Arabische Tonspuren in Deutschland

Die erste arabische Schallplattenfirma entstand zwischen Beirut und Berlin. 1906 gründeten fünf Brüder und Cousins das Label Baidaphon. Gepresst wurde in Kreuzberg.

Von Raphael Schmiedeke

Baidaphon half als Pionier der arabischen Musik Industrie nicht nur dabei arabische Musik in viele Teile der Welt zu verbreiten, sondern schaffte für viele Menschen einen ersten Berührungspunkt mit dieser. Damit trug sie zum interkulturellen Austausch und zu einer Entwicklung einer Identität von moderner arabischer Musik bei. Außerdem wird durch die Archivierung der Tonaufnahmen dazu beigetragen ein kulturelles Erbe zu erhalten. Es gilt es als Vorbild für zukünftige Plattenlabel in der arabischen Welt und zeigt, dass es gelingen kann sich in der globalen Musikindustrie zu behaupten.

Entstehungsgeschichte

Baidaphon ist die erste arabische Schallplattenfirma, die 1906 zwischen Berlin und Beirut von fünf Cousins und Brüdern Pierre, Farajallah, Gabriel, Michel und Spiridonder libanesischen Familie Baida gegründet wurde. Michel Baida, der als einziger von ihnen in Berlin als Arzt lebte, schloss Kooperationen mit den Kreuzberger Lyrophonwerken, in denen die Platten unter dem Label „Baida Record“ gepresst wurden. Dabei galt es Arabische Musik – zunächst die eigene, von Farajallah Baida aufgenommene – zu verbreiten und zu archivieren.

Ihre erste Niederlassung in Beirut ist 1907 zu verzeichnen. 1911 wird erstmals unter dem Label „Baidaphon“ gepresst. Im Jahr 1914 eröffnete das Unternehmen eine Zweigstelle in Kairo und begann, eine breite Palette arabischer Musik zu vermarkten, darunter algerisches, marokkanisches und tunesisches Repertoire. Die Aktivitäten von Baidaphon breiteten sich also bald über die gesamte arabische Welt und darüber hinaus in die arabische Diaspora vor allem nach Südamerika aus. Als Pierre Baida starb wurde das Label in einigen Ländern umstrukturiert, in Ägypten zu Cairophon und im Jemen zu Tahaphon. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges konnte Baidaphon nicht mehr in Deutschland produzieren und musste in die Schweiz ausweichen, um die Produktion in Europa fortsetzen zu können.

Erstes Firmenlogo
Originalaufnahme von Negib Effendi (vgl. Titelbild), abgerufen via archive.org

Baidaphon nahm eine große Zahl an Künstlern auf, unter ihnen die berühmtesten arabischen Sänger*innen der Zeit, wie Umm Kulthum, Mohammed Abdel Wahab und Farid al-Atrash. Diese Aufnahmen halfen ihre Musik zu verewigen und trugen signifikant zu ihrem Ruhm bei.

Trotz des großen Erfolges und der Einflussnahme Baidaphons war ihre Akzeptanz als arabisches Plattenlabel nicht immer gegeben. Weder in Deutschland noch in der arabischen Welt. Die große Verbreitung arabischer Musik beunruhigte viele Autoritäre insbesondere in Frankreich und Deutschland, die in ihr Propaganda und Gefahren der panarabischen Nationalisten sahen. Die rassistischen und xenophoben Ideologien der Nazis führten zu einer feindlichen Umgebung für ausländische Unternehmen, die nicht in das propagierte Idealbild passten. Politische Zensur und Überwachung erschwerten die Produktion. Viele Platten wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Aber auch arabische Regierungen versuchten die Produktion und Importe zu regulieren und zu beeinflussen.


Weiterführend:

  • Auf dem Ghamarophone-Blog von Chris Silver finden sich weitere Hintergründe und Beispiele von Baidaphon-Produktion mit dem Schwerpunkt jüdische Künstler aus Nordafrika

Ein Gedanke zu „Arabische Tonspuren in Deutschland“

  1. Lieber Raphael, ich finde deinen Blogbeitrag sehr gelungen! Interessant, wie die arabische Musik ihren Weg nach Deutschland fand, damit habe ich mich nie auseinandergesetzt.

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