The State of American Democracy

Research-based Analysis and Commentary by the Department of Politics at the John-F.-Kennedy Institute

Thomas Greven: Die Rückkehr des weißen Mannes

Sicher, die amerikanische Präsidentschaftswahl 2008 verspricht, einzigartig zu werden. Zum ersten Mal könnte eine Frau das erste Amt im Staat bekleiden (und gleichzeitig eine quasi dynastische Entwicklung fortschreiben) oder ein Schwarzer. Zwar hat der letzte im Wahlkampf verbliebene weiße Mann nun einen Vorteil, weil seine Konkurrenten sich noch gegenseitig bekriegen und er in den Umfragen auch deshalb punkten kann, aber historisch wäre seine Wahl kaum. Eben ein weiterer, wenn auch ziemlich alter, weißer Mann im Weißen Haus.

Und doch wird es auf die weißen Männer ankommen in diesem Herbst, denn sie sind das wesentliche Bindeglied zwischen den Herausforderungen für John McCain und den Schwachstellen von Hillary Clinton und Barack Obama. Wer auch immer für die Demokraten antritt, wird versuchen, die Wahl zu einem Referendum über George W. Bush zu machen und also behaupten, die Wahl McCains würde eine dritte Amtszeit für Bush bedeuten. Nun gilt McCain in seiner Partei durchaus als „Maverick“, der sowohl seine Fraktion als auch die Regierung wiederholt herausgefordert hat, z.B. bei seiner Ablehnung der Steuersenkungen (deren Verlängerung er dann aber zugestimmt hat), bei der Regelung der Wahlkampffinanzierung und in der Folterfrage. In der für die Wahl zentralen Frage des Irak-Krieges scheint er allerdings noch entschlossener als der Präsident, die Sache durchzufechten. Erfahren in Besatzungssituationen, war er ein früher Befürworter des „Surge“. Doch der Krieg ist unpopulär; McCain kann hier nur über die Anrufung von Patriotismus und letztlich auch Militarismus punkten, und das wohl am ehesten bei weißen Männern, die dafür insbesondere im Süden und in den ländlichen Gebieten ansprechbar sind.

Die zweite Herausforderung für McCain ist, den Mangel an Begeisterung auf Seiten des sozialkonservativen Teils der Republikanischen Wählerschaft zu kompensieren, der für die Wahlerfolge der letzten Jahre so bedeutsam war. Die christlich-konservative Basis ist nach acht Jahren Bush desillusioniert, und John McCain ist nicht ihr Kandidat – sie traut ihm nicht. Viele werden in die traditionelle politische Abstinenz zurückkehren, manche werden angesichts drängender wirtschaftlicher Probleme gar Demokratisch wählen. Vielleicht wird McCain über die Wahl seines „running mate“ versuchen, doch noch eine Begeisterung zu erzeugen. Vor allem aber wird er vermutlich nicht der Versuchung widerstehen, Schwachstellen des Demokratischen Kandidaten auszunutzen, wer immer es auch sei, um über die weiße männliche Wählerschaft den Teilausfall der christlichen Basis auszugleichen.

Clinton und Obama sind derzeit gegenüber McCain im Nachteil, weil sie immer noch um eine Entscheidung kämpfen. Es kann sein, dass am Ende die Superdelegates über die Nominierung entscheiden. Bezüglich des von beiden Kandidaten versprochenen „Change“ liegt das Versprechen wohl nicht so sehr in den konkreten Politikvorschlägen – die zielen erstens kaum auf fundamentalen Wandel und stehen zweitens unter dem Vorbehalt der Zustimmung mindestens des Kongresses – sondern in den Personen begründet und in dem, was sie jeweils symbolisch repräsentieren. Als erste Frau steht Clinton für die Vollendung der Emanzipation. Obama steht nicht so sehr für einen Schlussstrich unter dem Problem von „race“ in der amerikanischen Politik und Geschichte, auch wenn manche sich das wohl wünschen, sondern er kann der Einiger sein, den sich die Amerikaner seit langem wünschen. In beiden Versprechen liegen Stärken, aber auch Schwächen, die McCain über die weiße männliche Wählerschaft ausnutzen kann.

