Einfluss der Bürgerinitiativen und Kommunalpolitik betroffener Gemeinden auf den BER – ein Fazit

BERLIN, Deutschland — Zu Beginn der Projektarbeit waren die Meinungen in unserer Gruppe bezüglich des Themas BER gemischt; der Tenor war jedoch tendenziell eher negativ – durch bekannte Planungs- und Baufehler, über die in der Tagespresse berichtet wurde. Uns wurde erst mit der Zeit – und vor allem durch die Experteninterviews – bewusst, wie groß die Problematik rund um das Thema BER und die betroffenen Bürger überhaupt ist. Belange eben jener Bürger erreichten uns vor der Veranstaltung lediglich marginal. Erst im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Einfluss der Kommunalpolitik und Bürgerinitiativen auf die Projektplanung des BER erhielten wir Einblicke in eine Vielzahl von Problemen, Betrügen und konträren Aussagen verschiedener Seiten.

Im folgenden Teil haben wir unsere Ergebnisse zusammengetragen, welche die Zielfrage beantworten, nämlich, wie die Bürgerinitiativen und die Kommunalpolitik als Stakeholder einen Einfluss auf das Projekt BER nehmen konnten.

Augenscheinliches Wahrnehmen der Interessen

Eines der Hauptprobleme der Anwohner in den Gemeinden um den BER, sowie innerhalb der Gebiete, die von dem Lärm der startenden und landenden Flugzeuge betroffen sind, ist, dass sie als Stakeholder nicht den Stellenwert erhalten, den Sie verdient hätten. So konnten die geraden Flugrouten, welche schon 1998 für den Parallelbetrieb der beiden Start- und Landebahnen als nicht zulässig erkannt wurden, bis 2006 ohne rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen auf Seiten des BER geheim gehalten werden. Begründung: Trotz fragwürdiger Planung überwiegen die Interessen der Flughafengesellschaft für die abknickenden Flugrouten. Dies ist symptomatisch für die Stellung der Bürger in dem Diskurs über Planungsschritte der Flughafengesellschaft. Die Bürger wurden augenscheinlich zwar angehört und ihre Interessen wahrgenommen, unter der Hand wird jedoch an ihnen vorbei die Realpolitik betrieben.

Diese Form des Betruges hatte gravierende Folgen für die Anwohner und auch Zugezogenen der vielen Gemeinden, die in Zukunft vom Fluglärm des BER betroffen sein werden. Wie Frau Dorn haben viele von ihnen in der ersten Hälfte der 90er-Jahre noch Sperenberg aufgrund des Raumordnungsverfahrens für die Alternative gehalten und dementsprechend ihren Wohnort gewählt. Der Standort Schönefeld wurde im Raumordnungsverfahren nicht als schlecht, sondern sogar als unzureichend geschildert. Im Jahr 1998 dann die Überraschung mit der Standortwahl Schönefeld, welche die Zahl der Betroffenen Anwohner im Vergleich zu Sperenberg mal fast verdoppelte.

Ebenso verhält es sich mit dem Schallschutz: Obwohl die Messwerte bei Anwohnern in Blankenfelde-Mahlow bei weit über 100 Dezibel lagen, wurden häufig als einzige Maßnahme nur Schallschutzfenster eingebaut. Diese konnten die Messwerte jedoch nicht im Toleranzbereich halten – die Anwohner mussten über Jahre hinweg mit mehreren Überschreitungen am Tag leben. Eine Beeinträchtigung der Lebensqualität und der Gesundheit, ohne Folgen für die Flughafengesellschaft. Erst nach langem Prozess konnten die Rechte der Anwohner erklagt werden. Alles in allem zeigt die Planung und der Verlauf des BER-Baus viele aktuelle Trends beim Einfluss von kleinen Gruppen, wie Bürgerinitiativen und Kommunen. Sie werden maximal aus Pflicht angehört, doch hat ihre Meinung selten das notwendige Gewicht, einzig die Medien können durch tiefergehende Berichterstattung auf Probleme und Missstände aufmerksam machen. Doch allzu oft siegte in der überregionalen Presse ein weiterer „Fun-Fact über die Rolltreppen und die Brandschutzanlage“ über einen investigativen Beitrag über den Betrug der Flughafengesellschaft an den Anwohner Kleinmachnows oder Zeuthens.

Die Versuche der Bürgerinitiativen, diesen Diskurs durch mediale Aufmerksamkeit auf die Ebene, wie bei Stuttgart 21 zu heben, scheiterten an der Staatsnähe der öffentlich rechtlichen Sender oder am mangelnden Interesse der Öffentlichkeit. Es ist nun mal leider nur ein Problem der Anwohner, über das nur wenige fernab Berlins und des Umlandes intensiv informiert werden möchten. Dies ändert jedoch nichts an der Stakeholder-Position der Betroffenen und dem mangelhaften Verhalten der Flughafengesellschaften zur Öffnung eines Diskurses und konsensualen Einigung mit den mehr als 100.000 Anwohnern, die von dem Standort BER negativ betroffen sind.

Undurchsichtigkeit der Vorgänge – als Laie nicht nachvollziehbar

Eine weitere Arbeitshypothese, die wir uns zu Beginn gestellt haben, greift den Punkt auf, inwieweit Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker überhaupt einen Einfluss auf den Verlauf des Projektes nehmen können. Nach ersten Recherchen hatten wir die Vermutung, dass jene durchaus die Entwicklung des BER beeinflusst haben, dies dabei aber oft erst über den Rechtsweg. Hier haben wir jedoch im Verlauf des Projektes erkannt, dass man diesen Umstand differenzierter betrachten muss.

