Baustelle BER – CDU, FDP, Grüne und Piraten – Ein Vergleich

Der Hauptstadtflughafen ist bekannt unter den Namen BER oder BBI. Später kam der Zusatz „Flughafen Willy Brandt“ dazu. Nicht nur die Namensdebatte verlief mit Umwegen und Problemen – alles andere auch. Im Bau steckt der Flughafen immer noch. Ist ein Ende in Sicht? Wir können es nicht abschätzen. Wissen die Hauptakteure auf diese Frage eine genaue Antwort? Genaue Antworten sind schwer zu erhalten.

In den Medien stehen oftmals Politiker im Fokus. Als „Aushängeschilder der Parteien“ zieren ihre Gesichter die Fotos der Titelseiten, wenn wieder einmal „Hiobsbotschaften“ über den BER verbreitet werden. Für den Leser scheinen also die politischen Parteien einen Hauptbeitrag zum Scheitern des BER zu leisten und letztendlich wesentlicher Antriebsfaktor zu sein.

Doch sind sie das überhaupt? Wir ziehen Bilanz.

Unsere Expertengespräche

Wir sprachen mit Vertretern von vier Parteien in Berlin: CDU, FDP, Grüne und Piraten. In manchen Punkten waren sie sich einig, in anderen vertraten sie unterschiedliche Ansichten. Was haben sie in den Gesprächen gesagt?

Stefan Evers von der CDU hält den BER für einen exemplarischen Fall in Bezug auf öffentliche Großprojekte und regelmäßige Verfahrensmängel. Im Bezug auf die Politik hebt er wesentliche Probleme des Projektes BER hervor.

So waren drei öffentliche Anteilseigner, Berlin, Brandenburg und der Bund, in das Projekt involviert. Daher übten drei Parlamente ihre Kontrollfunktion aus und waren mit der Aufklärung dieses Themenkomplexes befasst. Ihre Kontrollfunktion übten diese auf ganz unterschiedliche Art und Weise aus. Der Bund richtete einen Verkehrsausschuss ein, in Berlin beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema und in Brandenburg wurde ein Sonderausschuss eingerichtet.

„Die Politik war das Gift in den Adern des Projektes“, so Evers. Er nimmt hiermit Bezug auf den Umstand, dass das Projekt politisch verantwortet war, aber auch in der Projekthandhabung politisch begleitet wurde. So fanden sich „politische Spitzenfunktionäre“ im Projekt wieder. Durch die politische Komponente geriet das Projekt sehr stark in das Licht der Öffentlichkeit und wurde daher  zum Gegenstand auch politischer Interessensgegensätze, vor allem zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg.
Mithin spielte also oft nicht das Unternehmenswohl der Flughafengesellschaft eine Rolle, sondern sehr unterschiedlich gelagerte Interessen, z.B. im Bereich des Nachtlärmschutzes.
Trotzdem, das hob Evers immer wieder hervor, wurden in Bezug auf die Nichteröffnung des Flughafens mit geplanten Verschiebungen, als auch in Bezug auf die Entscheidungen bei der Standortwahl, nicht die ganze Dimension, Tragweite und Probleme des Projektes gesehen.

Sebastian Czaja von der FDP sieht ein Problem beim BER-Bau in der Form der Anreize. Er ist der Meinung, dass nicht nur Bauherren über entsprechende Abfindungen Vorteile durch Änderungen (zumindest indirekt) hatten, sondern auch Firmen, wenn sie die entsprechenden Verträge abschlossen und innehaben. Zudem kommt es laut Czaja zu Leistungsverlusten aufgrund häufiger Personalwechsel, da hier das notwendige detailreiche Wissen verloren geht.
Desweiteren ist laut Czaja eines der Hauptprobleme, dass das Flughafenmanagement politisch und nicht fachlich besetzt ist, der BER somit immer an letzter Stelle steht und die Parteiinteressen wichtiger seien.

