„Das ist ein Perpetuum mobile politischen Versagens.“

 

Stefan Evers, Generalsekretär der CDU Berlin, im Interview

Stefan Evers ist Generalsekretär der CDU Berlin. Prägnant und stichhaltig berichtend konnten wir ihn beim Interview im Henry-Ford-Bau unserer Freien Universität erleben. Überraschend ehrlich berichtete er über den Untersuchungsausschuss und seine Erkenntnisse und vor allem Lehren, welche man aus diesem ziehen sollte.

2011 gelangte die CDU in die Regierungsverantwortung. Evers war frisch gewählt, er hatte damals vor allem mit den Planungsvorhaben Berlins zu tun. Schon innerhalb der Koalitionsverhandlungen wurde der BER als wichtigstes Infrastrukturprojekt der Region vorausgesetzt. Unerwartet kam der Tag der Absage der Flughafeneröffnung, welcher nach Evers Wahrnehmung damals noch nicht absehbar war.

„Nach der Verschiebung hat sich relativ bald ergeben, dass die Tragweite deutlich größer ist als wir es am Anfang gesehen haben. Es ist ja eine kurze Verschiebung, dann eine Längere und dann wurde gar kein Eröffnungstermin mehr in den Raum gestellt und das war dann auch der Zeitpunkt, als klar war, wir werden uns in ganz anderer Art und Weise, nämlich in Form eines Untersuchungsausschusses mit dem Projekt auseinandersetzen müssen.“, so Evers.

Evers wurde bei der Einberufung des Untersuchungsausschusses im Jahr 2012 Obmann, er war Sprecher und übernahm die Koordination für die CDU-Fraktion in diesem Ausschuss. Der Ausschuss tagte bis zum Ende der Legislaturperiode, ganze vier Jahre befasste sich Evers mit diesem.

  „Vier Jahre meines Lebens  habe ich tatsächlich mit dem Untersuchungsausschuss verbracht.“

 

 Nun berichtet er uns im Jahr 2018 über den BER, welcher immer noch ein relevantes Thema darstellt. Seiner Meinung nach nicht nur ein politisch relevantes Thema, sondern auch ein Thema für alle über Parteigrenzen hinweg Interessierten. Zudem berichtet er uns über den Untersuchungsausschuss:

Das ist das schärfste Schwert, was das Parlament in seinem Kontrollrecht hat.“

 

Haben sie nicht permanent mit den Erinnerungslücken der Beteiligten zu tun gehabt?

Jain. Richtig ist, dass wir durchaus mit Erinnerungslücken zu tun hatten und das war auch Teil des Problems unseres Ausschusses. Ich konnte den Piraten nicht vergeben, dass sie den Untersuchungsauftrag für den Untersuchungsausschuss sehr weit in die Vergangenheit formulierten. Wir wollten uns vor allem mit der Frage beschäftigen, was eigentlich in den Jahren 2008 bis 2012 schief gelaufen ist, so reichte der Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses tatsächlich bis in die 90er Jahre. Man hatte den kompletten Urschleim dieses Flughafenprojektes vorliegen. Dazu gab schon andere Untersuchungsausschüsse, diverse Gerichtsverfahren und das Planfeststellungsverfahren. Wir hatten keinen weiteren Mangel an Erkenntnissen, denn man hätte alles nachlesen können. Tatsächlich haben wir uns mit Leuten wie Eberhardt Diepgen etc., den Urvätern dieses Projekts in den 90er Jahren, beschäftigt. Das hat uns unendlich viel Zeit gekostet, welche man anders hätte einsetzen können. Wir hätten später einsetzen müssen mit unserem Auftrag und uns nicht mit den zehn Jahren vorher beschäftigen sollen. Das war damals ein Konstruktionsfehler des damaligen Ausschusses. Es ging einfach zu weit in die Vergangenheit.

