Funktion folgt Form folgt Fehlplanung

Der BER ist trocken gesagt ein dysfunktionales Milliardengrab und möchte einfach nicht fertig werden. Und so bauen und planen zahlreiche Stadtplaner, Architekten und Ingenieure immer weiter an einem Megaprojekt, welches schon in der Planung auf dem Papier nicht seinem Bestimmungszweck nachkommen konnte: die benötigen Passagierkapazitäten für die Hauptstadt zur Verfügung zu stellen, die so dringend gebraucht werden und womit unter anderem auch, unter großem Protest, der unter Berlinern sehr beliebte Flughafen Tegel geschlossen wird. Um es in den markanten Worten von Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa zu sagen, der oft als Kronzeuge zitiert wird, da er mit dem Anliegen BER schon seit 1992 betraut ist und nun in den Ruhestand wechselt: „Zu spät, zu klein zu teuer.“

Wie aber kann es sein, dass, obwohl signifikante Ressourcen bereitgestellt wurden und ein Team um einen hoch geachteten Stararchitekten mit diesem Projekt beauftragt wurden, eine Fertigstellung nicht gelingen will?
Nun, auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Je nach dem wen man fragt erhält man eine andere Antwort. Längst ist der Fehlerfolg zu einem Politikum geworden, für dessen vermeintliche Schuld auch immer wieder Köpfe rollen, da die Öffentlichkeit nach einem klaren Schuldner verlangt.

So hat auch Faulenbach da Costa seine eigenen Theorien anzubieten. Wir hatten das große Vergnügen ihn in Berlin zu interviewen, um uns Einblicke eines echten Insiders geben zu lassen.

Seine Problemanalyse, basierend auf seiner Ingenieursperspektive, kommt zu einem beunruhigenden Befund. Einer der grundlegenden Gestaltungsleitsätze in der Architektur und im Design ist das Mantra: Form folgt Funktion. Dieser Grundsatz beruht auf folgenden Überlegungen: Erstens, was muss mein Projekt leisten und zweitens, wie komme ich dahin, wie baue ich das. Aus dem Zweck des Gebäudes leitet sich so mehr oder weniger die Form ab.

Beim BER hingegen schein dieses Dogma allerdings anders herum angewendet worden zu sein. Funktion folgt Form. Denn schon ganz zum Anfang des Projektes wurden einige Basisvariablen festgelegt, die in Bezug auf die eigentliche Problemstellung, die Abfertigung des steigenden Passagieraufkommens in der zur Metropole wachsenden Großstadt Berlin, wenig sinnvoll erscheinen.

„Man wollte den Single-Airport haben, den schönsten, modernsten, tollsten Flughafen Europas und hat eigentlich das Vorzeige-Projekt für Fehlplanung in Europa gebaut.“
(Zitat Faulenbach Da Costa)

 

In der Tat kann man feststellen, dass der BER ursprünglich als Leuchtturmprojekt gedacht war, welches „für die Zukunftsfähigkeit der Hauptstadtregion Berlin Brandenburg das wichtigste Infrastrukturprojekt sei“, zu lesen auf einer Infotafel angebracht im Besucherbereich der BER-Baustelle. Weiter: „Mit dem neuen Flughafen werden vor allem durch ansteigende Passagierzahlen, die signifikante Standortgüte und durch zusätzliche Kaufkraft neue Arbeitsplätze entstehen.“
Doch genau hier liegt schon der erste Planungsmangel, laut Faulenbach Da Costa.

Davon abgesehen, dass der BER bereits bei der geplanten Eröffnung nicht genügend Kapazitäten gehabt hätte, um das Passagieraufkommen in Berlin zu bewältigen, sei das größere Problem die unpassende Standortwahl. Denn in etwa 20-30 Jahren wird der BER durch das immense Wachstum Berlins mitten in der Stadt liegen. Dort sollte der Flughafen laut Faulenbach da Costa definitiv nicht sein. Gegen die Lärmbelästigung durch Flughäfen setzt er sich persönlich, auch in seinem Heimatort Offenbach, massiv ein. „Flughäfen sind Lärmmaschinen, die gehören da nicht hin. Sondern die müssen dorthin, wo sie keine Lärmbelastung auslösen.“

So hat Faulenbach da Costa bereits im Raumordnungsverfahren den Standort Schönefeld, der einer von sechs möglichen Kandidaten war, als „ungeeignet“ eingestuft. Dass die Wahl trotzdem auf Schönefeld, den nächstgelegenen Standort zu Berlin fiel, war letztendlich wohl zum Löwenanteil eine Prestigefrage. Für die Form wurde der Zweck untergeordnet.

