Nachdem es einige Zeit so ausgesehen hatte, als ob Barack Obama die Wahl gar nicht mehr verlieren könnte, ist der Wahlkampf nun zu jenem Kopf-an-Kopf-Rennen geworden, das die meisten Experten erwartet haben. Möglicherweise kämpft Obama in der letzten Debatte um sein politisches Überleben, obwohl das Feld der Außenpolitik meist nicht wahlentscheidend ist und er bisher dort auch kaum angreifbar schien. Mit den nun kolportierten direkten Gesprächen zwischen dem Iran und den USA könnte sich auch dies ändern. Jenseits von „horse race“-Betrachtungen und Umfragen-Wasserstandsmeldungen stellen sich auch grundsätzliche Fragen in diesem Wahljahr. Thomas Greven diskutiert in zwei Beiträgen zum einen, was denn von einer zweiten Amtszeit Barack Obamas zu erwarten ist und zum anderen, welche Konsequenzen die zunehmende gesellschaftliche Spaltung in den USA für die amerikanische Politik und insbesondere die beiden großen Parteien hat.
1. https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/no-you-can2019t
2. https://www.heidelberger-lese-zeiten-verlag.de/archiv/2012.htm
UNIVERSITAS 9/2012 Schwerpunkt „USA – Weltmacht auf Abruf?“
Thomas Greven
Präsidentschaftswahlen in einem gespaltenen Land
Bei den US-Präsidentschaftswahlen 2012 wird Barack Obama vermutlich die von ihm gewünschte Grundsatzwahl bekommen anstelle einer Abstimmung über die Wirtschaftslage. Doch bietet die Wahl nur die Illusion einer wirklichen inhaltlichen Alternative. Auch die derzeitige gesellschaftliche Polarisierung beruht letztlich nicht auf starken programmatischen Kontrasten zwischen den Parteien, sondern ist Ergebnis der hegemonialen Spaltungsstrategie der Republikaner und der gleichzeitigen strategischen Schwäche der Demokraten. Die USA steuern auf ein ethnisch polarisiertes Zweiparteiensystem zu, wenn es den Demokraten nicht gelingt, die weißen Arbeiter- und untere Mittelschichten wirtschafts- und sozialpolitisch stärker anzusprechen.