Von vielen Gutachtern wurde der Flughafen Schönefeld als schlechtester Standort deklariert. Was sagen sie dazu und warum richtete sich die Entscheidung damals gegen Sperenberg?

Die politische Auseinandersetzung fand unter mehreren Gesichtspunkten statt. Es gibt die Brandenburgischen und es gibt Berliner Interessen. Das Berliner Interesse ist natürlich auch ein großes Maß an flughafenbezogener Wertschöpfung innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Das heißt der Flughafenstandort wie er jetzt gewählt ist führt nicht zu bequemlicher Erreichbarkeit. Aus egoistischen Berliner Gesichtspunkten führt er dazu, dass ein Hotel Estrel, der gesamte Kongresstandort dort, erblühen wird. Denn er liegt wenige Autobahnkilometer weit vom Flughafen entfernt und Unternehmensansiedlungen finden innerhalb der Landesgrenzen statt. Arbeitsplätze würden in Brandenburg liegen und weniger in Berlin. Das ist politisch ein nachvollziehbarer Gesichtspunkt der damaligen Entscheidungen. Das es aus heutiger Sicht klügere Standorte gegeben hätte ist unbenommen. Niemand nahm damals wahr, wo wir stehen. Wo die Stadt heute steht, mit welchem Passagierzahlaufkommen wir es zu tun haben. Dazu hat uns noch die Entwicklung überholt. Wir sind heute dabei, einen Flughafen zu stellen, der den heutigen Anforderungen überhaupt nicht mehr gerecht werden kann, da er viel zu klein ist. Wir reden noch bevor er eröffnet von einer Erweiterung. Hätte man damals gewusst, mit welchen Zahlungen wir damals zu tun haben, hätte man glaube ich die Frage Tegel und Flughafenstandort ganz anders diskutiert. Das wusste man aber nicht und deswegen kann ich mich nur in die Köpfe der damals Beteiligten hineinversetzen und kann verstehen, dass der Regierende Bürgermeister die Arbeitsplätze der Berliner und an das Steueraufkommen aufgrund des Infrastrukturaufkommens fördern wollte.

Auf der Website der CDU ist zu sehen, dass viele aus der Landespolitik der CDU eine Teilprivatisierung fordern. Worin begründen sich diese gegenüber den anderen Stakeholdern und wer würde so einen Chaosflughafen überhaupt noch kaufen wollen?

Ich glaube, dass die Politik Teil des Problems ist. Wir haben es mit keinem Anteilseigner zu tun, der frei von politischen Interessen ist. Eine Vollprivatisierung finde ich falsch, weil ein Infrastrukturvorhaben immer auch ein Teil öffentlicher Daseinsvorsorge ist. Gleichzeitig denke ich, dass das Interesse nützlich ist, welches ein privater Investor in ein solches Projekt trägt, weil er nicht an unerschöpflichen Steuerquellen sitzt. Der Investor schaut natürlich anders auf Zahlen, Missstände, etc., als es ein politischer Entscheidungsträger tut.

„Ich glaube, dass die Politik Teil des Problems ist.“

 

Das ist der große, entscheidende Unterschied zwischen jedem privaten und einem öffentlichen Anteilseigner. Jemand der wirtschaftlich scheitern kann geht bei einem solchen Projekt anders an die Prüfung heran, als es die öffentliche Hand tut.

Wer wird es kaufen? Es gibt eine Reihe von Interessenten, welche ein großes Interesse an langläufigen Infrastrukturinvestitionen mit niedriger Rendite haben. Das ist kein Projekt mit dem man reich wird.

Was sagen sie zu den Vorwürfen der Grünen, dass im Untersuchungsausschuss zum BER vermehrt versucht wurde strategische Erwägungen in die Planung der Sitzung einzubringen?  Zum Beispiel wurden Politiker, welche sich in Untersuchungsausschüssen absehbar kritischen Fragen hätten stellen müssen, nicht vor einer Wahl geladen.

