Die Akte „Palästinakonflikt und Berlin“

Während unseres Besuchs im Zentrum Moderner Orient (ZMO) war es faszinierend, Originaldokumente einzusehen, aus denen wir diesen Blogbeitrag verfasst haben. Dabei gewannen wir tiefgehende Einblicke in die komplexe historische Entwicklung des Palästinakonflikts und die verschiedenen politischen Strategien und Akteure in der Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Von Vera Schwenk, Sarah Al-Khatib, Raphael Schmiedeke

In der Akte „Palästinakonflikt und Berlin“ aus dem Archiv des Höpp-Nachlasses findet man Dokumente bezüglich der Situation über den Konflikt in Palästina und den Aufständen der arabischen Bevölkerung gegenüber der Mandatsmacht vom Jahr 1938. Es ist eine Sammlung aus offiziellen Briefen, Zeitungsartikeln und Polizeinachweisen aus Berlin.

Besonders interessant sind die verschiedenen Sichtweisen, die man durch die Einsicht in die Korrespondenz zwischen den Parteien erhält. So kann man aus einem Brief der Englischen Botschaft an die Berliner Staatspolizei die Besorgnis erkennen, dass am Kurfürstendamm der Hauptsitz einer „Arabisch-Europäischen Vereinigung“ besteht, welche aufständische Palästinenser mit Geld und Waffen versorgt.

Abb. 1 Auftrag zur Kontrolle des Arabischen Klubs am Kurfürstendamm an die Polizei
Abb. 2 Das gleiche Dokument aus Abb. 1, mit Vermerken der Polizei

Aus den Unterlagen wird auch ersichtlich, dass ebendiese Vereinigung arabischer Studierender in Berlin am 19. Oktober 1938 ausgerechnet den deutschen Reichskanzler Adolf Hitler um Hilfe bat, nach Palästina „Frieden und Gerechtigkeit“ zu bringen.

Zum Geschichtlichen Hintergrund

Nach dem Ersten Weltkrieg kam Palästina unter britische Kontrolle. Großbritannien verfolgte jedoch eine widersprüchliche Politik: Es unterstützte sowohl einen jüdischen Nationalstaat als auch einen arabischen Staat. Das Faisal-Weizmann-Abkommen von 1919, das nie in Kraft trat, sollte Staatsgrenzen für ein arabisches Königreich und einen jüdischen Staat festlegen. König Faisal von Syrien stimmte darin der Herauslösung Palästinas aus dem arabischen Königreich zu. Die zunehmende jüdische Einwanderung führte jedoch zu Spannungen.

Von 1933 bis 1936 war Palästina ein wichtiges Exilland für Juden aus Europa. Bis Ende 1938 wanderten über 200.000 Juden ein. Diese hohe, zum Teil illegale Einwanderung führte zu Unmut unter der arabischen Bevölkerung. 1936 brach ein bewaffneter arabischer Aufstand aus, der bis 1939 andauerte und durch Gewaltakte gegen Juden und die britische Mandatsmacht geprägt war. Die Briten reagierten mit harter Repression, konnten die Spannungen aber nicht lösen.

1939 veröffentlichten die Briten das Weißbuch, das die jüdische Einwanderung begrenzte und eine unabhängige palästinensisch-arabische Staatlichkeit anstrebte. Die hier skizzierten Ereignisse legten den Grundstein für den fortdauernden Konflikt zwischen Juden und Arabern in der Region.

Nationalsozialistischer „Vorschlag zur arabischen Frage“

Die britische Präsenz in Palästina veranlasste die politische Abteilung des Auswärtigen Amtes zu einem Dossier mit dem Titel „Vorschlag zur arabischen Frage“. In dem Dokument werden verschiedenste Punkte zur Beantwortung der Frage diskutiert, wie das „Problem“ der arabischen Frage mit Rücksicht auf das Ziel der Niederschlagung Englands weiterbehandelt werde. Hierfür werden verschiedenste demografische Faktoren der arabischen Welt genannt und analysiert. Die Bedeutung des arabischen Raumes für eigene Interessen wird aufgrund seiner geopolitischen Lage umfassend beschrieben.

Zu den in den Dokumenten diskutierten Methoden zählen zum Beispiel Propaganda in lokalen Medien, Sabotageakte und Begünstigungen von Aufständen, wie auch die Fällung politischer Entscheidungen, wie zum Beispiel die Benennung eines Groß-Arabiens. Die Wichtigkeit, zu verschiedensten lokalen politischen Akteuren wie vor allem zu Mohammed Amin al-Husseini Beziehungen zu pflegen, wird betont.

Der Großmufti Palästinas kollaborierte intensiv mit dem nationalsozialistischen Deutschland und leitete während des Zweiten Weltkriegs eine arabische Propagandaabteilung von Berlin aus. Mit der Ideologie der Nazis verband ihn – neben dem Ziel, einen erfolgreichen Schlag gegen England zu setzen – das antisemitische Weltbild. Durch diese Einigkeit in der Judenfrage und die Klarstellung, dass kein deutsches Interesse im arabischen Raum vorherrsche, mit den Briten aber ein klarer gemeinsamer Feind existierte, sollten so für die Achsenmächte Vorteile aus einer guten Beziehung mit den arabischen Staaten entstehen.


Zum Titelbild: Britische Militärpolizisten zerstreuen während der Ausschreitungen in Jaffa, 19.–21. April 1936, eine arabische Menschenmenge. Aus: The Illustrated London News vom 13. Juni 1936. Quelle: Agence de presse Meurisse. Dieses Bild stammt aus der Digitalen Bibliothek Gallica.

Ein Gedanke zu „Die Akte „Palästinakonflikt und Berlin““

  1. Es wäre noch interressant gewesen, die Sichtweise der unterschiedlichen Arabischen Gruppierungen miteinzubeziehen, falls der Höpp-Nachlass darüber Aufschluss gibt.

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