Harald Moritz von den Grünen sieht mehrere Probleme im Rahmen der Umsetzung des BER.  Seiner Meinung nach hätte die Politik den Auftrag geben müssen und Rahmenbedingungen setzen sollen, „sich dann aber raushalten müssen“. Die Aufgabe der Politik sei die Kontrolle. Das Management sollte vermehrt mit Bauherren besetzt sein. Würde mehr auf Baufachleute gesetzt werden, dann würde sich der Informationsaustausch zwischen den Arbeitern auf der Baustelle und dem Flughafenmanagement verbessern.
Die Kontrolle sei durch die Eigentümerstruktur des Projektes erschwert, meint Moritz. Es gibt keinen Mehrheitsanteilseigner, bei der öffentlichen Hand ist daher kein Rechnungshof zuständig. Ein Problem sei auch die Besetzung des Aufsichtsrates, in dem hochrangige Politiker sitzen. „Die kontinuierliche Aufarbeitung von Problemen auch im Aufsichtsrat ist nicht erfolgt, weil die Leute eigentlich keine Zeit dafür haben.“
Aber auch die Persönlichkeiten der Politiker seien ein Problem gewesen. „Wenn wirklich nur die Alphamännchen dort (im Aufsichtsrat) aufeinander treffen, dann ist ihr Ego das Bestimmende an dem Projekt.“ Die Mängelaufstellung habe Klaus Wowereit und anderen Politikern zu lange gedauert. Insgesamt sei die Kultur hinderlich gewesen, so Moritz.  „So eine Atmosphäre herrschte in der Flughafengesellschaft, dass der, der das Problem benannte, das Problem selber war.“
Harald Moritz von den Grünen zeigte sich für die Zukunft jedoch eher optimistisch. Seiner Meinung nach habe man aus dem Untersuchungsausschuss Lehren gezogen, welche auch umgesetzt wurden. Zwischenzeitlich habe man etwa die Herangehensweise geändert und es gibt mittlerweile beispielsweise einen Finanz- und Projektausschuss. Dieser trifft sich vorher mit den Firmen, wodurch sie mehr Fachwissen erhalten und hier Entscheidungen in Absprache mit Fachleuten und Bauleuten getroffen werden können.

Martin Delius von den Piraten (inzwischen Linkspartei) sieht eines der größten Probleme darin, dass kein Generalbauunternehmer beauftragt wurde: „Wenn man merkt, dass man auf dem freien Markt ein Produkt nicht bekommt zum gewünschten Preis, dann ist es nicht die beste Idee, es selber herzustellen. Das ist unverantwortliches Projektmanagement.“ Die bessere Alternative wäre laut Delius gewesen, wenn die Politik im Haushalt Geld bereitgestellt hätte für eine ordentliche Entwurfsplanung.
Es sei ein Irrglaube, dass der Bau am Ende so viel kostet wie die Summe der Aufträge. Man brauche mehr Geld, zum Beispiel für die Steuerung. „Am Ende waren es 37 einzelne Projekte, die so klein waren, dass man lokale Firmen als Auftragnehmer bekommen hat. Die unterliegen aber einem ganz anderen Preisdruck und die haben sich beeinflussen lassen von der politischen Kommunikation“, meint Delius. „Die haben ihre Angebote gemacht im vollen Bewusstsein, dass sie den Preis nicht halten können. Die haben mit Nachträgen gerechnet.“ Gleichzeitig sei die Flughafengesellschaft mit 37 Aufträgen überfordert gewesen.
Delius hebt auch die politische Komponente hervor. Dies sei im Untersuchungsausschuss deutlich geworden. „Beim Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses ist klar, dass die Parteien ihre eigenen Leute – Michael Müller, Klaus Wowereit, Frank Henkel – besonders gut aussehen lassen wollten.“

Unsere Ergebnisse aus den Interviews

 Vergleicht man die Aussagen der Parteivertreter, so wird deutlich, dass ihre Meinungen sich immer um verschiedene Themenkomplexe drehen, welche das Projekt BER über die Jahre begleiten und begleiteten.

So erwähnen Evers und Moritz das Problem der drei öffentlichen Anteilseigner, welche alle politische Interessen auf Spitzenebene in die Fluggesellschaften trugen. Dadurch kam es zu politischen Auseinandersetzungen im Aufsichtsrat. Zudem rutschte das Projekt durch die Begleitung von politischen Spitzenfunktionären immer mehr in das Licht der Öffentlichkeit.

