Jubiläum: Fünf Jahre ThF – Gesetz

 

5 Jahre, so lange ist nun schon der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld (ThF) her. Anlässlich dieses Jubiläums veranstaltete die Bürgerinitiative „100% Tempelhofer Feld“ ein Fest am 25. Mai 2019 auf – was könnte man anderes erwarten – dem Tempelhofer Feld. Das lebhafte und ausgelassene Fest bot ein vielfältiges Programm, das von Musikbeiträgen und gemeinsamem Tanz bis hin zu Workshops, grillen und einer Radtour reichte. Wir waren mittendrin, um zu verstehen, was die Bürger damals bewegte, eine von rund 740.000 Stimmen gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes abzugeben, und ob sie noch immer mit derselben Überzeugung hinter ihrer damaligen Entscheidung stehen.

Die Initiative “100% Tempelhofer Feld” engagierte sich für den Erhalt des gesamten 380 Hektar großen Areals, aufgrund seiner Leistungs- und Funktionsfähigkeit im Naturhaushalt, der Eigenart und Schönheit seiner Landschaft, Erholungsfunktion, kulturhistorischen Bedeutung sowie als Ort des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ziel war es, das Tempelhofer Feld als innerstädtischen Freiraum mit seinen besonderen Eigenschaften und Funktionen dauerhaft zu erhalten, in diesem Sinne weiterzuentwickeln und vor gefährdenden und verändernden Eingriffen zu schützen. Und was wollen Berlins Bürgerinnen und Bürger?

         

Eine Berlinerin sagt, dass das Feld unbedingt unbebaut bleiben muss, da die Stadt eine große Freifläche dringend nötig habe und den Bürgern so auch etwas Freiraum und Entspannungsmöglichkeiten in der sonst so erdrückenden und dichten Stadt geboten werde. Zudem habe sie die Sorge, dass, wenn erst einmal mit einer (Rand-) Bebauung angefangen werde, weitere Baupläne folgen würden. „Ich habe Angst, dass die Randbebauung nur der erste Schritt ist. Danach wird die Gier zu groß und es wird immer weiter gebaut. Dem Ganzen traue ich einfach nicht.“ In unseren Interviews wurde dieser Standpunkt immer wieder deutlich gemacht. Wenn das Tempelhofer Feld erst einmal „kaputt“ ist, ist es aus mit der Einzigartigkeit, dem unverstellten Blick in die Ferne und der Möglichkeit, sich frei entfalten zu können. Ein Berliner vergleicht das ThF  mit New York: „Die Ammis haben den Central Park und wir das ThF – und so soll es auch bleiben.“

Es lässt sich beobachten, dass viele der Politik gegenüber sehr negativ gestimmt sind. So merkt ein anderer Berliner an, dass er sich grundsätzlich nicht mit Politikern an einen Tisch setze. „Die sind für mich ein Feindbild. Das Engagement der Parteien beruht vor allem darauf, Stimmen der Wähler fangen zu wollen.“ Dies zeigt, dass die Initiative “100% Tempelhofer Feld” sich selbst losgelöst von der Politik sieht. Wir begegnen an diesem Tag einigen, die den Politikern kein Vertrauen mehr entgegenbringen können und deshalb das Gefühl haben, selber die Zügel in die Hand nehmen zu müssen. Die Initiative bietet den Gegnern daher eine Plattform, die für eine starke Einheit steht.

Darüber hinaus sprachen wir mit einer Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Neukölln. Sie wirkte damals mit viel Engagement beim Volksentscheid mit, um die Bebauung des Geländes zu verhindern und sammelte überall Unterschriften. Ihrer Meinung nach gilt das ThF als wichtige Freiluftschneise. Das Feld sorge dafür, dass der gesamte Bezirksbereich nicht so heiß sei. Im Gegensatz dazu ist der Alexanderplatz Berlins heißester Ort – bedingt durch die enge Bebauung. Solche Biotope, wie das ThF, mit grünen, unversiegelten Flächen, müssen erhalten bleiben. Das ThF ist ein Ort für sozialen Austausch und Freiheit und bietet einen ausgezeichneten Kontrast zum hektischen Stadtleben. Unsere Frage, ob sozialer Wohnungsbau mit niedrigen Mieten auf dem Areal überhaupt möglich sei, verneint sie. Die aktuellen Baurechte ließen keine preiswerten Wohnungen zu. Demnach wäre die Bebauung mehr als nur eine reine Randbebauung gewesen. Einer erneuten Volksabstimmung steht sie äußerst kritisch gegenüber. Die Bevölkerung habe ja bereits entschieden. Sie würde sich dann nicht für „voll genommen“ fühlen, es wäre regelrecht ein Vertrauensbruch und würde lediglich zu noch mehr Abwendung gegenüber der Politik führen. Das sei schädlich für Politik und Demokratie.