Ein Untersuchungsausschuss ist trotz allem, was ich beschrieben habe in Sachen Schicksalsgemeinschaft (Im Bezug auf die Schicksalsgemeinschaft betonte Evers, dass die Grenzen zwischen den Fraktionen im Untersuchungsausschuss verschwimmen. Daher werden Probleme eher gemeinsam gelöst.) auch ein politisches Gremium, das niemals frei ist von solchen Interessenlagen. Das merken sie gerade bei Diskussionen zum neuen Untersuchungsausschuss des BER. Natürlich ist das auch immer eine politische Auseinandersetzung, die unter dem Gesichtspunkt stattfindet, was eine Regierung löst und welche Möglichkeiten die Opposition wahrnimmt, ihre Interessen auch öffentlich zu platzieren. Wichtig ist, solche Zeiten sind immer ein politisches Thema, aber ob ich jetzt jemanden vor oder nach der Wahl vernehme – bei dieser Langläufigkeit des Themas ändert das im Ergebnis des Auftrags relativ wenig.

Im Bezug auf den neuen Untersuchungsausschuss reden wir immer von Kontrolle und Transparenz. Es gab davor schon einen Untersuchungsausschuss. Wie will man jetzt sicherstellen, dass mehr Fakten zum Vorschein kommen?

Es wäre sozusagen ein neuer Zeitraum. Wir würden nicht nochmal das Gleiche untersuchen. Der Untersuchungsauftrag setzt genau da an, wo der Alte endete. Man schaut sich also alles an, was seitdem passiert ist und er ist inhaltlich weiter gefasst. Themen werden erfasst, welche wir damals gar nicht debattierten, wie die Notwendigkeit von Erweiterungen, die Planung von Erweiterungen, die Frage: „Wie geht man mit einem Volksentscheid in dem Zusammenhang eigentlich um und was ist dort teilweise auch missachtet worden?“. Unter anderem geht es um Herrn Lütke Daldrup, Herrn Müller und so weiter. Das nächste Kapitel dieser unendlichen Geschichte.

Warum die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses? Da sind wir wieder bei der Frage, was ist das sinnvollste Instrument, Sonderausschuss oder Untersuchungsausschuss? Der Sonderausschuss lief nach den Berliner Spielregeln ab. Es ist das ineffizienteste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Es sitzen sechs Fraktionen in einer Anhörung. Dann haben alle ihre Fragen und wollen ein Statement loswerden. Eine Stunde lang begründen diese sechs Fraktionen ihre Fragen. Danach wird in den letzten zehn Minuten der Sitzung versucht, die vor einer Stunde gestellten Fragen zu beantworten. Dreiviertel der Fragen fallen unter den Tisch, es bleibt alles beim Allgemeinen. Das passiert im Untersuchungsausschuss nicht. Das ist eine Face-to-Face-Situation. Ich frage nach, bis ich das weiß, was ich wissen wollte. Das ist in allen anderen Parlamentsvorhaben nicht der Fall. Der Sonderausschuss und alle andere Formen parlamentarischer Anhörung sind Zeitverschwendung, jedenfalls nach Berliner Spielregeln. Ich glaube das Berliner Parlament ist in dieser Hinsicht unprofessioneller als andere.

Sie sagten, dass der Untersuchungsausschuss ein sehr starkes Element ist, auch der Oppositionsparteien zur Ausübung ihrer politischen Pflichten. Aber letztendlich untersucht man immer nur eine Vergangenheits- situation. Hat sich letztendlich etwas konkret verändert am BER durch den Untersuchungsausschuss? Ist der Untersuchungsausschuss eher ein direktes oder indirektes Instrument?