Durch die Medien und den Öffentlichkeitsanspruch entstand Druck auf die Projektbeteiligten. Durch diesen Druck mussten in besonders schwierigen Projektphasen, wie z.B. bei der Verschiebung des Eröffnungstermins und der Verzögerung des Bauablaufes Schuldige gefunden werden und „Köpfe rollen“. Es wurde der Generalunternehmer gekündigt.

Daher übten drei Parlamente in der Aufsicht ihre Kontrollfunktion aus und waren mit der Aufklärung dieses Themenkomplexes befasst. Es musste drei Kontrollinstrumenten Bericht erstattet werden. Dadurch wurde die Arbeit der Gesellschafterversammlung verlangsamt. Laut Evers hatte der Untersuchungsausschuss Einfluss auf den Personalwechsel und den Rücktritt Wowereits und den aufgebauten Druck. Hieran anknüpfend ist zu erwähnen, dass die Persönlichkeiten das Projekt BER als Plattform zur Selbstdarstellung nutzten. Zudem kommt es laut Czaja und Evers zu Leistungsverlusten aufgrund häufiger Personalwechsel, da hier das notwendige detailreiche Wissen verloren geht. Das Management ist politisch und nicht fachlich besetzt.

Mithin zeigt sich in der Gesamtschau dieser Punkte und dem Vergleich der Parteipolitiker eine erstaunlich hohe Übereinstimmung in vielen Punkten, insbesondere was die Fehleranalyse der Vergangenheit angeht. Dies ist vielleicht insofern zu erklären, dass es hinterher immer einfacher ist, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen. Insgesamt wurde von allen Politikern mehr oder weniger empfohlen, künftig mehr auf Fachkenntnis statt auf politische Interessen zu achten. Was dies konkret bedeutet, kann sich je nach Partei unterscheiden. So erwähnt Harald Moritz, dass mit der Neubesetzung des Aufsichtsrates bereits mehr Fachkenntnis, auch durch Herrn Lütke Daldrup vorhanden ist. Laut Herrn Evers ist die Gesellschafterversammlung der Ort an dem die Politik einzig hingehört hätte.

Deutliche Unterschiede gibt es auch bezüglich der Einschätzung der Zukunft: Während die CDU am BER festhalten möchte, legt die FDP den Fokus auf die Offenhaltung des Flughafens Tegel, der Grünen-Politiker Harald Moritz ist optimistisch in Bezug auf die BER-Eröffnung und der Ex-Pirat Martin Delius hält einen anderen Flughafenstandort für sinnvoll.

Aufgrund unserer Erkenntnisse aus den Interviews lässt sich mithin feststellen, dass unsere Parteien personelle Wechsel in der Projektführung durch einen Untersuchungsausschuss und den hiermit aufgebauten öffentlichen, medialen Druck bewirken können. Zudem können Politiker bei direktem Sitz im Aufsichtsrat hier auch Entlassungen und Einstellungen in den Aufsichtsrat bewirken und auch Personen mit der politischen Einstellung ihrer jeweiligen Partei einsetzen. Mithin nehmen Sie so direkt auf das Projekt Einfluss.

Extern wurden die Parteien durch die Medien beeinflusst, andererseits spielten die Politiker und Parteien mit der medialen Aufmerksamkeit und versuchten sie jeweils an sich zu reißen. So erwähnt Evers, dass Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzender mit dem BER politisches Marketing betrieb.

In einen öffentlichen Diskurs und somit in die Öffentlichkeit ziehen können Oppositionsparteien das Projekt durch einen Untersuchungsausschuss.  Mithin prägten die politischen Kontrollorgane als auch die Durchsetzung des Projektes mit Politikern die allgemeine Meinung.

Von dem negativem Framing profitiert jede Partei auf ihre Weise. Ist eine Partei in der Regierungsverantwortung und kann Teile des Projektes zum Positiven Abschluss bringen und sich medial positiv behaupten, so wird sie von dem Projekt profitieren. Oppositionsparteien können wiederum durch Aufbauen von Druck auf die Beteiligten des BER im Rahmen eines Untersuchungsausschusses Führungswechsel hervorrufen. Zudem können Oppositionsparteien hier Wählerstimmen generieren.

