Enteignung – Die Lösung für den Berliner Wohnungsmarkt?

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, welches für den Menschen unverzichtbar ist. Es ist wichtig für jeden Einzelnen ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben in einer Region, in der er sich wohlfühlt.

So steht es auch im Artikel 28 der Berliner Verfassung „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum.“

Die Bedrohung keinen bezahlbaren Wohnraum zu finden, kann zu einer Bedrohung gewohnter sozialer Teilhabe führen und überspitzt gesagt zu einer Einschränkung der Menschenwürde.

Die fortwährende Existenzangst, die in Teilen Berlins deutlich zu spüren ist, macht das Thema des Wohnungsmangels und der Schaffung bezahlbaren Wohnraumes sehr brisant.

Die Diskussion über ein Volksbegehren – hier„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ – sei selten so kontrovers gewesen, heißt es. Wofür steht der Begriff Enteignung? Kann Enteignung das Wohnungsproblem wirklich lösen? Der Begriff wird je nach Interessengruppe unterschiedlich bewertet, aufgefasst und gedeutet. Es gibt Befürworter, klare Gegner und die Politik vertritt keinen einheitlichen Standpunkt.

Die Linken, aber auch in sehr großen Teil die Grünen vertreten den Standpunkt pro Enteignung. In der SPD sind unterschiedliche Stimmen zu vernehmen, die CDU sowie die Freien Demokraten sind vehement dagegen und sehen sie als eine im Sozialismus verwurzelte Lösung an. In erster Linie geht es hier um das Gemeinwohl und die Interessen der Bürger bzw. seiner Wähler zu vertreten und das damit verbundene Ungleichgewicht im Berliner Mietmarkt.

Befürworter argumentieren, dass durch die Enteignung das Wohl der Allgemeinheit vergrößert wird und dies über dem Wohl eines Unternehmens und seiner Eigentümer steht.

Die Gegner wiederum meinen, dass durch die Enteignung nicht das Problem des Wohnungsmangels gelöst wird – es entsteht nämlich effektiv kein neuer Wohnraum.  Die Wohnungsbaugesellschaft „Deutsche Wohnen“ lehnt das Vorhaben ab, was wenig überraschend erscheint. Sie vertritt die Ansicht, dass sie bereits jetzt bei der Mitgestaltung von neuem Wohnraum aktiv sei und der Verantwortung, in der Stadt für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, absolut gerecht werde. Michael Zahn (CEO Deutsche Wohnen): Die Deutsche Wohnen steht zu ihrer Verantwortung. Wir investieren in großem Umfang in Neubau und die effektive Nachverdichtung. Wir schaffen nachhaltige und lebenswerte Quartiere für Jung und Alt.

Bei so vielen Meinungen muss man sich nun die Frage stellen, wie denn letztendlich dem Ungleichgewicht im Berliner Mietmarkt entgegengewirkt werden kann und ob in diesem Zusammenhang die Enteignung von großen Wohnungsbaugesellschaften eine geeignete Lösung darstellt, den Mietmarkt nachhaltig zu entspannen.

Die Tatsache, dass Berlin ein Wohnungsproblem hat, darüber ist sich ein Großteil einig. Allerdings gehen die diesbezüglichen Lösungen weit auseinander. Während ein Initiativen-Bündnis sich die „Enteignung von Deutsche Wohnen und Co“ zur Aufgabe gemacht hat, um genanntes Problem anzugehen und damit auf Unterstützung der Linken und der Grünen setzen kann, sehen längst nicht alle diesem Vorschlag so optimistisch entgegen. Wo Licht ist, da ist auch Schatten und exakt so verhält es sich auch mit der Idee private Wohnungsbaugesellschaften, die in Berlin mehr als 3000 Wohnungen halten zu enteignen. Das Initiativen-Bündnis ist sich sicher, dass die Vergesellschaftlichung dieser privaten Konzerne ein notwendiger Schritt ist den Berliner Wohnungsmarkt zu entspannen und ein Exempel zu statuieren. Doch es gibt auch genügend Stimmen, die dagegenhalten und fleißig Argumente sammeln, um der Enteignung zu entgehen.

Da wäre zunächst einmal, wie so häufig, das liebe Geld. Wie sagte einst Klaus Wowereit so schön? „Berlin ist arm, aber sexy“. Nach dieser Selbsteinschätzung fragt sich der eine oder andere woher denn die knapp 28 bis 36 Mrd. Euro kommen sollen, die solch eine Enteignung verschlingen würde. So hoch sind nämlich laut amtlicher Schätzung der Stadtentwicklung die Entschädigungszahlungen, die Berlin an die privaten Wohnungsbaugesellschaften leisten müsste. In dieser Summe sind allerdings nur die Zahlungen an die zehn Unternehmen enthalten, welcher der Verwaltung bis zum Abschluss der amtlichen Kostenschätzung geläufig waren. Die Dunkelziffer soll hier noch deutlich höher ausfallen. Hinzu kommen laut Bericht auch noch jährliche Folgekosten von bis zu 340 Mio. Euro und einmalige Nebenerwerbskosten von 1,5 bis 3 Mrd. Euro, wie die Morgenpost schreibt. Die Befürworter der Initiative kommen bei ihren Berechnungen allerdings nur auf 7,3 bis ca. 14 Milliarden Euro, da hier der Wert der Immobilie anders bestimmt wird. Unabhängig davon welche Summe zutrifft, es handelt sich um enorm hohe Kosten.