Ein direktes, insofern, dass hier schon ein sehr großes Maß an Öffentlichkeit eine Rolle spielt. Man könnte jetzt sagen: „Wann ist denn Klaus Wowereit zurückgetreten?“ Das hat sehr viel mit Druck zu tun, der politisch rund um dieses Projekt in Berlin, grade auch durch den Untersuchungsausschuss zustande kam. Was ich mir nicht habe vorstellen können. Wir haben 2016 Wahlkampf  geführt, zu den Punkten, zu denen ich parteiintern sagte, das darf auf keinen Fall passieren. Erstens, wir stehen nicht dafür zur Verfügung, dass der Ministerpräsident in den Aufsichtsrat geht. Egal ob wir jemanden stellen oder sonst jemand jemanden stellt und zweitens: „Ich will keine Senatoren in diesem Aufsichtsrat.“

Wir müssen dafür sorgen, dass eins zu eins für die Berliner Seite Vertreter der fachkundigen Verwaltung und auf der anderen Seite auch Externe mit einbezogen werden. Die Grünen formulierten das genauso, die Linken ähnlich. Trotzdem gingen Herr Müller, Herr Lederer und Herr Popp dann in den Aufsichtsrat.

„Ich finde es und fand es bis heute unfassbar, das man dann doch so wenig aus dieser gemeinsamen Arbeit von vier Jahren gelernt hat.“

 

Das ist der Moment, an dem man sich fragt, wieso hat man überhaupt vier Jahre gemeinsam mit Linken und Grünen dort gesessen. Die Opposition war viel schlagfertiger in ihren Formulierungen und ihrer Kritik an der Rolle der Politik. Auf einmal verändern sich die Rollen und die Kritik spielt auf einmal keine Rolle mehr. Ich war auch fassungslos, als man den Staatssekretär zum Flughafengeschäftsführer machte. Ich fand und finde es bis heute unfassbar, das man dann doch so wenig aus dieser gemeinsamen Arbeit von vier Jahren gelernt hat. Zwei Tage die Woche habe ich unfassbar viel Material gewälzt und mich mit den Leuten auseinandergesetzt, am Ende auch Empfehlungen formuliert, was man für Lehren und als Quintessenz daraus zieht. Und anschließend interessiert es niemanden. Unterm Strich stellt man sich schon die Frage: „Wofür macht man das eigentlich?“ Also nicht fehl am Platz die Frage.

Meinen Sie, der neue Untersuchungsausschuss im Bereich Finanzen könnte mehr auslösen oder würde man auch Lehren daraus ziehen, welche im Sand verlaufen?

Der neue Untersuchungsausschuss ist tagesaktueller als der Alte, ich glaube er erhöht die Sensibilität vor allem bei der aktuellen Erweiterungsplanung. Die Frage der Teilprivatisierung des Flughafens haben wir geprüft und auch eine Marktuntersuchung gemacht. Die gleiche Frage stellt sich für die Offenhaltung Tegels. Jedes private Unternehmen, welches keinem politischen Diktat unterliegt, hätte für sich sämtliche Varianten eines für sein Geschäft sinnvollen Flughafenkonzeptes geprüft. Der heutige Flughafenchef in Bremen und damaliger Leiter Operations des Flughafens Tegel als auch von Schönefeld erwähnte mehrmals, dass der jetzige Flughafen mit seiner Ausrichtung und Kapazität nicht tragbar ist. Er betonte, dass Tegel mindestens länger, wenn nicht auf Dauer gebraucht wird. Das teilte er jahrelang schon der Geschäftsführung mit und es interessierte keinen.

Neue Themen sind also solche, welche die ganze Zeit beim Thema Kapazitätsentwicklung über ausgeblendet wurden. Das tat der alte Ausschuss nicht. Es besteht die Chance durch kritisches Hinterfragen im Untersuchungsausschuss mit einer größeren Gewissheit die Erweiterungsplanung stattfinden zu lassen. Mir erschließt sich nicht, dass auf einmal kurz vor dem Volksentscheid Tegel der Masterplan zur Flughafenerweiterung solide kalkuliert sein soll. Das kann nicht stimmten. Im Untersuchungsausschuss erfahre ich eher als in jedem anderen Format, was die Beteiligten zu sagen haben.

