„Wir stehen kurz vor der Eröffnung“1 – von wann stammt dieses Zitat eigentlich – aus dem Jahr 2010? 2015? 2020? Das Megaprojekt BER: mehr Skandale und Probleme ranken sich um den Bau des neuen Hauptstadtflughafens, als tatsächliche Erfolgsgeschichten. Doch was zeichnet ein solches Projekt, zunächst im Idealfall, eigentlich aus?
Ein Projekt beschreibt ein zeitlich befristetes Vorhaben mit definiertem Anfang und Abschluss. Für eine erfolgreiche Umsetzung erfordert es eine festgelegte Organisations- und Handlungsstruktur, die sich auf klare Nutzungsanforderungen stützt2. Ein eigentlich stabiles Grundgerüst, welches dennoch in der Praxis oft scheitert. Doch woran liegt das? Schenkt man den Meinungen von Politikern Glauben, so mangelt es oft an Transparenz. Diese beinhaltet sowohl klare Kommunikation im Hinblick auf Planung, aber auch auf Umsetzung und Expertise. Um kritische Selbstreflexion und Fehlereingeständnisse zu ermöglichen, ist darüber hinaus ein Bewusstsein für eigene Kompetenzen erforderlich.
„Zuerst hatten wir kein Glück, danach kam auch noch Pech dazu.“
Wer ist nun schuld an dieser Misere? Je nach Standpunkt, natürlich die anderen. Mit dieser Frage haben sich auch die Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN, sowie die Piratenpartei Deutschland beschäftigt. Während die Piraten hauptsächlich die sachliche Unfähigkeit der Aufsichtsratsmitglieder und Politiker4 anprangern, geben die Grünen vor allem der mangelnden Selbsteinschätzung, sowie Unerfahrenheit der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) mit Großprojekten5, die Schuld. Die „politische Verantwortungslosigkeit“ 6 setzt sich aus Sicht der Opposition fort, beachtet man, mit welcher Ignoranz Warnungen vor Terminverzögerungen und Kostensteigerungen behandelt wurden.
„Eines der größten Probleme ist das Geld – es gab zu viel davon.“
Die Kosten steigen ins Unermessliche, ein Ende scheint kaum in Sicht. Im Kontrast dazu steht die ursprüngliche Behauptung der Grünen im Raum, die Fertigstellung des neuen Flughafens schien aus finanzieller Sicht gesichert zu sein8. Wie lassen sich diese beiden Gegensätze miteinander vereinbaren, beschreiben sie doch das gleiche Projekt? Nachdem man sich nach dem Scheitern der Privatisierung des Baus dazu entschieden hatte, den Bau doch in öffentlicher Regie durchzuführen, konnten über drei Milliarden Euro aus verschiedensten Quellen dafür aufgebracht werden. Dann aber kamen zu den Ausgaben für unnötige und umstrittene Maßnahmen, sowie Unterhaltungskosten für die bestehenden Flughäfen Tegel und Schönefeld alt, auch noch immense Zusatzkosten durch ständige, baubegleitende Umplanungen dazu. Das Ergebnis: voraussichtlich sei keine Refinanzierung des Flughafens BER möglich. So schnell kann aus gesicherter finanzieller Lage eine Notlage werden.
Was tun, um dem Ganzen nun ein Ende zu setzen? Die Forderungen der Grünen sind diesbezüglich klar formuliert. Man plädiert für klare Vorgaben. Des Weiteren sollten bei der Besetzung des Aufsichtsrats wohl eher die Kompetenz und das Fachwissen als das zurzeit bekleidete politische Amt eine Rolle spielen. Durch professionelles Risikomanagement, eine vorangehende, umfassende Kostenanalyse, sowie ein stetiges Monitoring sollen die Fehler der Vergangenheit in Zukunft vermieden werden. Außerdem wird das Verlangen nach Regelungen zur stärkeren Mitverantwortung des Aufsichtsrats9 laut um sicherzustellen, dass dessen Entscheidungen auch tatsächlich dem Allgemeinwohl dienlich sind und nicht bloß der Befriedigung eigener Interessen dienen. Zusammengefasst: BER Neustart – ein Baustopp und eine daran angeschlossene planerische und finanzielle Neubewertung10 wäre zumindest für die Grünen und die Piraten eine logische Konsequenz.
„Wir sind sicher auf der Zielgeraden. Die Frage des Tempos und wie lang die Zielgerade ist, ist eine andere.”
Mit jeder Aufschiebung des Eröffnungstermins und mit jedem weiteren Skandal stellte sich die Frage: Welche Informationen sind nun überhaupt noch verlässlich und welche Informationen wurden unter Umständen sogar bewusst zurückgehalten? Als Lösungsansatz hierfür wurde der sogenannte Untersuchungsausschuss auf Drängen der Opposition hin gegründet. Dieser bestand von Oktober 2012 bis Juni 2016 unter der Leitung von Martin Delius, Mitglied der Piratenpartei. Man einigte sich darauf, dass die gesamte Planungs- und Baugeschichte des BER von Grund auf kritisch hinterfragt und untersucht werden müsse. Planungsfehler müssten aufgeklärt werden, endlose sowie sinnlose Kostensteigungen im weiteren Verlauf vermieden werden. Zudem sei es erforderlich, die Ursachen der Kosten- und Terminverschiebungen aufzudecken und daraus Konsequenzen für mögliche weitere Fehler zu ziehen12. Vom Standpunkt der Grünen und der Piraten war dieses Vorhaben jedoch ein Fass ohne Boden: die schon geleistete Aufklärungsarbeit schien dabei immer wieder von Aufsichtsratsmitgliedern und der großen Koalition behindert zu werden und die Veröffentlichung der Ergebnisse wurden eingeschränkt. Dies geschah mit der Begründung, dass personenbezogene Daten zu schützen seien13. Wahrheit oder Augenwischerei? Fakt ist, eine öffentliche Debatte zu den Unterlagen konnte so in Teilen verhindert werden. Aus Sicht der Piraten ist eine Aufarbeitung des BER Skandals jedoch nicht ohne die Einbeziehung der Öffentlichkeit möglich. Aus diesem Grund richteten sie eine anonyme Whistleblower Schnittstelle ein, über die Informationen für die Öffentlichkeit publiziert werden konnten. 14
In diesem Sinne zeigt sich also wieder deutlich, dass Transparenz einen äußerst wichtigen Faktor für die erfolgreiche Durchführung eines Projektes darstellt.
