Enteignung

Und immer wieder die Frage nach Wohnraum in Berlin. Jeder kennt sie und ist direkt oder indirekt davon betroffen. Jeder erhofft sich Besserung, kennt jedoch keine perfekte Lösung. So auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Oder kennen eben sie schon die perfekte Lösung?

Wie im vorangehenden Beitrag beschrieben, soll sich die Enteignung vordergründig auf Artikel 15 des Grundgesetzes stützen. Dieser sei laut FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja „zurecht noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik angewendet worden, denn er öffnet Tür und Tor für willkürliche, staatliche Raubzüge.“

Eine Entschädigung würde dem Land Berlin nach momentanen Schätzungen zwischen 28 und 36 Mrd. Euro kosten, eventuelle Investoren abschrecken, die Kreditwürdigkeit Berlins herabsetzen und einen großen, langjährigen Rechtsstreit mit sich ziehen. Wozu das Ganze also? Die hitzige Debatte nach dem Grundbedürfnis Wohnraum hat jedoch zwei Seiten. Das Thema ist aktuell und viel diskutiert, Meinungen über Meinungen kursieren in Medien, Web und Alltag. Um sich ein klares Bild und eine fundierte Meinung bilden zu können, ist es wichtig, sich sowohl mit Stimmen für als auch mit Stimmen gegen Enteignung zu beschäftigen. Um speziell auf die möglichen Chancen und erhofften Ziele der Enteignung einzugehen, wird zunächst der Kern der Debatte betrachtet: Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, genug Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, um den ersten Stein zur Enteignung zu legen mit dem Ziel, Spekulationen zu bekämpfen und Existenzängste der Mieter zu bewältigen.

Ausgangssituation für diese missliche Lage sei unter anderem der bisher schlechte Umgang Berlins mit Staatseigentum. „Mietsteigerungen zur Haushaltssanierung und die Privatisierung zehntausender landeseigener Wohnungen sind die Ursache der heutigen Wohnungskrise”, meint Ralf Hoffrogge, der sich in der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen” engagiert. Das Geschäftsmodell, Spekulationen mit Wohnraum zuzulassen, entstand als eine Folge aus dieser Privatisierung und gehöre laut Katrin Schmidberger, Politikerin im Bündnis 90/Die Grünen, abgeschafft. Sie schlägt vor, durch Enteignung den Bestand an gemeinwohlorientierten Wohnungen nach dem Modell von Wien, Basel oder Amsterdam auf ca. 50 % zu stärken, um wieder mehr Kontrolle über den Mietmarkt zu bekommen. Katja Kipping von den Linken sieht in der Enteignung sogar eine Handlung der Notwehr: „Es gibt seit Jahren eine Enteignung der Menschen mit mittleren Einkommen. Die Mieten sind explodiert. Wenn die Löhne und Renten in demselben Zeitraum nur ganz wenig stiegen, bleibt für die Menschen immer weniger zum Leben.”

Die Meinungen verschiedener Juristen zu dem Thema gehen sehr auseinander. Während der Verfassungsrechtler Helge Sodan ein solches Vorgehen für verfassungswidrig hält, berufen sich die Befürworter der Enteignung dabei auf den Artikel 28 der Berliner Verfassung: „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen…” und legitimieren ihren geforderten Eingriff mit dem 15. Artikel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Die Vorteile für die Mieter sind deutlich:

Die Mietpreise sollen sinken und in Zukunft nicht mehr unverhältnismäßig ansteigen.

Laut Berechnung der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ließe sich eine Mietpreissenkung von 0,97€ pro m² realisieren. Die betroffenen Wohnungen würden damit bezahlbarer und ein großer Teil der Mieter würde dauerhaft erheblich entlastet werden.

Darüber hinaus verspricht sich die Initiative von einer Enteignung, dass die betroffenen Mieter künftig ohne eine andauernde Existenzangst durch Modernisierungsmaßnahmen in ihren Wohnungen leben können, da Modernisierungsmaßnahmen nicht länger als Instrument zur Erhöhung der Mieten eingesetzt würden.

