The State of American Democracy

Research-based Analysis and Commentary by the Department of Politics at the John-F.-Kennedy Institute

Neue Publikation zur Sozialpolitik in den USA

Britta Grell und Christian Lammert (2013): Sozialpolitik in den USA. Eine Einführung, Springer VS Verlag

Aus europäischer Perspektive wächste die soziale Ungleichheit in den Vereinigten Staaten vor allem deswegen, weil der Wohlfahrtsstaat dort nur rudimentär ausgebildet ist. Tasächlich investiert aber kaum eine anderes Land mehr Geld in die Altersabsicherung und Gesundheitsversorgung. Rechnet man bildungspolitische Ausgaben und betriebliche Sozialleistungen mit ein, fliessen etwa 60 Prozent des Gesamthaushaltes der USA in den Bereich Soziales. Die vorliegende Einführung räumt nicht nur mit einigen gängigen Vorurteilen auf. Sie bietet auch als einziges deutsches Überblickswerk einen kritischen und strukturierten Einblick in die widersprüchliche und kompexe Realität des amerikanischen Wohlfahrtsstaates – von den theoretischen und empirischen Grundlagen der gegenwärtigen Sozialpolitik über die anhaltenden heftigen Kontroversen, die sie begleiten, bis hin zu einzelnen Politikfeldern. Ein Grundlagenwerk für das Verstädnis der US-Gesellschaft und ihres Sozial- und WIrtschaftsmodells. (Klappentext des Verlages)

Hier der Link zur Verlagsseite mit mehr Informationen und natürlich auch der Möglichkeit zum Kauf oder Downloads aller oder einiger Kapitel: https://www.springer.com/springer+vs/politik/vergleichende+politikwissenschaft/book/978-3-531-18133-2

Verschärfung des Waffenrechts in den USA

Die Obama-Administration ist in die Offensive gegangen und scheint den Kampf mit der einflussreichen ‚National Riffle Association‘ (NRA) aufnehmen zu wollen. Nach dem Massaker von Newtown in Connecticut, bei dem im Dezember letzten Jahres 26 Menschen getötet wurden, 20 davon Kinder, zeigte sich ein Umschwung in der öffentlichen Meinung: die Rahmenbedingungen für eine Verschärfung der Waffengesetzgebung auf der Bundesebene schien günstig. Nahezu in Rekordzeit hat Vizepräsident Biden einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der jetzt von Präsident Obama vorgelegt worden ist. Dabei bleibt das Recht auf Waffenbesitz, das den US-Bürgern laut dem zweiten Verfassungszusatz zusteht, auch weiterhin erhalten, allerdings wird stärker reguliert, überprüft und auch die Art der Waffen, die die Bürger erwerben und besitzen dürfen wird eventuell eingeschränkt. Einiges hat der Präsident im Alleingang umgesetzt, für anderes braucht er den Kongress.
Die Vorschläge der Obama-Administration sind dabei weniger durch ihre Radikalität gekennzeichnet. Vieles von dem was jetzt wieder geändert werden soll, wurde bereits unter der Clinton-Administration in den 1990er Jahren durchgesetzt, ist dann allerdings 2005 vom Republikanisch dominierten Kongress nicht verlängert worden: hier soll in erster Linie der Verbot von Angriffswaffen wieder eingeführt werden und Magazine mit hohen Kapazitäten verboten werden. Auch die so genannte panzerbrechende Munition soll verboten werden. Daneben sollen die bereits jetzt für registrierte Waffenhändler gelten Hintergrundschecks für Waffenkäufe auch auf die privaten Waffenmessen ausgeweitet werden. Damit soll weitgehend verhindert werden, dass kriminelle oder psychisch ausfällige und labile Personen eine Waffe kaufen können. Für all diese Reformen benötigt Obama die Zustimmung des Kongresses und ob auch die Republikaner einer solchen Verschärfung zustimmen werden ist unklar. Die NRA setzt zumindest momentan alles ihre Ressourcen dafür ein, um diese Reformen zu verhindern. Das Säbelrasseln ist gerade aus europäischer Perspektive schwer nachvollziehbar. Gerade auch deshalb, weil in Umfragen rund 80 Prozent der Waffenbesitzer und auch eine Mehrheit der NRA-Mitglieder für eine Verschärfung des Waffenrechts sind.
Sind diese Reformen ausreichend, um Massaker wie Newtown zu verhindern? Wahrscheinlich nicht. Deshalb setzt die Obama –Administration auch auf eine öffentliche Debatte und Aufklärung. Die Forschung zu den Ursachen und der möglichen Verhinderung von Waffengewalt soll ausgeweitet werden. Die Behandlung von psychisch kranken und labilen Personen soll verbessert werden, insbesondere auch mit Blick der Kostenübernahme notwendiger Behandlungen durch die Krankenversicherungen. Schulen sollen zusätzlich geschützt werden. Hier nimmt Obama die Vorschläge der Waffenlobby auf: sprechen sich Schulen für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an ihren Schulen aus, dann werden sie hier von der Bundesregierung unterstütz. Das Lehrpersonal soll darüber hinaus noch speziell für solche Krisenfälle geschult werden.
Zusammengenommen setzen alle diese Maßnahmen vielleicht eine Diskussion über das Gewaltpotential in der US-amerikanischen Gesellschaft in Gang. Jährlich sterben rund 30.000 Menschen in den USA durch Waffen, durch Kriminalität, bei Amokläufen, durch Selbstmord oder aber beim Reinigen der Waffen. All diese Opfer wird man auch mit verschärften Waffengesetzen nicht verhindern können, aber eine striktere Kontrolle des Waffenbesitzes kann zumindest die zu beobachtbaren Exzesse von Waffengewalt in den USA eindämmen.

