Der Konflikt: Akteure (von Laura Schneberger)
Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien weist verschiedene Machtstrukturen und Akteure mit verschiedenen Interessen auf, welche im Folgenden kurz erläutert werden. Die FARC ist eine marxistisch-leninistisch eingestellte Rebellengruppe, die einen bewaffneten Akteur im Konflikt darstellt. Sie ist die Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung eingegangen und erhofft sich durch diese Vorteile wie zum Beispiel Strafmilderungen ihrer Mitglieder. Neben der ältesten, linksgerichteten Rebellengruppe FARC beteiligten sich auch andere linksgerichtete, bewaffnete Akteure, wie zum Beispiel die zweitgrößte Guerillaorganisation ELN (Ejército de Liberación Nacional), die EPL (Ejército Popular de Liberación) und die Gruppe M-19 (Movimiento del 19 de Abril) am Konflikt. Die ELN folgt dem Vorbild Guevaras und ist auch schon mehrmals Friedensverhandlungen mit der Regierung eingegangen, welche immer wieder scheiterten. Die Regierung hat auch versucht einen Friedensprozess mit der ELN einzuleiten, jedoch verübte diese weiterhin Attentate, entführte Personen und verzögerte somit den offiziellen Beginn neuer Friedensverhandlungen. Möglicherweise tat die ELN dies, um wie andere illegale Organisationen in der Zwischenzeit zu versuchen die ehemals von der Farc besetzten Gebiete einzunehmen, welche wegen des Drogenhandels lukrativ sind. Im Februar 2017 willigte die ELN dem offiziellen Beginn der Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung jedoch ein. Als weiterer bewaffneter Akteur zählt das rechtsgerichtete Paramilitär. Dieses schloss sich anfangs unter dem Namen AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) zusammen, wurde im Jahr 2005 unter Uribe demobilisiert und ist bis heute größtenteils innerhalb der BACRIM (bandas criminales) aktiv. Auch die kolumbianische Regierung, die Armee und Polizei, die Opposition und die verschiedenen Drogenkartelle Kolumbiens müssen als Konfliktparteien genannt werden.
Historischer Rückblick des sozioökonomischen Konflikts (von Friederike Winterstein)
Die FARC situiert den Ursprung des bewaffneten Kampfes in den Landkonflikten die sich in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts verschärften, als einige Großgrundbesitzer nach der Finanzkrise von 1929 fruchtbares Land von Kleinbäuerinnen beanspruchten, um ihre auf den Weltmarkt ausgerichtete Produktion auszuweiten (vgl. Schuster 2015: 67). Auch der Gründungsmythos der Farc ist eng mit dem ländlichen Raum und dem bäuerlichen Leben verstrickt. In einem historischen Kontext geprägt von Kaltem Krieg, der erfolgreichen kubanischen Revolution nur einige Jahre zuvor und der Ausbreitung revolutionärer Bewegungen in ganz Lateinamerika, eines deren Ziele umgreifende Landreformen waren, führte das außerordentlich gewalttätige Vorgehen des kolumbianischen Staats gegen das Landwirtschaftskollektiv Marquetalia 1964 zum Entschluss der bereits organisierten Kleinbäuerinnen den bewaffneten Kampf gegen den Staat aufzunehmen (vgl. Schuster 2015: 71/ 77).
Im Laufe der Jahre verkomplizierte sich der anfangs sozio-ökonomische und seit den sechziger Jahren auch politische Konflikt zwischen Farc und Staat zusehends und kann spätestens ab dem mit den achtziger Jahren einsetzenden War on Drugs als territorialer Konflikt gefasst werden. Den Anspruch der territorialen Kontrolle stellen dabei verschiedene Akteure, allen voran der kolumbianische Staat, Großgrundbesitzer*innen und Kleinbäuerinnen, weiterhin die Farc als auch andere Guerrillas, sowie andere bewaffnete Organisationen die mit den Interessen der Großgrundbesitzer*innen in Verbindung gebracht werden.
Die Kontrolle über das Land sei in diesem Zusammenhang nur ein Mittel zum Zweck der Kontrolle über das Territorium (d.h. über das Land und die damit verbundenen Ressourcen und Infrastruktur, vgl. Reyes 2009 in Machado 2013: 122). So stoßen verschiedene Wirtschaftsmodelle in Verbindung mit gegensätzlichen Weltanschauungen aufeinander (vgl. Machado 2013: 122). Einerseits auf die Weltmarktnachfrage ausgerichtete Monokultive, andererseits die kleinbäuerliche Produktion von Nahrungsmitteln. Verstrickt mit beiden der Anbau und Handel von Drogen. Die Komplexität des Konflikts spiegelt sich in dem Lösungsansatz des aktuellen Friedensvertrags wieder, der sowohl eine umfassende Reform des ländlichen Raums (Reforma Rural Integral) als auch eine vielschichtige Bekämpfung der Produktion und des Handels und Konsums von Drogen vorsieht.
