Das „Nein“: Ungleichheit als Ursache für das Scheitern des Plebiszits

Von: Vanessa Arnhold (Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, 4. Semester)

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war Kolumbien vom bewaffneten Konflikt zwischen der Guerilla FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) und der kolumbianischen Regierung gekennzeichnet. Lange Zeit war nicht abzusehen, dass es eines Tages zu einer Einigung beider Parteien kommen sollte, die diese kriegerische Auseinandersetzung ein für alle Mal beilegen sollte. Am 18. Oktober 2012 war es schließlich so weit: Trotz einer fehlenden Waffenstillstandsvereinbarung wurden die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien aufgenommen. Nach knapp vier Jahren am Verhandlungstisch wurde am 24. August 2016 schließlich die endgültige Vereinbarung (Acuerdo final para la terminación del conflicto y la construcción de una paz estable y duradera) zur Beendigung des Konfliktes unterzeichnet. Nun mussten nur noch die wahlberechtigten StaatsbürgerInnen diesem ausgearbeiteten Friedensabkommen per Plebiszit zustimmen. Trotz aller Prognosen für einen -Ausgang der Abstimmung, entschied sich eine knappe Mehrheit der WählerInnen am 2. Oktober 2016 gegen den Vorschlag.

Die Ursachen für das Scheitern des Plebiszits sind vielschichtig. Einen Grund lässt sich sicher in der großen sozialen Ungleichheit in der kolumbianischen Bevölkerung ausmachen. Das daraus resultierende stark ungleiche Machtgefüge diente der FARC von jeher als Rechtfertigung für ihre Kampfhandlungen. Bei ihrer Gründung am 27. Mai 1964 beruft sie sich auf die massiven Repressionen seitens des Staates gegenüber Bauern und Bäuerinnen und erklärt ihr Vorgehen als Schutzmaßnahmen für die ländliche Bevölkerung vor Angriffen, welche durch die damalige Regierung initiiert worden waren (Müller-Seedorf 2014: 1; Schuster 2015: 67). Ihr Agieren als Gegenspieler zur Elite Kolumbiens lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, die mal mehr und mal weniger durch bürgerkriegsähnliche Zustände gekennzeichnet sind. (Schuster 2015: 74).

Ihr Handlungsfeld waren insbesondere die ländlicheren Gebiete Kolumbiens. Dieser Umstand ermöglichte es der FARC zudem, den Militärs durch lokale räumliche Gegebenheiten oftmals überlegen zu sein. Außerdem sind vor allem genau diese Gebiete vom starken Gefälle zwischen arm und reich betroffen. Bis heute existiert noch das Hazienda-System in abgewandelter Form, was den ungleichen Landbesitz rechtlich festschreibt. Aus diesem Grund findet man dort auch einen hohen Gini-Koeffizienten vor. Im Jahre 2015 lag er bei 0,88. An dieser Zahl lässt sich ableiten, dass die kolumbianische Gesellschaft von tiefer sozialer Exklusion gekennzeichnet ist. Mehr als 60% der Bevölkerung sind arm. Bei der Landbevölkerung erhöht sich die Zahl sogar auf 80% (Garay S. 2003: 22; Stone 2016: 3). Darüber hinaus hat der wirtschaftliche Wandel zur Verdrängung der traditionellen Landbevölkerung in vielen Regionen geführt. Daneben gibt es die unzähligen internen Vertriebenen, die in Folge von Gewalt all ihr Hab und Gut verloren haben. Beide Entwicklungen lassen sich auch nach einem Friedensabschluss nicht rückgängig machen. Aus diesem Grund bestand die zentrale Herausforderung darin, den Pakt zwischen der Regierung und der FARC in einen breiten gesellschaftlichen Konsens für eine friedliche Zukunft des Landes zu übertragen. International erhielten die Friedensverhandlungen zwar viel Zustimmung, die öffentliche Meinung in Kolumbien blieb jedoch bis zuletzt tief gespalten (Kurtenbach/Lutscher 2015: 1).

Das Abstimmungsergebnis bedeutet jedoch nicht, dass die Mehrheit der KolumbianerInnen eine Fortführung der bewaffneten Auseinandersetzung bevorzugt. Viele No-Stimmen wollen auf diese Weise verhindern, der FARC eine politische Bühne zu bieten und erhoffen sich mehr Gerechtigkeit bei den Gerichtsprozessen, jenseits einer Mentalität der Straflosigkeit. Nach dem Scheitern des Plebiszits am 2. Oktober 2016 wurden die Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC fortgeführt.

Momentan wird von den BürgerInnen Kolumbiens mehr Beteiligungsmöglichkeiten an den Verhandlungen eingefordert. Auch wenn das Ende eines Krieges nicht automatisch Frieden bedeutet, da sich die Gewalt aus dem politischen Raum verlagern kann, ist Kolumbien dennoch auf einem Weg, an dessen Ende einmal ein friedliches Zusammenleben der kolumbianischen Bevölkerung stehen könnte. Ein nachhaltiger Friede hängt jedoch vom Willen der beteiligten Eliten ab grundlegende soziale Reformen zu verabschieden, die der großen sozialen Ungleichheit und der Exklusion ein Ende setzen (Kurtenbach 2012: 1).