Auch uns kamen noch einige weitere Punkte in den Sinn, die gegen eine (Rand-) Bebauung sprächen. All dem übergeordnet steht jedoch ein ganz entscheidender Fakt: Das ThF-Gesetz. In Paragraph 5 dieses Gesetzes verpflichtet sich das Land Berlin auf die Errichtung von Gebäuden und Bauwerken zu verzichten. Mit einer Änderung dieses Gesetzes kann in naher Zukunft – unter Berücksichtigung der derzeitigen politischen Lage Berlins – nicht gerechnet werden.

Sollte es doch einmal zu einer Bebauung kommen, so wäre eine frühe Bürgerbeteiligung essentiell. Sobald es Architektenpläne gäbe, müssten diese mit den Bürgerinnen und Bürgern geteilt werden und ihnen genau erklärt werden, was gebaut werden soll und welcher Sinn und Zweck dahinter steht. Am besten wäre es wohl, wenn sie sogar schon in Planungsschritte involviert würden. Eine weitere Möglichkeit wird darin gesehen, mit „Minischritten“ die soziale Infrastruktur zu erweitern (und sozialen Wohnungsbau). Schulen, Kindergärten usw. seien von Nöten, denn bisher ist das ThF infrastrukturell unerschlossen.  

Jedoch gäbe es alternativ viele andere Flächen in Berlin zu bebauen. Hier wären zum Beispiel Berlins Kleingartenkolonien zu nennen. Das seien Leute, die die Fläche nur für sich privat haben und diese könne man für alle als Bauboden nutzen, merkt ein Berliner auf dem ThF an. Eng verwandt mit diesem Gedanken ist auch das derzeit viel diskutierte Thema  der Enteignung von Immobiliengesellschaften, von dem viele der Feiernden an diesem Tag überzeugt sind. Und weshalb werden nicht zuerst die zahlreichen leerstehende Räume und Freiflächen genutzt, die infrastrukturell bereits gut erschlossen sind? Sanierung von verfallenen und maroden Gebäuden oder deren Abriss mit anschließendem Neubau versiegelt keine weiteren Flächen und könnte gleichzeitig zu einem attraktiveren Stadtbild beitragen. Auch der Berliner Rand sollte stärker einbezogen und dort die BVG-Anbindung ausgebaut werden, schlagen zwei junge Wahlberliner vor.  Am Beispiel von Lidl und Aldi sehen wir, dass Flachbauten, die eine große Fläche einnehmen aufgestockt werden können und auch sollten. Folglich gibt es zahlreiche Möglichkeiten mehr Wohnraum zu schaffen, ohne weitere Flächen “zubetonieren” zu müssen.

Wenn eine Bebauung des Feldes für die nächsten Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte erst einmal erfolgreich abgewendet zu sein scheint, so fragen wir uns: Was passiert mit dem Tempelhofer Feld? Und nicht nur uns geht es so. Viele Berlinerinnen und Berliner, mit denen wir ins Gespräch kamen, hatten ähnliche Gedanken wie wir. Wenn auch nicht als Bauland, birgt das ThF trotz alledem enorm viel Potential. Das Areal könnte sehr viel an Schönheit gewinnen, wenn landschaftsarchitektonisch in das Feld investiert werden würde. Die scheinbar “unendliche Weite” des ThF hat zwar etwas nahezu atemberaubendes, aber gleichzeitig schwingt immer ein gewisser Charakter von Einöde mit. Über eine Bepflanzung mit Bäumen und anderem Grün würden sich viele Berlinerinnen und Berlin sicherlich freuen und die Lebensqualität, die man auf dem Feld spürt, könnte durch solch kleine ästhetische Maßnahmen noch weiter gesteigert werden.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass immer eine unterschwellige Angst vor einer Bebauung bestehen bleiben wird, da die zunehmende Wohnungsnot, die sich gewiss in Zukunft noch weiter verschärfen wird, zu immer drastischeren Maßnahmen zwingt. Sollte es doch einmal zu einer Bebauung des ThF kommen, ist man sich einig. Die Investoren werden sich nicht zurückhalten und direkt versuchen, alles zu bebauen – ganz im Sinne von: Geld ist Macht.

 

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