Neuerwerbungen der Institutsbibliothek

Die Neuerwerbungen der letzten 4 Wochen im Themenfeld Politik:
Adams, Henry Henry Adams in the secession crisis  2012 J.F. Kennedy-Institut
Gates, Henry Louis, 1950- The Henry Louis Gates, Jr. reader  2012 J.F. Kennedy-Institut
Gordon, Michael Richard, 1951- The endgame  2012 J.F. Kennedy-Institut
Mobasher, Mohsen M. Iranians in Texas  2012 J.F. Kennedy-Institut
Sinclair, Barbara, 1940- Party wars  2006 J.F. Kennedy-Institut
Woodward, Bob, 1943- The price of politics  2012 J.F. Kennedy-Institut

New Year Reading Tip

If you find the time before courses continue next week, head over to BillMoyers.com to read up on some of the most underreported stories of 2012:

https://billmoyers.com/groupthink/underreported-stories-of-2012/

Tom Engelhardt, for example, points out that mainstream media continuously fail to connect the dots between single news events in order to provide audiences with a „bigger picture“ on such important topics as climate change or the war in Afghanistan.

It might therefore be up to academics, activists and bloggers to fill these voids. In that spirit: lets help spread the word about some of the stories presented here and perhaps someone in your circle of friends, real or virtual, might be inspired to investigate and report further in 2013.

„Spytainment“ und die politisierte Menschenrechtsverletzung

In den USA läuft dieser Tage der Film “Zero Dark Thirty” an, der den Anspruch erhebt, die Ereignisse rund um die Suche nach und anschließende Tötung von Osama bin Laden möglichst originalgetreu in ein massentaugliches Filmformat zu pressen.

Schon vorab aber entfachte sich eine Debatte um die Eröffnungsszenen des Films, durch welche offenbar suggeriert wird, dass die Folter von Gefangenen maßgeblich dazu beigetragen habe an entscheidende Informationen zu gelangen.

Dies entspreche nicht den Tatsachen, so einige der Kritiker. Folter habe bei den Ermittlungen, die schlussendlich zu bin Ladens Versteck führten, keine Rolle gespielt. „Künstlerische Freiheit!“, halten andere dagegen. Ähnliche Diskussionen entfachten sich bereits an der Fernsehserie „24“, in der der Titelheld oftmals (und erfolgreich) auf Foltermethoden zurückgriff, um an terrorvereitelnde Informationen zu gelangen.

Welche Argumente dabei von welchem Rezensenten vertreten werden, scheint sich auch anhand politischer Linien abzuzeichnen: Während der Blogger Glenn Greenwald den Film als propagandistisch und moralisch verdorben verurteilt, lobt Rupert Murdoch’s New York Post die Handlung als „a clear vindication for the Bush administration’s view of the War on Terror”.

Bezeichnend ist dabei auch, dass der Kritiker der New York Times den Film als solchen zwar in höchsten Tönen lobt, zu der brisanten Frage der Folterszenen allerdings nur schreibt: “(…) it is an article of faith in ‘Zero Dark Thirty’ that viewers are capable of filling in the blanks, managing narrative complexity and confronting their complicity.“ Menschenrechtsverletzung, oder geheiligtes Mittel zum Zweck? Das liegt im Auge des Betrachters.

Von einem „national Rorschach test on the divisive subject of torture”, schreibt daher die Zeitung an anderer StelleEs wäre schwierig, den traditionell zentristisch ausgelegten Standpunkt der Grey Lady deutlicher zu vertreten.

