Obamas zweite Amtszeit hat bereits begonnen und am kommenden Dienstag, den 15. Februar 2013 wird der Präsident in seiner ‚State of the Union Adress‘ vor beiden Kammern des Kongresses die Leitlinien seiner Politik für die zweite Amtszeit präsentieren. Die Erwartungen an seine Politik sind nicht dermaßen überladen wie noch vor 4 Jahren, doch die Hoffnungen, bzw. Befürchtungen – abhängig von der jeweiligen politischen Positionierung – nun den Obama zu bekommen, den man sich vor 4 Jahren erwartet hat, sind wieder groß. Weniger messianisch und visionär zeigte sich Obama in seinen ersten Amtshandlungen, aber die Probleme, vor denen die USA stehen sind nicht kleiner geworden und in Verbindung mit den schwierigen politischen Kontextbedingungen stehen Obama zwei schwierige Jahre bevor, in denen er die Einwanderungsgesetze reformieren und auch eine Verschärfung der Waffengesetze durch den Kongress bringen will. In den Zustimmungsraten konnte Obama in der letzten Zeit wieder zulegen, aber insgesamt scheint das Zutrauen in die Handlungsfähigkeit der politischen Entscheidungsträger in den USA gering: Blockade in Washington, Polarisierung im Kongress, eine scheinbar gespaltene Gesellschaft, unfähig zum Dialog und eine Medienlandschaft, die diese Spaltung überzeichnet, verschärft, um so die eigenen Marktanteile zu sichern. Mit den Schlagworten ‚Hope‘ und ‚Change‘ ist Obama ins Weiße Haus eingetreten, wollte sich für eine Versöhnung einsetzten und schien gescheitert. Der Wahlkampf 2012 erschien dann auch als ein unrühmlicher Höhepunkt dieses Scheiterns. Unsummen von Geld gingen in einen weitgehend inhaltslosen Wahlkampf, beide politischen Lager konzentrierten sich auf die Verunglimpfung des jeweiligen politischen Gegners, die USA erschienen als Zerrbild eines funktionierenden demokratischen Systems, die Rating Agenturen senkten die Bonitätsbewertungen von AAA auf AA+, weniger aufgrund der ökonomischen Situation, sondern weil das Vertrauen in die Problemlösungskapazität des politischen Systems fehlte.
Doch irgendwie kam dann doch alles etwas anders. Obama gewann die Wahlen recht deutlich, zum zweiten Mal wählten die Bürger einen schwarzen Mann ins Weiße Haus, der Einfluss des Geldes auf den Wahlausgang ist weit geringer als befürchtet und mit einem Male deutet sich nach der Wahl auch die Möglichkeit zu politischen Kompromissen zwischen den Parteien an. Politiker beider Seiten redeten wieder miteinander, setzten sich in Kommissionen zusammen, um Antworten auf die zentralen Probleme der US-amerikanischen Gesellschaft zu finden. Sind die USA also mit einem Male wieder vernünftig geworden, besinnen sich auf die alten Tugenden, die Amerika stark gemacht haben. Schon vor langer Zeit hatte Johann Wolfgang Goethe gesagt: „Amerika, du hast es besser / als unser Kontinent, der alte / Hast keine verfallenen Schlösser / und keine Basalte / Dich stört nicht im inneren / zu lebendiger Zeit / unnützes Erinnern / und vergeblicher Streit“
Aber auch hier kann man mit weit weniger Pathos eine andere Erklärung anführen: Die Republikanische Partei hat realisiert, dass Sie mit dem Aufstand der weißen alten Männer in Form der Tea Party den ‚Untergang‘ des ‚alten‘ weißen Amerikas nicht mehr verhindern kann. Will man weiterhin die politische und gesellschaftliche Entwicklung der USA mitbestimmen, dann muss man die neuen gesellschaftlichen Realitäten anerkennen. Insbesondere ‚Hispanics‘, aber auch und andere ethnische Gruppen bestimmen zunehmend das Bild der US-amerikanischen Gesellschaft und fordern ihren Anteil an sozialen, ökonomischen und politischen Ressourcen des Landes. Öffnen sich die Republikaner nicht gegenüber diesen neuen Gruppen, dann dürften sie die kommenden Jahrzehnte das Weiße Haus nicht wieder besetzen können. Ihnen fehlt eine modernen Gesellschaftspolitik, die auf Integration, Teilhaben und Anerkennung aller Bürger abzielt, eine ganz wichtige Gruppe hier: die Frauen. Mit restriktiven Positionen in der Abtreibungspolitik, die den Frauen das Recht auf Selbstbestimmung nimmt und in einer Schwangerschaft in Folge einer Vergewaltigung Gottes Wille zu erkennen glaubt, wie dies der Republikanische Senatskandidat Murdock aus Indiana suggerierte, kann man unter Frauen keine Stimmen mehr gewinnen. Die US-Gesellschaft hat sich in großen Teilen modernisiert und inzwischen scheint diese Einsicht auch bei den Republikanern angekommen zu sein, die Fundamentalopposition der Tea-Party Aktivisten scheint zu bröckeln, die Republikaner, die in den letzten Jahren die politische Mitte nach weit rechts außen verlassen haben, suchen einen Weg zurück ins Weiße Haus und das geht eben nur über die politische Mitte.
Was lässt sich momentan mit Blick auf die kommenden Jahre und die zweiten Amtszeit Obamas festhalten? Die ersten Initiativen Obamas und auch seine Amtsantrittsrede scheinen darauf hinzudeuten, dass die USA jetzt mehr von dem Obama bekommen, den sie sich bereits 2008 erhofft oder befürchtet hatten, abhängig von der ideologischen Positionierung. Er tritt aktiver, selbstbewusster und weit progressiver auf als er es noch in seinen ersten vier Amtsjahren getan hat. Vielleicht sehen wir den Wandel von einem reaktiven zu einem aktiven Präsidenten? Die Republikaner auf der anderen Seite müssen ihre Fundamentalopposition aufgeben, wollen sie nicht den Anschluss an eine sich modernisierende US-Gesellschaft verlieren. Beides zusammen bietet Raum für dringend notwendige Reformen.
Aus dem Blick darf dabei aber nicht geraten, was wir in vielen Einzelstaaten beobachten können, die mehrheitlich von Republikanern regiert werden. Hier sehen wir momentan den wirklichen Widerstand gegen das moderne Amerika. Abtreibungskliniken werden geschlossen, man versucht das Wahlsystem in einzelnen Bundesstaaten so zu ändern, das Republikanische Kandidaten systematisch bevorzugt werden, in Texas formiert sich eine, wenn auch momentan noch kleine und kuriose Unabhängigkeitsbewegung und die Gouverneurin von Arizona hatte noch vor der Wahl die Etablierung einer Miliz angekündigt, um sich gegen den Strom illegaler Einwanderer aus Mexiko zu wehren. Zugleich rüstete die Bevölkerung auf: mit dem Einsetzen der Debatte über eine Verschärfung des Waffenrechts decken sich die Amerikaner mit Waffen jeglichen Kalibers ein. Der US Historiker Richard Hofstadter hatte wohl doch recht, als er vom paranoiden Charakter der US- Gesellschaft sprach, fragt sich, ob sie Selbstheilungskräfte der USA stärke sind und Bill Clinton ja vielleicht Recht hatte, als er in den 1990er Jahren sagte, das da nichts Falsches an den USA sei, das nicht durch das Richtige in den USA geheilt werden kann. Manchmal ist es eben nur schwer zwischen falsch und richtig zu unterscheiden.