Das Bild von der Regierungspartei welche durch Positive Handlungen am Projekt vom BER profitiert, wird durch das Interview von Harald Moritz unterstrichen. Harald Moritz’ Aussagen zu den Lehren aus dem Untersuchungsausschuss weisen eher eine positive Konnotation auf. Moritz ist der Meinung, dass genügend Lehren aus dem UA umgesetzt worden sind, z.B. wurden bestimmte Leute aus dem Aufsichtsrat entlassen. Wir nehmen an, dass er dies tut, weil seine Partei in Regierungsverantwortung steht und diese hier vom negativen Framing, mit dem Vorzeigen von Erfolgen, profitieren will.

Hierzu ist auch Martin Delius Meinung im Interview zu erwähnen. Er führt an, dass im gemeinsamen Abschlussbericht der Grünen nichts Falsches stünde, jedoch die Meinung der rot-schwarzen Koalition zum tragen käme. Die Parteien wollten hier ihre eigenen Leute, Michael Müller, Klaus Wowereit und Frank Henkel möglichst positiv hervorheben, um zu profitieren.

Unser Fazit

Aufgrund unserer Erkenntnisse aus den Interviews lässt sich mithin feststellen, dass eine zu einseitige Orientierung der Politiker auf Fertigstellung ohne Rücksicht auf Planung, Dokumentation und Betrieb zu einer weiteren Verzögerung und Verteuerung des Bauprojektes BER führte.

Zudem fühlte sich keine Person zuständig. Dies kam durch die Größe des Aufsichtsrates mit vielen Mitgliedern unterschiedlichster Parteien, die Größe der einzelnen Bereiche auf Bau- sowie Planungsebene, kleine Gewerke auf der Baustelle sowie durch das Fehlen eines Generalunternehmers zustande. Daher kommt es zu Leistungsverlusten aufgrund der Größe des Projektes und damit zunehmenden Gruppengrößen.

Letztendlich gehen wir davon aus, dass es nicht nur die Politik war, welche ein Sandkorn im Getriebe des Projektablaufes war. Verschiedene Akteure sowie Probleme auf der Baustelle und auf der Planungsebene komplettieren das Bild mehrerer „Sandkörner“, welche das Getriebe des Projektes zum Erlahmen brachten.

Man kann auch schlecht von einer „Chronologie der Probleme“ ausgehen, bei welcher man nur weit genug zum Anfang der Kette gehen muss und ein Anfangsproblem ausfindig machen kann, welches alle Probleme auslöste oder bedingte. Mehrere Probleme und Akteure bedingen sich gegenseitig. Es lassen sich nur Kernprobleme finden, welche ineinander greifen. Jeder Problempunkt muss in seinem jeweiligen Zeitpunkt gesehen werden. Viele Folgen und Probleme waren damals noch nicht absehbar. Somit erscheinen manche Entscheidungen in der jeweiligen Entscheidungssituation nachvollziehbar.

Der wichtigste Punkt war wohl der Verzicht auf einen Generalbauunternehmer, bei welchem die Politik eine wesentliche Rolle spielte.

Durch die Vielzahl an Beteiligten gab es große Leistungsverluste. Darüber hinaus gab es verschiedene politischen Akteure, welche das Projekt in die Öffentlichkeit zogen. Damit waren die Politik und andere Hauptakteure auf der Bauunternehmerseite unter ständiger Beobachtung, sodass nicht „unbeschwert“ gebaut werden konnte. Fehler, welche auf gewöhnlichen Baustellen auch passieren, wurden sofort in der Öffentlichkeit als Kardinalsfehler hervorgehoben.

Zudem lastete auch durch die öffentliche Aufmerksamkeit ein enormer Druck auf den Hauptakteure des Projektes. Daher trafen sie vorschnelle Entscheidungen, um Ergebnisse für die Öffentlichkeit zu präsentieren, so z.B. das Feuern des Generalunternehmers, um schnell einen Schuldigen „gefunden“ zu haben.

Hier zeigt sich eine Ambivalenz: Einerseits ist Öffentlichkeit gut, um Transparenz zu schaffen und das Projekt zum Positiven zu verändern. Andererseits geraten die Projektverantwortlichen dadurch unter erheblichen Druck, der zu Fehlern führen kann.

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