Aber vielleicht ist es leichter, die Frage nach künstlerischer Freiheit und der Grenze zwischen Unterhaltung und Dokumentation einmal auszublenden.

Im Kern scheint hier nämlich eine größere Debatte ausgetragen zu werden. Es geht darum, dass ein weiteres Schlagwort auf die lange Liste von politisierten Themenfeldern gesetzt wird. Die Folter reiht sich damit ein zwischen andere „divisive subjects“ wie das Waffenrecht, Abtreibung, die Todesstrafe oder selbst den Klimawandel.

Anders als in den USA des vergangenen Jahrhunderts – als die US Regierung sicherlich oftmals menschenrechtswidrig handelte, während das „Evil Empire“ gescholten wurde – ist entscheidend, dass es heute in solchen Fragen nicht bloß darum geht, was politische Eliten hinter verschlossenen Türen oder in verrauchten Zimmern besprechen und beschließen. Stattdessen geht es um öffentliche Diskussion und ideologische Grabenkämpfe innerhalb der Zivilgesellschaft.

Der Präzedenzfall, für den die Regierung Bush II mit ihrer Absegnung von „enhanced interrogation techniques“ gesorgt hat, scheint als Folge zu haben, dass Folter zwar momentan und unter Führung der Demokraten offiziell nicht praktiziert wird, dass die Befürwortung solcher Praktiken aber längst als vertretbare, politische Meinung akzeptiert wird. Insofern mag die New York Times in ihrer Einschätzung Recht behalten: welche Position man hierbei bezieht, liegt im heutigen Amerika sicherlich an der eigenen politischen Grundeinstellung.

Für meinen Teil bleibt daher zu sagen:

Ich, als deutscher Europäer, den in Berlin die Gedenkstätten an die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen (nicht nur) des vergangenen Jahrhunderts umgeben und der über die Geschichte von Nationalismus und Staatsverbrechen im eigenen Land früh und umfangreich aufgeklärt wurde; ich, als demokratischer Bürger, würde mir wünschen, dass man über manche Dinge nicht mehr streiten muss.

Weiteres Material:

Der Beitrag „‚Spytainment‘ The Real Influence of Fake Spies“ von Amy Zegart im International Journal of Intelligence and CounterIntellience (23: 4, 2010. p 599 — 622) ist hierzu wärmstens zu empfehlen. Der Artikel kontrastiert die popkulturelle Darstellung von Spionagearbeit wie sie in Serien wie 24, Homeland, den Jason Bourne oder James Bond Filmen dargestellt wird, mit der ernüchternden Realität und weist auf mögliche Gefahren solcher Darstellungen hin.

Hier ein Auszug:

American citizens are steeped in misperceptions about what intelligence agencies actually do, and misplaced expectations about how well they can do it. Perhaps even more disturbing, evidence suggests that policymakers—from cadets at West Point to senators on the Intelligence Committee to Supreme Court Justices—are referencing fake spies to formulate and implement real intelligence policies.“

The Fiscal Cliff

von Johannes Dudziak

Kaum hatte das amerikanische Volk Präsident Obama für eine zweite Amtsperiode Anfang November gewählt, konzentrierte sich die mediale Berichterstattung auf die Verhandlungen im amerikanischen Kongress über den bis Anfang 2013 zu verabschiedenden Haushalt. Diese Berichterstattung wurde in einen Begriff zusammengefasst, der die nächste Bedrohung Amerikas ankündigt: The Fiscal Cliff.

Wenn Republikaner und Demokraten sich nicht über Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen einigen könnten, so die Erzählweise in den Medien, würde das Land über die fiskale Klippe fallen. Doch die Metapher verwirrt. Der Staatshaushalt kurz davor über die Klippe in die  Schuldenschlucht zu stürzen? Das passt nicht.

Bei einem Scheitern der Verhandlungen würde das Gegenteil eintreten: Das Defizit würde dramatisch reduziert werden. Austeritätspolitik wäre die Folge. Steuererhöhungen um die 500 Milliarden US Dollar und um die 200 Milliarden US Dollar an Kürzungen für sozialstaatliche Programme würden im Januar 2013 in Kraft treten wenn die Politiker im Kongress und Weißen Haus keinen Kompromiss schließen. Dies würde laut Congressional Budget Office die Konjunktur abwürgen – von der fiskalen Klippe (was immer das heißen mag) fiele der Staat aber kaum.

 Hier mehr zur wahrscheinlichen Entscheidung des Fiscal Cliffs.

Das Ende des ‚filibuster‘? – Wohl eher nicht!!!!