Was tun sie als Partei dafür, dass der Flughafen bis 2020 fertig gestellt wird?  Es gibt die Diskussion des stetigen Kapazitätsanstiegs. Die Kalkulationen sagen bis 2030 ein jährliches Aufkommen von jährlich 50 Millionen Passagieren voraus. Sind sie für eine Offenhaltung Tegels oder langfristig für eine dritte Start- und Landebahn um das Problem zu bewältigen?

Ich hätte mir bis vor einigen Jahren nicht vorstellen können, für eine Offenhaltung Tegels zu plädieren. Vor allem aus dem einfachen Grund, dass ich es für juristisch unmöglich hielt. Ich habe mich abspeisen lassen. Ich bin selbst Jurist. Jedoch bin ich kein Experte in Sachen Flughafenplanung und Planungsrecht und ich habe mich nie in dieser Tiefe mit der Frage beschäftigt. Uns wurde mitgeteilt, dass bei einer Offenhaltung Tegels der BER schließen müsse. Dies würde der Planfeststellungsbeschluss so regeln. Ich ärgere mich bis heute darüber, weshalb wir das nicht weiter und kritischer hinterfragten. Man kann Tegel unter bestimmten Voraussetzungen offen halten. Die alles entscheidende Voraussetzung ist der Nachweis, dass der neue Flughafen zu klein ist. Das muss handfest nachgewiesen sein. Wenn das nachgewiesen ist, dann ist auch der Weiterbetrieb von Tegel juristisch machbar. Das ist jetzt die neue politische Glaubensfrage. Wird die neue Erweiterungsplanung ausreichen, das aufzufangen? Ja oder nein? Ich sage vielleicht. Aber nicht so schnell wie wir es bräuchten. Daher bin ich für eine Offenhaltung Tegels. Nicht in seinem heutigen Format, denn das wäre für den Flughafenbetrieb ein echtes Problem. Ich glaube, man kann Tegel weiter betreiben, aber man darf nicht mehr alle Maschinengrößen zulassen. Deswegen wird sich nach der Eröffnung ein Großteil des Betriebs auf Schönefeld verlagern und sich nicht mehr in Tegel abspielen. Zudem muss mit einem stärkeren Nachtflugverbot gearbeitet werden, schon im Sinne der Anwohnerschaft.

Sie sprachen an, dass die Gesellschafterstrukturen und die Kleinteiligkeit der Aufgaben oder der Projektvergabe kritisch waren. Wie funktioniert der Informations- und Kommunikationsfluss unter den Stakeholdern und den Parteien im Bezug auf das BER-Projekt konkret? Können sie das beschreiben?

Das kann ich vom heutigen Stand nicht beurteilen, was die Projektbeteiligten angeht. Wir sind nicht Teil davon. Wir sind als Parlament dann ein Teil, wenn uns gegenüber Rechenschaft abgelegt wird. Das wird vom Senat gerichtlich gegenüber der Flughafengesellschaft getan. Wir haben keine unmittelbare Berührung mit den Projektbeteiligten der Umsetzung. Die hatten wir damals im Untersuchungsausschuss, aber in der Regel sind wir auch heute nicht in einem regelmäßigen Austausch mit den Beteiligten. Unser Ansprechpartner ist die Senatsverwaltung, die delegiert das dann an die Flughafengeschäftsführung und daher bekommen wir unbefriedigende Antworten. Das ist in aller Regel hinhaltend. Daneben organisiert man sich seine eigenen Zugänge. Wenn ich darüber spreche, was ich aus der Flughafengesellschaft weiß, dann über Gesprächspartner, die im Aufsichtsrat an uns herangetreten sind. Menschen, ähnlich eines Whistleblowers, wenden sich an uns und machen uns auf bestimmte Themen aufmerksam. Das ist aber kein solides Fundament für eine Einschätzung. Ich kann nur ein Gefühl ableiten aus der intensiven Beschäftigung mit der Zeit vorher. Das ist kein Gutes.

