Von: Marga Zenth (M.A. Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, FU Berlin)
Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien hat insgesamt das Leben jedes Mitglieds der Gesellschaft geprägt. Bis 2016 haben sich ungefähr acht Millionen Menschen als Opfer des Konflikts registrieren lassen oder wurden als Opfer gemeldet. Dazu zählen die 220.000, die aufgrund der andauernden Gewalthandlungen sogar ihr Leben verloren haben. Die Leitragenden waren, so wie in den meisten Konflikten, die heutzutage auf unserer Welt ausgetragen werden, nicht die Kämpfenden selbst, sondern die Zivilgesellschaft. Der Prozentsatz der zivilen Opfer in Kolumbien liegt bei 81%. Ob die Opfer männlich, weiblich oder anderen Geschlechts waren ist dabei mitnichten zu vernachlässigen. So sind beispielsweise Frauen aufgrund ihres Status in der Gesellschaft und ihrem Geschlecht besonders verwundbar. Laut den Zahlen der Unidad de Víctimas die bis 2013 detaillierte Statistiken erhoben haben, waren zwischen 1958 und 2012 knapp die Hälfte, also 49,5%, der Opfer, Frauen. Schlüsselt man jedoch die Opferstatistiken nach Delikten auf, wird deutlich, dass in den Sexualdelikten Frauen sogar 71,51% der Opfer ausmachen. Auch knapp über die Hälfte der Vertriebenen (50,98%) sind Frauen.
Die Tatsache, dass physische Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung, Verschleppung oder Versklavung mit zur Kriegstaktik der sich gegenüberstehenden Konfliktparteien, gehört spiegelt sich in diesen, eben genannten, Zahlen wieder. Frauen müssen – gerade was sexuelle Gewalt angeht – als Opfer des Konflikts anerkannt werden. Dies darf jedoch nicht die einzige Sichtweise sein. Nicht zu vergessen ist, dass Frauen auch auf der Seite der Kämpfenden zu finden sind und aktive Beteiligte der Kampfhandlungen waren. 40% der FARC-EP sind weibliche Rekrutinnen. Gewalt gegen Frauen in den eigenen Reihen sowie gezwungene Abtreibungen, Machismus und Sexismus sind Themen, die innerhalb der Guerilla kontrovers diskutiert werden müssen und wurden. Unbedingt zu erwähnen ist der Beitrag, den Frauen, gerade auf dem lokalen Niveau, zu Frieden und Stabilität leisten. Zahlreiche Frauen haben in unzähligen Friedens-Initiativen mitgewirkt und soziale Kämpfe mitbestritten. Ihre Unterrepräsentation an den Verhandlungstischen der Welt stellt einen Missstand dar, den es dringlichst zu behebenden gilt.
Eine der Besonderheiten der kolumbianischen Verhandlungen besteht in der Einrichtung einer subcomisión de género. Zu gleichen Teilen aus Repräsentant*innen der Regierung und der FARC-EP gebildet, war es ihre Aufgabe, Vorschläge für das Friedensabkommen zu erarbeiten und so sicherzustellen, dass die Bedürfnisse von Mädchen und Frauen mitberücksichtigt werden. Auch waren die Verhandlungen die ersten überhaupt, in denen LGBTI* Rechte zum Thema gemacht wurden.
Die Plataforma Mujeres por Paz wurde im Oktober 2012 in Bogotá gegründet. Es handelt sich hierbei um einen Zusammenschluss von Frauen aus verschiedenen Organisationen, die davon überzeugt sind, dass auch sie in die Friedensverhandlungen zwischen FARC-EP und Regierung miteinbezogen werden sollten. Auf dem Cumbre Nacional de Mujeres y Paz im Oktober 2013 machten die 500 anwesenden Teilnehmerinnen deutlich, dass ein Friedensabkommen die Bedürfnisse der Frauen miteinschließen muss. “Las mujeres queremos ser pactantes, no pactadas”, lautete die Botschaft an Präsident Santos. Die Internationale Gemeinschaft (unter anderem die schwedische Regierung) und internationale Organisationen wie die VN unterstützten derartiges Engagement technisch sowie finanziell. Auch in den Jahren zuvor, wurde auf legislativer Ebene bereits eine Vielzahl von Resolutionen (beispielsweise Resolution 1325), die die Rechte von Frauen sowie sexuellen Minderheiten schützen soll, verabschiedet. Als erster sichtbarer Erfolg wurden am 26.11.2013 Nigeria Rentería und María Paulina Riveros als vollberechtigte Repräsentantinnen der Regierung an den Verhandlungen ernannt. Im September 2014 folgt die Einsetzung einer subcomisión de género, bestehend aus je fünf ernannten Mitgliedern durch die FARC-EP und die Regierung. Erklärtes Ziel ist es, Frauen als aktive Gestalterinnen am Friedensprozess mitwirken zu lassen sowie LGBTI*-Rechte mit in den Friedensvertrag aufzunehmen. Die Leitung der Kommission teilen sich Regierung und FARC-EP, jeweils repräsentiert durch María Paulina Rriveros und Victoria Sandino. Die Sub-Kommission traf sich in Havanna in drei besonderen Sitzungen mit insgesamt 18 Expert*innen von Organisationen, die sich für Feminismus, Frauen-und/oder LGBTI* Rechte einsetzen. Das erste Treffen fand im Dezember 2014 statt, das zweite und dritte Treffen im März und April 2015.
Die ersten Empfehlungen die seitens der subcomisión de género wurden im Juli 2015 an die Regierung und die Führung der FARC-EP kommuniziert. Sie beziehen sich auf drei der sechs verhandelten Hauptpunkte: Landreform, politische Partizipation und verbotene Drogen. Unter anderem geht es um mehr Landrechte und die Möglichkeiten für Frauen überhaupt Land zu besitzen und zu erwerben, eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik, affirmative Maßnahmen, besseren Schutz für Menschenrechts- und LGBTI*-Aktivist*innen, die besondere Berücksichtigung der Situation vieler Bäuerinnen (mujeres campesinas) sowie das Anbieten von Alternativen und technischer Unterstützung betreffend den Anbau von als illegal deklarierte Pflanzen.
All diese Empfehlungen waren nicht verbindlich, jedoch wird bei Betrachtung des acuerdo final, dass die Genderperspektive in allen Punkten wiederzufinden ist.