Politische Exklusion (von David Kuhn)
Die sogenannte Frente Nacional war ein von 1958 bis 1974 andauernder Pakt zwischen Liberalen und Konservativen, der die mit Worten und Waffen ausgetragene gegenseitige Bekämpfung der Parteien befrieden sollte. Legislative, Exekutive und Judikative wurden gleichmäßig aufgeteilt und anderen Parteien keinen Zugang zu politischer Macht gewährt. Dies führte zur Bildung einer elitären politischen und wirtschaftlichen Klasse sowie zur Verdrängung alternativer Bewegungen und Diskurse. Mitte der 1980er entwickelte sich die politische Partei Unión Patriótica aus den FARC heraus und erfuhr auf kommunaler Ebene große Zustimmung. Jedoch wurden innerhalb weniger Jahre etwa 3000 Mitglieder der Partei ermordet und sie verlor rapide an Relevanz. Die Auslöschung oppositioneller und sozialer Bewegungen zieht sich bis heute durch die Geschichte Kolumbiens. Seitdem sich ein positives Ende der aktuelle Friedensverhandlungen abzeichnete, stiegen die Morde an soziale Aktivist_innen wieder stark an.
Gescheiterte Friedensverhandlungen mit der FARC 1982-2002 (von Laura Schneberger)
Im ersten Friedensprozess unter dem damaligen Präsidenten Betancur, der von 1982 bis 1986 Kolumbien regierte, kam es zur Gründung der Unión Patriótica (UP). Dieser Partei traten ehemalige FARC Mitglieder bei, um sich am politischen Prozess im Land beteiligen zu können. Ein kompletter Waffenstillstand wurde innerhalb dieses Friedensprozesses jedoch nicht erreicht und viele UP-Mitglieder wurden von den Paramilitärs ermordet, woraufhin die Friedensverhandlungen eingestellt wurden. Unter dem Präsident Gaviria, welcher von 1990 bis 1994 im Amt war und Friedensverhandlungen mit allen Guerillaorganisationen im Land eröffnete, kam es bereits am 10.12.1990 durch einen Überraschungsangriff des kolumbianischen Militärs auf das Hauptquartier Casa Verde der FARC zum Scheitern der Verhandlungen. Der dritte gescheiterte Friedensprozess ist Pastrana zuzuschreiben, welcher von 1998 bis 2002 das kolumbianische Präsidentenamt innehatte. Während der Friedensverhandlungen in Caguán führte die Farc unter anderem weitere Entführungen wie beispielsweise die von Ingrid Betancourt für Erpressungen fort, wodurch es dieses Mal zum Ende der Friedensverhandlungen kam.
Kurze Chronologie der Ereignisse von 08.2016 bis 03.2017 (von Laura Schneberger)
Im Jahr 2012 initiierte der kolumbianische Präsident Santos die aktuellen Friedensverhandlungen mit der Farc in Havanna, Kuba. Am 29. August 2016 kam es zum offiziellen, beidseitigen Waffenstillstand, und Ende September wurde eine erste Version des Friedensvertrag unterzeichnet. Nach der gescheiterten Volksabstimmung zum Friedensvertrag am 02. Oktober 2016 wurde dieses noch einmal überarbeitet bis Ende November. Eine endgültige Version wurde von beiden Vertragsparteien annerkannt, sodass am 06. Dezember 2016 der offizielle Marsch der Farc Mitglieder in die Entwaffnungszonen begann. Am 10. Dezember 2016 erhielt Präsident Santos den Friedensnobelpreis für die Friedensverhandlungen mit der Farc. In den darauffolgenden Wochen gab es immer wieder Meldungen über Mängel in den Übergangszonen und neue Angriffe illegaler Organisationen auf die ehemals von der Farc besetzten Territorien. Der ehemalige deutsche Außenministers Steinmeier und der französische Präsident Hollande besuchten zwei Entwaffnungszonen im Januar 2017. Mitte Februar trafen die letzten Farc Kämpfer in den Übergangszonen ein, sodass sich ungefähr 7000 Farc Mitglieder in den Zonen befanden. Am 1. März wurde die Waffenabgabe der Farc an UN Mitarbeiter in drei Entwaffnungszonen der Region Meta initiiert.