Wenn über die Krise des politischen Entscheidungsprozesses in den USA diskutiert wird, steht der ‚filibuster‘ immer ganz oben auf der Problemliste. Durch ihn könne die jeweilige Minderheit im Senat jede Gesetzesinitative blockieren! Der ‚filibuster‘ gewährt dem einzelnen Abgeordneten unbegrenzte Redezeit, das Senatsplenum kann dies nur mit einem sogenannten ‚Cloture vote‘ beenden, wenn 60 Senatoren für die Beendigung der Debatte stimmen, um über eine Gesetz abstimmen zu können. Das nur kurz zu den Funktionsmechanismen, wer mehr über die Geschichte erfahren will, der sei auf den Film „Mr. Smith goes to Washington“ verwiesen. Seit den heroischen Zeiten, die der genannte Film beschreibt, hat sich die Funktionsweise und auch der Einsatz des ‚filibusters‘ im US-Senat grundlegend verändert. Von der Tradition der unbegrenzten Debatte ist der ‚filibuster‘ zu einem parteipolitischen Blockadeinstrument verkommen, das sowohl Demokraten als auch Republikaner ausgiebig nutzen. Und immer ist es die amtierenden Senatsmehrheit, die den ‚filibuster‘ als Tyrannei der Minderheit geißelt, um das Instrument dann als Minderheit genauso willig einzusetzen. Aber jetzt scheint der Bogen überspannt! Eine Debatte zur Reform des ‚filibuster‘ hat eingesetzt. Die Demokraten haben angekündigt: Schluss mit der Blockadepolitik! Wie ernst das gemeint ist, das wird am 3. Januar deutlich werden, wenn der 113. Kongress zum ersten Mal zusammentritt. In der ersten Geschäftssitzung des Senats kann die Mehrheitsfraktion im Senat, sprich die Demokraten, den ‚filibuster‘ abschaffen oder aber zumindest die Funktionsmechanismen ändern! Eine Abschaffung scheint eher unwahrscheinlich, weil bei Fraktionen im Kongress den ‚filibuster‘ seit geraumer Zeit grundsätzlich unterstützen. Die Beendigung des ‚filibuster‘ mit eine einfachen Mehrheit in der ersten Geschäftssitzung scheint also ausgeschlossen.
Weniger radikale Reformvorschläge erscheinen aber zunehmend wahrscheinlich. Was könnte sich also ändern? Ein Reformvorschlag geht dahin, zumindest einen ‚filibuster‘ abzuschaffen. Nach der momentanen Geschäftsordnung kann nicht nur die Abstimmung über ein Gesetz mit einen ‚filibuster‘ blockiert werden, in dem die Debatte einfach nicht beendet wird, auch die Entscheidung, ob ein Gesetz überhaupt im Senatsplenum diskutiert werden soll, kann durch einen ‚filibuster‘ blockiert werden. Letzterer zumindest, so die Reformvorstellungen, soll abgeschafft werden. Damit würde der ‚filibuster‘ wieder näher an die traditionellen Funktionsweisen heranrücken, nicht verwunderlich, dass einige Abgeordnete dann noch gleich vorschlagen, dass der ‚filibuster‘ auch wirklich wieder in der Manier von Mr. Smith mit hohem körperlichem Einsatz ertragen werden muss. Das wirke vielleicht als Hürde, insbesondere für die in der Regel doch schon älteren Senatoren und würde auch wieder mehr Transparenz in die Arbeit des Senats bringen, schließlich könnten sich die Bürger das Spektakel auf C-Span anschauen.
Der wohl pragmatischste Reformvorschlag kommt vom Senator Tom Harkin (D-IA) und stammt bereits aus dem 110. Kongress, also einer Zeit, als die Demokraten die Minderheit stellten. Sein Vorschlag: um einen ‚filibuster‘ zu beenden, benötigt man im ersten Versuch weiterhin 60 Stimmen. Scheitert dies, wird die Debatte zwei weitere Tage fortgesetzt. Dann ist ein weitere ‚clouture vote‘ möglich, diesmal reichen 57 Stimmen zur Beendigung des ‚filibuster‘. Dieser Vorgang setzt sich fort, bi im vierten und letzten ‚clouture vote‘ nur noch 51 Stimmen zur Beendigung des ‚filibuster‘ möglich sind, die ‚supermajority‘ ist als auf eine einfache Mehrheit zusammengeschrumpft. So kann die Minderheit zwar den Entscheidungsprozess verzögern, aber nicht mehr grundsätzlich blockieren. Die Chancen stehen nicht schlecht und vielleicht führt die viel zitierte Polarisierung im Kongress ja dann mal zu einem Abbau der Blockaden im Kongress! Die Chancen stehen nicht schlecht!