Die Rolle der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft im kolumbianischen Friedensprozess und Postkonflikt

Von: Darina Döbler (M.A. Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, FU Berlin)

Image: United Nations (Geneva)
® Manuel Góngora-Mera

Nach mehreren missglückten Versuchen, den gewaltsamen Konflikt beizulegen, steht Kolumbien nun so kurz vor dem Frieden wie seit 50 Jahren nicht. Auch in vorangegangen Friedensverhandlungen haben internationale Organisationen und Regierungen Kolumbien ihre Unterstützung zugesichert. Das besondere dieses Mal ist die quasi einstimmige Befürwortung, mit der die internationale Gemeinschaft das Friedensabkommen begrüßt: Die US-amerikanische Regierung, die Europäische Union, der Vatikan, die Vereinten Nationen, der IWF, das internationale Komitee des Roten Kreuzes, die Weltbank, die OAE und nationale Regierungen unterstützen den Vertrag. Der Internationale Strafgerichtshof nennt das Abkommen eine Erfüllung der Forderungen von Gerechtigkeit.

Eine besondere Rolle haben die Vereinten Nationen inne. Die kolumbianische Regierung und die FARC-EP haben die Vereinten Nationen um ihre Beteiligung in der Begleitung des Friedensprozesses in Form einer politischen Mission gebeten. Am 25. Januar 2016 bestätigt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig die Annahme dieses Mandats und wird in diesem Prozess von rund 15 Ländern begleitet, ein Großteil von ihnen aus Lateinamerika und der Karibik. Die insgesamt 450 internationalen BeobachterInnen arbeiten im Rahmen des Mecanismo de Monitoreo y Verificación (MM&V) mit der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP zusammen. In den für 180 Tage eingerichteten zonas veredales transitorias de normalización y zonas de seguridad und puntos transitorios de normalización wurde die Mission der UNO beauftragt, den bilateralen Waffenstillstand zu kontrollieren und die Übergabe und Zerstörung der Waffen zu koordinieren. Die insgesamt 19 Zonen und sieben Punkte dienen darüber hinaus dem Zweck, die Reintegration der Mitglieder der FARC-EP in das gesellschaftliche Leben zu gewährleisten. Als unabhängige BeobachterInnen im Monitoring-Prozess haben die UN-Delegierten uneingeschränkten Zugang zu diesen Gebieten und gewährleisten die Sicherheit der FARC-EP und ihrer Familien. Eine geographische Herausforderung stellt für die Mission die teils mangelhafte oder gar fehlende Infrastruktur im Land dar. Einige der bereitgestellten Zonen liegen isoliert und sind nur schwer zu erreichen. Dabei ist eine gute Infrastruktur unabdingbar für eine erfolgreiche Umsetzung der UNO Mission.

Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ist in vielerlei Hinsicht für eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens von Bedeutung: Waffenstillstand, Wahrheitskommission, Opferschutz und Bekämpfung des Drogenhandels sind nur einige der zentralen Stichpunkte, zu denen internationale Akteure Unterstützung zugesichert haben oder bereits leisten.

Seit Unterzeichnung des Friedensabkommens sind fast 7000 Mitglieder der FARC-EP in die 26 Zonen und Punkte umgesiedelt worden und haben begonnen, ihre Waffen abzulegen. Die UN Mission hält regelmäßige Treffen mit politischen Führungskräften, der Zivilgesellschaft, Organisationen, Kirchen u.a.; dieser Austausch erlaubt ihnen, über sich und ihre Arbeit zu informieren, Aufklärungsarbeit zu leisten sowie Stimmen und Eindrücke aus der Bevölkerung einzuholen, um die Akzeptanz und Legitimation der Mission zu gewährleisten.
In ihrer Funktion als „neutrale Dritte“ genießt die UNO Mission das Vertrauen sowohl der FARC als auch der kolumbianischen Regierung und versucht, einer einseitigen Begünstigung einzelner Interessen vorzubeugen. Wie ernst ihre Unparteilichkeit genommen wird, zeigte sich an einem Vorfall, der sich Ende letzten Jahres um Weihnachten ereignete und die Professionalität und Unparteilichkeit einiger internationaler BeobachterInnen in Frage stellte.

