Meine Recherche hat an der Tramhaltestelle Thomas-Mann-Straße begonnen. Das ist die Haltestelle, die zum Plattenbauviertel führt. Das Viertel ist modern gestaltet und hat keine Spur vom Sozialismus. Mein Weg begann in der Thomas-Mann Straße, einer sehr langen und breiten Straße. Links und rechts befinden sich Plattenbauten in grau, orange und hellgrün. Die Gebäude sehen sehr ordentlich und modernisiert aus durch gepflegte Fassaden und das naheliegende Territorium. Der Viertel ist sehr grün, mit mehreren Grünanlagen und sauberen Kinderspielplätzen.
Was sofort auffällt, ist ein spezielles Mikroklima des Mikroraion. Als würden die hohen Wände der Plattenbauten seine Bewohner schützen. Im Laufe meines Spazierganges habe ich mehrere Menschen gesehen, die einander freundlich gegrüßt haben, wie in einem kleinen Dorf. Denn eine Großstadt verdrängt alles Persönliche, dem Anonymen gegenüber. Kinder spielen sorglos auf den Spielplätzen, die anderen fahren Fahrräder in Kreisen oder basteln etwas mitten in der Straße. Die Älteren genießen die warmen Sommerabende auf der Bank und sprechen über alles auf der Welt, bummeln durch die Grünanlagen und beobachten ihre Kinder. Ich hatte das Gefühl, als wäre man einige Jahrzehnte zurück in die Zeit des Sozialismus, in der jeder auf die bessere helle Zukunft gehofft hat.
Kommt man zu meinen Beobachtungen der Plattenbauten zurück, so lagen diese zunächst auf den Hauseingängen. Und was mir gleich aufgefallen ist – lange hohe Häuser mit zehn gleichen Hauseingängen. Diese bilden die Form eines Glaskastens. Drinnen sind üblicherweise die Postkästchen gelegen. Auf dem Hauseingang steht meistens eine riesige Ziffer – die Hausnummer, die man noch vom Weiten sehen kann. Weiter rutscht der Blick auf die Fassaden. Wie oben bereits erwähnt, sind sie meist gepflegt, modernisiert und bunt gefärbt. Dies soll vermutlich eine Schönheitsfunktion tragen. Es lohnt sich auch zu sagen, dass die Plattenbauten im Viertel beim S-Greifswalder Straße meistens sehr hoch sind. Mit circa 15 Etagen schützen sie Passanten vor der Sonne und beschatten die Innenhöfe.
Die Innenhöfe sind ein weiteres interessantes Thema, das ich gern ansprechen würde. Wie bereits erwähnt, herrscht in den Innenhöfen ein besondere Mikroklima. Ein Mikroklima der Freude, der Sicherheit und des Vertrauens. Als eine Illustration dienen dazu die Graffitis, die meistens sehr bunt und auffällig sind. Diese verstecken sich in den weiten schattigen Ecken oder befinden sich gerade auf den Fassaden. Eine weitere tragende Rolle spielen in den Innenhöfen die Mülltonnen, wie paradox sich das auch anhören mag. Die Mülltonnen bilden ein Ensemble aus mehreren Farben, die hinter den Gittern stehen. So werden sie von den Unbefugten, als auch vor den Augen der Passanten geschützt. Auf dem Gitterzaun herum wächst meistens etwas Grünes und verschönert dadurch den Ausblick. Es lässt sich anmerken, dass die Mülltonnen üblicherweise mitten im Hof gelegen sind. So dass die Bewohner der Plattenbauten unvermeidlich den Ausblick darauf haben.
Infrastruktur ist ein weiteres großes Thema. Das Erdgeschoss der Wohnhäuser ist meistens nicht bewohnt, stattdessen befinden sich dort zahlreiche Serviceeinrichtungen. Diese reichen von einer Stadtbibliothek bis zu modernen Banken und Läden . Für die Bewohner ist es sehr praktisch, dass man keinen langen Weg zurücklegen muss und sich alles in der Nähe befindet: Schulen und Kindergärten, Fußballfelder und Trainingsplätze – alles befindet sich in der Reichweite von maximal 15-20 Gehminuten. Alles ist sehr kompakt gelegen und widerspricht den anderen Funktionalitäten nicht. Und um auf den Startpunkt zurückzukehren, ist die Verbindung zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut. Man hat eine gute Anbindung zu der Tram, zu dem Bus und bei dem Wunsch liegt der S-Bahnhof Greifswalder Straße nur wenige Minuten Fußweg entfernt. Der Plattenbautenviertel beim S-Bahnhof Greifswalder Straße hat sicherlich seinen unvergesslichen Charme. Es verleiht einem das Gefühl der Sicherheiten und des Vertrauens. Es ist ganz eindeutig ein Ort, an dem man sich sicher fühlt. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass sich für mich mit dem Mikroraionbesuch die Vorstellung von Plattenbausiedlungen im Allgemeinen verändert hat. Für mich ist deutlich geworden, dass solche Viertel ihren Charme nicht in der Architektur, sondern in der Atmosphäre haben, die ganz einmalig und unvergesslich sein kann.
Olga Manaeva