Berlin und seine Flughäfen: Ein äußerst sensibles Thema. Doch diesmal soll es zur Abwechslung nicht um den pannenbehafteten BER oder den vollkommen überlasteten TXL gehen, sondern um den Tempelhofer Flughafen. Seit der Schließung des Flughafens Ende 2008 haben die Berliner Bürgerinnen und Bürger – ganz nach hiesiger Manier – das Tempelhofer Feld für sich eingenommen und nutzen es nun für den typischen Berliner Lifestyle. Das war nicht immer so geplant. Bereits in den 1990er Jahren wurde mit einem ersten Flächennutzungsplan überlegt, das Feld für Gewerbe und Wohnungsbau zu öffnen.
Äußerst laut und mit deutlicher Mehrheit stimmten Berlinerinnen und Berliner vor ziemlich genau fünf Jahren gegen eine Bebauung und damit für den Erhalt und Schutz des Feldes mit all seinen wahrgenommenen Funktionen als historisch und ökologisch bedeutsamer Ort. Das ThF-Gesetz wurde verabschiedet und so geriet auch das Thema Bebauung in Vergessenheit.
Berlin wächst unablässig. Jedes Jahr ziehen Schätzungen zufolge etwa 50.000 Menschen in die Hauptstadt. Wohnraum wird immer knapper, Mieten immer teurer. Der Immobilienmarkt kocht. Und plötzlich taucht in den Medien ganz leise der Gedanke auf, Teile des Tempelhofer Feldes könnten genutzt werden, um den Berliner Wohnungsmarkt zu entspannen. Nachdem Bebauungspläne im Jahr 2014 so grandios scheiterten, ist es an der Zeit aus vergangenen Fehlern zu lernen. Was müsste diesmal anders gemacht werden, um auf mehr Rückhalt innerhalb der Bevölkerung zu stoßen?
War der Volksentscheid damals tatsächlich eine Entscheidung gegen Wohnungsbau? Oder vielmehr eine zu erwartende Misstrauenserklärung gegenüber dem Senat? Hauptproblem war wohl das große Mysterium um die Zukunft des Feldes. BürgerInnen wurden nicht genügend involviert, Ziele waren schwammig formuliert, Pläne wirkten nicht deutlich genug. Das zog sich nicht nur durch die Bebauungspläne, den besagten „Masterplan“, sondern generell durch die gesamte Handhabung der Berliner Verwaltungsorgane mit dem Feld. Sollte das Tempelhofer Feld nun ein Park sein, so wie es die aufgestellten Schilder bekundeten, oder doch Baugelände, wie es die beauftragten Bebauungsstudien vermuten ließen? Und dann auch noch das Konzept für die neue Zentrale Landesbibliothek, von dem viele befürchteten, dass es mal wieder ein Fass ohne Boden werden würde, bedingt durch Kostenhochrechnungen und Erfahrungen mit sich verzögernden Großprojekten, wie beispielsweise der BER.
Diese Unsicherheit trug sicherlich in hohem Maße zu dem schlussendlichen Ausgang des Volksentscheids bei. Lektion Nummer eins lautet somit: Das Volk MUSS eingebunden werden. Als eine der wichtigsten Stakeholdergruppen ist der Erfolg dieses Projekts abhängig von der Partizipation der Bürger. Mithilfe verschiedener Plattformen kann durch Transparenz und Teilhabe größere Akzeptanz geschaffen werden. Bei der letzten Planung wurde dies eindeutig versäumt.
Zunächst gilt es zu klären, wie man die Potentiale, die das Tempelhofer Feld bietet, optimal ausschöpfen kann. Eine Komplettbebauung käme wohl kaum in Frage. Für Berlin, insbesondere die Innenstadt, ist diese große unbebaute Fläche allein rein ökologisch betrachtet von unschätzbarem Wert. Und wie steht es um die Nutzung bestehender Gebäude? Der denkmalgeschützte Flughafenkomplex ist eher für Gewerbe geeignet, das Wohnungsproblem wäre damit in keiner Weise entschärft. Eine Randbebauung, wie sie vor einigen Jahren bereits geplant war, scheint somit noch der beste Kompromiss zu sein; Wohnbauten hinter Gewerbe. In einem Gespräch mit einem Experten, der involvierten Wohnungsbaugesellschaften beratend zur Seite stand, fiel zudem der Vorschlag, man könne die Oderstraße als Wohngebiet nutzen. Pläne dazu gab es bereits einmal, mit dem Volksentscheid mussten diese jedoch wieder verworfen werden.
Randbebauung also. Aber was bedeutet das? Würde man den ganzen Prozess wieder aufrollen, Bürger befragen, Städteplaner und Architekten mit Entwürfen beauftragen, alle Stakeholder an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten, die wertstiftend für das Gemeinwohl scheint; wann könnten wir dann frühestens mit bezugsfertigen Wohnungen rechnen? In zehn Jahren. Definitiv keine schnelle Möglichkeit der Entschärfung.
Und dennoch, Berlin wird weiterhin wachsen und Menschen aus aller Welt in ihren Bann ziehen. Bezahlbarer Wohnraum in der Stadt wird auch in zehn Jahren dringend benötigt werden. Das Tempelhofer Feld könnte eines von vielen Projekten sein, das zur Entschärfung der Wohnungsnot beiträgt. Notwendig wäre dafür jedoch, abgesehen von einem überzeugenden Konzept, eine Gesetzesänderung, denn das ThF-Gesetz verbietet jegliche Form der Bebauung. Genau diese Gesetzesänderung scheint, zumindest in dieser Legislaturperiode, eine unüberwindbare Hürde zu sein.
Unser Fazit: Wir sehen durchaus Hoffnung, dass es einmal zu Wohnraum auf dem Tempelhofer Feld kommen kann. Dafür wären allerdings große Schritte notwendig, mit denen in nächster Zeit nicht zu rechnen ist. Sollte es doch noch einmal zu der Möglichkeit kommen, Teile des Feldes zu bebauen, so wird der Erfolg wieder ganz maßgeblich vom Willen der Bevölkerung abhängen, so dass gilt: Das Volk muss überzeugt werden.
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