Zuerst ist es für den einzelnen betroffenen Bürger unheimlich schwierig, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und seine Interessen in die Angelegenheit einzubringen, da die politischen Prozesse extrem intransparent sind. Frau Dorn erzählte uns beispielsweise, dass etwa noch im Zeitraum der Flughafenplanung öffentliche Auslegungen nur an einem einzigen Tag auslagen. Auch 2001 wurden 48 Ordner Antragsunterlagen für das Projekt BER öffentlich gemacht und Bürger konnten Einwendungen dazu vorbringen. Nur wenn sie dies getan hatten, durften sie zum Erörterungstermin kommen, ansonsten war die Teilnahme an dem weiteren Verfahren untersagt und kein Klagerecht mehr gegeben. Die Termine der Erörterung wurden dann an 88 Tagen zwischen 09:00 und 16:00 angelegt und auseinander dividiert in viele Themenbereiche, sodass es für den normal arbeitenden Betroffenen nicht möglich war, daran teilzunehmen; über diese Termine wurden auch Protokolle geführt – diese sollten jedoch nicht veröffentlicht werden. Stattdessen wurde das gesamte Protokoll am Ende des Verfahrens in einem Zimmer in Potsdam ausgelegt und der Bürger konnte überprüfen, ob das wirklich Vorgetragene mit dem Protokoll übereinstimmte. Dabei ist zu beachten, dass das Protokoll wichtig für Anwälte ist, weil nur dort wirklich geschrieben steht, wie der Planfeststellungsbeschluss aussieht.

Diese Beispiele veranschaulichen, wie undurchsichtig die behördlichen Vorgänge sind. Der Zusammenschluss in gut organisierte und strukturierte Initiativen ist damit nicht nur wichtig, sondern auch notwendig. Das Einbringen von Interessen wird jedoch auch den Initiativen schwer gemacht. Der Flughafenbetreiber – der Bund und die Länder Brandenburg und Berlin – haben kein Interesse daran, auf die Forderungen der Anwohner und Betroffenen einzugehen. Auch Ortwin Baier berichtete, dass Gespräche mit führenden Politikern der Länder Brandenburg und Berlin zu nichts führten und jene Politiker Zugesichertes später wieder revidierten. Somit bleibt für die Leidtragenden nur der Rechtsweg als einzige Möglichkeit, das Projekt zu beeinflussen. Eine etwaige Anpassung der Flugrouten oder etwa die Forderung nach einem neuen Standort konnten zwar nicht durchgesetzt werden, allerdings wurden im Bereich Lärmschutz und  Nachtflugverbot einige Fortschritte erzielt. Nach der Anschaffung eines Feinstaub-Messgerätes können auch in Bezug auf Gesundheitsschädlichkeit weitere Missstände aufgezeigt werden.

Fazit

Einen Einfluss auf den Verlauf konnten sie durch Proteste und Klagen nehmen, die allerdings, wie sich gezeigt hat, nicht die gewünschte Durchschlagkraft entwickelten. Die Bürger wurden augenscheinlich zwar angehört und ihre Interessen wahrgenommen, unter der Hand wird jedoch an ihnen vorbei die Realpolitik betrieben – sie erhielten nicht den Stellenwert, den sie als Stakeholder verdient hätten.

Den personellen Wechsel in der Projektleitung zu beeinflussen ist als Bürgerinitiative nicht einfach – vor allem dann nicht, wenn Bauherr, Genehmigungsbehörde und Auftraggeber durch den Staat vertreten ist. Einzig durch das Aufbauen von Druck und einem öffentlichen Diskurs konnte teilweise eine Aufmerksamkeit generiert werden, welche die Führung zu Handlungen drängte; steigende Unzufriedenheit in der Bevölkerung kann, bei entsprechender Größe und Stärke, genug Druck aufbauen, um einen Einfluss auf die Besetzung der Projektleitung zu nehmen.

Einen Einfluss auf den Diskurs, beziehungsweise das Framing, zu nehmen erwies sich als besonders schwierig. Staatsnahe Sender wie der RBB sorgten immer wieder für Aufregung. Demnach standen die Bürgerinitiativen vor der Herausforderung, ihren Standpunkt überhaupt erst einmal der breiten Bevölkerung entgegenzubringen; gerade bei Menschen, die außerhalb Berlins wohnen und dementsprechend noch weniger darüber erfahren. Die Selektion der Informationen der Medien ist hierbei von entscheidender Wichtigkeit – und darauf einen Einfluss zu nehmen ist schwer.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bürgerinitiativen und die Kommunalpolitiker alles in ihrer Macht stehende nutzen, um sich Gehör zu verschaffen. Trotz einiger Erfolge in der Vergangenheit, wie Schallschutzmaßnahmen und ein Nachtflugverbot zwischen 24 und 05 Uhr, wurde jedoch kein maßgeblicher Einfluss auf die Flugrouten, eine neue Standortwahl, die Frage nach dem internationalen Drehkreuz und die Erweiterung des Nachtflugverbots auf den Zeitraum zwischen 22 und 06 Uhr genommen. Allerdings stehen auch noch Urteile aus: Die Bürgerinitiative „Kleinmachnow gegen Fluglärm e.V.“ klagt aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und erhofft sich dort, eine Erweiterung des Nachtflugverbots als Entschädigung zu erstreiten. Bisherige Klagen hatten sowohl vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe keinen Erfolg.

Insgesamt lässt sich daher sagen: So schwierig es für den Bürger auch ist, seine Meinung in dem Großprojekt kundzutun – Die Bürgervereine und Kommunalpolitiker werden auch weiterhin versuchen, die Interessen der betroffenen Bürger vehement zu vertreten und somit auch den Verlauf des Projektes zu beeinflussen. — Wir werden ihr Engagement weiter verfolgen.

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