Der Flughafen BER und sein Werdegang wurde in den letzten 19 Jahren immer wieder Thema in den Medien. Positive Presse ist allerdings nur schwer zu finden: In den Vordergrund rücken Verzögerungen, Umbaumaßnahmen, personelle Änderungen und explodierende Baukosten. Doch welche Rolle spielen diese Aspekte tatsächlich im Bezug auf die Misere?
Ein Untersuchungsausschuss, ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle, dient dazu Sachverhalte deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegen zu untersuchen und dem Bundestag darüber Bericht zu erstatten. Betrachtet man den durchaus umfangreichen Bericht des 1. Untersuchungsausschusses zum BER des Abgeordnetenhauses von Berlin, lassen sich Änderungswünsche durch die Stakeholder des Flughafens primär an folgenden Punkten festmachen: Pier Nord und Pier Süd, dem Ebenenshift, die A380/Doppelstöckige Fluggastbrücken, die Sicherheitslücken und die personellen Änderungen. Somit werden Änderungswünsche klar als Ursache der Probleme des Flughafens fokussiert.
Im Interview mit dem gelernten Stadt-, Regional- und Landesplaner Dieter Faulenbach da Costa, der sich auf Flughafenplanung spezialisiert hat, wurde klar, dass er die Absicht dieses Ausschusses hinterfragt. Da die personelle Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses keine erfahrenen Experten auf dem Gebiet der Flughafenplanung vorzuweisen hatte, seien die Ergebnisse kritisch zu sehen. So seien die Änderungswünsche nicht die Ursache der Probleme, da die gewünschten Änderungen schon zuvor in der Planung berücksichtigt wurden und wissentlich Notwendigkeiten ignoriert wurden. Das gelte sowohl bei veränderten Sicherheitsbestimmungen, als auch bei Planungsänderungen, die sich wiederum auf vorherige Planungsänderungen begründen.
So geben der Untersuchungsausschuss und Herr Faulenbach da Costa zwei klar konträre Meinungen wieder. Während laut Untersuchungsausschuss die Planänderungen die zeitlichen Verzögerungen begründen, hatten diese laut Herrn da Costas Aussage lediglich die Funktion, bereits von Anfang an bestehende Planungsmängel zu überdecken.
Der Pier Nord
Untersuchungsausschuss:
Der Pier Nord wurde auf Drang von Billigfluglinien notwendig. Durch den Bau wurden dann ein neuer Marktplatz und mehr Flugzeugstellplätze benötigt, die dann geplant und gebaut werden mussten. Ein späterer Wunsch der Airlines verlangte zusätzlich eine geringere Ausstattungsqualität des Piers.
Faulenbach da Costa:
Der Nordpier wurde notwendig, da die erwarteten Passagierzahlen erheblich gestiegen waren. Der Pier wurde daher geplant, und hatte von Anfang an jedoch eine geringe Ausstattungsqualität, da er für Billigfluglinien ausgelegt war.
Die Zwischenebene
Untersuchungsausschuss:
Die Planung einer Zwischenebene wurde notwendig, da die Fluggesellschaften einen gesteigerten Umsteigeverkehr erwarteten und die Kapazität der Ebene E2 nicht ausreichte. Deshalb wurde sowohl die Zwischenebene gebaut als auch die Ebene E2 ausgebaut. Dies änderte die Ebenennutzung.
Weiterhin wurden aus diesem Grunde doppelstöckige Fluggastbrücken notwendig.
Faulenbach da Costa:
Die Zwischenebene war im Bauantrag von 2006 bereits enthalten und wurde somit ohne eine Planänderung gebaut. Jedoch wurden die Ebenen falsch ausgewiesen, weshalb dann die Treppenhäuser falsch geplant und gebaut wurden.
Die Sicherheitskontrollen
Untersuchungsausschuss:
Die Terminalerweiterung wurde notwendig, da durch veränderte Sicherheitsbestimmungen größere Scanner benötigt wurden. Dabei wurden auch Pavillons gebaut, um etwaige Einnahmeverluste zu vermeiden.
Faulenbach da Costa:
Die EU-Forderungen waren schon zuvor bekannt, wurden jedoch nicht beachtet. Somit hätte die Planung des Terminals schon zu einem früheren Zeitpunkt angepasst werden können.
Doppelstöckige Fluggastbrücken
Untersuchungsausschuss:
Um Flugzeuge des Typs A380 empfangen zu können, musste die Position nach Süden verschoben werden. Dabei sollte dieser Flugzeugtyp hauptsächlich aus Imagegründen empfangen werden.
Faulenbach da Costa:
Die Abstände aller Stellplätze sind gleich groß, wodurch der Empfang der A380 prinzipiell überall möglich war. Eine Planänderung wurde somit nicht notwendig.
Die personellen Änderungen
Untersuchungsausschuss:
Die ständig wechselnde Führungsebene machte den Bau weiterhin kompliziert. Vor allem die Länder ernannten zahlreiche neue Verantwortliche.
Faulenbach da Costa:
Die Besetzung des Aufsichtsrats hat keine Relevanz bezüglich des Scheiterns des Projekts. Lediglich personelle Änderungen führten zu Komplikationen, da Beteiligte trotz Kompetenz angefangene Teilprojekte nicht beenden konnten.
Letztlich geben der Untersuchungsausschuss und Dieter Faulenbach da Costa in den oben angeführten Punkten klar unterschiedliche Ansichten wieder. Dabei erweist es sich als schwierig, ein klares Fazit bezüglich der tatsächlichen Geschehnisse und Ursachen zu ziehen. Es ist jedoch festzuhalten, dass beide Quellen relevante und nachvollziehbare Aspekte berücksichtigen und generell eine Rekonstruktion der Fehler immer von subjektiven Eindrücken geprägt ist. Erkennbar ist auch hier deutlich, dass es immer mehr als “eine Wahrheit” gibt und die Dinge nicht in schwarz und weiß betrachtet werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Änderungswünsche während des Projektablaufs nicht die einzige Ursache der aufgetauchten Probleme darstellen und stattdessen verschiedene Faktoren dazu beigetragen haben, die dann letztendlich für das Projektscheitern verantwortlich waren.
Wir bleiben dennoch weiterhin gespannt, ob und wann das erste Flugzeug den Hauptstadtflughafen BER verlassen wird!