Die Standortwahl war somit wahrscheinlich eine der ersten Fehlentscheidungen, aber mitnichten die letzte. Auch während den andauernden Bauarbeiten kam es immer wieder zu Planungsmängeln, die durch eine „Flut an Änderungsanträgen“ versucht wurden auszubügeln. Doch vergebens, das ständige Nachsteuern verursachte neue Fehler und verkomplizierte das Projekt weiter und so wurden im Laufe der Bauarbeiten bis dato über 500 Änderungswünsche des Bauherrn geltend gemacht.

„Das Projekt war in seiner Anlage so fehlerhaft, dass der Architekt für jede Änderung (vom Auftraggeber und Aufsichtsrat) dankbar sein musste, sonst hätte er ein Offenbarungseid leisten müssen. Die Planänderungen haben sie gebraucht um die Fehler, die sie gemacht haben, zu überdecken.“

Der Architekt des BER, Meinhard von Gerkan wird zu den erfolgreichsten Architekten von Deutschland gezählt. Mit einer riesigen Firma, gmp, hat er Projekte auf der ganzen Welt erfolgreich umgesetzt. Seinen ersten Flughafen entwarf der 83 Jährige bereits mit 30. Der beliebte Otto Lilienthal Flughafen aka. Berlin-Tegel. Auch Tegel wird von Faulenbach da Costa für seine Lage, die für viele „Berliner“ mit erheblicher Fluglärmbelästigung verbunden ist, scharf kritisiert. Und auch der neue Hauptstadtflughafen hat wohl aus diesem Problem nicht gelernt, wenngleich die Standortwahl natürlich keineswegs in von Gerkans Einflussmöglichkeiten lag. Doch das ist ja auch nicht das einzige, was Faulenbach da Costa an von Gerkans Flughafen kritisiert: Er habe eine Kathedrale des 21. Jahrhunderts bauen wollen. Blöd nur, dass Kathedralen nicht ausbaufähig seien. Laut Faulenbach da Costa hat man mit von Gerkan den falschen Mann in’s Boot geholt; Einen Architekten, der viel von Prestige aber weniger von Flughafen und deren Funktionalität versteht. Zu weitläufig angelegte Teile des Flughafengebäudes, wie etwa die ausladende Markthalle, verschenken die 360.000qm des Gebäudes, die eigentlich genug sein könnten, um über 45 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen zu können.

Andere Details, wie zum Beispiel die Flugzeugandockstellen, sehr groß für ein kleines Flugzeug, zu klein für ein großes, scheinen einfach nicht von der richtigen Seite angedacht worden zu sein. Zuerst hat man gebaut, dann überlegt wofür eigentlich.

Interessant ist, dass Meinhard von Gerkan selbst natürlich auch eine Theorie hat, warum der Flughafenbau dermaßen gefloppt ist. In seinem Buch „BlackBox BER“ zeichnet sich ein Bild, in dem seine Planung maßgeblich von wunschdenkenden Bauherren, dialogresistenten Flughafenchefs und manipulativen Projektsteurern beeinflusst worden ist, und er schlichtweg behauptet, er hätte mehr Widerstand leisten müssen.

Wo uns das am Ende lässt ist schwierig zu beurteilen. Die Liste der gemachten Fehler ist lang und vielseitig. Und somit ist uns wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges, ja ein seltener Lichtblick in die Blackbox BER gewährt worden und dafür sind wir dankbar. Wie man diese Darstellung bewertet kommt ganz darauf an, aus welcher Perspektive man dieses Projekt betrachtet und welche Quellen man heranzieht. Zurück lässt es uns etwas ratlos mit dem mulmigen Gefühl, dass die ganzen kausalen Zusammenhänge in ihrer Gänze vielleicht nie ganz frei gelegt werden. Doch bis dahin schauen wir aufmerksam und gespannt auf die weitere Entwicklung und fiebern auf das neue Eröffnungsdatum im Oktober 2020 hin, mal sehen ob‘s was wird.

Quellen:

Blackbox BER von Meinhard von Gerkan

https://www.welt.de/wirtschaft/article118977408/BER-Architekt-rechnet-mit-den-Flughafenplanern-ab.html

https://www.zeit.de/2015/27/meinhard-von-gerkan-architekt-privathaus/seite-2

https://www.berlinjournal.biz/dieter-faulenbach-da-costa-ber/

Interview mit Dieter Faulenbach da Costa

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