„Sie kommen aus der Stadt mit dem Flughafen“ – über die internationale Rezeption des BER haben wir bereits nach unseren Interviews mit Vertretern aus der Medienwelt berichtet und doch gibt es da noch mehr zu holen. Nicht nur ausländische Medien berufen sich auf ‘typisch deutsche Eigenschaften‘, um das anscheinend ewig währende Flughafenprojekt zu
charakterisieren. Der Spiegel Artikel „Made in Germany“ vom August 2017 beschreibt anhand 11 deutscher Prinzipien, was alles schiefgelaufen ist. Es geht dabei unter anderen um Fleiß, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Wenn wir mal ehrlich sind, haben wir davon beim BER eher weniger gesehen.
Doch um für ein wenig Beruhigung zu sorgen: Berlin ist nicht die einzige Stadt, die ihren Flughafen nicht rechtzeitig fertig bekommt. Am 3. Mai diesen Jahres wurde der „Islamabad International Airport“ in Pakistan eröffnet, nachdem der Termin ursprünglich 2016 angesetzt war und ebenfalls mehrmals verschoben wurde. Auch nach Fertigstellung steht der Bau in der Kritik . Nach 11 Jahren Bauzeit und 105 Mrd. Rupien (ca. 1,3 Mrd. Euro) waren die Erwartungen hoch. Dummerweise ist das Dach undicht und die ersten Passagiere mussten ihre Gepäckstücke ins Trockene retten – nicht nur in Berlin hat man es also mit Konstruktionsfehlern und Mängeln in der Planung zu tun.
Großprojekte: sowieso zum Scheitern verurteilt?
Ob das nun etwas, daran ändert, dass man sich über das Chaosprojekt ärgert, sei mal dahingestellt. Eine Studie von Wissenschaftlern aus Harvard und Oxford, die mehr als 2200 Großprojekte weltweit untersucht, hat ergeben: privat finanzierte Großprojekte gehen meist Pleite. „Nur ganz wenige Projekte waren wirklich ein Erfolg und in 78 Prozent der Fälle haben die Projekte die Erwartungen nicht erfüllt“, sagt Stadtplaner Bent Flyvberg, der international als führender Experte für die Analyse von Großprojekten gilt. Chronischer Über-Optimismus und strategische Falschangaben sind wohl Hauptprobleme bei solchen Projekten.
Letzterem widmet Rolf Dobelli in „Die Kunst des klugen Handelns“ ein ganzes Kapitel und schreibt unter anderem: „Am anfälligsten für strategische Falschangaben sind Megaprojekte, bei denen a) niemand so richtig die Verantwortung trägt (weil zum Beispiel die Regierung, die das Projekt in Auftrag gegeben hat, schon lange wieder abgewählt wurde), Projekte, in die b) viele Unternehmen eingebunden sind, die sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben können, und bei denen c) die Fertigstellung frühestens in ein paar Jahren erwartet wird.“ – das trifft ja auf das Berliner Megaprojekt zumindest teilweise zu. Entweder dieses Werk oder Flyvbergs „Megaprojects and Risk: An Anatomy of Ambition“ hätten sich die Verantwortlichen mal genauer anschauen können.
Es finden sich allerdings auch positive Beispiele und es scheitern eben nicht alle Großprojekte. Hierzu zählen die wirtschaftliche Wiederbelebung der Stadt Bilbao in Spanien, die heute als eines der kulturellen Zentren der Welt gilt, oder die Brücke über den großen Belt, eine Meerenge zwischen dänischen Inseln. Hier waren die Baukosten zwar 45 Prozent höher als kalkuliert, die Bauherren und Planer hatten aber einfach Glück. Auch die Nutzung der Brücke ist doppelt so hoch, wie zuvor erwartet.
Zu schön, um wahr (fertig?) zu sein?
Lorenz Maroldt, Chefredakteur beim Tagesspiegel, sieht im Fokus auf die Schönheit des Flughafens einen weiteren Fehler. Es komme nicht darauf an, wie schön es ist, sondern dass es funktioniert. Dennoch wäre vieles gemacht worden, da man auf dicke Hose machen wollte. „Das hier sieht eher nach Edelhotel als nach Flughafen aus“ schreibt die Welt und meint die schicken Check-in-Schalter aus dunklem Holz und den „Magic Carpet“ der Künstlerin Pae White, der von der Decke flattert. Den Titel ‘schönster und modernster Flughafen‘ wird der BER wohl aber nie tragen. Denn „Schlicht statt prachtvoll“ lautet die Devise für Terminal 1, also: weniger Fenster und nicht verkleidete Decken.
Es gibt aber durchaus wunderschöne, von Stararchitekten entworfene Flughafengebäude, wie beispielsweise das Terminal 3 in Peking von Lord Norman Foster, der auch die Philologische Bibliothek der Freien Universität, liebevoll „The Brain“ genannt, entworfen hat.
Nicht nur gibt es ausreichend Lektüre zum Thema Großprojekte, auch eine Schritt-für-Schritt Anleitung zum Flughafenbau bietet das Internet: „Let’s build an airport“, ein Video, das ein Minecraft-Spieler auf dem Video-Portal Youtube hochgeladen hat.
So langsam fragen wir uns, ob wir das mit dem BER nicht selbst besser hinbekommen hätten…
Sophie Slade