The State of American Democracy

Research-based Analysis and Commentary by the Department of Politics at the John-F.-Kennedy Institute

Die Krise der amerikanischen Demokratie und die Tea-Party-Bewegung

Die dramatische Haushaltskrise der USA konnte am 2. August 2011 im letzten Moment noch abgewendet werden. Durch einen Kompromiss zwischen Präsident Obama und den Republikanern im Kongress gelang es gerade noch rechtzeitig, die gesetzliche Schuldenobergrenze anzuheben, so dass die USA weder zahlungsunfähig wurde noch Renten und Gehälter nicht länger zahlen konnte. Für die Folgen einer solchen Entwicklung wäre die Tea-PartyBewegung zumindest mittelbar verantwortlich gewesen. Nicht nur waren viele der Wortführer der wochenlangen Obstruktion Abgeordnete, die im Wahlkampf von der Tea Party unterstützt wurden. Hauptgrund für die lange währende absolute Kompromisslosigkeit der republikanischen Mehrheitsfraktion im US-Repräsentantenhaus war überdies die Befürchtung vieler weiterer Abgeordneter, im Vorwahlkampf 2012 von Kandidaten der Tea-PartyBewegung herausgefordert zu werden, wenn sie gegen das ideologische Reinheitsgebot verstoßen würden, mit Obama nicht zusammenzuarbeiten (Dowd 2011).Die Tea-Party-Abgeordneten waren, anders als ihre eigene Parteiführung um Speaker John Boehner, bereit, es auch zur Zahlungsunfähigkeit der USA kommen zu lassen. Nach Auffassung vieler Beobachter kann diese Kompromisslosigkeit nur als Erpressung der eigenen Fraktionsführung, des verhandlungsschwachen Präsidenten und letztlich der gesamten USA gewertet werden, deren Kreditwürdigkeit und Glaubwürdigkeit auf dem Spiel standen. Hier ging es nicht mehr um geschickte »Brinkmanship«, sondern um einen »Krieg gegen Amerika« (Nocera 2011). Und nach dem Kompromiss, der einer fast vollständigen Kapitulation Obamas gleichkommt – er erreichte wenig mehr als die Erhöhung der Schuldenobergrenze –, verkündeten einige Vertreter der Tea Party sofort, dass die geplanten Kürzungen nicht ausreichten (ebd.).Die Auseinandersetzung ist mit dem Kompromiss über Haushaltskürzungen und die Einsetzung einer paritätisch besetzten Kommission zur Identifizierung weiterer Einsparmöglichkeiten also nicht beendet, denn es geht der Tea-Party-Bewegung und auch der Mehrheit der Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat grundsätzlich um die Rolle des Staates in Gesellschaft und Wirtschaft, und zwar insbesondere um die Rolle der Bundesregierung (Rasmus 2011). Die Republikaner verweigern jegliche Einnahmeerhöhungen, selbst die Schließung von Steuerschlupflöchern ist umstritten. Diese Verpflichtung fast aller Republikaner im Kongress, niemals Steuern zu erhöhen, ist der größte Erfolg des republikanischen Strategen Grover Norquist von Americans for Tax Reform, der für den Ausspruch berühmt wurde, dass er die Regierung so verkleinern wolle, dass man sie in der Badewanne ertränken könnte.Es ist zu erwarten, dass Obama auch die kommenden Auseinandersetzungen verlieren wird, denn er hat keinen Weg gefunden, sich der Erpressungsbereitschaft der Abgeordneten, die der Tea Party nahestehen, zu entziehen. Was hat es mit der Tea Party auf sich, wie kann eine nicht zentral organisierte Bewegung, deren Ansichten zwischen elf und 20 Prozent der Bevölkerung teilen und die erst im Jahr 2009 entstanden ist, eine solche Machtfülle erreichen?1 Während die Amerikaner sich auf den Wahlkampf 2012 vorbereiten, steckt das Land in der größten Krise seit der Great Depression. Der amerikanische Optimismus ist verschwunden angesichts von Massenarbeitslosigkeit, einer verfallenden Infrastruktur und völlig blockierter politischer Institutionen. Welche Rolle spielt die Tea-Party-Bewegung in dieser Krise der amerikanischen Demokratie und Gesellschaft?

Vollversion des Artikels

Thomas Greven. – Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Westeuropa/Nordamerika, 2011.
(Internationale Politikanalyse : FES Washington) Electronic ed.: Berlin ; Bonn : FES, 2011

Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 20. Oktober 2011 um 17:41 Uhr von Thomas Greven veröffentlicht und wurde unter Congress Watch, The State of American Democracy: Innenpolitik abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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