Zum zweiten Mal seit 1995 muss die Bundesregierung in den USA einige ihrer Pforten schliessen, weil sich die beiden Kammern im Kongress auf keinen gemeinsamen Hauahalt haben einigen können. Die US-Regierung unfähig zu handeln, die beiden Parteien im Kongress blockieren sich selber: Politische Experten ziehen gleich eine gute Erklärung aus dem Ärmel: Die zunehmende Polarisierung zwischen den beiden Parteien; Die politischen Eliten in den USA sind unfähig zur Konsensfindung in zentralen wichtigen Fragen, Parteipolitik erscheint wichtiger als die Lösung zentraler Probleme. Wie sonst ist zu erklären, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus die Verabschiedung eines Haushalts an die Bedingung knüpfen die Gesundheitsreform der Obamaadministration wieder rückgaängig zu machen bwz. und hier meinen die Republikaner Kompromissbereitschaft geziegt zu haben: die Reform wenigsten um ein Jahr zu verschieben. Ist das irrational? Eigentlich nicht. Gleich mehrere Faktoren lassen diesen politischen Schachzug rational erscheinen : Zum einen ist die Ausetzung der Umsetzung der Gesundheitsreform, die mit der Errichtung der „exchanges“ in diesem Monat einen der wichtisgtens Schritte genommen hat, gerade mit Blick auf die Zwischenwahlen politisch nachvollziehbar. Funkioniert die Reform und findet so eine breite Untertützung in der Bevölkerung, so wohl die Befürchtung der Republikaner, dann hätte dies negative Auswirkungen für die Republikaner bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr. Eine Aufschiebung würde die Debatte über den Sinn der Reform und den möglichen Folgen aufrechterhalten, ein zentrales politisches Thema bliebe auf der Republikanischen Wahlagenda.
Zum anderen ist ein zentraler Aspekt der Funktionsweise des US-amerikanischen politischen Systems im Zuge der Debatte um die Elitenpolarisierung ein wenig aus dem Blick geraten. Was motiviert den einzelnen Abgeordenten zu seiner politischen Handlungsweise? In manchen Analysen erscheint es momentan so, als könne man infolge der ideologischen Polarisierung im Kongress eine Art Fraktionszwang erkennen, der den einzelnen Abgeordneten keinerlei Spielraum bei ihren Entscheidungen lasse. Es ist die Parteiführung in beiden Kammer und insbesondere im Repräsentantenhaus, die die Richtlinein der Politik vorgibt, die Abgeordneten müsen folgen. Davon hat Obama in den ersten beiden seiner Amtsjahre profitiert: Nancy Pelosi führte im Repräsentantenhaus ein so striktes politisches Regime, dass Obama bis zu den Zwischenwahlen einer der ‚erfolgreichsten‘ Präsidenten in den USA war: er hat eine Erfolgsquote von weit über 90 Prozent. Mit dem Verslust der Demokratischen Mehrheit im Repräsennatenhaus im Jahre 2010 hat sich das dann grundlegenden verändert: die Republikansiche Mehrheit blockiert wo es nur geht, politischer Stillstand ist eingezogen in D.C. Es scheint also so, als habe der einzelnen Abgeordnete seine Entscheidungsfreiheit an die Parteiführung abgegeben. Aber diese Erklärung greift zu kurz! Eigentlich könnte man die die Kausalitätswirkung sogar herumdrehen und fragen, warum es einer radikalen Minderheit in der Republlikanischen Fraktion gelingt, die Partei für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Rund 80 Republikanische Abgeordeneten im House fordern schon seit längerem, was jetzt genau passiert ist: die Schliessung der Regierung oder die Erpressung der Administration: Haushalt gegen Rücknahme Obamacare. Und dieses politische Verhalten lässt sich absolut rational erklären! All diese Abgeordnete kommen aus Wahlkreisen, die sehr konservativ sind, überwiegend weiss und in denen Obama bei den letzten Wahlen mit durchschnittlich 20 Przentpunkten verloren hat. Diese Abgeordenten agieren immer noch als Kirchturmpolitker (Lösche 1989, S.189), als Kleinunternehmer in Sachen Politik, der mit der Wiederwahl belohnt wird, solange er auf die Interessen seines Wahlkreises achtet. Durch die Neuzuschneidung der Wahlkreise (gerry mandering) enstehen idelogisch und ethnisch immer homogenere Wahlkreise. Da die Parteien in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen, werden die Wahlkreise immer so umgetsaltet, dass sich stabile politische Mehheiten darin wiederfinden. In der Folge verschiebt sich die politische Mitte in den einzelnen Wahlkreisen jeweils an die radikalen Ränder und entsprechend produzieren die Vorwahlen in den Parteien auch radikalere Kandidaten, die aber im eigentlichen Sinne die Interessen des Wahlkreises wiedespiegeln. Erst wenn dieser Prozess durchbrochen wird und die Kontrolle der Zuschneidung der Wahlkreise den Parteien entzogen wird und von einer unbahängigen Kommission nach rein formalen Kriterien der Repäsentation von statten geht, werden auch wieder Abgeordnete in den Kongress gewählt, die zu politischen Kompromissen und Konzessionen bereit und fähig sind. Mit Blick auf die momentane politische Krise in den USA stellt sich vielmehr die Frage, warum sich die Republikansche Partei von diesen radikalen Abgeordneten instrumentalisieren lässt? Und auch nur hier ist eine Lösung des momentanen Problems zu suchen!
Peter Lösche (1989), Amerika in Perspektive, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Tags: Government Shutdown, Kongress, Obama, Republikaner
Am 2. Oktober 2013 um 13:07 Uhr
Das dritte Mal – zweimal im Jahr 1995 und jetzt wieder.