Gentrifizierung – Wer packt als nächstes?

Gentrifizierung ist eines der am stärksten diskutierten Themen der heutigen Zeit in den Großstädten Deutschlands, vor allem in der Hauptstadt Berlin.
Lange Zeit war es ein durch Hausbesetzungen und Demonstrationen von der linken Szene geprägter Protest, der mittlerweile aber auch in der Mittelschicht angekommen ist. Mitte April diesen Jahres gingen 35.000 Menschen in Berlin auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen.1

Es fällt einem leicht, die Unzufriedenheit zu verstehen, noch leichter wird es, wenn man als Student/in eine Wohnung in Berlin sucht und man bei seinen Besichtigungsterminen der Stadtgrenze bedrohlich nah kommt.
Als Berliner wird man schnell nostalgisch und erinnert sich an die Tage, an denen in Kreuzberg noch nicht ein Café neben dem anderen war, in dem der Kaffee fast mehr kostet als die Miete von vor 50 Jahren.

Doch wie ist es dazu gekommen, dass man selbst als Anfang 20 Jähriger einen solch starken Wandel in den einzelnen Bezirken empfindet?
Als ursprünglichen Grund kann man den Ende der 1970er Jahre entstandenen Trend der Reurbanisierung verstehen, der bis heute anhält.  Doch dies allein erklärt noch nicht die rasante Entwicklung der letzten Jahre. So muss man sich zunächst den ökonomischen Anreiz vor Augen halten. Dieser liegt in der Diskrepanz zwischen den aktuell realisierten und den potenziellen Erträgen des Grundstücks bzw. der darauf errichteten Immobilie („value gap“). Noch einmal gewachsen ist dieser ökonomische Anreiz durch die Finanzkrise 2008, diese ließ Investitionen in Beton lukrativer erscheinen als die Finanzmärkte. Der daraus resultierende Hype hat die Immobilienpreise drastisch ansteigen lassen. Das Ergebnis daraus bezeichnet man als Gentrifizierung. Also ganz nüchtern die Verdrängung einer statusniedrigeren durch eine statushöheren (finanzkräftigeren) Bewohnerschaft in den einzelnen Bezirken.2

Dass Gentrifizierung ein Problem ist, das einer Lösung bedarf, scheint fast allen Beteiligten bewusst zu sein. Doch da hört die Einigkeit auch schon auf. Denn um die Frage welche Maßnahmen, oder ob überhaupt Maßnahmen ergriffen werden sollen, ist eine so hitzige Debatte entstanden, dass es schwer vorstellbar ist, eine zufriedenstellende Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Drohender Identitätsverlust, eine leblose Stadt, die ihre alteingesessenen Bewohner an den Stadtrand abschiebt und damit langfristig Berlin schaden, treffen auf die Meinung, dass Gentrifizierung und die damit einhergehende „Aufbesserung“ der Bezirke, ein Gewinn (vor allem aus finanzieller Sicht) für die Stadt Berlin ist, die Investoren anlockt.

Das diese so verschiedenen Meinungsrichtungen zu unterschiedlichen Lösungen kommen, ist klar zu erkennen.

So will man auf der einen Seite die Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen, eine klare Mietpreisbremse, die eine weiter Aufwärtsspirale der Preise stoppen soll und den Bau von Sozialwohnungen vorantreiben. Dem entgegen steht die Behauptung, dass ein solch klarer regulativer Eingriff in den Markt nur negative Auswirkungen haben kann und nur die Freigabe von noch mehr Bebauungsland den Prozess stoppen kann.3

Diese Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen, die alle versuchen den Begriff der Gentrifizierung unterschiedlich in ihrem Interesse auszulegen, setzt sich auf der politischen Ebene fort. Was zu einer Handlungsunfähigkeit innerhalb der Regierung führt. Dies befeuert den Unmut innerhalb der Bevölkerung, die eine Lösung der Problematik erwartet und so gewinnen Demonstrationen und auch Initiativen an Bedeutung, die den Prozess der Gentrifizierung stoppen wollen.

Doch welchen Einfluss haben solche Projekte gegen Gentrifizierung auf die Verdrängung der Bewohner an den Stadtrands Berlins?

Um einen intensiveren Eindruck zu gewinnen, werden wir in einem der nächsten Blockbeiträge einen genaueren Blick auf zwei spezifische Initiativen werfen. Wir sind gespannt, was Bürgerinitiativen bewirken können und wo ihre Grenzen liegen.

 

Verweise:

1 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/04/berlin-demo-miete-preise-mietenwahnsinn-enteignung-volksbegehren1.html

http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/stadt-und-gesellschaft/216871/gentrifizierung-ursachen-formen-und-folgen?p=all

3 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/enteignung-von-wohnungsbaugesellschaften-demonstrationen-gegen-steigende-wohnkosten-spd-fordert-mietenstopp/24189888.html?ticket=ST-3688730-cqJ4vxLQHZTSWgTkCIaT-ap2

Bildquelle: https://get.pxhere.com/photo/light-night-city-urban-color-darkness-yellow-lighting-circle-housing-stadt-germany-berlin-shape-kreuzberg-gentrification-price-problems-gentry-verdr-ngung-gentrifizierung-458984.jpg

 

 

 

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