Die Hamburger haben aus der Elbphilharmonie gelernt und haben eine Projektmanagementabteilung eingerichtet. Halten Sie das auch sinnvoll für Berlin, nachdem das mit dem BER schief gegangen ist?

Die Elbphilharmonie ist das Beispiel dafür, dass auch mit der Generalunternehmerschaft nicht alles Gold ist, was glänzt. Es war eines der großen Probleme, jedoch gab es in Hamburg auch noch schlechte Verträge. Wir haben auch hier darauf reagiert. Zum Beispiel haben wir heute in der Hochbauverwaltung das Thema Management von Großprojekten anders strukturiert. Das Kostenmanagement funktioniert nun anders. Die Puffer für Unvorhergesehenes sind anders gesetzt, als das beim BER und der Staatsoper der Fall war. Wir haben schon viele Lehren für Großprojekte daraus gezogen. Ich wünschte wir hätten weitere daraus gezogen, unter anderem einen Parlamentsausschuss für Großvorhaben zu spezialisieren. Wenn man nur anderthalb Jahre mit irgendeinem Projekt zu tun hat in irgendeiner Sitzung, dann ist das nicht wirklich Expertise mit der man da aufwartet. Daher schlagen wir vor, einen eigenen „Unterausschuss Bau“ zu schaffen, welcher sich kontinuierlich mit den Großbauvorhaben beschäftigt und dem Untersuchungsausschuss ähnliche Verfahrensweisen aufweist. Dem Parlament muss die Möglichkeit gegeben werden, Anhörungen anders zu strukturieren. Man sollte einen spezialisierten Ausschuss einsetzen, welcher tatsächlich nachfragt und in direkter Konfrontation von Abgeordneten und Befragten Erhellung bringt. Ansonsten kann man sich das schenken.

Wieso gibt es so häufig Wechsel an der Führungsspitze der BER Gesellschaft, ist das notwendig? Hatten sie als Partei auch Einfluss auf die Wechsel?

Natürlich hatten wir Aufsichtsratsmitglieder im Aufsichtsrat. Da sind wir wieder bei der Frage, ob die Partei überhaupt auf einen Aufsichtsrat Einfluss nehmen will. Meine politischen Gesichtspunkte haben in der Aufsichtsfunktion der Flughafengesellschaft gar nichts verloren. Da gehört jemand hin, der von der Materie Ahnung hat und der am besten beurteilt, ob jemand in so einer Funktion richtig ist oder nicht. Ich habe eben schon argumentiert, dass manche Entlassung politisch motiviert war. Wir haben alle danach gerufen, dass Herr Schwarz geht, das Gesicht des Desasters. Ich habe aber eben schon die Aufgabenteilung der Geschäftsführung beschrieben. Der Mann war überhaupt nicht zuständig für diesen Flughafenbau, sondern ausschließlich für das operative Flughafengeschäft und das lief wunderbar.

Evers erwähnt weiter, dass Schwarz‘ Kündigung vor Gericht keinen Bestand hatte. Er betont weiter, das Schwarz maßgeblich verantwortlich ist, weil er durch diese dominante Rolle in der Geschäftsführung immer wieder seinem Co-Geschäftsführer Dinge abnötigte. Formal trüge Schwarz keinerlei Verantwortung für das Desaster. „Er ist nur gekündigt worden, was am Ende eine politische Entscheidung war, weil man jemanden brauchte, der seinen Kopf hinhält.“ Damit hätte man denjenigen „verloren“ der im operativen Bereich das Schwergewicht der Flughafengesellschaft war.

