Das „Flughafendilemma“ in Berlin – Wie gut lässt es sich als Fluggesellschaft mit dem Standort Berlin planen?

Der BER hat sich seit dem ersten verschobenen Eröffnungstermin zu einem hochbrisanten politischen Thema entwickelt. Der öffentliche Diskurs wird bisher zu großen Teilen von den politischen Parteien und ihren Standpunkten dominiert. Dadurch gerät eine andere entscheidende Stakeholder-Gruppe in den Hintergrund, die jedoch als spätere Nutzer des Flughafens bedeutend sind: Die Fluggesellschaften. Um auch die Sicht einer Fluggesellschaft auf das Großprojekt BER einzufangen, hatten wir die Gelegenheit auf ein Interview mit Klaus Marx, seinerseits Regional Station Manager Germany für Air France-KLM.

 Air France-KLM hätte keine großen Pläne mit dem BER, schilderte uns Klaus Marx im Expertengespräch. Dennoch werde der BER laut Marx „verzweifelt gebraucht“, da sich die Infrastruktur des Flughafens Berlin-Tegel nicht mehr an die Anforderungen des modernen Luftverkehrs anpassen ließe. Am TXL arbeite man am Kapazitätsmaximum, die Nutzung werde jeden Tag schwieriger. Ist der Flughafen BER also die Lösung des Flughafeninfrastruktur- und Kapazitätsproblems am Standort Berlin?

Aktuell muss man diese Frage verneinen. So bemängelte Klaus Marx im Interview, dass es bisher am BER kaum Self-Service Facilities, wie etwa die Möglichkeit eines Self Check-Ins oder Self Baggage Drops für die Flugreisenden, gebe. Der zu Projektbeginn beteiligte Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa wies darüber hinaus im Interview darauf hin, dass mit den acht Gepäckausgabebändern am BER vielleicht acht Millionen Flugreisende abgefertigt werden könnten. Aber keine 18 Millionen, für welche sie ursprünglich ausgelegt sein sollten, und erst recht keine 40 Millionen Flugreisende, welche die German Business Aviation Association für 2020 erwartet.

Zudem tritt am Großprojekt BER neben das Infrastrukturproblem und das Kapazitätsproblem auch die Frage, inwiefern nach der Vorstellung des Masterplans 2040 durch Engelbert Lütke Daldrup die rechtliche Zulässigkeit des Projekts BER noch gegeben ist. Neben dem zu Projektbeginn involvierten Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa betonte auch Christine Dorn vom Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V., dass die vorgestellten Ausbaupläne eine erneute Planfeststellungspflicht auslösen könnten. Dem sei so, wenn es sich bei den vorgestellten Plänen um eine Ersetzung der ursprünglichen Pläne handeln würde. Die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow fordert eine Abwägung von Alternativstandorten angesichts von prognostizierten 55 Millionen Flugpassagieren am BER 2040. Sollte durch den Masterplan 2040 eine erneute Planfeststellungspflicht ausgelöst werden, ist eine weitere Verschiebung des anvisierten Eröffnungstermins Oktober 2020 unumgänglich. Herr Faulenbach da Costa bezeichnete den Masterplan 2040 sogar als „finale[n] Torpedo“ für das Großprojekt Flughafen Berlin-Brandenburg. Es zeigt sich also zunächst, dass für die Fluggesellschaften als „Nutzer“ eine hohe Unsicherheit hinsichtlich des Projekts BER besteht. Die zu Projektbeginn für die Planung berücksichtigen Prognosen zur Entwicklung der Fluggastzahlen erweisen sich rückblickend als unzureichend. Der BER wurde einst als „Europe’s most modern Airport“ beworben, erfüllt aber nicht die Anforderungen einer kundenorientierten Fluggesellschaft.

Bisher stehen lediglich ein paar Frachtflugzeuge und Privatjets auf dem Rollfeld des Flughafens BER. Wird der BER in Zukunft strategische Bedeutung für bestimmte Fluggesellschaften haben?

In Anbetracht der Unsicherheit ist es nicht verwunderlich, dass sich die unterschiedlichen Fluggesellschaften eher bedeckt halten, als sich öffentlich zum BER zu positionieren. So sagte auch Klaus Marx von der Air France-KLM: „Wir wollen nicht zu den politischen Spannungen beitragen, die wir bereits haben. Deshalb arbeiten wir sehr wenig profiliert, aber auf einer intensiven und konstruktiven Basis.“ Über die Unterstützung durch den BDF (Bundesverband für Deutsche Fluggesellschaften) und den BARIG (Board of Airline Representatives in Germany) hinausgehend, positioniere man sich nicht öffentlich zum BER, weil daraus keine Mehrwerte für die Fluggesellschaften entstünden. Ryanair hingegen setzte sich in der Vergangenheit öffentlich für den Flughafen-Standort Berlin-Tegel ein, so unterstützte die Airline die Initiative „Berlin braucht Tegel“ finanziell. Klaus Marx von Air France-KLM sieht diese Unterstützung vor allem darin begründet, dass Ryanair überwiegend Direktflüge anbietet und der Flughafen Berlin-Tegel als Zielflughafen für Berlinreisende komfortabel in Innenstadtnähe liegt und der Flughafen unter den Berliner Bürgern sowieso eine hohe Wertschätzung genieße.

Nicht zuletzt dürfte auch die fehlende Einbindung in Planungsprozesse für ein geringes Commitment bei den Airlines gesorgt haben. Gerade die unterschiedlichen Fluggesellschaften hätten als „kritische Nutzer“ in der Vergangenheit wertvollen Input in Planungsprozessen liefern können. Dies sieht auch Klaus Marx als bisher wichtige Lektion: „Von Anfang an alle Stakeholder integrieren. Und mit den Nutzern sprechen.“

Sowohl durch die beschriebene aktuelle Situation in Berlin-Tegel als auch durch die Unsicherheit im Projektverlauf des Flughafens BER wird den Fluggesellschaften eine langfristige Planung mit dem Flughafenstandort Berlin erschwert. In Tegel „wird die Nutzung jeden Tag schwieriger“, hinsichtlich des BERs konstatiert Marx: „Also wir planen mit 2020, aber wir planten auch schon mit 2018, 2017 und 2012.“ Der Flughafenstandort Berlin bleibt auch weiterhin eine große Unbekannte für die Fluggesellschaften.

Wann die ersten Fluggäste vom BER starten können, ist aktuell noch ungewiss.

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