Im Rahmen einer Projektarbeit befassen wir uns als studentische Gruppe mit dem übergeordneten Thema des Stakeholder-Einflusses auf Großprojekte am Beispiel des BER. Wir freuen uns über die Möglichkeit im Rahmen dessen am 04. Juni 2018 mit Harald Moritz, Abgeordneter der Partei Die Grünen und ehemaliges Mitglied des im Rahmen des BER gegründeten Untersuchungsausschusses, ein Interview führen zu dürfen. Die Planung für unser Projekt-Interview ist soweit abgeschlossen, keine Terminverzögerungen und Kostensteigerungen in Sicht. Was soll da noch schief gehen?
(Autoren: Rebecca Marzahn, Melina Morgenstern, Jalin Bulut, Tatjana Jäger, Nina Albinus, Max Rütten)
Zur weiteren Information
Offizielle Website des FBB – http://www.berlin-airport.de/de/
Offizielle Website Bündnis 90/DIE GRÜNEN – https://www.gruene.de/
Offizielle Website Piratenpartei Deutschland – https://www.piratenpartei.de/
Kampagnenseite der Piratenpartei zum BER – http://www.ber-stoppen.de/
Plattform BERwatch der Piratenfraktion – https://ber.piratenfraktion-berlin.de/
Bericht zum BER Untersuchungsausschuss, herausgegeben von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – https://www.gruene-fraktion-berlin.de/sites/default/files/BER-Abschlussbericht-web_0.pdf
Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER – http://berlin-gegen-fluglaerm.de/wp-content/uploads/2014/03/ber-untersuchungsausschuss-zwischenbericht-piraten.pdf
Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) – https://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-3000.pdf
Fußnotenübersicht
1 Wowereit, Klaus (2010), aus Thomas Fülling: 2010 sagte Wowereit: „Wir stehen kurz vor der Eröffnung“, 16.12.2017, online verfügbar unter: https://www.morgenpost.de/berlin/article212868715/2010-sagte-Wowereit-Wir-stehen-kurz-vor-der-Eroeffnung.htm , eingesehen am: 17.05.2018
2 Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 54
3 Wegmann, Jürgen (1986) aus Spruch des Tages, Sport Sprüche, online verfügbar unter: https://www.spruch-des-tages.org/sport-sprueche/802-zuerst-hatten-wir-kein-glueck-und-dann-kam-auch-noch-pech-dazu ,eingesehen am: 17.05.2018
4 Delius, Martin/ Chacón, Benedict Ugarte (2013): „Unten Bleiben – Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER“, Berlin, 1. Auflage, S.6
5 Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 8
6 Delius, Martin/ Chacón, Benedict Ugarte (2013): „Unten Bleiben – Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER“, Berlin, 1. Auflage, S.6
7 Otto, Andreas, Parteimitglied Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016) – aus Berliner Zeitung, Die schönsten Zitate zur BER-Eröffnung – seit Mai 2010, 15.12.2017, online verfügbar unter: https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/die-schoensten-zitate-zur-ber-eroeffnung-seit-mai-2010, eingesehen am: 17.05.2018
8 Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 31
9 Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 30
10Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 56
11 Delius, Martin/ Chacón, Benedict Ugarte (2013): „Unten Bleiben – Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER“, Berlin, 1. Auflage, S.82
12 Bretschneider, Rainer, Aufsichtsratschef der FBB (2017), aus Berliner Zeitung, Die schönsten Zitate zur BER-Eröffnung – seit Mai 2010, 15.12.2017, online verfügbar unter: https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/die-schoensten-zitate-zur-ber-eroeffnung-seit-mai-2010, eingesehen am: 17.05.2018
13 Delius, Martin/ Chacón, Benedict Ugarte (2013): „Unten Bleiben – Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER“, Berlin, 1. Auflage, S.81
14 Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (2016): „Unkontrolliert ins Chaos – Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss“, Berlin, 1.Auflage, S. 41
15 Delius, Martin/ Chacón, Benedict Ugarte (2013): „Unten Bleiben – Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER“, Berlin, 1. Auflage, S.14
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1, S. 1, Parteilogo Bündnis 90/DIE GRÜNEN, aus Wikipedia: Bündnis 90/Die Grünen, 29.08.2013, online verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4b/B%C3%BCndnis_90_-_Die_Gr%C3%BCnen_Logo.svg (eingesehen am: 18.05.2018)
Abbildung 2, S. 2, Parteilogo Piratenpartei Deutschland, aus Wikipedia: Piratenpartei Deutschland, 30.05.2011, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (Link?); Urheber: Piratenpartei Deutschland, online verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e7/Piratenpartei_Deutschland_Logo.svg (eingesehen am 18.05.2018)