Ein anderer Stein, der den Enteignungs-Befürwortern in den Weg gelegt wird, ist die Klärung der rechtlichen Frage. Da noch nie eine Enteignung auf Grund von Artikel 15 des Grundgesetzes stattgefunden hat, fehlt die passende Grundlage. Außerdem ist man sich noch uneins, ob man sich überhaupt auf Artikel 15 („Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“) oder doch eher auf Artikel 14 („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (…) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig…“) stützen sollte. Egal wie man sich entscheidet, ist die Enteignung auch an gewisse Bedingungen gebunden und muss in jedem Fall der Erreichung des angestrebten Ziels dienen. Hat man diese Hürde genommen, tut sich so gleich die nächste auf, denn durch die Entschädigungszahlungen darf der Landeshaushalt nicht in Schieflage geraten, anderenfalls kann das Volksbegehren unzulässig sein. Erschwerend kommt hinzu, dass in Berlin ab 2020 die grundgesetzliche „Schuldenbremse“ gilt. Ob die Hauptstadt dann überhaupt eine Investition in solchem Ausmaß tätigen kann bleibt damit fraglich.

Ein weiteres Problem, welches aus finanzieller Sicht eine nicht unbedeutende Rolle spielt, sind die absehbaren Mehrzahlungen für zukünftige Kredite. Eine der drei großen Ratingagenturen hat bereits damit gedroht im Falle der Enteignung die Kreditwürdigkeit Berlins abzustufen. Des Weiteren würde die Attraktivität des Standortes Berlin für Investoren erhebliche Einbußen hinnehmen müssen, sagen Enteignungsgegner. Dies gelte in erster Linie für den Immobilienmarkt, aber natürlich wären weitere Auswirkungen auf andere Wirtschaftsbereiche Berlins nicht auszuschließen.

Auch wenn die Enteignung von großen Wohnungsbaugesellschaften ein Mittel ist, um die Mieten dauerhaft im bezahlbaren Rahmen zu halten, so schafft sie doch keinen neuen Wohnraum und wird wohl wenig zur Reduzierung des Interessentenansturms bei Wohnungsbesichtigungen beitragen. Wohin also mit den ganzen Menschen, die so gerne Berlin ihren Wohnort nennen wollen?

Die SPD, die innerhalb der Partei zwar noch nicht klar Haltung bezogen hat, bringt hier schon eigene Lösungen, die ihrer Meinung nach zur Entspannung des Mietmarktes beitragen können. So hat die Partei am 13.05.2019 ein Papier vorgestellt, welches ihre Vorschläge enthält. „Mieten deckeln, schneller Wohnungen bauen, die Spekulation mit Baugrundstücken mittels einer hohen Grundsteuer eindämmen und notfalls auch Eigentümer enteignen, die trotz Baugenehmigung nicht mit dem Bauen anfangen“ heißt es darin. Des Weiteren hält die SPD den Ankauf von Wohnungsbeständen, die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts, die Festlegung einer Mietobergrenze für Berlin sowie Sanktionen bei Verletzung der Sozialpflicht des Eigentums für sinnvoll. Bei ihren Vorschlägen konzentriert sich die SPD vor allem auf Mittel, die möglichst zügig greifen können. Laut Tagesspiegel würde auch die Mehrheit der Bürger (89 Prozent) sich für den Bau von mehr Sozialwohnungen aussprechen und wie der BerlinTrend der rbb-Abendschau zeigt, halten auch 59 Prozent der Befragten die Randbebauung des Tempelhofer Feldes wieder für eine mögliche Alternative.  Allerdings ist Jana Brix von der Grünen Jugend entschieden dagegen, diese Debatte noch einmal aufzurollen.

Bei den bereits genannten Punkten bezüglich Investorenattraktivität und Ratingeinstufungen stellt sich natürlich die Grundsatzfrage, inwiefern diese im Zusammenhang mit Wohnungsbau eine Rolle spielen sollten. Die Initiative “Mieter*innenprotest Deutsche Wohnen” wirft die interessante und sicherlich idealistische Frage auf, ob es möglich sei einen Investoren-unabhängigen Wohnungsmarkt zu konzeptionieren. Die besondere Kiezkultur in Berlin und deren eigener Charakter stellt für viele Menschen einen Lebensmittelpunkt dar und ist dementsprechend hochemotionalisiert. Warum sollte man hier wegziehen müssen respektive unverhältnismäßige Mieterhöhungen hinnehmen, wenn man hier ein Leben lang gewohnt hat?

Man muss in der ganzen Enteignungsdebatte enorm aufpassen, nicht in eine unsachliche und vorwurfsvolle Argumentation hineinzugeraten. Solche Fragestellungen wie die der Initiative “Mieter*innenprotest Deutsche Wohnen” sind aber genau richtig und können bei ehrlicher und integrer Auseinandersetzung zu wirklichen nachhaltigen Lösungen führen. Wichtig zu betonen in der Enteignungsdebatte ist eben aber auch, dass die Enteignung nicht das Allheilmittel ist, sondern nur “eine Maßnahme in einem umfassenden Maßnahmenpaket darstellt.” (Jana Brix, Grüne Jugend). Dementsprechend ist die Lösung Enteignung nicht alleine dazu in der Lage den Berliner Mietmarkt nachhaltig zu entspannen.

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