All die genannten Gründe würden aus Sicht der betroffenen Mieterinnen und Mieter zu einer Verbesserung ihrer Situation führen.

Die Frage, die sich jedoch stellt:  Wie legitim und angemessen ist es, dass die Stadt Berlin für diesen verhältnismäßig kleinen Teil ihrer Bürgerinnen und Bürger einen derartigen Betrag aufbringt?

Denn schließlich profitieren nur die betroffenen Mieter und selbst von diesen wahrscheinlich nicht alle in gleichem Maße. Oder können auch andere Bürger vielleicht von einer Enteignung der Wohnungsbaugesellschaften profitieren?

Neben den zuvor genannten, sehr emotionalen Argumenten, welche zudem von vielen Einzelschicksalen geprägt sind, geht diese Fragestellung häufig etwas unter. Langfristig betrachtet ist sie aber keineswegs unbedeutender, denn diese Fragestellung ist es letztlich, die darüber entscheidet, inwieweit eine Enteignung dauerhaft positive Auswirkungen auf den Berliner Wohnungsmarkt  hat oder ob lediglich die betroffenen Mieterinnen und Mieter profitieren.

In der aktuellen Diskussion geht es um ca. 15 % der gesamten Berliner Wohnungen, die von einer Enteignung betroffen wären. Würden diese der öffentlichen Hand gehören und Mieterhöhungen dort lediglich in Höhe der Inflation stattfinden, könnte eine Enteignung auch auf andere Bürger wirken. Denn mit einem solchen Anteil an staatseigenen Wohnungen würde man über einen nicht unerheblichen Anteil aller Wohnungen verfügen und hätte damit ein Instrument, um steuernd auf den Berliner Mietspiegel einzuwirken. Ein weiterer Vorteil, der jedoch erst in ferner Zukunft auftreten würde, wären die künftigen Mieteinnahmen, die zu einem noch unbekannten Zeitpunkt nicht mehr zur Tilgung der Kredite, sondern zum Neubau von Wohnungen verwendet werden könnten. Dieses Geld könnte unter anderem dafür sorgen, dass man sich von der Abhängigkeit von Immobilieninvestoren lösen könnte und dauerhaft neuen und vor allem bezahlbaren Wohnraum schaffen würde.

Die Diskussion rund um eine mögliche Enteignung beschäftigt die Gesellschaft. Während das eine Lager sehr ambitioniert und emotional argumentiert und fest von einer rechtlichen Umsetzbarkeit überzeugt ist, sieht die andere Seite sich teilweise zu unrecht angegriffen, zweifelt an der rechtlichen Legitimität und zeigt sich von außen betrachtet relativ unbeeindruckt.

Die Enteignungsdebatte wird, sofern die 77.001 eingereichten Unterschriften gültig sind, mit einem Volksbegehren fortfahren und schlussendlich wahrscheinlich zu einer juristischen Entscheidung führen. Wie lange dieser gesamte Prozess andauert und mit welcher  Entscheidung er ausgeht, lässt sich in der jetzigen Situation nicht sagen.

Doch es geht hier auch um viel mehr als nur um die Enteignung von ca. 240.000 Wohnungen. Es geht um eine gesellschaftliche Fragestellung, die uns alle betreffen sollte. Wie weit wollen wir einen Eingriff in die kaufmännische Freiheit zulassen, wenn es um so ein wichtiges Thema wie der Anspruch auf Wohnraum geht und wo ziehen wir die Grenzen?

Enteignung – Die Lösung für den Berliner Wohnungsmarkt?

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, welches für den Menschen unverzichtbar ist. Es ist wichtig für jeden Einzelnen ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben in einer Region, in der er sich wohlfühlt.

So steht es auch im Artikel 28 der Berliner Verfassung „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum.“

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