Diesen diplomatischen Bemühungen wird aber nicht selten ein ökonomisches Interesse unterstellt, schließlich ist ein großer Beitrag zu Stabilität und Krisenprävention auch die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, die internationale Akteure mit entsprechenden Maßnahmen versuchen anzukurbeln. Das sieht sogar der Friedensvertrag selbst vor, indem er unter Abschnitt 6.4 die direkte und indirekte Hilfe durch internationale Organisationen und Staaten als materielle und/ oder menschliche Ressourcen definiert. Sie sollen die Umsetzung des Vertrags durch Expertise, Ressourcen, Erfahrungen und technisches Know-How unterstützen.

Auch mehrere europäische Länder wie Frankreich und Deutschland haben Unterstützung in Form von konkreten Projekten und Kreditleistungen zugesichert und habe Kolumbien erst vor kurzem besucht, um ihre Solidarität zu bekunden. Dabei wird es kein Zufall sein, dass sowohl Europa als auch Kolumbien selbst mitten im Wahlkampf stecken. Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben in diesem Hinblick zu einer gewissen Neupositionierung der internationalen Akteure geführt. Unter der Präsidentschaft Barack Obamas hat die US-amerikanische Regierung Kolumbien finanzielle Hilfe von US$ 450 Mio. zur Implementierung des Friedens und zur Bekämpfung des Drogenhandels zugesichert. Die Spekulationen, inwieweit diese Unterstützung auch unter Präsident Trump gewährleistet wird, gehen in unterschiedliche Richtungen. Ein großes Interesse an der kolumbianischen Politik wird ihm nicht nachgesagt, was sowohl dafür sprechen kann, dass die USA Dinge beim Alten belassen oder aber auch, dass Hilfeleistungen für obsolet empfunden werden könnten. Laut Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos sei die erfolgreiche Umsetzung der Friedensverhandlungen ohne die Unterstützung der USA so nicht möglich gewesen. Der Umgang beispielsweise mit dem an die USA ausgelieferten FARC-Führers Ricardo Palmera könnte jedoch Auswirkungen auf die Umsetzbarkeit des Friedensvertrags nehmen.

Fazit
Auch über ihr Mandat hinaus wird die internationale Gemeinschaft zukünftig eine wichtige Rolle im Postkonflikt und in der Friedensbildung spielen:

  • Die ausstehende Landreform und Wiedergutmachung für die Opfer wird auch das technische Know-How und die finanzielle Ressourcen der internationalen Gemeinschaft fordern.
  • Als „Teil einer internationalen Wertschöpfungskette“ ist der Drogenanbau in Kolumbien auch ein Problem der internationalen Staatengemeinschaft und verlangt gemeinsame Strategien zur Bekämpfung des Drogenhandels und der Geldwäscherei.
  • Bereits jetzt schon wird auf die Erfahrungen und die Kompetenz internationaler Experten im Bereich Transitional Justice zur strafrechtlichen Aufarbeitung des Konflikts zurückgegriffen.

Es sind wohl unterschiedliche Interessen, die die internationale Gemeinschaft bewegt, sich in den kolumbianischen Friedensprozess einzubringen. Dabei handelt es sich sowohl um humanitäre und Solidarität bekundende wie auch Sicherheit garantierende und geopolitische Interessen. Kolumbien ist geprägt von einer Konkurrenz zwischen Staat, Unternehmen und bewaffneter Gruppen um die Kontrolle von Gebieten mit großen Rohstoffvorkommen (Gold, Wolfram, Tantal, Kohle, fossile Brennstoffe u.a.). Die betroffenen Gebiete für Minenabbau und Energiegewinnung sind dabei besonders vom gewaltvollen Konflikt betroffen und haben viele Opfer hervorgebracht. Durch die Freigabe der bisher durch die FARC-EP besetzten Gebiete werden gleichzeitig große Flächen wichtiger Rohstoffe frei, die auch für den internationalen Wirtschaftsmarkt von großem Interesse sein können. Während die Zustimmung zum Vertrag in Kolumbien selbst auf polarisierende Meinungen traf, hat sich die internationale Staatengemeinschaft einheitlich für ein Ende des Konflikts und die Verabschiedung des ausgehandelten Vertrags zwischen Regierung und FARC ausgesprochen. Ihnen gemein ist der Wunsch, den kolumbianischen Drogenhandel zu beenden bzw. besser kontrollieren zu können.

Spannend bleibt, welche Rolle die USA im Postkonflikt einnehmen werden.