Air France-KLM: Stellung zum BER, Rolle im Planungsprozess und Auswirkungen der Verschiebungen (Teil II)

Das Projekt Flughafen BER wird heute überwiegend kritisch betrachtet. Verschiedenste Anspruchsgruppen wie Bürgerinitiativen und Lokalpolitiker äußern sich öffentlich negativ, Journalisten tragen durch ihre Berichterstattung zur Positionierung der unterschiedlichen Stakeholder und nicht zuletzt zu einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung bei. Auffällig ist jedoch, dass sich die Fluggesellschaften in ihren öffentlichen Aussagen überwiegend bedeckt halten und eine klare Positionierung vermeiden. Wie stehen die verschiedenen Airlines zum Standort Berlin und zum BER?

Wir hatten die Möglichkeit im Interview mit Klaus Marx, dem Regional Station Manager Germany der Air France-KLM, mehr über die Einbindung von Fluggesellschaften in Planungsprozesse beim Großprojekt BER zu erfahren. Ebenso ging Herr Marx auf die aktuelle Situation des Flughafenstandorts Berlin und die Bedeutung dessen für Air France-KLM ein. Im Folgenden werden Ausschnitte des Interviews veröffentlicht, die sich vor allem konkret auf Air France-KLM als Holding Air beziehen. Über die genaue Einschätzung von Herrn Marx hinsichtlich der Flughafensituation in Berlin wird im Blogbeitrag der anderen Projektgruppe „Fluggesellschaften“ informiert.

Klaus Marx ist seit 1988 für Air France-KLM tätig und heute als Regional Station Manager für die Sicherstellung betrieblicher Abläufe über Sicherheitsmanagementsysteme, Performance Monitoring und Qualitätsmanagement verantwortlich.

Bereits im Voraus des Interviews stellte Herr Marx die Wichtigkeit der Kundenorientierung für Air France-KLM heraus. So arbeitet die Holding Air an neuen Technologien, um Passagiere besser zu informieren, den Check-In-Prozess zu erleichtern und die „Airport Experience“ für Reisende möglichst komfortabel zu gestalten. Der BER entspreche nicht wirklich den Anforderungen Air France-KLMs an einen modernen Flughafen, so gibt es aktuell keine Vorrichtungen für einen Check-In mit Mobilgeräten. Generell seien Self-Service Infrastrukturen am BER unterrepräsentiert. 

Schöne Check-In Schalter, allerdings noch keine Möglichkeiten zum komfortablen Self Check-in. (eigene Bildquellen)

Dementsprechend gering sei auch das bisherige Commitment. Herr Marx stellte klar, dass Air France-KLM, wie fast alle Fluggesellschaften außer Lufthansa und früher Air Berlin, bisher kaum in Planungsprozesse einbezogen worden sei. Dennoch werde der BER dringend gebraucht, da Berlin-Tegel nicht mehr fähig ist, sich dem aktuellen Flugverkehr entsprechend anzupassen und kein Potential für weiteres Wachstum besteht.

 

 

 

Herr Marx, Sie sagten bereits, dass der BER Ihren Bedürfnissen als Airline nicht wirklich entspricht und sie auch in Planungsprozesse am BER als Fluggesellschaft kaum eingebunden werden. Welche negativen Auswirkungen sind für Ihr Unternehmen durch die Verzögerungen und auch durch den medialen Diskurs entstanden?

Die negativen Auswirkungen, die wir jeden Tag erleben, sind das „Tegel-Erlebnis“. Für manch einen Passagier mag die kurze Distanz praktisch sein. Man ist nah an der Stadt, das ist sehr komfortabel.

Jedoch ist das Erlebnis des jeweiligen Fluggasts abhängig vom benutzten Terminal. Unsere Terminals variieren, da es auch Verschiebungen (Anmerkung: zu anderen Terminals) geben kann.  Dort findet man teils Infrastrukturen und Einrichtungen vor, welche nicht dem entsprechen, was man von einem Hauptstadtflughafen erwartet.

Wenn man bei Regen durch den Flughafen Tegel läuft und es in das Gebäude hineinregnet, man das Flughafengelände ablaufen muss, um zum Gepäckbereich zu gelangen… das ist ein negatives Erlebnis für die Flugreisenden. Zudem ist es aufgrund der hohen Fluggastzahlen in Berlin-Tegel für alle dort Arbeitenden schwer, den Flughafen „am Laufen“ zu halten. Wir haben also bisher nicht so viel Schaden durch die Nicht-Eröffnung des BER erfahren, viel eher durch die negative Erlebnisse der Passagiere am Flughafen Berlin-Tegel.

Sie erwähnten, dass Berlin als Standort sehr wichtig ist und, dass der BER in Zukunft dementsprechend wichtig sein wird. Wir fragen uns, warum die Airlines im Allgemeinen so widerwillig eine Stellung in Bezug auf den BER beziehen. Keine Airline äußert: „Ja wir wollen ihn, wir sind glücklich, dass er eröffnet wird…“

Wir äußern das durchaus. Wahrscheinlich nicht öffentlich gegenüber der Presse, aber wir haben für die deutschen Airlines den BDF (Bundesverband für Deutsche Fluggesellschaften) und den BARIG (Board of Airline Representatives in Germany), wo wir als Gruppe den BER unterstützen. Die Positionierung zum BER ist aber eine sehr empfindliche Angelegenheit. […] Wir wollen nicht zu den politischen Spannungen beitragen, die wir bereits haben. Deshalb arbeiten wir sehr wenig profiliert, aber auf einer intensiven und konstruktiven Basis.