In Bezug auf Mühlenfeld erwähnt Evers, dass er die Personalentscheidung nicht verstünde, da Mühlenfeld von Bombardier kam und nie etwas mit Flughäfen zu tun hatte. „Das ist leicht zu polemisieren. Jedoch ist Mühlenfeld mehr für Sozialdemokratie. Der Chef eines anderen Flughafens, welcher sich bewarb, hatte hervorragende Zahlen, aber ein CDU-Parteibuch. Das mag eine Rolle gespielt haben. Da sind wir wieder bei der Politik und deren Einfluss auf Personalentscheidungen der Flughafengesellschaft.“, so Evers.

Laut Evers war der damalige technische Geschäftsführer Marx auch eine Fehlbesetzung. „Das hat Mühlenfeld dann irgendwann erkannt und wollte sich von Marx trennen“, so Evers. Evers erklärt, dass Michael Müller als Aufsichtsratsvorsitzender das Thema politisch eskalierte. Er betonte, dass man Marx nicht hätte ziehen lassen sollen, da ohne diesen der Flughafen niemals fertig würde. Müller hätte Mühlenfeld öffentlich vorgeführt und vor die Tür gesetzt um anschließend seinen Staatssekretär zum Flughafenchef zu machen.

Evers zieht den Schluss, dass Lütke Daldrup zu demselben Ergebnis wie Mühlenfeld kam, dass eine Schwachstelle im Personal existiere, Lütke Daldrup deswegen aber nicht gefeuert würde. „Wir haben absurde Geschichten regelmäßig über Schlüsselpersonalfragen gehört, die keinen mehr interessieren. Da hat niemand mehr ein Interesse an den neuesten Fehlentwicklungen, weil er das alles schon 20 Mal gelesen hat. Das ist ein Perpetuum mobile politischen Versagens.“, so Evers.

Was würden sie sagen, welche Rolle spielen die Medien in diesem Kontext?

Aufklären, recherchieren, investigativ in die Gesellschaft hineinwirken. Einerseits haben wir den Medien viel zu verdanken, weil wir durch sie auf viele Entwicklungen erst aufmerksam wurden. Die Medien haben natürlich nochmal andere Zugänge als die Abgeordneten. Andererseits ist das Übermaß an politischer Aufmerksamkeit und auch medialer Aufmerksamkeit vorhanden. Dadurch steht auch die Gesellschaft als Ganzes unter ungesundem Druck. Manche schlechten Entscheidungen wurden vermutlich auch deswegen getroffen, weil ein medialer Overkill da war. Wann macht man endlich jemanden verantwortlich usw. und so fort. Das hat natürlich mit den Medien zu tun. Es ist immer eine Frage von Aktion und Reaktion, wenn politische Entscheidungsträger sich so unter Druck sehen, wie z.B. im Fall Schwarz, dass sie gar nicht anders können, als den Generalplaner zu entlassen. Wie ich eben sagte, gibt es einige Journalisten, wie z.B. die des Tagesspiegels, welche tief in das Thema eingearbeitet und richtig gut sind. Sie fungieren ihrerseits für uns als Quellen und Bezugspunkt. Die Sache mit den Medien ist zwiespältig.

Gestehen sie sich als Partei auch Fehler ein und wenn ja, was würden Sie in Bezug auf die Parteiarbeit der CDU anders machen?

Flughafenpolitik ist kein Gegenstand von Parteiarbeit. Ich setze mich mit niemandem hin und überlege, wie ein Flughafen konzipiert sein sollte. Politisch ist auch bei uns eine Reihe von Fehlern passiert. Der erste war, dass man zuließ, dass Klaus Wowereit in den Aufsichtsratsvorsitz zurückging. Tatsächlich sah man sich von Wowereit unter Druck gesetzt, nach dem Motto: „Dann ist die Koalition zu Ende“. Hätte man dies verhindert, so hätte sich die Geschichte mit Müller etc. nicht permanent wiederholt.

Das Zweite ist die Sache Tegel. Es ärgert mich bis heute, dass ich mich von der damaligen Argumentation einfangen ließ. Ich habe nie die Rechtsfrage überprüft, ich nahm es einfach hin. Dies war auch aus politischen Gründen ein gewaltiger Fehler.