Hillary Clinton kann mit der Aussicht, die erste Präsidentin zu werden, viele Anhänger mobilisieren, vor allem unter der weiblichen Wählerschaft. Auch die männlichen Amerikaner sind grundsätzlich wohl bereit für eine Präsidentin, nicht aber ohne weiteres für Frau Clinton. Als Mensch symbolisiert sie – trotz aller Versuche, staatsmännisch und präsidentiell zu wirken, aber auch als Mutter zu punkten – für viele Amerikaner den Verfall der traditionellen Familienwerte seit der „Counterculture“ der 1960er Jahre, vermittelt insbesondere über das Recht auf Abtreibung. Diese Rolle teilt sie mit ihrem Mann. Als Frau steht sie darüber hinaus für die von vielen immer noch als Bedrohung empfundene Emanzipation. Man erinnere sich nur an den Hass, der Clinton entgegenschlug als sie es als First Lady wagte, sich in die Politikformulierung einzumischen und eine Kommission zur Reform des Gesundheitswesens leitete. Der Kandidat John McCain, selbst leidgeprüft bezüglich derartiger Angriffe, würde nicht zögern, mittels der Angriffsflächen die Clinton bietet – berechtigt oder, angesichts ihrer Anstrengungen wahrscheinlicher, unberechtigt – zu mobilisieren. Doch sind es nicht gerade die weißen Männer ohne große Bildung oder Einkommen, die Clinton jetzt wählen (und die ihre Hoffnung am Leben erhalten, weil Pennsylvania demographisch Ohio ähnlich ist)? Wie sollen diese gegen sie in Stellung gebracht werden? Nun, die Männer der Hauptwahl sind andere als die Männer der Vorwahl. An den Demokratischen Vorwahlen beteiligen sich viele Gewerkschaftsmitglieder. Nicht dass diese automatisch weniger anfällig für eine frauenfeindliche Wahlkampfstrategie wären, aber sie werden durch den von Clinton immerhin angedeuteten ökonomischen Populismus angesprochen sowie vielleicht durch die Erinnerung an ökonomisch gute Zeiten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, d.h. an die Präsidentschaft Bill Clintons.

Für viele Beobachter und vor allem Unterstützer verkörpert Obama das größte Versprechen, das ein amerikanischer Politiker seit langer Zeit gegeben hat – auf Wandel im Sinne einer neuen politischen Kultur. Er verspricht, der Einiger zu sein, der George W. Bush sehr deutlich nicht war, nicht nur bezüglich der (übertriebenen) Spaltung zwischen „rot und blau“, sondern auch bezüglich der ältesten Konfliktlinie der amerikanischen Politik: Race. Die Art und Weise, mit der Obama auf den Versuch reagiert hat, ihn für umstrittene Äußerungen seines langjährigen Predigers in Sippenhaft zu nehmen, zeigt, dass es hier um mehr als nur Charisma geht. Er sieht beide Seiten als in dieser Frage befangen und gefangen an und will sich nicht für eine Seite vereinnahmen lassen. Nun könnte man zu Recht sagen, dass er als eindeutiger Kandidat der Schwarzen nie eine Chance gehabt hätte, aber es ist ihm bisher gelungen, glaubwürdig ein Kandidat jenseits der Hautfarbe zu sein. Die Bewegung, die Obama trägt, ist so vielfältig wie Amerika. Doch auch hier würde McCain vermutlich nicht widerstehen können und die offenen und vor allem die versteckten Vorbehalte der Weißen – und hier vor allem der Männer – für seine Zwecke nutzen, wiederum offen, aber vor allem versteckt, d.h. kodiert.

Ob die Obama-Bewegung die „Angst vor dem schwarzen Mann“ überwinden kann, wird auch davon abhängen, ob sie selbst schon mehr ist als nur ein Wahlverein. Als solcher wird sie derzeit von einer Welle der Begeisterung für ein Individuum getragen. Es ist ganz ausgeschlossen, dass diese Begeisterung ausreicht, um nach der Wahl die systembedingten und kulturellen Widerstände gegen jeglichen fundamentalen Wandel hin zu einer im weitesten Sinne sozialdemokratischen Politik zu überwinden. Kurz gesagt, die Republikanischen Senatoren werden sich davon nicht beeindrucken lassen und die Lobbys z.B. im Gesundheitssektor auch nicht. Möglicherweise stößt die „Bewegung“ aber schon vorher an ihre Grenzen, angesichts der Rückkehr des weißen Mannes in den amerikanischen Wahlkampf.

Der Beitrag wurde am Freitag, den 11. April 2008 um 01:36 Uhr von Thomas Greven veröffentlicht und wurde unter Wahlkampf abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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