Glauben Sie nicht, dass es dem Projekt helfen würde, wenn die Airlines eine stärkere, sogar öffentliche Stellung bezüglich des Flughafens BER beziehen würden? Oder sich stärker an Planungsprozessen beteiligen würden?

Ich glaube – und das ist ziemlich traurig- es wird nicht helfen. Es wird den Prozess nicht beschleunigen, weil das, was da seit so vielen Jahren vor sich geht, seine benötigte Zeit braucht.

Sind für Air France-KLM durch den BER große Kosten entstanden, also nicht nur indirekte Kosten, Sie haben uns von den Unannehmlichkeiten für die Kunden in Berlin-Tegel berichtet, aber irgendwelche direkten Kosten?

Nein, wir hatten Glück, dass wir nur Informationstechnik installiert hatten und für eine Weile bezahlt haben, als wir dachten er (Anmerkung: der Flughafen BER) würde ein paar Monate später eröffnen. Im Übrigen wollten wir unsere Infrastrukturen in Berlin-Tegel abbauen, um diese dann am BER aufzubauen. Aber da dies (Anmerkung: die rechtzeitige Eröffnung) nicht stattgefunden hat, sind wir nicht umgezogen und hatten deshalb eigentlich keine Kosten.

Andere Fluggesellschaften hatten dagegen deutlich höhere Kosten, weil sie bereits am BER in Infrastrukturen investiert hatten oder auch Büroräume außerhalb des Flughafens gemietet hatten. Während ein nicht eröffneter Flughafen keine Nutzungsgebühren verlangen kann, können dies normale Bürogebäude in Flughafennähe, bei unterzeichnetem Vertrag, selbstverständlich.

Gab es durch die Pleite Air Berlins irgendwelche positiven Auswirkungen für Air France-KLM, zum Beispiel freigewordene Kapazitäten?

 Wir hatten mehr Passagiere, aber keine zusätzlichen, ungenutzten Flugzeuge verfügbar, welche wir für Berlin-Tegel hätten nutzen können. Deshalb mussten wir mit unseren normalen Kapazitäten weiterarbeiten und haben lediglich unsere Auslastung ein wenig verbessert. Die war allerdings bereits vorher sehr hoch.

Kann demnach durch den Konkurs Air Berlins ein größerer Vorteil für Air France-KLM realisiert werden?

Wir haben sicherlich mehr Raum für Wachstum. Der gesamte Flughafen wurde jedoch für eine Fluggesellschaft wie Air Berlin gebaut, welche dort ihre Heimatbasis hat und diesen als Hub betreibt.

Heute sind die einzigen Fluggesellschaften, die eine Art Basis hier in Berlin haben, die Billig-Airlines.

Sie hatten bereits den BARIG erwähnt. Wie steht es um seinen Einfluss auf Projekte wie den BER? Ist es ihm möglich dort eingebunden zu werden?

Ja, der Einfluss des BARIG ist sogar größer als der der einzelnen Fluggesellschaften. Es handelt sich dabei um einen Interessenverband, welcher die Interessen seiner Mitglieder bündelt und diese gegenüber Politikern vertritt. […] So werden an vielen Flughäfen die Gebühren für die Nutzung mit dem BARIG und dem BDF verhandelt. Wenn man im Namen von 100 Fluggesellschaften spricht, ist gibt es einem eine deutlich größere bei Verhandlungsmacht. Deshalb ist es sehr hilfreich, ich würde sogar meinen absolut notwendig, um gehört zu werden.

Glauben Sie, dass die Verspätungen und die schlechte Gesamtsituation hätten verhindert werden können, wenn die Fluggesellschaften von Anfang an beteiligt worden wären? Und nicht nur Lufthansa und Air Berlin?

Vielleicht, da man früher hätte darauf aufmerksam machen können, was schieflief. Fluggesellschaften haben jedoch auch unterschiedliche Anforderungen an den BER, von daher lässt sich das nicht so pauschal sagen. Dadurch, dass die Planung nicht an einen Generalunternehmer übergeben wurde, lagen die Verantwortlichkeiten bei einer Vielzahl von Unternehmen. Selbst wenn die einzelnen beteiligten Unternehmen alles richtig geplant und durchgeführt hätten, so fehlte es doch an einer integrierenden, koordinierenden Abteilung.

Eine abschließende Frage: Könnten sie beschreiben, wie sich das Kundenerlebnis von Air France-KLM-Kunden am Standort Berlin in fünf bis zehn Jahren gestaltet?

Das hängt vom Passagier ab. Jeder Berliner, so scheint es zumindest, liebt Tegel. Andere Passagiere sagen, das habe ich selbst gehört, sagen: „Oh schau dir das an, ist das wirklich Berlin?!“ Nein wirklich, man erwartet nicht ein Flughafen wie Tegel für Berlin.

Wenn man noch nicht in Deutschland war, erwartet man Hochgeschwindigkeitszüge und schöne Bauten. Die Verbindungen von Tegel aus in die Stadt sind entweder per Taxi, per Bus oder zu Fuß. Das ist etwas, was man von kleinen Flughäfen in kleineren Städten erwartet. Es erfüllt einfach nicht die Erwartungen.

Also stellt der BER eine Chance für Berlin da.
Ja. Und er ist nicht nur eine Chance. Er ist verzweifelt gebraucht.

Flughafen BER: verzweifelt gebraucht, aber noch (lange) nicht fertiggestellt. (eigene Bildquellen)

 

 

 

 

 

 

 

Vielen Dank an Klaus Marx für das gegebene Interview, ebenso an Dr. Joris Ebbers für die Organisation. Das Interview wurde in Englisch geführt und für diesen Blogbeitrag übersetzt verschriftlicht.

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