Denken sie es gibt Maßnahmen der CDU oder anderer Parteien, die maßgebliche Wirkung gehabt hätten, welche aber aus bestimmten Gründen noch nicht umgesetzt worden sind?

Man könnte Tegel offen halten, wobei das eine extrem komplexe Operation wäre. Zudem muss nachgewiesen werden, ob die Kapazität ausreichen wird. Aber alle Zahlen sprechen dagegen. Dies ist ein wesentlicher Punkt, welchen man politisch entgiften und aus dem Parteienstreit nehmen könnte. Es macht nur niemand mit, weil die FDP sich das so auf die Fahne geschrieben hat. Politisch kann man die Rahmenbedingungen so verändern, dass es dem Flughafen, der Luftfahrt-Wirtschaft, hilft.

Denken Sie, es gibt Maßnahmen der CDU die zu einer Verzögerung des Bau- und Planungsablaufes beigetragen haben? Es gibt die Frage der Fehler, gibt es im Gegensatz dazu auch Erfolge?

Viele von den vorher beschriebenen Fehlentscheidungen sind Maßnahmen, welche zu einer Verzögerung des Bau- und Planungsablaufes geführt haben. Zum Beispiel die Kündigung des Generalplaners mit zwei Jahre dauerndem Zeitverzug. Dadurch gab es viele Pläne nicht mehr und wir mussten diese neu zusammentragen. Es war ein Desaster für unsere Repräsentanz im Aufsichtsrat und als Partei tragen wir dafür auch eine Mitverantwortung. Natürlich haben wir als Partei das nie diskutiert. Es wird nicht vorher in der Partei diskutiert, ob jemand im Aufsichtsrat sitzt. Es wird auch nicht vorher diskutiert, was er für eine Entscheidung im Aufsichtsrat zu treffen hat und wenn dies passiert, dann ist dies ein Teil des Konstruktionsfehlers. Wir als Partei haben nicht die Aufgabe, irgendetwas im Aufsichtsrat zu erledigen. Nicht wir haben die Aufgabe einen Flughafen zu bauen. Das müssen diejenigen tun, die es können. Wir können Einfluss auf die Rahmenbedingungen nehmen und wir haben unseren Teil dazu beigetragen, dass die Rahmenbedingungen schlechter waren, als sie hätten sein müssen.

Und gab es auch Erfolge, bei welchen Sie meinen das haben wir gut gemacht oder da haben wir uns durchgesetzt?

Ich glaube tatsächlich, dass wir unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss ernsthaft betrieben haben. Das war mir auch wichtig. Natürlich habe ich kritisches über Wowereit gesagt, was auch wichtig war. Ich denke, wir haben richtig gehandelt, wenn wir nicht duckmäuserisch die eigene Koalition schön redeten und so zu taten, als sei alles in Butter. In einer neuen Koalition hätten wir für uns festgelegt, dass wir den Fehler, Wowereit wieder in den Aufsichtsrat zu schicken, nicht mehr machen würden. Das habe ich in das Wahlprogramm aufgenommen und das war mir auch wichtig. Wir schicken keine neuen Senatoren mehr in den Aufsichtsrat.

„Auch das ist Berliner Geschichte.“

 

Wir sind nicht mehr in der Regierung. Keine Ahnung, ob wir nochmal weich gekocht worden wären. Nachdem selbst Grüne und Linke weich gekocht wurden, wären wir ja vielleicht auch wieder weich gekocht worden. Hier haben die Sozialdemokraten genau so gehandelt, wie sie es mit uns taten. Fand ich schon ein Rührstück das die Sozies wieder das gleiche Ding durchziehen, wie sie es damals mit uns auch durchgezogen haben. Auch das ist Berliner Geschichte.

Vielen Dank Herr Evers für das Interview!

 

 

 

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