifeln, ob ich es überhaupt noch rechtzeitig nach London schaffe. Bei dem Versuch wieder eine halbwegs bequeme Position – auf dem per Zufall zugeteilten Mittelsitz – einzunehmen, fällt mein Blick nach links durch das kleine Fenster. Nicht allzu weit entfernt erblicke ich den neuen Hauptstadtflughafen BER. Das Terminal sieht von hier auch ziemlich fertig aus, denke ich mir…

Mir stellt sich dann nur noch die Frage, wieso ich im Jahre 2018 immer noch in Schönefeld in mein Flugzeug steige, um dann 20 Minuten zur südlichen Startbahn des neuen Hauptstadtflughafens zu rollen.

Das ist jedoch genau das Problem, der neue Hauptstadtflughafen ist noch nicht fertig. Technische Mängel und Fehler hindern die Flughafengesellschaft seit Jahren daran den operativen Betrieb des Flughafens aufzunehmen.

1,3 Millionen Euro kostet das umstrittene Projekt den Steuerzahler im Schnitt pro Tag, knapp 400 Millionen Euro jährlich, aber geflogen wird immer noch von Tegel und Schönefeld.

Alles begann vor knapp 12 Jahren, mit dem ersten Spartenstich am 5. September 2006, der die Baustelle des BER, damals noch BBI, eröffnete. Die erste fest terminierte Eröffnung des Flughafens sollte am 30. Oktober 2011 stattfinden. In den Monaten kurz vor der geplanten Inbetriebnahme wurde von freiwilligen Berlinerinnen und Berlinern der gesamte Betrieb simuliert und schon währenddessen zeigten sich die ersten HelferInnen skeptisch, ob der kurz darauf geplante Eröffnungstermin noch zu realisieren sei. Kurze Zeit später folgte jedoch Gewissheit: Die Eröffnung wurde abgesagt und auf den 3. Juni 2012 verschoben.

Was seitdem passierte, wissen die meisten. Es folgte eine Terminverschiebung nach der anderen und die Rotation der Verantwortlichen nahm ihren Lauf.

Im Jahr 2010 ging eine der Planungsgesellschaften der PG BBI  – das Ingenieursbüro Kruck – insolvent, wohl einer der Hauptgründe für die Verschiebung der Eröffnung. Leider konnte auch der folgende Termin für den 3. Juni 2012 nicht eingehalten werden, da sich nun die komplexe Brandschutz- inkl. Sprinkleranlage nicht mehr steuern ließ und somit nicht funktionierte. Im September 2015 ist laut Spiegel bekannt geworden, dass 600 Brandschutzwände eingerissen oder verstärkt werden müssten, da diese sonst nicht die Funktion eines Brandschutzes erfüllen würden.

Aber nicht nur die Brandschutzanlage, sondern auch die mit dem Brandschutz verbundene Entrauchungsanlage konnte nicht erwartungsgemäß in Betrieb genommen werden.

Jene sichert im Brandfall für 15 Minuten einen ca. zweieinhalb Meter hohen, rauchfreien Korridor mit dessen Hilfe die Reisenden sicher evakuiert werden können.

Doch in diesem Zusammenhang bereiten auch die elektronisch gesteuerten Türen den Verantwortlichen Probleme. Sie müssen im Brandfall ordnungsgemäß geschlossen werden, um eine planmäßige Entrauchung zu ermöglichen. Natürlich ist es auch im regulären Betrieb von Vorteil, wenn sich die Türen auf Befehl öffnen lassen, um den Fluggästen einen reibungslosen Ablauf im Terminal zu gewährleisten.

Ärger bereiten auch die auf den Dächern installierten Rauchgasventilatoren, deren Gewicht sich nach Angaben der Berliner Zeitung auf 4061 kg pro Stück beläuft. Dies ist schlichtweg zu schwer für das empfindliche BER-Gebäude, dessen Dach bereits droht einzustürzen.

Dabei wäre der Brandschutz schon zur damaligen Zeit bitter nötig gewesen. Schließlich verlegte man so viele Kabel in den Kabeltrassen, dass die dadurch entstehende Hitze teilweise zu ernsthaften Problemen führte.

Obwohl keine Flugzeuge abhoben und keine Passagiere abgefertigt wurden, strahlte der BER Tag und Nacht in vollem Glanze. Hierbei brannten, Informationen der Berliner Zeitung zufolge, auf einer Fläche von über 300.000qm ununterbrochen Licht. Der zu diesem Zeitpunkt verantwortliche Baugeschäftsführer, Horst Amann, erklärte: „Auch das hat damit zu tun, dass wir mit der Leittechnik nicht so weit sind, dass wir es steuern können“.

Erst eine Brandschutzanlage, welche nicht funktionierte und nun Licht ohne Lichtschalter. Was kommt als nächstes? Zu kurze Rolltreppen? Richtig, ebenfalls im Sommer 2013 kam heraus, dass man als Flughafengast die letzten Stufen zur nächsten Etage eigenständig über Steinstufen bewältigen muss. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass zu kurze Rolltreppen bestellt wurden. Da ein Neukauf zu teuer gewesen wäre, wurde sich mehr oder weniger kreativ an der Lösung des Rolltreppenproblems versucht.

Zugegeben bei solchen Großprojekten läuft nicht immer alles glatt und es ist eher die Ausnahme, wenn mal alles reibungslos verläuft, bis auf welche in Asien, wo so ziemlich alles planmäßig auf den Punkt fertiggestellt wird.

Die folgenden Mängel erfordern jedoch viel Vorstellungskraft einer jeden LeserIn.

2013 wurde bekannt, dass den Räumen im Hauptstadtflughafen keine Nummern gegeben werden konnten. Der Grund: Durch die Vergrößerung des Flughafens entstanden auch mehr Räume, jedoch war das ursprüngliche System für die Bezifferung nicht dafür ausgelegt, erweitert zu werden. Lediglich die ursprünglich geplante Anzahl an Räumen konnte beziffert werden.

Und selbst die Grünflächengestaltung machte Probleme. Wie die Welt berichtete, wurden knapp 1.000 Bäume falsch gepflanzt und mussten zum Teil wieder ausgebuddelt werden.

Und es ist auch besonders bitter für die bei den Berlinern so in Ungnade gefallene S-Bahn der Deutschen Bahn. Da schafft man es einmal 2012 in einer Rekordzeit den BER doch noch an das Schienennetz anzuschließen und dann entstehen so viele Probleme bei dem Bau des Flughafens selbst. Seitdem fallen seit sechs Jahren monatlich zwei Millionen Euro an Kosten an, nur um Züge durch den sonst menschenleeren Flughafen zu jagen, damit der Bahnhof frische Luft bekommt und nicht verrottet.

Doch wer für die Entstehung der technischen Mängel zur Rechenschaft gezogen werden muss, wird sich in weiterer Recherche zeigen… Bis dahin sollten wir uns zunächst einmal alle glücklich schätzen, dass wenigstens unsere S-Bahn zum BER fahren kann, auch wenn sie vermutlich mal wieder zu spät kommt.

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